1. Wir können uns ändern
Gesellschaftlicher Wandel jenseits von
Kapitalismuskritik und Revolution
eine kurze Zusammenfassung des Buches
von Felix Eckardt
erstellt anlässlich des Herbst-Seminars 2017
der Zukunftswerkstatt Jena von Reiner
28.10.20171
2. Nachhaltigkeit
Felix Eckardt – „Wir können uns ändern“ oekom-Verlag
München 2017
Nachhaltigkeit in diesem Sinne:
„ein dauerhaft und weltweit durchhaltbares Leben und
Wirtschaften“
Problem: Transformation zu einer nachhaltigen
Gesellschaft
Welche Bedingungen gelten für eine solche Transformation
Individuelle Handlungsbegründungen
Gesellschaftliche Randbedingungen
Wechselwirkungen
28.10.20172
3. Veränderung tut not
Aber: Können wir uns einfach so verändern?
Was treibt Menschen und Gesellschaften an?
Was ermöglicht Wandel und was blockiert ihn?
Was sind die Triebkräfte menschlichen Verhaltens und wie gehen
daraus Handlungen und Strukturen hevor?
Grundstrukturen menschlicher Gefühle lassen sich nur schwer
ändern, ebenso sein überwiegend (nicht ausschließlich)
eigennütziges Verhalten
Jedoch: Wertvorstellungen und das Empfinden, was
„Normal“ ist, sind (in gewissen Grenzen) beweglich
Ausgangsthesen
28.10.20173
4. Es gibt viele Situationen, in denen ich sage, ich muss mich
(ich muss mein Leben) ändern
Es gibt genauso viele vermeintlich wissende Vorschläge,
wie das zu tun ist
Ratgeber sind inflationär zu allen möglichen und unmöglichen
Themen
Dabei setzen wir immer voraus, dass wir uns auch einfach so
ändern KÖNNEN
… und wenn wir es dann probieren, geht es daneben –
Warum? – Wie sind wir (bin ich) so geworden?
Was treibt uns Menschen überhaupt an, so zu sein, wie wir
sind?
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.20174
5. Auf der Ebene der Gesellschaft eine ähnliche Situation:
Klimawandel, Bodendegradation, Wasserversorgung, Ökosystem,
Meeresschutz, Stickstoff-Kreislauf, Biodiversität – die Menschheit
überschreitet planetare Grenzen und zerstört damit ihre
Lebensgrundlagen
Ursächlich dafür ist die Nutzung fossiler Brennstoffe für Strom,
Wärme, Verkehr, Kunstdünger, …
Es besteht die dringende Notwendigkeit zum Wandel
Alle Fakten sind bekannt – sowohl die Menschheit als Ganzes als auch
wir in unserem Alltag wissen, was an Veränderung notwendig wäre
Viele für eine Transformation geeignete Techniken sind vorhanden und
volkswirtschaftlich sogar günstiger als einfach so weiter zu machen
Und es passiert: Wenig bis Nichts – Welche Gründe gibt es dafür?
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.20175
6. Persönlicher (individueller) und gesellschaftlicher Wandel
müssen im Zusammenhang betrachtet werden –
dogmatisches Unterscheiden zwischen einer Mikro- und
einer Makroebene führt nicht weiter:
„Veränderung versteht, wer die Antriebe menschlichen
Verhaltens versteht. Und Gesellschaften versteht, wer
einzelne Menschen versteht.“
Scheinbar ist für die Analyse des Wandels eine
Entscheidung nötig:
Rückführung gesellschaftlicher Vorgänge auf Individuen oder
Betrachtung der Gesellschaft (oder struktureller Teile davon)
als eigenständige Sinneinheit
Diese Gegenüberstellung führt nicht weiter
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.20176
7. Frage: Um welche Akteure geht es beim gesellschaftlichen
Wandel eigentlich?
„die Politik“ mit ihrem rechtlichen Instrumentarium?
die Unternehmen?
die Bürgerinnen und Bürger?
die Lobby-Verbände?
Der Klimawandel und die meisten Ressourcen- und
Senken-Probleme gehen auf für sich genommen
irrelevante Handlungen der meisten Menschen in den
Industriestaaten sowie der Oberschichten in den
Schwellenländern zurück
das geschieht üblicherweise, ohne dass diese Menschen
besonders darüber nachdenken
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.20177
8. Theoretisch kann jeder Bewohner des globalen Nordens
die Klima- und Energiewende massiv voranbringen:
Urlaubsflüge vermeiden
auf motorisierten Individualverkehr weitgehend verzichten
den Konsum tierischer Nahrungsmittel minimieren
wenig heizen oder besser Wärmedämmen
energieeffiziente Produkte nutzen
im Stadtzentrum und nicht verkehrstreibend in der Peripherie
wohnen
den verbleibenden Stromverbrauch mit Solarstrom decken
generell weniger kaufen
Wie gesagt: Theoretisch
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.20178
9. Auch Theoretisch:
Warum erzwingt die Politik keine nachhaltigeren Lebens- und
Wirtschaftsformen? – sie besteht ja auch aus Menschen mit
allgemeinmenschlichen Verhaltensantrieben
Warum stellen Unternehmen nicht auf nachhaltige Produkte
um?
Problem: Wechselwirkung
Es braucht und gibt Kunden, die zuvörderst billig kaufen und
nicht nach Herstellungsbedingungen fragen
Unternehmen machen die Angebote, die sie auch (mit
Gewinn) verkaufen können, Marketing
Damit bleibt die Wachstumsspirale in Gang
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.20179
10. Auch: Politiker und Wähler
Nachhaltige Politikangebote werden nur unterbreitet, wenn sie
ein hinreichendes Maß an Unterstützung finden (Wiederwahl!)
Umgekehrt: Ich kann eine solche Option nur dann wählen, wenn
sie von der Politik auch offeriert wird
Auch: Medien und Politik
gesellschaftliche Diskurse über echte inhaltliche Probleme
werden zunehmend durch Personalisierung und Inszenierung
verdrängt (Wahlkampf, Talkshows, …)
Auch: Mehrebenen-System der Politik
verschiedene Politikebenen (EU, Bund, Land, Kommune) können
sich wechselseitig antreiben oder ausbremsen
Ist ein Komplex mehrfach verschachtelter Teufelskreise
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.201710
11. Die Wechselwirkung bedingt, dass die Bedingungen des
Wandels zwingend gleichzeitig auf der individuellen und
der gesellschaftlichen Ebene betrachtet werden müssen
„Jede kollektive oder strukturelle Ebene würde […] die
konkreten Motive von Menschen oder zusammenwirkenden
Menschengruppen oder zumindest deren Nebenfolgen und
aggregierten Handlungsfolgen ausdrücken.“
„Umgekehrt ist jedes Individuum natürlich Produkt der
Strukturen, in die es hineinsozialisiert wurde.“
„Pointiert formuliert: Alle relevanten motivationalen
Faktoren begegnen uns in uns selbst, aber auch in
struktureller – aber eben auch wieder menschlicher –
Verfestigung.“
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.201711
12. „So sind politischer Machterhalt oder unternehmerische
Kapitalakkumulation letztlich kollektivierte Varianten von
Faktoren, die sich beispielsweise als Eigennutzenkalküle und
Pfadabhängigkeit benennen lassen und die auch im
individuellen Leben eine große Rolle spielen.“
Ebenso ist auch keine klare Trennung zwischen Mikro- und
Makroebene möglich
Ich bin jeden Tag mit meinen vermeintlich kleinen Handlungen
am Kapitalismus beteiligt: Ist das Mikro- oder Makroebene?
Oder beim Streit um einzelne Politiker (z. B. Bundeskanzlerin): Ist
das Mikro- oder Makroebene?
Der einzelne Mensch ist gleichermaßen Ursache und
Ausdruck sozialer Ursachen und Zwänge.
gesellschaftlicher und individueller Wandel
28.10.201712
13. fehlende Nachhaltigkeit des Lebensstils des globalen
Nordens hat zu den Problemen geführt
Letztlich Ergebnis eines Entwicklungspfades, der mit der
industriellen Revolution dominant wurde
bisherige Gegenmaßnahmen seitens der Verursacher sind
mehr als unzureichend; von dem erforderlichen Ausstieg
aus den fossilen Brennstoffen innerhalb der nächsten
wenigen Jahre sind wir meilenweit entfernt
Rein technische Lösungen (Geoengineering) sind genauso
untauglich wie Technik-Bashing und die Propagierung des
vollständigen Ausstiegs
Ohne Verzicht auf heutige Gewohnheiten geht es nicht
Aspekte der gegenwärtigen Problemlage
28.10.201713
14. innerhalb der kapitalistischen Wachstumsgesellschaft ist
eine Lösung nicht möglich
Ergibt sich die Frage nach einer Post-
Wachstumsgesellschaft und dem Übergang dorthin
Was ist dann mit: Staatsverschuldung? – Steuersystem?
– Rentenversicherung? – Arbeitsmarkt? – Bankenwesen?
Kapitalismus wird mit einem Ende des Wachstums vielleicht
nicht sofort auch beendet sein; vermutlich wird es
Übergangsformen geben
Einfache Antworten wird es nicht geben, sie wären
„unterkomplex“
Aspekte der gegenwärtigen Problemlage
28.10.201714
15. der geschichtsphilosophische Ansatz, die menschliche
Entwicklung sei eine permanente Höherentwicklung, sei
voranschreitender gesellschaftlicher und technischer
Fortschritt ist zu einfach
Zu unterscheiden ist auch, was für ein Verhalten sein sollte
von der Beschreibung, was für ein Verhalten faktisch zu
konstatieren ist
Problem dabei: menschliche Tendenz, solche Erklärungen
eher für wahr zu halten, die den eigenen Vorstellungen
entgegenkommen
Aspekte der gegenwärtigen Problemlage
28.10.201715
16. Menschliches Verhalten und seine Ursachen
Befragungen oder Laborexperimente sind unzureichend
(spieltheoretische Ansätze, „Homo oeconomicus“,
Verhaltensexperimente)
Deren Ergebnisse liefern bestenfalls ein verzerrtes Bild
kritische Psychologie: nicht über die Menschen reden, mit
ihnen ihre je eigenen Beweggründe für ihr Handeln erkunden
ebenso:
umfangreiche Fremd- und Selbstbeobachtung des realen
Verhaltens (teilnehmende Beobachtung)
Problem: falsche Selbsteinschätzung (z. B. sehr
umweltfreundliches Selbstbild bei immensem ökologischem
Fußabdruck)
Bausteine zum Verstehen von Wandel
28.10.201716
17. Wissen allein reicht nicht, um Verhaltensänderungen zu
bewirken
selbst wenn die Fakten hinreichend bekannt sind, erfolgt
oftmals keine Veränderung (Rauchen, eigene Ökobilanz, …)
Gründe:
Der Fakt liefert für sich noch keinen normativen Maßstab, ob
gehandelt werden muss oder nicht
Die Relevanz des Wissens hängt davon ab, ob ich mich dafür
interessiere oder auch nicht
Häufig sogar wider besseren Wissens: Wähler der Grünen
fliegen statistisch am meisten, kritisieren das Fliegen jedoch
am heftigsten („Wollen überformt Wissen“)
Baustein Wissen
28.10.201717
18. Häufige Aussage: „Ich bin mir der Klimaproblematik ja
bewusst“ – „Bewusstsein“ – enthält auch ein Werturteil pro
Klimaschutz
Bei alltäglicher Beobachtung erscheint das aber eher als
Schutzschild gegen tatsächliche Verhaltensänderungen
Beim Nachhaken oft Abwehr bis Aggression
Fazit: Wissensvermittlung ja, aber nicht in erster Linie.
Wichtig sind die Faktoren, die unser Wissen unterlaufen,
behindern oder verdrehen. Unsere Ziele können nicht aus
reinem Faktenwissen entstehen.
Baustein Wissen
28.10.201718
19. Eigennutz, Profit- und Machtstreben, Homo oeconomicus
Oft stehen handfeste egoistische Interessen einer
Veränderung im Wege
Gilt sowohl für den Einzelnen als auch strukturell in Form von
politischer und wirtschaftlicher Macht
Gelegentlich wird dieser Faktor Eigennutzenkalkül
verabsolutiert und als allgemein menschliche Eigenschaft
dargestellt (Ökonomen)
Egoismus ist an vielen Stellen tatsächlich zu beobachten;
individuell wie auch auf gesellschaftlicher Ebene
Auf dieser Ebene hat dieses Prinzip quasi ein Eigenleben
entwickelt; es scheint sich auf sich selbst zu beziehen
Baustein Eigennutzenkalkül
28.10.201719
20. kapitalistische Wirtschaftsordnung erscheint als nicht mehr
hinterfragbar; „Sieg“ des Wettbewerbs, der kühlen
Kalkulation, des Strebens nach maximaler Effektivität, des
maximalen Profits
Ist jedoch so nicht haltbar
nicht alle entscheidungsrelevanten Faktoren werden in der
Praxis berücksichtigt, zum Teil nicht einmal identifiziert – egal
auf welcher Ebene
Der Homo oeconomicus ist eine rein theoretische Figur
Häufige Beweggründe: Bequemlichkeit, Gewohnheit,
Bauchgefühl, Verdrängung, Spontaneität (Merkel 2015?)
Baustein Eigennutzenkalkül
28.10.201720
21. Fazit
So wichtig ein finanzieller oder machtpolitischer Vorteil auch
ist – sozialen Wandel dadurch auszulösen, dass
Eigennutzenkalküle berücksichtigt werden und versucht wird,
diese zu beeinflussen greift zu kurz
eine einseitig ökonomische Diskussion (z. B.
unternehmerische Gewinnchancen durch bessere
Ressourceneffizienz) wäre unvollständig, so wichtig dieser
Aspekt auch ist
Baustein Eigennutzenkalkül
28.10.201721
22. Gene, Evolutionsbiologie, Hirnforschung
diskutiert wird die Entwicklungsgeschichte des Menschen
und dessen Prägung bis heute
ist eine biologische Begründung des Eigennutzen-Strebens
des Menschen, er hat sich in Konkurrenz durchgesetzt
Kooperatives und altruistisches Verhalten wird als
Gruppenegoismus interpretiert, die wiederum in der
Geschichte erfolgreicher waren als andere Gruppen
Ist jedoch so nicht haltbar
Menschen haben eine Kultur ausgeprägt, die ebenfalls
handlungsleitend sein kann und ist; rein biologische
Erklärungen greifen zu kurz
Baustein biologisches Erbe
28.10.201722
23. Normalitätsvorstellungen (Baselines)
sind unbewusst, allgegenwärtig, stabil aber auch wandelbar
Neben dem Streben nach Eigennutzen erscheint die
menschliche Neigung nach Konformität recht dominant
Orientierung an anderen Menschen, an dem, was üblich ist
andere Begriffe: mentale Infrastruktur, Baselines,
Gruppendenken, vorbewusste Ordnung
sind halb- oder unbewusst und alltagskulturell geprägt
im Unterschied zu Werthaltungen, die bewusst sind (wobei es
Überschneidungen gibt)
Baselines sind typischerweise vielen Menschen gemeinsam,
können aber von Mensch zu Mensch variieren oder sich auf
Gruppen reduzieren
Baustein Normalität
28.10.201723
24. Weder Gewohnheiten noch Normalitätsvorstellungen müssen
bewusst angenommen werden
ist eher ein schleichender Prozess
Vor allem Kindheit und kulturelles Umfeld sind bedeutsam
Aber: Wir alle tragen durch unser tägliches Handeln dazu bei,
Normalitätsvorstellungen fortzuschreiben oder zu
modifizieren (bewusst oder unbewusst)
sie können jedoch nicht beliebig modifiziert werden
(Wechselwirkungen!)
Normalitätsvorstellungen sind letztlich neben Wissen und
Eigennutzen eine weitere zu erfassende Kategorie, wenn
Wandel verstanden bzw. beeinflusst werden soll
Baustein Normalität
28.10.201724
25. Gefühle sind vielleicht der wichtigste Faktor für
Nachhaltigkeit und Wandel
sind offensichtlichster Ausdruck des
evolutionsgeschichtlichen Erbes der Menschheit
Neigungen zu Gewohnheit, Bequemlichkeit, Verdrängung,
Geltungsdrang, Selbsterhaltung
Wunsch nach Anerkennung und Vertrauen, nach
Komplexitätsreduktion und Faustregeln
Glaube an „Geschichten“ und einfache Wahrheiten
Wir lassen die Überformung unseres Wissens, unserer Werte
und sogar unseres Eigennutzens zu
Baustein Gefühle
28.10.201725
26. globale Nachhaltigkeitsprobleme bieten viele
Anknüpfungspunkte für das Wirksamwerden von
Gefühlen, vor allem im hinderlichen Sinne
Umgang mit Wahrscheinlichkeiten, mit räumlich wie zeitlich
weit entfernten, unsichtbaren und hochkomplexen
Zusammenhängen sind emotional schwer zu erfassen
Im Gegensatz dazu sind die Vorteile der täglichen Autofahrt
hier und heute gut fühlbar
Oder dass jemand traurig ist, weil ich mit ihm (ihr) nicht in
Urlaub nach Ägypten(?) fliege
raumzeitliche Entfernung reduziert Empathie massiv
(Katastrophenmeldungen in Nachrichten)
Auch: Milgram-Experiment
Baustein Gefühle
28.10.201726
27. Menschen haben offenbar „gefühlsmäßig ein beachtliches
Talent zur Bequemlichkeit, zum Verweilen beim
Gewohnten, zum Verdrängen unliebsamer
Zusammenhänge und dazu, andere noch schlimmer zu
finden und sich damit zu rechtfertigen.“
Evolutionsbiologisch: Hang dazu, mehr haben zu wollen,
als eigentlich nötig
Ebenso: Anerkennung erheischen durch „Positionsgüter“
(dickes Auto, häufige Fernreisen, …)
Ebenso: Abwehrreflex bei Kritik – wer demonstriert schon
gegen sich selbst
Baustein Gefühle
28.10.201727
28. Problem: Vermeidung gewisser Kenntnisnahmen
Nicht den Widerspruch zwischen unserer Einstellung und
unserem Verhalten sehen
wird überdeckt, indem Ausreden erfunden werden, negative
Handlungen schlicht „vergessen“ werden und positive künstlich
aufgeblasen oder gar dazuerfunden werden
Dazu: gleitende Veränderungen werden „übersehen“
Nichtwahrnehmung sich wandelnder Normalitäten – der
eigene Wohlstand wird, bei wachsendem ökologischen
Fußabdruck, quasi als naturgegeben betrachtet
betrifft alle Menschen, auch bspw. Klimaaktivisten
Baustein Gefühle
28.10.201728
29. Unser Verhalten wird jedoch nicht nur durch die Vielfalt
von Triebkräften bestimmt, sondern findet innerhalb
konkreter Rahmenbedingungen statt
Diese wiederum sind Ergebnis früherer menschlicher
Entscheidungen: Pfadabhängigkeit
Praxis eines „anderen“ Lebensstils ist durch technisch-
ökonomische Pfadabhängigkeiten erschwert
es ist wesentlich leichter, im gängigen Zivilisations- und
Wirtschaftsmodell zu bleiben, als daraus auszubrechen
Auch: „Beharrungsvermögen“ durch getroffene
Entscheidungen (langfristige Zulassung von
Kohlekraftwerken oder Glyphosat)
Baustein Pfadabhängigkeit
28.10.201729
30. ähnlich gelagert: Kollektivgutprobleme
Wenn wir Klima als Allgemeingut (Allmende) betrachten,
dann taucht die „Tragik der Allmende“ auf
ich weiß, dass Klimaschützende Handlungen zuweilen Verzicht
bedeuten können
trotz meines Verzichts wird sich an der Klimaproblematik nichts
ändern
ich kann mir aber auch nicht „mein Stück Klima“ sichern
die Gewissheit, dass letztlich fast jeder das Klima nach
Kräften nutzen wird bis ein Zusammenbruch letztlich allen
schadet dürfte ziemlich entmutigend sein
Baustein Pfadabhängigkeit
28.10.201730
31. „Wir sind scheinbar nur ein winziger Teil eines großen
Problems, welches jedoch genau durch unsere kleinen,
unschuldigen, alltäglichen Handlungen erst entsteht“
Und will man das Problem durch Vereinbarungen lösen,
dann weiß man wegen erwartbarer Eigennutzenkalküle
nicht, ob die anderen sich daran halten
Baustein Pfadabhängigkeit
28.10.201731
32. Menschliche Ziele können auch eine innere rationale
Überzeugung von der Richtigkeit bestimmter normativer
Werte bzw. Prinzipien ausdrücken.
Ethik kann über die biologisch angelegte Suche nach
Belohnungen bezüglich unseres Eigennutzen siegen
Altruismus ist möglich, auch über enge Gruppengrenzen
hinaus
Baustein Werte und Wertewandel
28.10.201732
33. Kultur: Gesamtheit der Praktiken, Sitten und Gebräuche,
die nicht angeboren sondern sozial erworben sind
„Das jeweilige Wirtschaftssystem sowie technische
Entwicklungsstände kann man als Unteraspekte von Kultur
begreifen.“
Es gibt eine nachhaltigkeitsrelevante okzidentale
Kulturgeschichte, die schrittweise exportiert wurde
frühe Neuzeit, kleine Eiszeit, wachsende Bevölkerung
Produktivität musste gesteigert werden
Ursprung moderner Wirtschaft, Naturwissenschaft, Technik,
Recht, Buchführung, …
Kapitalismus und zugehörige Weltanschauungen prägen bis
heute wesentlich okzidentale Normalitätsvorstellungen
Baustein Kultur
28.10.201733
34. Freiheitsideal stand in Wechselwirkung mit den bis dato
größten Selbstentfaltungs-Möglichkeiten
Basis für Individualismus, klassischer Liberalismus
Problem: Menschliche Freiheit kann schwerlich ohne
bestimmte physische Voraussetzungen existieren
Zentrierung um Arbeit und Individualität auch durch
Calvinistischen Protestantismus befördert (Sichtbarmachung
der göttlichen Berufung); Vernunft in Wert- und
Glaubensfragen wurden bezweifelt (S. 86)
Baustein Kultur
28.10.201734
35. Macht das heutige Leben den Menschen unglücklich, weil
er doch eigentlich kooperativ ist?
Glücksforschung und Kapitalismuskritik
Debatte: Konsumismus und Leistungsdruck machen
unglücklich; wenn das stimmt, wäre Suffizienz ein
„Glücksprogramm“
Real aber ist: es wird gekauft, was das Zeug hält, denn
bestimmend sind:
„was möchte ich vs. was habe ich“ und
„was habe ich in Relation zu den anderen in meiner Umgebung“
Man kann durchaus zufrieden sein, solange es mit dem
Umfeld halbwegs passend ist, freut sich aber auch, wenn man
besser da steht.
Baustein Kooperation
28.10.201735
36. Entscheidend ist also nicht der absolute Reichtum,
sondern die gute eigene Situation, verglichen mit anderen
Leuten
und: die Vermeidung eines Abstiegs, weg von einem
Lebensstil, der inzwischen zur Gewohnheit und zur
Normalitätsvorstellung geworden ist
Wichtig: Wohlbefinden sollte komplexer „gemessen“
werden, als durch schlichten Verweis auf das
Wirtschaftswachstum
Baustein Kooperation
28.10.201736
37. Kapitalismus und seine Leistungen: Wechselwirkung
(Ambivalenz) von Wettbewerb (Konkurrenz) und
Kooperation
Kooperation gelingt immer gut auf kleinerer Ebene (Commons);
setzt auf eng abgesteckte Reziprozität (über Gegenleistungen
oder Reputation)
dabei sind Vertrauen, wechselseitige Kontrolle und
unbürokratische Konfliktlösungen möglich
Aber: bei hochaggregierten, komplexen und sehr viele Menschen
betreffende Entscheidungen sind diese Voraussetzungen nicht
einmal ansatzweise gegeben
Baustein Kooperation
28.10.201737
38. Was bestimmt die Möglichkeit individuellen und
gesellschaftlichen Wandels?
Nicht allein der Kapitalismus, das Streben nach Eigennutzen,
mangelnde Bildung oder die Gene – das Bild ist komplexer
Gesellschaftlichen und individuellen Wandel hat es immer
gegeben
Er kann beschrieben und bezüglich seiner vielfältigen
Beweggründe erklärt werden, lässt sich aber nur schwer planen
Wandel geschieht regelmäßig in einem Wechselspiel
verschiedener Akteure. Das muss beeinflusst werden
(Teufelskreise aufbrechen)
Lösungsansätze
28.10.201738
39. Wandel ist jedoch nur sinnvoll, wenn es ein Ziel gibt
Persönlich: Ziel ist frei wählbar (solange kein anderer dadurch
beeinträchtigt wird)
für politische Entscheidungen trifft das so nicht zu: Kann ich
die Selbstbestimmung des Einen mit der Anderer in Einklang
bringen?
Kann mein Ziel Nachhaltigkeit einfach für alle gelten?
Oder ist das normativ geboten (also „gerecht“)
Inwiefern können die Menschenrechte (Handlungs-,
Versammlungs-, Berufs-, Meinungs-, Religions-, … -Freiheit)
heute objektiv normativ sein?
Lösungsansätze
28.10.201739
40. Sicherung eine gewissen Existenzminimums (kein Krieg,
halbwegs stabile Ressourcenbasis, entsprechendes
Globalklima) ist als elementares Menschenrecht die
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Freiheiten;
auch zukünftig und weltweit
Staat hat dabei die Aufgabe zu verhindern, dass die Bürger
wechselseitig ihre Nachhaltigkeits-Freiheit zerstören
(muss Rahmen setzen und durchsetzen, denn Verursacher
sind private Unternehmen und Konsumenten)
Viele werden Nachhaltigkeitswende gleichwohl als eher
freiheitseinschränkend erleben (wirtschaftliche Freiheit
und Konsumfreiheit)
Lösungsansätze
28.10.201740
41. 1. Wissen
auf seine Aktivierbarkeit für den Wandel hin befragen
technisches Wissen
Wissen um Verwaltungs (entscheidungs)vorgänge; Transparenz
2. Kollektivgutcharakter
es müssen für alle geltende Regeln erstellt und durchgesetzt
werden (Reziprozität)
z. B. schrittweise Verknappung (Verteuerung) fossiler
Brennstoffe (reflektiert auch den Eigennutzen)
Minimierung von Pfadabhängigkeiten (was wird für wie lange
genehmigt)
Lösungsschritte
28.10.201741
42. 3. Überdenken bisheriger Eigennutzenkalküle
langfristig ist Nachhaltigkeit für alle vorteilhaft
indirekte Wirkungen hervorheben (weniger Abgase heißt
bessere Luft heißt bessere Gesundheit; heißt aber auch weniger
Flüchtlinge weil Kriege um Rohstoffe nicht geführt werden
müssen)
Aufbau politischen Drucks durch die Bürgerschaft
4. Wertewandel
Neue Überzeugungen ausprägen
weg von einem primär konsumorientierten Freiheitsverständnis
ohne Rücksicht auf die Folgen
Glückskonzepte
mit „normativen Visionen“ emotional gefestigte Gewohnheiten
durchbrechen
Lösungsschritte
28.10.201742
43. 5. Normalitätsvorstellungen
können im Prinzip jeden Tag hinterfragt und revidiert werden
können bspw. durch Preise beeinflusst werden (die heute
„normale“ Haushaltsausstattung wäre kaum möglich, wenn die
Geräte sehr teuer wären)
eigenen Lebensentwurf hinterfragen, neue Praktiken
ausprobieren, Gleichgesinnte suchen
Graswurzelinitiativen, Druck auf Politik aufbauen
Konsequent handelnde Vorbilder aufbauen
Wichtig: Normalitätsvorstellungen und Eigennutzenkalküle im
Zusammenhang sehen
6. Emotionen
Bequemlichkeit? Umgang mit Schwierigkeiten?
Lösungsschritte
28.10.201743
44. Keine völlige Loslösung vom Kapitalismus nötig; sehr wohl
aber Einhegung
Wirkmechanismen des Marktes für Einhegung nutzen
Gemeinschaftseigentum an Produktionsmitteln
(Genossenschaften o. ä.)
Wachstumsziel aufgeben
von der materiellen zur ideellen Wohlstandsgesellschaft
Postwachstumsgesellschaft
Salamitaktik statt Revolution
Menschen sind meist nur begrenzt lernfähig
Konsequenzen
28.10.201744