4. 4
I. Warum dieses Thema ?
II. Kurze Migrationsgeschichte der türkischen Einwanderer
III. Kulturelle und religiöse Besonderheiten
IV. Altersdepression beim älteren türkischen Migranten
V. Demenz beim älteren Migranten
VI. Altersdepression vs. Demenz
VII. Fazit
Einteilung
5. 5
1. „Migrantengerontologie“:
Ein junges Thema für ein altbekanntes Problem
- seit fast 16 Jahren konstant ca. 7 Mio. Ausländer in D1
- Anteil der über 65-jährigen zwischen 1995 und 2005
von 200.000 auf 530.000 hat sich mehr als verdoppelt2
- „Menschen altern eben“
1 Quelle: Statistisches Bundesamt
2 Quelle: Bevölkerungsfortschreibung
I. Warum dieses Thema ?
6. 6
2. Migranten der 1. Generation altern durchschnittlich früher als
Deutsche im selben Alter
Gründe:
- i.d.R. schlechte medizinische Versorgung im Herkunftsland
- körperlich belastende Tätigkeiten nach Ankunft
- geringe/fehlende Nutzung lokaler medizinischer Dienste
- wegen sprachlichen Problemen
- wegen fehlender Aufklärung/Sachkenntnis
- wegen unbegründeter Ängste
(Kosten/Konsequenzen)
I. Warum dieses Thema ?
8. 8
3. Migranten der 1. Generation nehmen immer noch zu selten
Präventionsmaßnahmen in Anspruch und erkranken daher häufiger1
Gründe:
- Prävention spielt in der Türkei immer noch eine untergeordnete Rolle
- Check-Up ist kein Begriff der breiten Masse, für Besserverdienende
- Mentalitätsbedingt kann man „5´e auch ma´ gerade sein lassen“
Schließlich ist z.B.…
1 Spallek, Razum (2007) Gesundheit von Migranten: Defizite im Bereich der Prävention
I. Warum dieses Thema ?
9. 9
…die türkische Küche nicht gerade für ihr Kalorienbewusstsein bekannt !
I. Warum dieses Thema ?
10. 10
4. Die ehemaligen altruistischen familiären Gefüge der türkischen
Großfamilie sind der modernen ideellen Selbstverwirklichung in
Deutschland „zum Opfer“ gefallen.
- „Alle unter einem Dach“, gibt es noch aber zunehmend kommt es zur
Aufspaltung , „Ruhe in den eigenen 4 Wänden“.
- Pflegebereitschaft der älteren Eltern/Schwiegereltern kann in Frage gestellt
werden und ist keine Selbstverständlichkeit mehr.
Zusammenfassend…
I. Warum dieses Thema ?
11. 11
…wird dieses Thema in den nächsten Jahren immer mehr Raum
in der gerontologischen Versorgungslandschaft in Deutschland
bekommen.
I. Warum dieses Thema ?
12. 12
Arbeitsmigration in den 1960ern
1960 gab es nicht einmal 1500 Türken in Deutschland1
Zwischen 1961 und 1976 warben deutsche Unternehmen auf der Grundlage des
Anwerbeabkommens zwischen der BRD und der Türkei 678 702 Männer und
146 681 Frauen, also insgesamt 825 383 Menschen2
1Theo Sommer: „Leben in Deutschland (26) - Wie man in Deutschland fremd ist“, DIE ZEIT, 25. März 2004
2Ferda Ataman: „Türkische Frauen: Die Opferrolle hat ausgedient“, Der Spiegel, 11. März 2007
Am
Bahnhof
Sirkeci
In Istanbul
II. Kurze Migrationsgeschichte der Türken
13. 13
Verstärkter Familiennachzug in den 1970ern
Nach dem Anwerbestop am 23. November 1973 folgte ein verstärkter
Familiennachzug.
Von den 1980ern bis heute
Die politische Lage in der Türkei Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre
führte schließlich zu einer weiteren Einwanderung, jetzt Asyl suchender
Flüchtlinge.
Der Militärputsch 1980 führte auch zur verstärkten Einwanderung Angehöriger
der intellektuellen Schicht als politische Flüchtlinge.
Ende 2008 gab es in Deutschland insgesamt 7,246 Millionen Ausländer. Davon
waren die Türken mit 1,688 Millionen die größte Gruppe1
1 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Ausländerzahlen 2008
II. Kurze Migrationsgeschichte der Türken
14. 14
Kulturelle Besonderheiten
Die Türken sind eine völlig heterogene Bevölkerungsgruppe
West-Ost-
Achse
1570 km
Nord-Süd-
Achse
660 km
III. Kulturelle und religiöse Besonderheiten
16. 16
Türkische Migranten sind häufig mit den traditionellen Riten und Gebräuchen
des Herkunftsgebietes behaftet und führen diese in Subgruppen fort.
Insofern kann das was für den Einen gut ist für den Nächsten völlig weltfremd
sein.
Das Thema Hochzeit der Tochter mit einem Heimatsortfremden geschweige
denn andersnationalen/andersreligiösen Mann ist z.B. ein heikles Thema
dessen Diskussionsbedarf/Grundlage häufig nicht besteht.
Im Smalltalk dominiert der „Alles Bestens – keine Probleme“ Ton,
insbesondere familiäre Probleme oder psychische Krankheiten bleiben im
Gespräch häufig unerwähnt. Dies wird häufig als Zeichen der Schwäche und
persönlichen Insuffizienz gewertet.
„Iyi diyelim iyi olalım“ - „Lass uns gut sagen und gut sein“
III. Kulturelle und religiöse Besonderheiten
17. 17
Der ältere türkische Migrant ist mit einem hohen Grad an Respekt und
Anerkennung gegenüber Älteren aufgewachsen.
„Es ist unhöflich zu sitzen wenn ein Älterer ins Zimmer kommt“
„Älteren wird bei jeder Begrüßung die Hand geküsst“
III. Kulturelle und religiöse Besonderheiten
18. 18
Religiöse Besonderheiten
Die Religiosität des älteren türkischen Migranten wird in der Regel nicht in
Frage gestellt.
Den Zenith erreicht das religiöse Leben durch die Pilgerfahrt nach Mekka
(Saudi Arabien), als eine der Säulen/Pflichten des Islam.
Sehr häufig findet dies nach Erreichen des Rentenalters statt.
Respekt und Anerkennung durch das Gebet und das Einbringen in die
Aktivitäten der Gemeindemoschee gehören zum Wochenablauf.
Fasten z.B. ist, falls nicht durch Krankheit oder religiöser Subgruppierung
verhindert, auch für den älteren Türken während des Ramadan eine
Selbstverständlichkeit.
III. Kulturelle und religiöse Besonderheiten
19. 19
Was ist eine Altersdepression ?
• Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffes
• Frühere Bezeichnung: Involutionsdepression ( Involution: Rückbildung von
Organen )
• Die Altersdepression beschreibt …
„ … das erstmalige Auftreten einer depressiven Episode
nach dem 65. Lj.“
IV. Begriffsdefinition Altersdepression
21. 21
Ist die Migration der türkischen Arbeiter depressionsförderlich gewesen ?
Ja, denn Migration bedeutet:
- Eine existenzielle Verunsicherung
- Oft mehrjährige Trennung von der Kernfamilie/Bezugspersonen
- Dadurch Wechsel der Bezugspersonen für die Kinder mit daraus resultierenden
Rollen- und Identitätskonflikten
- Nach Einschulung der Kinder besteht häufig eine Hilflosigkeit dem deutschen
Lehrkörper / -system gegenüber
- Spagat zwischen Vermittlung traditioneller Werte und Integration den Kindern
gegenüber häufig schwierig
IV. Altersdepression beim älteren türkischen Migranten
22. 22
Folgen:
Konflikte werden über viele Jahre durch Mehrarbeit kompensiert.
Oftmals werden unterdrückte Impulse nach Erreichen des Rentenalters
offengelegt.
Die immer wieder geplante Rückkehr in die Heimat gestaltet sich
problematischer als erwartet, denn…
- Es gibt mittlerweile Enkel
- Auch hier gibt es mittlerweile Eigentum…oder Schulden
- Es gibt gute Sozialkontakte
- Das Viertel gibt Vertrautheit und Rückhalt
- Mit der Familie in der Türkei gibt es Zwistigkeiten
Daher kommt auch häufig das Konzept : „6 Monate hier, 6 Monate dort“
zur Anwendung mit seinen ganz eigenen Problemen.
IV. Altersdepression beim älteren türkischen Migranten
23. 23
Unspezifische Hinweise auf eine Altersdepression bei älteren türkischen
Migranten:
- Die Sorge das der Glaube nachlasse
- Schuldgefühle den Kindern/der Ehefrau gegenüber
- Somatisieren / häufiges Benutzen von Bildern („Steinkopf“)
- Wechsel des Rollengefüges in der Familie (z.B. Vater = Störfaktor)
- Bei Frauen Erschöpfungssyndrome, Defizite der Haushaltsbewältigung,
Versorgung von Gästen, hohes Schlaf- und Rückzugsbedürfnis
- Bei Männern Gereiztheit, reduzierte Frustrationstoleranz, Schlafstörungen,
Persönlichkeitsveränderung
- Aufsuchen von diversen Ärzten/Geistlichen die eine rasche Lösung von i.d.R.
Körpersymptomen (Kopf- und Magenschmerzen) herbeirufen sollen
IV. Altersdepression beim älteren türkischen Migranten
24. 24
Was ist eine Demenz ?
Definition (nach ICD-10):
• Gedächtnisstörung
• Abbau des Denkvermögens
• Veränderungen der Persönlichkeit
• In der Folge deutliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit im Alltag
• Dauer der Symptomatik > 6 Monate
Häufigste Ursachen der Demenz:
• Alzheimer-Krankheit ca. 50-60 %
• Vaskuläre Demenz ca. 20 %
• Mischform beider o.g. ca. 15 %
V. Demenz beim älteren Migranten
25. 25
Risikofaktoren der Demenz
Gesichert:
- Alter / Positive Familienanamnese / Down Syndrom (Trisomie 21)
Möglich:
- Bluthochdruck / Diabetes / Cholesterin / Schilddrüsenunterfunktion
- Parkinson
- Depressionen
- Niedriger Bildungsstand / geistige und körperliche Unteraktivität
Ist Migration ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz?
V. Demenz beim älteren Migranten
26. 26
Wahrscheinlich !
Nach den Feststellungen zweier internationaler Studien hat Migration einen
messbaren Einfluss auf die Demenzrate.
Graves und Mitarbeiter haben 1996 belegt, dass es unter den japanischstämmigen
Amerikanern in King County, Washington State mehr Demenzfälle gibt als in Japan1
Eine weitere Studie, (Dr. Hendrie) 2001 in Indianapolis und Ibadan, Nigeria, belegte,
dass Alzheimer innerhalb der gleichen Altersgruppe und bei gleicher Verteilung der
Geschlechter bei Afroamerikanern doppelt so häufig auftritt wie bei den
nigerianischen Yoruba2
1Graves et al. "Prevalence of dementia and its subtypes in the Japanese American population of King County, Washington State. The Kame
Project". Am J. Epidemiol, 144(8), 1996, S. 760-771.
2 Hendrie et al. "Incidence of dementia and Alzheimer's disease in 2 communities: Yoruba residing in Ibadan, Nigeria and African Americans residing
in Indianapolis, Indiana." JAMA, 285, 2001, S. 739-747.
V. Demenz beim älteren Migranten
27. Altersdepression vs. Demenz, oft eine klinische Herausforderung 27
Altersdepression Demenz
Verlauf akut, subakut, fluktuierend allmählich progredient
Klinisches Bild eher Betroffenheit bagatellisierend
Klagen über kognitive kaum Klagen über kognitive
Beeinträchtigungen Beeinträchtigung
detaillierte Schilderung unpräzise Schilderung
"Ich weiß nicht", Anstrengung
wenig Anstrengung bei Aufgaben,
Lösungsversuch
schon früher psychische psychische Anamnese leer
Störungen
Diskrepanz schlechtes homogene Ausfälle:
Gedächtnis, Gedächtnis, Orientierung,
gute Orientierung Konzentration, Auffassung
findet sich (meist) zurecht im Stationsalltag hilflos
VI. Altersdepression vs. Demenz
28. 28
Altersdepression vs. Demenz (2)
Depression Demenz
Depressive Symptome depressiver Affekt, im Verlauf
Schlafstörungen, bei 40-50 %
Gewichtsverlust, Grübeln,
Suizidgedanken
Therapie- Besserung unter keine wesentliche Besserung
effekt Antidepressiva, Schlafentzug
Verarbeitung Tendenz zur Aggravation Tendenz zur Dissimulation
Leit-Symptome Antriebsmangel, subjektives Neugedächtnis,
Versagen Werkzeugstörung
globale Leistungsschwäche umschriebene
Fehlleistungen
Fehlbedienung von Geräten
Verlaufen
Apraxie
Sprachzerfall
VI. Altersdepression vs. Demenz
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Problem Testverfahren:
Der MMST oder DemTect ist für Menschen mit Problemen im Sprachverständnis
wie auch mangelnder schulischer Bildung nicht ausreichend valide.
Beispiel: Schreibaufgabe, Rechenaufgabe
In der Türkei gibt es noch immer eine hohe Analphabetenrate (Frauen > Männer)
In Zukunft…
TRAKULA "Transkulturelles Assessment mentaler Leistungen„1
Ein Diagnoseverfahren ist, bei dem überwiegend auf sprachliche Komponenten
verzichtet wurde und das vor allem mit Bildern arbeitet.
1Prof. Kessler, Universität Köln, Abteilung für Neuropsychologie, Dr. med. Ozankan, Migrantenambulanz Langenfeld
VI. Altersdepression vs. Demenz
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Fazit:
Eine professionelle, zukunftsorientierte Arbeit mit älteren Menschen darf den
Bereich der Kultursensibilität nicht ausklammern.
Kultursensibilität hat man weder von Geburt an noch durch Sprachkenntnis !
Man kann nicht alles wissen…
… aber die Sinne für Besonderheiten schärfen
VII. Fazit
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Man wird es Ihnen danken…
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Quelle: http://www.lv-rlp.drk.de/154.html
VII. Fazit