#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos: normative Konzeptionen der Online-PR im Spannungsfeld zwischen Technikdeterminismus und strategischem Handlungsfeld
Onlinekommunikation wird häufig mit Dialog und Partizipation gleichgesetzt, obwohl viele Studien eine gegenteilige Praxis feststellen. Organisationale Transparenz und Dialog gesellschaftliche Erwartungsstrukturen, denen sich Organisationen nur schwer entziehen können, wollen sie als modern und innovativ gelten. Der Beitrag hat das Ziel, Phänomene der Online-PR nicht nur deskriptiv zu beschreiben, sondern einen epistemologischen Erklärungsrahmen zu liefern und gängige Prämissen der Online-PR zu hinterfragen. Ausgangspunkt dafür ist die Analyse der impliziten Rationalitätsrahmen oder Logiken, unter welchen Online-PR betrieben wird.
Kernpunkt der Auseinandersetzung sind zwei Strömungen, die sich als Rahmen der aktuellen Diskussion über Online-PR verstehen lassen: die kalifornische Ideologie und das Cluetrain Manifesto. Die „kalifornische Ideologie“ ist ein libertär-technikdeterministisches Leitbild, das verschiedene Strömungen des Neoliberalismus mit der Medientheorie Marshall McLuhans verband. Das auch in der PR-Literatur häufig zitierte „Cluetrain-Manifesto“ hat stark idealistisch-phänomenologische Wurzeln und beschreibt aus praxeologischer Perspektive diskursiv-emergente Phänomene des Dialogs und Austauschs. Beide Perspektiven eint als kanonische Texte eine Interpretationsoffenheit, die sie aufgrund ihrer Unverbindlichkeit als Legitimationsgrundlage für die PR attraktiv macht. Die Inhalte beider Denkschulen lassen sich bis heute in einer eher idealistischen Freiheitsrhetorik des Netzes und einer eher skeptischen Kritik des Technikdeterminismus nachzeichnen und determinieren dadurch auch den Diskurs der Online-Kommunikation mit.
cch12 - „Wir haben jetzt auch dieses Dings 2.0“ – Die große Transformation zu...
#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos
1. Übersicht
1. Intro
Dialog als Mythos
2. Technikdeterminismus: Californian Ideology
Normative Konzeptionen der Online-PR im Spannungsfeld zwischen
Technikdeterminismus und strategischem Handlungsfeld
3. Befreiungsideologie des Netzes: Cluetrain Manifesto
4. Logiken des Dialogs
Swaran Sandhu
Hochschule der Medien | Stuttgart
5. Zusammenfassung
#onkomm13
Kritischere Öffentlichkeit? Neue Meinungsbildung? Mehr Beteiligung?
Neue Rahmenbedingungen für die strategische Online-Kommunikation
20. Jahrestagung 2013 der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation
der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK)
Wolfsburg, 1. November 2013
Prof. Dr. Swaran Sandhu | DGPuK Fachgruppentagung PR/OK: #onkomm13 | Wolfsburg, 01.11.2013
Das Janusgesicht der Technologie
Konzeptionen des Dialogs
„Das Internet gab uns das große Versprechen der
Befreiung und der Demokratisierung. Die Menschheit
sollte mithilfe offener und freier Kommunikation die
Macht haben, gemeinsam Machtmissbrauch zu
bekämpfen. Die Bürger sollten sich ungehindert vernetzen
können, um Ideen auszutauschen und die Grenzen der
menschlichen Freiheit zu erweitern. Der
Überwachungsstaat ergreift nun die Macht im Netz. Er will
dieses Werkzeug der Freiheit in sein Gegenteil verkehren,
in ein Werkzeug der Überwachung und Kontrolle. Wir
stehen an einem Scheideweg.“
1. wechselseitiges Reagieren von Systemen (systemtheoretisch)
2. formal wechselseitige Sprechakte („sokratischer Dialog“)
3. reflexiver Prozess („gegenseitige Bezugnahme“) (Szyszka 1996)
4. Offenheit des Zugangs
5. Verständigung
> menschliche Grundform der interpersonalen Kommunikation
> idealisiert in der PR u.a. als „symmetrisches Modell“
Glenn Greenwald (2013): Interview in Zeit Online, 30. Oktober 2013
> neue Technologie = mehr Interaktion = mehr Dialog ?
http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-10/Glenn-Greenwald-Snowden-Interview/komplettansicht
Prof. Dr. Swaran Sandhu | DGPuK Fachgruppentagung PR/OK: #onkomm13 | Wolfsburg, 01.11.2013
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2. Dialog: Anzahl der beantworteten Fragen
http://frag.mcdonalds.de/questions/11330
Aus dem Maschinenraum des Dialogs
„Einen gewichtigen Teil der redaktionellen Betreuung übernimmt unsere Agentur, die seit
Jahren auch die Qualitätskommunikation betreut. Einen Teil übernehmen wir in meinem
Team. Dazu gibt es in jedem Fachbereich Ambassadors, die als fachliche Ansprechpartner
unterstützen. Komplexere Fragen gehen von der Agentur über uns an den zuständigen
Fachbereich und wieder zurück.“
Nicolas von Sobbe, Sr. Department Head Corporate Affairs bei McDonalds Deutschland
http://blog.henne-digital.com/mcdonalds-social-crm-kunden-dialog/ | http://www.lessingvonklenze.de/de/arbeiten/projekte/mcdonalds-online-dialogplattform
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Nestles-Abwehr-gegen-Shitstorms/story/30642493, Bild: Denis Balibouse/Reuters
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Dialog: nur keine Wechselseitigkeit!
http://direktzu.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/stuttgart21
Dialog = warten?
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https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/80-Meta/Kontakt/kontakt_node.html
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3. Mythos Dialog?
Leitfrage
Sachdimension:
Erfolgsmessung: Quantität vor Qualität
Zeitdimension:
Antwort mit drei Monaten Verzögerung
Sozialdimension:
wechselseitige Bezugnahme „stört“
Obwohl das Web 2.0 (Social Media, etc.) Dialogpotenziale im Sinne
von Partizipation, Vernetzung und Austausch auf der technischen
Seite ermöglicht, findet dies - jenseits von technizistischen Lösungen
und „Pseudo“-Dialog im Sinne von Fassaden/Rhetorik verhältnismäßig selten statt.
Otto
Brenner
Stiftung
OBS-Arbeitsheft 75
GRUNDANNAHMEN DER PR 2.0
Social Media fördern Vernetzung & Partizipation zwischen
Organisationen und ihren Stakeholdern
Warum?
OBS-Arbeitsheft 75
… aber: Vernetzungs- und Partizipationsverständnis oftmals
reine Rhetorik
Der Partizipationsmythos
www.otto-brenner-stiftung.de
Olaf Hoffjann, Jeannette Gusko
Der Partizipationsmythos
Wie Verbände Facebook, Twitter & Co. nutzen
Eine Studie der Otto Brenner Stiftung
Frankfurt/Main 2013
34
FACHHOCHSCHULE FÜR MANAGEMENT & KOMMUNIKATION
Hoffjann, O. & Gusko, J. (2013): Der
Partizipationsmythos. Frankfurt/Main: OBS.
Rußmann, U. & Winkler, P. (2013): Einsatz von Social Media in den Ö Top 500 Status quo und Herausforderung der Zukunft. Wien: FH Wien, WKO. (Vortrag vom 7. Juni 2013)
http://www.otto-brenner-shop.de/uploads/tx_mplightshop/
AH_75_Partizipation_WEB.pdf
http://kommunikationsmanagement.at/wp-content/uploads/2013/06/Ru%C3%9Fmann-+-Winkler_Social-Media-%C3%96-Top-500_06-2013.pdf
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These
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Kalifornische Ideologie I
Die Vorstellung des Internets (Web 2.0) schwankt zwischen
a) einer stärker technik-deterministischen Perspektive:
„Technologie löst all unsere Probleme“
(Wurzel: „Californian Ideology“, heute: „Googlelism“)
+
und
b) einer emanzipatorischen-egalitären Vorstellung:
das Netz ermöglicht die „Urform menschlichen Zusammenlebens“,
nämlich partizipativ-demokratische Strukturen
(Wurzel: „Cluetrain Manifesto“, heute: „Gutenberg Parenthesis“)
Universitäten / Forschung
& staatliche Förderung
+
Gegenkultur der 1960er
Jahre in Kalifornien
Neo-Liberalismus &
Individualismus (Ayn Rand)
TechnologieDeterminismus
=
Barbrock, R. & Cameron, A. (2008): The Californian Ideology. Online: Mute 1(3): Code. http://www.metamute.org/editorial/articles/californian-ideology#
Jarvis, J. (2009): What would Google do? New York: Harper Business.
Locke, C.; Levine, R.; Searle, D. & Weinberger, D. (1995): The Cluetrain Manifesto. New York: Basic Books.
Petitt, T. (2011): Bracketing the Gutenberg Paranthesis. In: Explorations in Media Ecology, 11(2)
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+
11
Castells, M. (2001): Internet Galaxy. London: Oxford University Press.
Barbrock, R. & Cameron, A. (2008): The Californian Ideology. Online:
Mute 1(3): Code. http://www.metamute.org/editorial/articles/californian-ideology#
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4. Intermezzo: Mythos Silicon Valley (2013)
Kalifornische Ideologie II
Prämissen
- Verbesserung der Welt durch Technologie („Solutionismus“)
- Effizienzorientierung & Determinismus („Internet-Centrism“)
- ahistorische Gegenwartsorientierung („Presentism“)
http://www.welt.de/politik/deutschland/article116397994/Roesler-wird-im-Silicon-Valley-ein-bisschen-keck.html
Konsequenzen
- Das „Internet“ wird zum nicht-hinterfragbaren Mythos
- Technische Lösungen werden präferiert genutzt
- Nutzungspraktiken rücken in den Hintergrund
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/bild-chef-kai-diekmann-erfolgreicher-journalismus-haengt-nicht-am-papier/8236324.html
Latour, B. (2007): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Morozov, E. (2013): To save everything, click here. The folly of technological solutionism. New York: BBS.
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Prof. Dr. Swaran Sandhu | DGPuK Fachgruppentagung PR/OK: #onkomm13 | Wolfsburg, 01.11.2013
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Web 2.0 als Befreiungsideologie II
Web 2.0 als Befreiungsideologie I
Prämissen
- Das Web ist die „natürliche Art“ der Kommunikation („Fluss“)
- Technik ermöglicht Freiheit („Befreiung“)
- Revolutionärer Wandel vernichtet alte Strukturen („Revolution“)
#26 „Öffentlichkeitsarbeit
steht in keiner Beziehung
zur Öffentlichkeit.“
# 39 „Menschliche
Gemeinschaften entstehen
aus Diskursen.“
I.
Die Kommunikation war
Lineare Kodifizierung von
ungesteuert, oral und
Wissen (z.B. durch Sprache/
vernetzt. (HabermasiBücher) führt zu isolierten
anisches Ideal der
und abgeschlossenen
Öffentlichkeit)
ALTERNATIVE MINDSETS Systemen.
Das „Netz“ ermöglicht den
Anschluss an die oraldiskursive Tradition des
Dialogs und Austauschs.
Konsequenzen
- Das „Web“ wird zum deus-ex-machina sozialer Veränderung
- Wer das Netz nicht nutzt, gilt als reaktionär und zurückgeblieben
I.1. Homo Clausus and the Privacy Syndrome
Re-Humanisierung der
Kommunikation
The characteristics of the mindset conducive to the privacy syndrome are readily discernible
behind the terminology deployed in its discussion, both scholarly (as indeed at MiT8) and
idiomatic, and with regard to its conceptual, perceptual, attitudinal, and material aspects.Basic Books.
Locke, C.; Levine, R.; Searle, D. & Weinberger, D. (1995): The Cluetrain Manifesto. New York:
Petitt, T. (2013): The privacy parenthesis: Gutenberg, Homo Clausus and the networked self.
MiT8 Conference, May 3rd 2013, Boston: MIT (online: http://web.mit.edu/comm-forum/mit8/) p. 3.
Prof. Dr. Swaran Sandhu | DGPuK Fachgruppentagung PR/OK: #onkomm13 | of privacy indeed
The very concept Wolfsburg, 01.11.2013
implies a demarcation from something else, typically the
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concept of the public, and the two have of course gone through a parallel, symbiotic
development over recent centuries.4 They are both perceived as ‘spaces’ (10 MiT8
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5. Zur Logik des Dialogs in der Online-PR
Kalifornische Ideologie
Emanzipatorische Rhetorik
Wurzel
Kalifornische Ideologie
Emanzipatorischer Diskurs
Technologie
Selbstzweck (weil es die Technik gibt)
Werkzeug (zur Emanzipation)
Beispiele
Google, Facebook, Twitter, etc.
Wikipedia, Diaspora, lokale Netzwerke
Kommunikation
monologisch / dialogisch
konstitutiv / emergent
Ziel
Quantifizierbarkeit (funktionale Logik)
Qualität (normativ-diskursive Logik)
Zeitdimension
Beschleunigung
Verlangsamung
Sachdimension
Austausch / Quantifizierbarkeit
Dialog / Verständigung
Sozialdimension
Individuum
Zusammenfassung
Gemeinschaft
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(1) Online-PR basiert auf stärker grundlegenden paradigmatischen
Annahmen, die häufig nicht offen gelegt sind.
(2) Sowohl technik-deterministische als auch emanzipatorische
Ansätze führen zu Dialog-Angeboten.
(3) Diese werden in der Praxis allerdings mit unterschiedlichen
Prämissen umgesetzt (Austausch vs. Verständigung).
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Quellen
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Vielen Dank.
Kontakt
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Hochschule der Medien
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70569 Stuttgart
0711/8923 2226
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www.hdm-stuttgart.de/pr
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