Mitarbeitergespräche sind in vielen Unternehmen an der Tagesordnung. Führungskräfte wie Mitarbeiter kämpfen mit dieser angeordneten, zur jährlichen Pflichtübung verkommenen Farce, denn der Bezug dieser Gespräche zum Miteinander im Alltag fehlt gänzlich. Die Ressourcen, die in Mitarbeitergesprächen als wirkungsvollem Führungsinstrument stecken, werden verschleudert und sogar ins Gegenteil verkehrt.
In ihrem neuen Buch vermittelt Miriam Gross ein unbeschwertes, neues Bild von Mitarbeitergesprächen, die zum heutigen Verständnis zeitgemäßer und vertrauensorientierter Führung passen. Moderne Führungskräfte nutzen beides: die ritualisierten, Halt gebenden Mitarbeitergespräche wie auch die kleineren, anlassbezogenen Gespräche. Souverän und wertschätzend jonglieren sie mit der Vielfalt dieses Führungsinstruments, um damit ihre Teams und Abteilungen optimal zu entwickeln.
Dieses Buch liefert einen Fundus an Ideen, wie aus dem miteinander Reden auch ein miteinander Vorangehen wird – der Grundgedanke des neuen Mitarbeitergespräches.
1. praxis
kompakt
Miriam Gross
Das moderne
Mitarbeitergespräch
Das Führungsinstrument
für die zeitgemäße
Personalentwicklung
Dipl.-Psychologin Miriam Groß ist Coach
mit Schwerpunkt auf Systemischer
Unternehmensentwicklung, Team- und
Führungskräfteentwicklung.
Le
se
pro
be
BusinessVillage
2.
3. Miriam Gross
Das moderne
Mitarbeitergespräch
Das Führungsinstrument
für die zeitgemäße
Personalentwicklung
BusinessVillage
5. Inhalt
Vorwort ............................................................................................. 5
1. Warum Mitarbeitergespräche – wir reden doch eh jeden Tag
1. miteinander!?................................................................................. 9
2. Wie Mitarbeitergespräche zur Pflichtübung verkommen konnten........15
3. Das moderne Mitarbeitergespräch: Basiswissen.................................31
Das moderne Mitarbeitergespräch ist das Führungsinstrument
für die zeitgemäße Personalentwicklung..........................................33
Das moderne Mitarbeitergespräch ist natürlich auch ein
Strategiegespräch........................................................................37
Das moderne Mitarbeitergespräch ist Bestandteil der
Unternehmenskultur.....................................................................41
Das moderne Mitarbeitergespräch ist ein wiederholtes
Zielvereinbarungsgespräch............................................................42
Weitere Schwerpunkte im modernen Mitarbeitergespräch...................48
Die durchdachte Einführung des modernen Mitarbeitergesprächs.........50
4. Anlassbezogene Gespräche ............................................................ 55
5. Wirkungsvoll und achtsam kommunizieren.......................................59
Drei Basisbausteine für gute Kommunikation...................................61
Kommunikationstipps für den alltäglichen Gebrauch..........................72
Wirkungsvoll kommunizieren heißt auch, gute Rückmeldungen
zu geben....................................................................................74
Körpersprache besser verstehen.....................................................81
6. So bereiten Sie sich und Ihre Mitarbeitenden auf Gespräche vor ........85
Wie reden wir? Einstellung und Haltung..........................................90
Wann im Jahresablauf?.................................................................96
Frühzeitige Einladung, zeitnaher Termin..........................................99
Wie lange? Und wie viele Gespräche pro Tag?................................. 100
Aussuchen eines geeigneten Ortes................................................ 101
Inhalt |3
6. Geben Sie Ihrem Mitarbeitenden ein Stichwort............................... 102
Vorbereitung mit dem Gesprächsleitfaden...................................... 103
Was ist das Ziel?........................................................................ 105
Holen Sie sich die nötigen Informationen vorab............................. 109
7. Die optimale Durchführung und Nachbereitung der Gespräche.......... 111
Die optimale Durchführung: Welche Phasen lassen sich unterteilen?... 114
Die sorgfältige Nachbereitung ..................................................... 130
8. Typische Gesprächssituationen (Praxisbeispiele)............................ 135
Das Engagement Ihrer Mitarbeiterin, Frau Sonne, lässt nach............. 136
Herr Schuster, Mitarbeiter Ihrer Abteilung, schimpft über
„die da oben“........................................................................... 141
Herr Lindner ist häufiger an „Brückentagen“ krank ......................... 147
Herr Maier wird Herrn Müller vor die Nase gesetzt!.......................... 151
Ihre Mitarbeiterin kritisiert Sie im Mitarbeitergespräch.................... 154
Ihr Mitarbeiter hinterlässt seinen Arbeitsplatz nicht
ordnungsgemäß........................................................................ 157
Eine Führungskraft vergreift sich im Ton........................................ 162
9. Moderne Mitarbeitergespräche: Was ist der jeweilige Gewinn?
9. Und was der Preis?....................................................................... 167
Gewinn und Preis von modernen Mitarbeitergesprächen
für die Mitarbeitenden............................................................... 168
Gewinn und Preis von modernen Mitarbeitergesprächen
für die Führungskräfte................................................................ 170
Gewinn und Preis von modernen Mitarbeitergesprächen
für das Unternehmen.................................................................. 172
10. Nachwort................................................................................... 175
11. Weiterführende Literatur............................................................. 179
Die Autorin...................................................................................... 183
4 | Inhalt
8. Seit vielen, vielen Jahren ist das Mitarbeitergespräch eines der Kern-
themen meiner Arbeit. Ich habe unzählige Seminare und Workshops
darüber geführt, wie Führende mit ihren Mitarbeitenden ein Mitarbei-
tergespräch wirkungsvoll gestalten können, und durfte 2005 mit meiner
sehr geschätzten und inzwischen leider verstorbenen Kollegin Annelies
Helff ein erstes Praxisbuch mit dem Titel Mitarbeitergespräche richtig
führen. Einfach verstehen und verstanden werden schreiben.
In den Unternehmen hat sich, vor allem für Führungskräfte, viel ver-
ändert, sodass die Mitarbeitergespräche von manchen als Relikt der
Vorzeit empfunden werden. Oder zumindest als lästig und unstimmig zu
dem, wie sonst im Unternehmen geführt wird. Die gängigen Mitarbei-
tergespräche scheinen aus einer anderen Managementwelt zu stammen
und sie scheinen auch allenfalls noch als Formalie zu taugen, die –
möchte man als Führungskraft und Mitarbeitender Ruhe vor der Perso-
nalabteilung haben – zwangsläufig einfach erfüllt werden.
Wenn das auch Ihre Einschätzung ist, dann sind Sie in bester Gesell-
schaft: Denn das antworten mir auch viele Workshop-Teilnehmende zu
Beginn, wenn ich danach frage, was denn für sie Sinn und Zweck des
Mitarbeitergespräches ist. Noch größer wird im Übrigen die skeptische
oder ablehnende Haltung, wenn ich nach den (Jahres-)Zielvereinba-
rungsgesprächen frage.
Es ist also mehr als an der Zeit, über das Führungsinstrument Mitarbei-
tergespräche zu reflektieren und ausgehend von der Kritik und dem
Unwohlsein, ein neues und zeitgemäßes Werkzeug – das moderne Mit-
arbeitergespräch – abzuleiten.
6 | Vorwort
9. Gerne rege ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, ausdrücklich an, die
Lektüre dieses Buches auch zu nutzen, sich der eigenen Führungsrol-
le(n) und des eigenen Führungsstils bewusster zu werden. Denn hier
liegt der Kern der Veränderung und finden sich Antworten auf die Frage,
wie denn das Mitarbeitergespräch heute in Ihren Führungsalltag passt.
Wie sagte eine langjährige, schon etwas ältere Führungskraft neulich
zu mir? „Wir sollten uns mal über die Führungskultur in unserem Haus
klarer werden. Ich habe ja schon viele Führungsseminare besucht, zu
Beginn gab es damals die „testosterongesteuerte“ Führungskraft und
heute sind wir beim „Allesversteher“!“
Doch was wäre das Neue ohne das Alte? Leser und Leserinnen werden zu
Recht Passagen und auch Fallbeispiele des ersten, gemeinsamen Buches
wiedererkennen. Denn Kommunikations- oder Interventionstechniken
an und für sich sind zeitlos. Neu sind der Rahmen und die Grundhal-
tung, innerhalb dessen sie angewandt werden.
Dieses Buch ist gewachsen aus meiner Erfahrung mit vielen Seminar-
teilnehmer(innen) und Führungskräften im Coaching, denen ich für Ihre
Offenheit und den Vertrauensvorschuss, den sie mir entgegengebracht
haben, sehr, sehr dankbar bin. Indem Führungskräfte mir Ihre Sorgen
und Nöte anhand von Fallbeispielen freimütig darlegten, durfte ich
selbst vieles hinzulernen, reflektieren und gemeinsam mit ihnen auf die
jeweiligen Gegebenheiten zuschneiden. Vielleicht kann ich mit diesem
Buch ein wenig von dem zurückgeben, was ich von ihnen und meinen
großartigen Kolleginnen und Kollegen bekommen habe: Den anregen-
den Diskurs mit manchmal streitbaren Haltungen, Bedenkenswertem,
Nachdenkenswertem und Querdenkenswertem, entstanden durch die
Reibung aneinander, die Lust am Hinterfragen und die immer offene,
Vorwort |7
10. aussichtsreiche Neugier auch in aussichtslos anmutenden Momenten.
Und die Lebendigkeit und Beweglichkeit, die im Umgang mit Menschen
so wichtig ist und für mich, egal wo, immer wieder spürbar wurde!
Ein weiterer Dank geht in mein Privatleben zu meinem großen kleinen
Sohn, der in der heißen Phase des Schreibens und meiner damit verbun-
denen Abwesenheit eine unglaubliche Flexibilität an den Tag legte, was
Aufenthaltsorte und Bezugspersonen anbelangte. Und die drei anderen
großen und kleinen Jungs, die mich ebenfalls darin unterstützten, mein
„Ding“ zu machen, erst dann wiederzukommen, wenn ich mit meinem
Tagesergebnis zufrieden war oder eben mich aushielten, wenn ich das
mal nicht war.
TIPP Zur Sprachregelung in diesem Buch: Ich spreche in der Regel von „der Füh-
rungskraft“ und meine damit sowohl die männliche als auch die weibliche
Führungskraft gleichermaßen. Der Mitarbeiterin und dem Mitarbeiter versuche
ich, durch die Formulierung „Mitarbeitender“ gerecht zu werden, oder ich
wechsle im Fließtext und in den Beispielen eifrig zwischen Mann und Frau. So
hoffe ich, dass Sie sich alle angesprochen fühlen können!
8 | Vorwort
12. Das Mitarbeitergespräch wurde in den späten 90er-Jahren in vielen
Unternehmen mit großem Engagement eingeführt. Heute ist es vieler-
orts verkommen zu einer Qual, es wird als zu ritualisiert und zu steif
erlebt und umfasst zu viele, unverständliche Fragen. Oftmals findet es
dann noch in unangenehmer und ungewohnter Atmosphäre statt, näm-
lich beim Chef im Büro oder im Besprechungsraum, der von manchen
Mitarbeitenden sonst ganzjährig nicht betreten wird. Es ist zu einem
von oben angeordneten Gespräch mutiert, das zugunsten der Personal-
abteilung oder des Qualitätsmanagements abgehakt werden muss. Das
Mitarbeitergespräch ist ein Gespräch geworden, das seinen Charakter
verloren hat. Denn es bleibt undeutlich, welchen Bezug es zum Thema
Führung hat, noch inwiefern es ein Führungsinstrument sein soll. Im
Gegenteil, es bedient irgendetwas im Unternehmen, was nichts mehr
mit mir als Führungskraft zu tun hat und was ich deswegen auch ungern
und lustlos mit meinem Mitarbeitenden abhalte. Wie es so weit kommen
konnte, warum das so geworden ist – dazu will ich gerne ein paar Über-
legungen im nächsten Kapitel nennen. Beginnen wir mit der Antwort
auf die folgenden elementaren Frage:
Warum immer noch Mitarbeitergespräche führen? Wir reden doch
eh jeden Tag miteinander!
Weil Mitarbeitergespräche, wie die täglichen, anlassbezogenen Gesprä-
che auch, ein Gewinn sind, Ihr Gewinn sind!
Warum hat es dann bisher nicht so gut geklappt, ist in vielen Unter-
nehmen der Frust so hoch?
Wirkungsvolle Mitarbeitergespräche brauchen einen klaren Rahmen mit
klaren Rollen, eine gut angewandte, wirkungsvolle Kommunikation und
eine Führungskraft, die von ihrer inneren Haltung her Wert auf die
10 | Warum Mitarbeitergespräche – wir reden doch eh jeden Tag miteinander!?
13. Begegnung mit ihrem Mitarbeitenden legt und Interesse an ihm oder
ihr zeigt. Das wiederum erfordert eine lebendige Unternehmenskultur,
die diesen Wert unterstreicht und ermöglicht. Manche dieser Einfluss-
faktoren werden in Unternehmen schon vereinzelt gelebt, doch meiner
Erfahrung nach fehlt häufig noch die Einbettung in den Rahmen des
großen Ganzen, fehlt die gemeinsame Ausrichtung. Dann steht das
Mitarbeitergespräch, so wie es bisher gehandhabt wurde, ohne Ver-
bindung zu gelebten Werten da und verkommt mancherorts schnell zur
Farce oder führt(e) zu vornehmlich negativen Erlebnisses für alle Be-
teiligten.
Warum also sollte ich als Führungskraft am Mitarbeitergespräch
festhalten, wenn es doch all diese Negativ-Erfahrungen auf beiden
Seiten gibt? Ist es nicht besser, wir streichen diese Pflichtveranstal-
tung und reden einfach so wie immer, wie jeden Tag miteinander?
Nein, denn erstens: Das Mitarbeitergespräch ist ein Führungsinstru-
ment. Es ist kein Instrument der Personalabteilung und auch kein Inst-
rument des Qualitätsmanagements. Es ist mein gewinnbringendes, sehr
nützliches Führungsinstrument, das mir den Alltag mit meinem Mit-
arbeitenden ungemein erleichtert, gerade weil es nicht zum Täglichen
gehört. Und zweitens: Das Mitarbeitergespräch ist ein Halt gebendes
Ritual. Es fördert die Mitarbeiterbindung, weil es dem Mitarbeitenden
Halt gibt, ihn oder sie hält, also behalten will. Und es gibt sowohl dem
Mitarbeitenden als auch der Führungskraft durch seine standardisierte,
ritualisierte Form Orientierung.
Mitarbeitergespräche unterscheiden sich sehr deutlich von Ihrer All-
tagskommunikation. Sie sind zielgerichtet, verbindlich, ritualisiert und
fundieren die gelebte Unternehmenskultur. Mitarbeitergespräche er-
Warum Mitarbeitergespräche – wir reden doch eh jeden Tag miteinander!? | 11
14. möglichen es Ihnen, sich selbst und jede Ihrer Mitarbeiterinnen besser
kennenzulernen und erleichtern Ihnen somit Ihre Führungstätigkeit.
So wie die Bilanzen und Quartalsreporte im Unternehmen keinen Selbst-
zweck darstellen, sondern stattdessen Anlass bieten, einen Blick auf
erreichte Umsatzziele zu werfen, so bietet die ritualisierte Form des
modernen Mitarbeitergesprächs die Möglichkeit, Gleiches im Bereich
Personalentwicklung als Baustein der Unternehmenskultur zu tun.
Diese Form gibt vor, dass Sie sich und Ihren Mitarbeitenden gemeinsam
aus der Distanz betrachten.
Stellen Sie sich vor, Sie kreisen im Helikopter über Ihr Unterneh-
men und schauen sich das Ganze von oben an. Welche Ideen gehen
Ihnen da durch den Kopf? Was sehen Sie aus dieser Vogelperspek-
tive, was Sie sonst nicht sehen?
Und dann nehmen Sie Ihren Mitarbeitenden mit auf diesen Flug, la-
den Sie ihn auf den Beifahrersitz ein und betrachten mit ihm aus der
Distanz seinen Arbeitsplatz, seine Tätigkeit, das Zusammenspiel mit
Ihnen. Setzen Sie den Helikopter auf „Autopilot“ und lehnen Sie sich
gemeinsam zurück. Betrachten Sie mit dem Mitarbeitenden das Gesche-
hen. Nachdem Sie wieder sicher gelandet sind, besprechen Sie mit ihm
das Gesehene, das, was Ihnen aufgefallen ist. Ihr oberstes Gesprächs-
ziel lautet: „Wie geht es meinem Mitarbeitenden? Das will ich wirklich
wissen und verstehen!” Um das herauszubekommen, setzen Sie je nach
Stand im Jahreszyklus, einen anderen Schwerpunkt:
12 | Warum Mitarbeitergespräche – wir reden doch eh jeden Tag miteinander!?
15. Zum einen die Rückschau auf die gemeinsamen Ergebnisse und die Zu-
sammenarbeit: Welche unserer Ziele haben wir bis heute erreicht und
wie haben wir diese erreicht? Zum anderen die Vorausschau auf das,
was kommen soll und kommen wird. Was sind die Ziele der Zukunft, wo
können und wollen wir miteinander hin?
Ziel des Mitarbeitergesprächs
Die Frage „Wie geht’s meinem Mitarbeitenden?“ ist hier zunächst be-
wusst offen gestellt. Die Führungskraft darf und kann auch Persönliches
von der Mitarbeiterin erfahren, muss dies aber nicht. Durch die gemein-
same Betrachtung des Spielfeldes „Arbeitsplatz“ beim Helikopterflug ist
Warum Mitarbeitergespräche – wir reden doch eh jeden Tag miteinander!? | 13
16. der Bezug gegeben. Es geht um die Reflexion der Zusammenarbeit von
Führungskraft und Mitarbeitendem, um einen gemeinsamen Austausch,
einen Dialog und eine Analyse der Arbeitssituation. Das Ziel ist die
Verbesserung dieser Zusammenarbeit, das Minimieren von Reibungsver-
lusten, um stattdessen ein optimales Ineinandergreifen von Zielen mit
Fähigkeiten zugunsten der gemeinsamen Aufgabe zu gewährleisten.
Der entstehende Nutzen ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar!
Auf beiden Seiten (Führungskraft und Mitarbeitender) wird die ver-
trauensvolle Zusammenarbeit gefördert, werden über eine gute Rück-
meldekultur die Erwartungen aneinander deutlicher, werden die
Zielerreichungen miteinander klar. Und durch diesen regelmäßigen,
standardisierten Austausch gewinnen Sie als Führungskraft an Zeit,
denn nun können Sie sich beim Delegieren und Verteilen von Aufgaben
mehr und mehr sicher sein, dass diese in Ihrem Sinne erledigt werden.
Mitarbeitende erhalten durch die Beteiligung an den Unternehmens-
themen mehr Überblick und können ihre Verbesserungsvorschläge aus
Ihrem Bereich ziel- und passgenauer einbringen. Das wiederum kommt
Ihnen als Führungskraft zugute, Sie können das Expertenwissen der
Mitarbeitenden für deren Situation nutzen.
Und Sie als Leserin und Leser merken es schon: Ein gewinnbringendes
Mitarbeitergespräch liegt dann vor, wenn sich das Gespräch zu einem
von beiden Seiten stimulierten und beflügelten Austausch entwickelt,
der die Optimierung beim Erfüllen der gemeinsamen Unternehmensauf-
gabe im Fokus hat.
14 | Warum Mitarbeitergespräche – wir reden doch eh jeden Tag miteinander!?
18. In manchen Unternehmen ist das Mitarbeitergespräch heute zur Farce
verkommen, weil es den dahinterliegenden Wert der Begegnung von
Mensch zu Mensch verloren hat oder der jeweilige Unternehmenskontext
es nicht (mehr) zulässt, dass dieser Wert gelebt werden kann. Stattdes-
sen wurde es ein lästiges „To-do“, eine bürokratische Pflichtaufgabe
zusätzlich, die von vielen Führungskräften als zeitraubend empfunden
wird und sie von ihrer eigentlichen Führungsaufgabe (scheinbar) abhält.
Der dahinterliegende Wert der individuellen Begegnung lässt sich auf
diese Art und Weise nicht messen. Was Qualität sein sollte, verkommt
zur Quantität: Möglichst viele Führungskräfte eines Unternehmens sol-
len das jährliche Mitarbeitergespräch führen. Doch die Häufigkeit be-
ziehungsweise Anzahl der geführten Mitarbeitergespräche sagt noch
nichts über die Qualität dieser Gespräche, geschweige denn der Führung
aus!
Was fehlt? Die Möglichkeit, sich als erwachsene Menschen (Führungs-
kraft und Mitarbeitender) auf der Grundlage von Respekt und Vertrauen
mit einer klaren, inneren Haltung und äußeren Klarheit in Bezug auf
die jeweilige Rolle ernsthaft und zielführend zu begegnen. Das, was das
moderne Mitarbeitergespräch nach wie vor im Kern auszeichnet, ist die
scheinbar so banale Frage. „Wie geht es dir, meine Mitarbeiterin, mein
Mitarbeiter? Mich interessiert das wirklich! Wie geht es Ihnen?“
Nun müsste es mein Interesse als Führungskraft sein, die Antwort aus
dem Mund des/der Mitarbeitenden wirklich zu hören und zu verstehen
mit allem, was dazugehört: der Rückmeldung zur Arbeitssituation und
meinem Führungsverhalten, den Wünschen des Mitarbeitenden, viel-
leicht auch dem Persönlichen.
16 | Wie Mitarbeitergespräche zur Pflichtübung verkommen konnten
19. Meine Erfahrung ist leider, dass sich viele Führungskräfte diese Frage
bereits innerlich selbst beantworten, noch bevor sie diese äußerlich
überhaupt gestellt haben.
„Also, wie es Frau XY geht, das merke ich doch, das weiß ich schon!“
Und häufig kommen noch innerliche Bewertungen und Vorannahmen
hinzu: „… dass sie launisch ist, das weiß ich ja und wenn ich nun einen
schlechten Moment erwische mit meiner Frage, wie es geht, dann jam-
mert sie sicher die ganze Zeit. So viel Zeit habe ich nicht!“
Und was ist die Schlussfolgerung beziehungsweise die daraus folgende,
abschließende Handlung: ich frage die Mitarbeiterin besser nicht! Und
schwupp – ist die Falle zugeschnappt. Die Chance auf wirkliche Begeg-
nung ist vertan. Die Führungskraft hat sich ein Bild vom Mitarbeitenden
gemacht, den Kontakt verhindert und sich die Möglichkeit genommen,
vom Mitarbeitenden zu hören, wie dieser seine Situation tatsächlich
erlebt.
Schuld daran ist meines Erachtens jedoch nicht die jeweilige Führungs-
kraft. Im Gegenteil, ich erlebe sehr häufig, wie Führungskräfte sich
diese Begegnungsachse wünschen und im Alltag nur ein wenig ratlos
sind, wie sie dieser nun gerecht werden können.
Verantwortlich ist die Unklarheit im System, im Unternehmen. Diese
Unklarheit oder Verwaschenheit können die wenigstens Mitarbeitenden
oder Führungskräfte benennen, doch sie spüren sie anhand ihres Un-
wohlseins im Kontakt miteinander, wenn es um das sogenannte Jahres-
gespräch geht.
Wie Mitarbeitergespräche zur Pflichtübung verkommen konnten | 17
20. Mitarbeitergespräche, oder um noch präziser zu sein, Zielvereinbarungs-
gespräche sind im Zeitgeist von „Management by Objectives (MbO)“
groß geworden, einem Führungsstil, der eben mehr mit „managen“, im
Sinne von Organisieren und Verwalten (fordern), und weniger mit Füh-
ren, im Sinne von „leadership“ (fördern), zu tun hatte. Und hier sind
wir meines Erachtens der Unklarheit auf der Spur. Durcheinandergewir-
belt haben sich im Erleben von Führungskraft und Mitarbeitenden die
Kategorien Führungsstile, die unterschiedlichen Rollen der Führungs-
kraft und die zur Verfügung stehenden Instrumente. Im Gespräch mit
Führungskräften hört sich das so an, als ob es scheinbare Gleichsetzun-
gen folgender Art gibt:
Führungsstile von autoritär (mit der Bewertung „unmenschlich“) oder
„managen“ bis kollegial oder „laissez-faire“ wurden mit Rollen der Füh-
rungskraft in einen Topf geworfen, nämlich den Rollen Führungskraft
als Vertreter der Unternehmensinteressen, Führungskraft als Experte
und Führungskraft als Unterstützer/Coach. Dem Ganzen wurden eben-
falls Führungsinstrumente zugeordnet und darunter eine Bewertungs-
skala von „schlecht“ bis „gut“ gelegt.
18 | Wie Mitarbeitergespräche zur Pflichtübung verkommen konnten
21. Die irritierenden Assoziationsketten, die sich daraus ergeben haben,
sehen dergestalt aus:
Führungsstile autoritär, sachbezogen, kollegial,
managen Wissen fördern
vermitteln
Führungsrollen Vertreter der Führungskraft Führungskraft
Unternehmens- als Experte als Coach und
interessen Unterstützer
Führungs- Ziel- Fach- und Anlassbezogene
instrumente vereinbarungs- sachbezogene Gespräche
gespräche Gespräche
Jahresgespräche
Mitarbeiter-
gespräche
Bewertungs-
Schlecht Gut
skala
Der Vertreter der Unternehmensinteressen wurde also gleichgesetzt mit
dem „geradlinigen Managertyp“, der nur die harten Zahlen und Fakten,
die Leistung im Blick hat, der von seinem Mitarbeitenden via Zielver-
einbarungsgespräch das immer „noch höher und noch mehr“ fordert
und dieses mittels Bewertungsbogen mit Prämien und Zulagen belohnt.
Zeitgleich wurden neue Führungsstile diskutiert, nahm das Thema Mit-
arbeitermotivation viel Raum ein, kam das Stichwort von der vertrauens-
orientierten Führung (damals im Gegensatz zu einem kontrollierenden
Führungsstil gesehen) auf. Die „Work-Life-Balance“ hielt Einzug, Ge-
sundheitsprävention wurde wichtig, Burn-out-Prophylaxe spielt heute
eine Rolle und die Mitarbeiterzufriedenheit wird genauso erhoben, wie
es einen Wettbewerb um den „great place to work“ seit 2003 gibt.
Wie Mitarbeitergespräche zur Pflichtübung verkommen konnten | 19
22. Schon vor der Banken- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008, vor allem
aber jetzt danach, rückt der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Mitarbei-
tenden, auch des älter werdenden Mitarbeitenden, in den Vordergrund.
Weniger Mitarbeitende müssen mehr und vielschichtigere Arbeiten be-
wältigen, was nicht nur den Druck auf den einzelnen Mitarbeitenden
erhöht, sondern auch den Druck auf die Führungskraft, die in direkter
Verantwortung gesehen wird für den Gesunderhalt, die Leistungsbe-
reitschaft und den Halt, also Verbleib, des Mitarbeitenden an seinem
Arbeitsplatz.
Führung heute ist hochkomplex und anspruchsvoll geworden. Die Füh-
rungskraft hat erkannt, dass Führung nicht mehr nur in der Haltung des
„harten Managertyps“ funktioniert, der sich an der betriebswirtschaft-
lichen Seite ausrichtet, weil dann scheinbar das Unterstützende, das
Menschliche, die Begegnung vernachlässigt wird. Wie es die im Vor-
wort erwähnte Führungskraft so schön formuliert hat: „die testosteron-
gesteuerte Führung funktioniert nicht mehr“. Die Führungskraft fühlt
sich mehr und mehr in der Rolle des Unterstützers (in der Sprache der
obigen Führungskraft: „der Allesversteher“) gefordert und soll gleich-
zeitig das Instrument Mitarbeitergespräch als Leistung vorgebendes
Zielvereinbarungsgespräch nutzen. Dieses steht in ihrer Wahrnehmung
jedoch noch in Verbindung mit der sozusagen konkurrierenden Rolle der
„Führungskraft als Vertreter der Unternehmensinteressen“. Kein Wunder,
das dies im Erleben der Führungskraft zu einer ungeliebten Aufgabe
geführt hat, zu einem Unwohlsein in der eigenen Haut! In der Logik
der obigen Assoziationskette (Tabelle) gelangt die Führungskraft von
heute in ein Dilemma, ja ein Trilemma zwischen den drei Rollen und
dieses findet seine Ausformung im ungeliebten Umgang mit dem Inst-
rument Mitarbeitergespräch. Die möglichen Gründe für diesen Frust und
20 | Wie Mitarbeitergespräche zur Pflichtübung verkommen konnten
23. das Empfinden der lästigen Pflichtübung „Mitarbeitergespräche führen“
sind meines Erachtens vielfältig:
Erster Grund: Die fälschliche Zuordnung des Mitarbeitergesprächs zu
sogenannten Führungsstilen und Rollen.
Zweiter Grund: Die fälschliche Verknüpfung der Rolle „Vertreter der
Unternehmensinteressen“ mit einem Führungsstil, der als „autoritär“
bezeichnet wird.
Dritter Grund: Die scheinbare Gleichstellung der drei Rollen neben-
einander, die suggeriert, dass die Führungskraft frei wählen kann und
je nach Situation den einen oder anderen Führungshut (die Rolle) auf-
zieht.
Die drei Rollen der Führungskraft
Wie Mitarbeitergespräche zur Pflichtübung verkommen konnten | 21
24. Die Autorin
Miriam Gross ist Diplom-Psychologin mit
Weiterbildung in systemischer Unterneh-
mensentwicklung. Schwerpunkte der seit
über zehn Jahren selbstständigen Unter-
nehmensberaterin sind Coaching, Bera-
tung, Team- und Organisationsentwicklung.
Ihr Fokus liegt darauf, Profit- und Non-
Profit-Organisationen in deren Verände-
rungsprozessen fachlich-fundiert, mit dem entsprechend Wissen, zu
begleiten und praktisch-lösungsorientiert zu unterstützen. Ebenso ist
sie als Trainerin und Moderatorin für unterschiedliche Kunden und Bran-
chen unterwegs, meist mit einer der vielen Facetten von „Führung“ und
„Kommunikation“. Im Coaching unterstützt sie Führungskräfte von der
Top-Leitungsebene über alle Hierarchieebenen hinweg als differenzierte
Reflexionspartnerin, provokante Nachfragerin mit einer wohlwollenden,
humorvollen Grundhaltung.
Miriam Gross lebt und arbeitet dort, „wo andere Menschen Urlaub ma-
chen“, im sonnigen Freiburg. Seit 2011 ist sie mit ihrer langjährigen
Geschäftspartnerin Doro Hepp in der „Gross & Hepp GbR“ vereint.
Kontakt:
E-Mail: gross@grossundhepp.de
Internet: www.grossundhepp.de
Die Autorin | 183
25. Matthias K. Hettl
Richtig führen ist einfach
Der Führungskompass zur wirksamen
Mitarbeiterführung
192 Seiten; 1. Auflage 2012; 21,80 Euro
ISBN 978-3-86980-189-6; Art-Nr.: 901
Führungskompetenz ist nach wie vor der Engpassfaktor in Unternehmen. Der be-
kannte TOP-Trainer Matthias K. Hettl zeigt in seinem neuen Buch die alltäglichen
Situationen, an denen Nachwuchsführungskräfte und erfahrene Praktiker immer
wieder scheitern, und erklärt, wie man das vermeidet.
Ausgangspunkt ist die persönliche Führungsstilanalyse, mithilfe derer Sie Ihren
persönlichen Führungsstil reflektieren und prüfen können. In einem guten Über-
blick über die gängigen Führungskonzepte und -stile verdeutlicht der Autor gleich-
zeitig die Grenzen der unreflektierten Methodengläubigkeit. Praxisorientiert zeigt
er, wie man durch die situative Anwendung der verschiedenen Führungskonzepte
– abhängig von Mitarbeiter und Kontext und persönlichem Führungsstil – bessere
Ergebnisse erzielt.
In dieses Buch sind die Erfahrungen aus Hunderten von Führungskräftesemina-
ren eingeflossen. Mit über 60 konkreten Praxistipps zur Mitarbeitermotivation und
einer Fülle von Tools und Techniken finden Sie in diesem Buch Antworten, wie Sie
den Führungsalltag wirkungsvoll meistern und Ihren persönlichen Führungsstil
systematisch verbessern.