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Praxisbeispiel 1/2014 – 1
PRAXISBEISPIEL
Volksbank Dreieich:
Flexible Arbeitszeiten für alle
Bei der Volksbank Dreieich stehen rund 300 Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter Privat- und Firmenkunden beratend zur
Seite. Dabei zeichnet sich die Volksbank durch eine kun-
dennahe Filialstruktur aus, unterschiedliche Angebote und
Kundeninteressen führen zu unterschiedlichem Bedarf an
Öffnungszeiten und Personalkapazität. Um diesen Anforde-
rungen gerecht zu werden und auch den Beschäftigten
mehr Flexibilität zu ermöglichen, hat die Volksbank ein neu-
es Arbeitszeitmodell entwickelt.
>>> Ausgangslage
Da die geltenden Arbeitszeitregelungen der Volksbank
Dreieich nicht mehr zeitgemäß waren, hat sich der Vor-
stand der Thematik angenommen und eine Anpassung der
Betriebsvereinbarung beschlossen. Hintergrund war zum
einen der Wunsch nach mehr betrieblicher Flexibilität, um
das Beratungsangebot den Kundeninteressen entspre-
chend einzurichten. Dabei bestanden sehr unterschiedli-
che Bedarfe, wie eine Analyse von Simone Back, RKW
Hessen, im Rahmen des Projekts „ArbeitsZeitGewinn“
1
ergab: Öffnungszeiten, Angebotsanforderungen und Kun-
denfrequenz variierten in den kleinen Filialen.
Die durchgeführte Analyse zeigte zudem, dass die beste-
hende Betriebsvereinbarung auch in rechtlicher Hinsicht
auf den neusten Stand gebracht werden sollte: Eine klare
Regelung zur Samstagsarbeit fehlte ebenso wie die Frage,
wie mit aufgebauten Überstunden umgegangen werden
sollte. Ferner sollte das neue Modell dazu beitragen, als
Arbeitgeber zukünftig noch attraktiver zu sein: Gerade im
Bankenraum Frankfurt keine leichte Aufgabe. Hier sollten
mitarbeiterorientierte Arbeitszeitmodelle für eine Verbesse-
rung sorgen. Der Auftrag an die Berater Ulrike Reiche,
Human at Work und Richard Meier-Sydow, AblaufLotse,
für eine anschließende Beratung lautete daher: Eine ge-
naue Analyse mit anschließender, gemeinsamer Entwick-
lung von Eckpunkten für eine neue Betriebsvereinbarung.
1
Das Projekt „ArbeitsZeitGewinn in kleinen und mittleren Unternehmen“
wurde von 2010 bis 2013 vom Bundesministerium für Arbeit und Sozia-
les gefördert. Weitere Informationen unter www.arbeitszeitgewinn.de
>>> Der Prozess
Um eine Akzeptanz der Beratungsergebnisse für alle Un-
ternehmensbereiche und -ebenen zu erreichen, wurde
zunächst ein Leitungsteam zusammengesetzt. Dieses
bestand aus Mitgliedern des Vorstands, des Betriebsrats
und des Personalbereichs.
Darüber hinaus wurde ein Projektteam ins Leben gerufen,
um die diskutierten Lösungen so praxisnah wie möglich zu
gestalten. Für dieses konnten sich Mitarbeiter freiwillig
melden: Insgesamt drei Führungskräfte, zwei Betriebs-
ratsmitglieder sowie weitere Mitarbeiter haben sich zu ei-
nem solchen Team zusammengefunden. Durch die unter-
schiedliche Ausgangssituation der Teammitglieder (Alter,
Tätigkeit im Unternehmen, …) gestaltete sich der Fin-
dungsprozess schwierig. Im Nachhinein hat sich genau
dies jedoch als hilfreich herausgestellt, da durch die unter-
schiedlichen Blickwinkel ein guter Überblick über das Un-
ternehmen gewonnen werden konnte.
In einem ersten Workshop des Projektteams zeigte sich an
der sehr regen Diskussion der Teilnehmer, wie sehr den
Mitarbeitern das Thema unter den Nägeln brannte. Es gab
eine hohe Motivation und viele Ideen, wie man zu einer
schnellen und guten Lösung für die Mitarbeiter käme.
Kritisch wurde dabei jedoch das Interesse der Unterneh-
mensleitung beäugt, durch eine Ausweitung der Öffnungs-
zeiten auch den Arbeitszeitrahmen noch weiter in die Mor-
gen- und Abendstunden auszuweiten. Diese Befürchtung
stellte sich im Nachhinein als unrealistisch heraus.
Praxisbeispiel 1/2014 – 2
>>> Die Pilotphase
Gemeinsam mit dem Leitungs- und dem Projektteam wur-
de an Eckpunkten für eine neue Betriebsvereinbarung
gearbeitet. Grundlage hierfür war neben den Workshops
im Wesentlichen eine Mitarbeiterbefragung, die online
durchgeführt wurde: Von 300 Beschäftigten haben 200 an
dieser teilgenommen, was zu aussagekräftigen Ergebnis-
sen über die Arbeitszeitwünsche führte.
Parallel wurden in einer Pilotphase von vier Wochen neue
Arbeitszeitregelungen getestet. Dafür wurden zwei Filialen
und drei interne Bereiche des Hauptsitzes in Dreieich aus-
gewählt. Die Erfahrungen der Pilotphase brachten wertvol-
le Erkenntnisse für die weitere Entwicklung, u.a.:
 Jeder Mitarbeiter/Jede Mitarbeiterin muss über die Er-
reichbarkeit seiner Kollegen und internen Ansprechpart-
ner Bescheid wissen. Dazu müssen auch verlässliche
Servicezeiten im internen Bereich gewährleistet sein.
 Einige Führungskräfte haben ein hohes Kontrollverhal-
ten. Hier sind Sensibilisierung, Kommunikation aber
auch Planungstools notwendig.
 Feste Pausen für soziale Zeiten haben sich durch Flexi-
bilisierung verändert. Gemeinsame Pausen und Bespre-
chungszeiten fehlten.
>>> Ergebnis: Neues Arbeitszeitmodell
Die Ergebnisse aus Pilotphase und Mitarbeiterbefragung
wurden gegenübergestellt. Daraufhin hat das Beraterteam
die alte Betriebsvereinbarung überprüft und neue Vorschlä-
ge unterbreitet, die dem Leitungsteam vorgelegt wurden.
Am Ende des Beratungsprozesses konnte die Volksbank
Dreieich eine neue Betriebsvereinbarung ausarbeiten, die
für alle Bereiche und Filialen gilt. Sind in einzelnen Filialen
andere Betriebszeiten notwendig, z.B. in einem Einkaufs-
zentrum, werden ergänzende Regelungen gefunden.
Eine wesentliche Änderung mit dem neuen Arbeitszeitmo-
dell ist die Umstellung von täglichen Arbeitszeiten auf eine
wöchentliche. Hierdurch entsteht für die Beschäftigten
mehr Flexibilität bei der täglichen Arbeitszeitgestaltung.
Um dennoch die Erreichbarkeit und adäquate Besetzung
zu gewährleisten, werden die Arbeitszeiten im Vorfeld –
wie bei Funktionszeiten – teamintern und mit der Füh-
rungskraft abgesprochen. Dafür steht täglich ein Arbeits-
zeitrahmen von 7 bis 20 Uhr zur Verfügung. Für eine wei-
tere Flexibilität wurde zudem ein kleines Arbeitszeitkonto
mit bis zu 10 Stunden eingeführt, das die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter nach Absprache nutzen können.
„Mit dem neuen Arbeitszeitmodell haben
unsere Kunden an Beratungsqualität ge-
wonnen. Durch die frühzeitige Einbindung
der Beschäftigten konnten ihre Belange
besser berücksichtigt werden. Die geglück-
te Umsetzung des neuen Modells war dabei
vor allem der neutralen Position der Berater
bei der Analyse und während der Pilotphase geschuldet.“
Dieter Börgers,
Bereichsleiter Personal, Volksbank Dreieich
Die Botschaft an die Mitarbeiter durch den Bankenvorstand
mit den neuen Arbeitszeitregelungen ist: „Arbeitet, wenn
Kunden da sind und geht, wenn die Arbeit erledigt ist.“ An
diese Umstellung – weg von „Dienst nach Vorschrift“ hin zu
selbstverantwortlicher Einteilung der Arbeitszeiten mit der
Rückendeckung, auch einmal früher zu gehen – mussten
sich Führungskräfte und Mitarbeiter zunächst gewöhnen.
Mit Informationen durch den Personalbereich und einer
guten Begleitung des Prozesses wird dies jedoch erfolg-
reich bewältigt werden.
Weitere Informationen finden Sie auch auf unserer
Internetseite: www.arbeitszeitgewinn.de
Bei Fragen…
 zum Projekt und zur Arbeitszeitanalyse:
Simone Back, RKW Hessen, s.back@rkw-hessen.de
 zur Beratung:
Richard Meier-Sydow, AblaufLotse, rms@ablauflotse.de
Ulrike Reiche, Human at Work, info@humanatwork.de
Impressum:
Herausgeber: RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V.
Kompetenzzentrum
Düsseldorfer Straße 40a, 65760 Eschborn
Autorin: Gabriele Gusia (RKW Kompetenzzentrum)
Bildnachweise: Volksbank Dreieich
Stand: März 2014
Download: www.arbeitszeitgewinn.de
Die Reproduktion dieser Veröffentlichung für nichtkommerzielle Zwecke ist bei Angabe der Quelle gestattet.

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Praxisbeispiel Volksbank Dreieich: Flexible Arbeitszeiten für alle

  • 1. Praxisbeispiel 1/2014 – 1 PRAXISBEISPIEL Volksbank Dreieich: Flexible Arbeitszeiten für alle Bei der Volksbank Dreieich stehen rund 300 Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter Privat- und Firmenkunden beratend zur Seite. Dabei zeichnet sich die Volksbank durch eine kun- dennahe Filialstruktur aus, unterschiedliche Angebote und Kundeninteressen führen zu unterschiedlichem Bedarf an Öffnungszeiten und Personalkapazität. Um diesen Anforde- rungen gerecht zu werden und auch den Beschäftigten mehr Flexibilität zu ermöglichen, hat die Volksbank ein neu- es Arbeitszeitmodell entwickelt. >>> Ausgangslage Da die geltenden Arbeitszeitregelungen der Volksbank Dreieich nicht mehr zeitgemäß waren, hat sich der Vor- stand der Thematik angenommen und eine Anpassung der Betriebsvereinbarung beschlossen. Hintergrund war zum einen der Wunsch nach mehr betrieblicher Flexibilität, um das Beratungsangebot den Kundeninteressen entspre- chend einzurichten. Dabei bestanden sehr unterschiedli- che Bedarfe, wie eine Analyse von Simone Back, RKW Hessen, im Rahmen des Projekts „ArbeitsZeitGewinn“ 1 ergab: Öffnungszeiten, Angebotsanforderungen und Kun- denfrequenz variierten in den kleinen Filialen. Die durchgeführte Analyse zeigte zudem, dass die beste- hende Betriebsvereinbarung auch in rechtlicher Hinsicht auf den neusten Stand gebracht werden sollte: Eine klare Regelung zur Samstagsarbeit fehlte ebenso wie die Frage, wie mit aufgebauten Überstunden umgegangen werden sollte. Ferner sollte das neue Modell dazu beitragen, als Arbeitgeber zukünftig noch attraktiver zu sein: Gerade im Bankenraum Frankfurt keine leichte Aufgabe. Hier sollten mitarbeiterorientierte Arbeitszeitmodelle für eine Verbesse- rung sorgen. Der Auftrag an die Berater Ulrike Reiche, Human at Work und Richard Meier-Sydow, AblaufLotse, für eine anschließende Beratung lautete daher: Eine ge- naue Analyse mit anschließender, gemeinsamer Entwick- lung von Eckpunkten für eine neue Betriebsvereinbarung. 1 Das Projekt „ArbeitsZeitGewinn in kleinen und mittleren Unternehmen“ wurde von 2010 bis 2013 vom Bundesministerium für Arbeit und Sozia- les gefördert. Weitere Informationen unter www.arbeitszeitgewinn.de >>> Der Prozess Um eine Akzeptanz der Beratungsergebnisse für alle Un- ternehmensbereiche und -ebenen zu erreichen, wurde zunächst ein Leitungsteam zusammengesetzt. Dieses bestand aus Mitgliedern des Vorstands, des Betriebsrats und des Personalbereichs. Darüber hinaus wurde ein Projektteam ins Leben gerufen, um die diskutierten Lösungen so praxisnah wie möglich zu gestalten. Für dieses konnten sich Mitarbeiter freiwillig melden: Insgesamt drei Führungskräfte, zwei Betriebs- ratsmitglieder sowie weitere Mitarbeiter haben sich zu ei- nem solchen Team zusammengefunden. Durch die unter- schiedliche Ausgangssituation der Teammitglieder (Alter, Tätigkeit im Unternehmen, …) gestaltete sich der Fin- dungsprozess schwierig. Im Nachhinein hat sich genau dies jedoch als hilfreich herausgestellt, da durch die unter- schiedlichen Blickwinkel ein guter Überblick über das Un- ternehmen gewonnen werden konnte. In einem ersten Workshop des Projektteams zeigte sich an der sehr regen Diskussion der Teilnehmer, wie sehr den Mitarbeitern das Thema unter den Nägeln brannte. Es gab eine hohe Motivation und viele Ideen, wie man zu einer schnellen und guten Lösung für die Mitarbeiter käme. Kritisch wurde dabei jedoch das Interesse der Unterneh- mensleitung beäugt, durch eine Ausweitung der Öffnungs- zeiten auch den Arbeitszeitrahmen noch weiter in die Mor- gen- und Abendstunden auszuweiten. Diese Befürchtung stellte sich im Nachhinein als unrealistisch heraus.
  • 2. Praxisbeispiel 1/2014 – 2 >>> Die Pilotphase Gemeinsam mit dem Leitungs- und dem Projektteam wur- de an Eckpunkten für eine neue Betriebsvereinbarung gearbeitet. Grundlage hierfür war neben den Workshops im Wesentlichen eine Mitarbeiterbefragung, die online durchgeführt wurde: Von 300 Beschäftigten haben 200 an dieser teilgenommen, was zu aussagekräftigen Ergebnis- sen über die Arbeitszeitwünsche führte. Parallel wurden in einer Pilotphase von vier Wochen neue Arbeitszeitregelungen getestet. Dafür wurden zwei Filialen und drei interne Bereiche des Hauptsitzes in Dreieich aus- gewählt. Die Erfahrungen der Pilotphase brachten wertvol- le Erkenntnisse für die weitere Entwicklung, u.a.:  Jeder Mitarbeiter/Jede Mitarbeiterin muss über die Er- reichbarkeit seiner Kollegen und internen Ansprechpart- ner Bescheid wissen. Dazu müssen auch verlässliche Servicezeiten im internen Bereich gewährleistet sein.  Einige Führungskräfte haben ein hohes Kontrollverhal- ten. Hier sind Sensibilisierung, Kommunikation aber auch Planungstools notwendig.  Feste Pausen für soziale Zeiten haben sich durch Flexi- bilisierung verändert. Gemeinsame Pausen und Bespre- chungszeiten fehlten. >>> Ergebnis: Neues Arbeitszeitmodell Die Ergebnisse aus Pilotphase und Mitarbeiterbefragung wurden gegenübergestellt. Daraufhin hat das Beraterteam die alte Betriebsvereinbarung überprüft und neue Vorschlä- ge unterbreitet, die dem Leitungsteam vorgelegt wurden. Am Ende des Beratungsprozesses konnte die Volksbank Dreieich eine neue Betriebsvereinbarung ausarbeiten, die für alle Bereiche und Filialen gilt. Sind in einzelnen Filialen andere Betriebszeiten notwendig, z.B. in einem Einkaufs- zentrum, werden ergänzende Regelungen gefunden. Eine wesentliche Änderung mit dem neuen Arbeitszeitmo- dell ist die Umstellung von täglichen Arbeitszeiten auf eine wöchentliche. Hierdurch entsteht für die Beschäftigten mehr Flexibilität bei der täglichen Arbeitszeitgestaltung. Um dennoch die Erreichbarkeit und adäquate Besetzung zu gewährleisten, werden die Arbeitszeiten im Vorfeld – wie bei Funktionszeiten – teamintern und mit der Füh- rungskraft abgesprochen. Dafür steht täglich ein Arbeits- zeitrahmen von 7 bis 20 Uhr zur Verfügung. Für eine wei- tere Flexibilität wurde zudem ein kleines Arbeitszeitkonto mit bis zu 10 Stunden eingeführt, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Absprache nutzen können. „Mit dem neuen Arbeitszeitmodell haben unsere Kunden an Beratungsqualität ge- wonnen. Durch die frühzeitige Einbindung der Beschäftigten konnten ihre Belange besser berücksichtigt werden. Die geglück- te Umsetzung des neuen Modells war dabei vor allem der neutralen Position der Berater bei der Analyse und während der Pilotphase geschuldet.“ Dieter Börgers, Bereichsleiter Personal, Volksbank Dreieich Die Botschaft an die Mitarbeiter durch den Bankenvorstand mit den neuen Arbeitszeitregelungen ist: „Arbeitet, wenn Kunden da sind und geht, wenn die Arbeit erledigt ist.“ An diese Umstellung – weg von „Dienst nach Vorschrift“ hin zu selbstverantwortlicher Einteilung der Arbeitszeiten mit der Rückendeckung, auch einmal früher zu gehen – mussten sich Führungskräfte und Mitarbeiter zunächst gewöhnen. Mit Informationen durch den Personalbereich und einer guten Begleitung des Prozesses wird dies jedoch erfolg- reich bewältigt werden. Weitere Informationen finden Sie auch auf unserer Internetseite: www.arbeitszeitgewinn.de Bei Fragen…  zum Projekt und zur Arbeitszeitanalyse: Simone Back, RKW Hessen, s.back@rkw-hessen.de  zur Beratung: Richard Meier-Sydow, AblaufLotse, rms@ablauflotse.de Ulrike Reiche, Human at Work, info@humanatwork.de Impressum: Herausgeber: RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. Kompetenzzentrum Düsseldorfer Straße 40a, 65760 Eschborn Autorin: Gabriele Gusia (RKW Kompetenzzentrum) Bildnachweise: Volksbank Dreieich Stand: März 2014 Download: www.arbeitszeitgewinn.de Die Reproduktion dieser Veröffentlichung für nichtkommerzielle Zwecke ist bei Angabe der Quelle gestattet.