Strukturwandel von Öffentlichkeit - soziologisch betrachtet
1. Strukturwandel von Öffentlichkeit –
soziologisch betrachtet
Jan-Hinrik Schmidt
@janschmidt
Wissenschaftlicher Referent
für digitale interaktive Medien
und politische Kommunikation
Berlin 12.09.2012
2. Das Argument - Kurzform
Der Strukturwandel von Öffentlichkeit, den digitale interaktive Medien mit
sich bringen, …
… äußert sich im Entstehen neuartiger persönlicher Öffentlichkeiten mit
einer eigenen kommunikativen Architektur, …
… in denen es zur Konvergenz von Konversation & Publikation kommt.
Weil vernetzte Öffentlichkeiten Kontrolle über Publika erschweren, ….
… und weil sie sowohl partizipativ als auch kontrolliert sind,
ist ein erweitertes Verständnis von informationeller Selbstbestimmung
erforderlich.
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3. Persönliche Öffentlichkeiten
a) Auswahlkriterium: persönliche Relevanz [statt journalistischer Nachrichtenfaktoren]
b) Intendiertes Publikum: erweitertes soziales Netzwerk [statt disperses, unbekanntes,
unverbundenes Massenpublikum]
c) Kommunikationsmodus „Konversation“ [statt „Publizieren“]
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4. Entbündelte Informationen im „Stream“
a) Trennung zwischen „Sender“ und
„Empfänger“ verschwimmt
b) Informationen erreichen uns als
entbündelter Microcontent, der
durch explizit gemachte soziale
Beziehungen gefiltert wird
c) Statt „Sendungen“ oder „Ausgaben“
rezipieren wir „streams“ und „feeds“
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5. Konvergenz von Konversation und Publikation
Weil professionell produzierte journalistische Nachrichten oder kommerzielle
Botschaften ebenso Teil dieser Ströme sind wie das Persönliche und Private, und
weil die Anschlusskommunikation sichtbar wird, erleben wir eine Konvergenz von
Konversation und Publikation in den vernetzten Öffentlichkeiten.
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6. Architektur und Publika in vernetzten Öffentlichkeiten
Merkmale der Kommunikationsarchitektur(*) erschweren inf. Selbstbestimmung
Persistenz Kopierbarkeit Skalierbarkeit Durchsuchbarkeit
Intendiertes Publikum Faktisches Publikum
Adressiertes Publikum Potentielles Publikum
Privacy Paradox: Menschen messen Privatsphäre einen hohen Wert bei – agieren
aber in Kommunikationsumgebungen, die die Grenzziehung zwischen „Privat“
und „Öffentlich“ erschweren
(*) boyd 2008, Schmidt 2012c Berlin 6 of 9
7. Partizipation und Kontrolle
Mitwirkung an Abernten nutzer-
Konversationen, dem generierter Inhalte und
Bereitstellen und Teilen Verwertung verknüpfter
von Inhalten, etc. Daten
Mitbestimmung über Ausbeuten unentgeltlich
Ausrichtung, Gestaltung erbrachter Arbeit (kreative
oder Moderation der Inhalte erstellen; Pflege
Angebote der Community)
Selbstbestimmung in Einhegen der Nutzer in
eigenen, nicht bzw. kommerzialisierten und
kaum vorstrukturierten nicht demokratisch
Kommunikationsräumen gestalteten Strukturen.
(*) Wagner/Gerlicher/Brüggen 2011; Schmidt 2012a, 2012b Berlin 7 of 9
8. Informationelle Selbstbestimmung
„Informationelle Selbstbestimmung“ ist…
1. … normatives Konzept: Bestandteil der verfassungs-
Sollen mäßigen Ordnung (und in Datenschutzregelungen
etc. näher spezifiziert); liegt zudem als zumindest
diffuse Erwartung bei vielen Nutzern vor;
2. … ausgeübte Praxis: Nutzer üben sie (mehr oder
weniger kompetent, reflektiert, evtl. auch
Tun scheiternd) aus, wenn sie sich in den vernetzten
persönlichen Öffentlichkeiten bewegen;
3. … notwendige Kompetenz: das eigenständige
Wahrnehmen des „Rechts auf Privatheit”, die
Können informierte Einwilligung in Datenverarbeitung oder
auch die informationelle Autonomie setzt
Wissensformen und Fertigkeiten voraus.
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9. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Hans-Bredow-Institut
Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg
j.schmidt@hans-bredow-institut.de
www.hans-bredow-institut.de
www.schmidtmitdete.de
www.dasneuenetz.de
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10. Literatur
– boyd, d. (2008): Taken out of context. American teen sociality in networked publics. Ph.D.
Dissertation an der University of California, Berkeley. Online verfügbar:
http://www.danah.org/papers/TakenOutOfContext.pdf.
– Papacharissi, Z. (2010): A private sphere. Democracy in a digital age. Cambridge.
– Schmidt, J. (2011): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0.
Konstanz.
– Schmidt, J. (2012a): Das demokratische Netz? In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Jg. 62, Nr. 7,
2012, S. 3-8.
– Schmidt, J. (2012b): Das Partizipationsparadox der sozialen Medien. In: Bettermann,
Erik/Grätz, Roland (Hrsg.): Digitale Herausforderung. Internationale Beziehungen im Zeitalter
von Web 2.0. Göttingen. In Vorbereitung.
– Schmidt, J. (2012c): Persönliche Öffentlichkeiten und informationelle Selbstbestimmung im
Social Web. In: Schmidt, J. / Weichert, T. (Hrsg.): Datenschutz. Grundlagen, aktuelle
Entwicklungen und Kontroversen. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung.
Bonn: BPB.
– Wagner, U. / Gerlicher, P. / Brüggen, N. (2011): Partizipation in und mit dem Social Web –
Herausforderungen für die politische Bildung. München.
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11. Quellennachweise Abbildungen
Folie 5:
• CC BY-NC-ND-2.0, Axel V, http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/126700804
• CC-BY-NC-ND-2.0, Dominic Dada, http://www.flickr.com/photos/ogil/274628990
Folie 7
• CC BY-NC-ND 2.0, Stephen Desroches, http://www.flickr.com/photos/focusedonlight/2795746704/
• CC BY-NC-ND 2.0, Dom Dada, http://www.flickr.com/photos/ogil/1842123447/
• CC BY-NC-ND 2.0, Nathanael Boehm, http://www.flickr.com/photos/purecaffeine/1226101959/
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