In Deutschland hat sich die Kreditvergabe in den vergangenen Jahrzehnten im internationalen Vergleich besonders stabil entwickelt. Dies ist Folge der konservativen Standards bei der Kreditvergabe, aber auch der auf Langfristigkeit angelegten Finanzierungskultur. Auch nach mehreren Jahren solider Einkommenszuwächse und historisch niedrigen Kreditzinsen verläuft die Kreditvergabe immer noch langsamer als im langfristigen Trend.
Der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS), das in Deutschland für die makroprudenzielle Politik zu-ständige Gremium, hat die Schaffung zusätzlicher makroprudenzieller Instrumente empfohlen, mit denen die Immobilienkreditvergabe direkt beeinflusst werden kann. Immobilienkredite machen etwa die Hälfte der gesamten Kredite an Unternehmen und Privathaushalte aus. Ob die zusätzlichen Instrumente des AFS überhaupt zum Einsatz kommen, ist vor dem Hintergrund des stabilen deutschen Immobilienmarktes allerdings fraglich.
Der AFS hat sich darüber hinaus für den Aufbau eines zentralen Registers aller Wohnimmobilienkredite in Deutschland ausgesprochen. Eine solche Totalerfassung aller Wohnimmobilienfinanzierungen erscheint aus Finanzstabilitätsgründen überzogen. Unter Berücksichtigung der bereits heute extrem hohen Meldepflichten, gerade für kleinere Kreditinstitute, sollte der AFS stattdessen seine Analysen auf vorhandene Datenquellen stützen.
Die EZB und die Eurokrise
Kritiker geißeln das Eingreifen der EZB in der Eurokrise. Lesen Sie in der aktuellen Kapital & Märkte, was es mit dem Vorwurf der Staatsfinanzierung wirklich auf sich hat und ob die EZB mit Ihren Maßnahmen eine große Inflation heraufbeschwört.
Der Bankenverband warnt vor zu großen Belastungen der Banken durch regulatorische Hürden in der Corona-Pandemie. „Die Banken haben seit Ausbruch der Pandemie einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Wirtschaft geleistet“, sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes
Beschlüsse der Ratssitzung vom 22. April 2022:
▪ Anleihekaufprogramme und Leitzinsen bleiben vorerst unverändert.
▪ Anleihekäufe im Rahmen des Pandemieprogramms (PEPP) in Q2 2021 weiterhin mit höherem Tempo.
▪ EZB weiterhin bereit gegebenenfalls mit sämtlichen Instrumenten zu reagieren.
In Deutschland hat sich die Kreditvergabe in den vergangenen Jahrzehnten im internationalen Vergleich besonders stabil entwickelt. Dies ist Folge der konservativen Standards bei der Kreditvergabe, aber auch der auf Langfristigkeit angelegten Finanzierungskultur. Auch nach mehreren Jahren solider Einkommenszuwächse und historisch niedrigen Kreditzinsen verläuft die Kreditvergabe immer noch langsamer als im langfristigen Trend.
Der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS), das in Deutschland für die makroprudenzielle Politik zu-ständige Gremium, hat die Schaffung zusätzlicher makroprudenzieller Instrumente empfohlen, mit denen die Immobilienkreditvergabe direkt beeinflusst werden kann. Immobilienkredite machen etwa die Hälfte der gesamten Kredite an Unternehmen und Privathaushalte aus. Ob die zusätzlichen Instrumente des AFS überhaupt zum Einsatz kommen, ist vor dem Hintergrund des stabilen deutschen Immobilienmarktes allerdings fraglich.
Der AFS hat sich darüber hinaus für den Aufbau eines zentralen Registers aller Wohnimmobilienkredite in Deutschland ausgesprochen. Eine solche Totalerfassung aller Wohnimmobilienfinanzierungen erscheint aus Finanzstabilitätsgründen überzogen. Unter Berücksichtigung der bereits heute extrem hohen Meldepflichten, gerade für kleinere Kreditinstitute, sollte der AFS stattdessen seine Analysen auf vorhandene Datenquellen stützen.
Die EZB und die Eurokrise
Kritiker geißeln das Eingreifen der EZB in der Eurokrise. Lesen Sie in der aktuellen Kapital & Märkte, was es mit dem Vorwurf der Staatsfinanzierung wirklich auf sich hat und ob die EZB mit Ihren Maßnahmen eine große Inflation heraufbeschwört.
Der Bankenverband warnt vor zu großen Belastungen der Banken durch regulatorische Hürden in der Corona-Pandemie. „Die Banken haben seit Ausbruch der Pandemie einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Wirtschaft geleistet“, sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes
Beschlüsse der Ratssitzung vom 22. April 2022:
▪ Anleihekaufprogramme und Leitzinsen bleiben vorerst unverändert.
▪ Anleihekäufe im Rahmen des Pandemieprogramms (PEPP) in Q2 2021 weiterhin mit höherem Tempo.
▪ EZB weiterhin bereit gegebenenfalls mit sämtlichen Instrumenten zu reagieren.
Pressegespräch zur europäischen Umsetzung von Basel IV und den Empfehlungen d...Bankenverband
Der Bankenverband hat am 23. August 2019 ein Pressegespräch in Frankfurt am Main durchgeführt. Dabei wurde die Präsentation gezeigt zur Umsetzung von Basel IV und den Empfehlungen der European Banking Authority. Das Basel-IV-Paket geht zu Lasten von Banken und Wirtschaft in Europa. Der Bankenverband zeigt die quantitativen Auswirkungen auf und erläutern die negativen Konsequenzen einer strikten Umsetzung.
An den internationalen Finanzmärkten nahmen die Unsicherheiten und Turbulenzen im Dezember wieder zu. Während die Volatilitätsindices und die systemischen Stressindikatoren nach oben schnellten, waren die internationalen Aktienmärkte weiter auf dem Rückzug.
Für die Neubewertung an den Finanzmärkten scheinen drei Faktoren verantwortlich gewesen zu sein: Zunächst mehrten sich die Signale, die auf eine Abschwächung des internationalen Wirtschaftswachstums hindeuten, sodann änderte sich die Wahrnehmung des geldpolitischen Kurses der Fed und schließlich trugen verschiedene politische Konflikte wie der Handelsstreit mit China und der Brexit zur weiteren Verunsicherung an den Märkten bei.
Unsicherheiten bezüglich des weiteren geldpolitischen Kurses in den USA entstanden, als die Renditenstrukturkurve flacher wurde und sich am kürzeren Ende kurzfristig umkehrte – was häufig als Zeichen für eine bevorstehende Rezession gewertet wird. Da sich die wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten in den kommenden Monaten fortsetzen werden, sind weitere Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht auszuschließen.
Zunehmende Sorgen bereitet der internationale Anstieg der Verschuldung. In Europa konnte zwar insgesamt die Verschuldung etwas reduziert werden, jedoch stand nach dem Regierungswechsel in Italien die Staatsverschuldung wieder stärker im Blick. Weil die italienische Regierung die Haushaltsvorgaben der EU-Kommission ablehnte, weiteten sich die CDS-Spreads für italienische Staatsanleihen deutlich aus, dabei kam es auch zu begrenzten Ansteckungseffekten.
International stehen dagegen die Unternehmensschulden im Zentrums des Interesses. Erste skeptische Ein-schätzungen werden aus den USA berichtet, die größte Bedrohung für die Finanzstabilität findet sich jedoch in China. Mit Sorge wird beobachtet, dass die Gesamtverschuldung der Weltwirtschaft seit Ausbruch der Finanzkrise weiter kräftig expandiert und sich auf einem historischen Höchststand befindet.
Die Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat in Deutschland zu historisch niedrigen Zinsen geführt. Diese Politik hat eine noch sehr viel tiefere Krise und ein Auseinanderbrechen der Währungsunion verhindert. Sie birgt aber zunehmende Gefahren für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung und die Stabilität des Finanzsystems in Deutschland und in der Eurozone.
Vor diesem Hintergrund hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) im Rahmen einer Studie für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) analysiert, ob ein zeitnaher Ausstieg aus der Niedrigzinsphase erfolgen sollte, wann und unter welchen Voraussetzungen es dazu kommen kann und wie die EZB die Zinswende möglichst ohne größere Verwerfungen und negative Auswirkungen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung steuern kann.
Indikatoren für Systemisches Risiko - Juli 2019Bankenverband
Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Abschwung oder durchläuft doch zumindest eine Phase deutlicher Abschwächung. Zudem ist sie in sich gespalten. Einem nach wie vor expandierenden Dienstleistungssektor steht ein Industriesektor entgegen, den nicht wenige Beobachter bereits in einer Rezession wähnen. Zugegebenermaßen ist die Kapazitätsauslastung noch hoch, jedoch verläuft ihre Dynamik in Richtung Rezession, sie sinkt seit sechs Quartalen kontinuierlich.
Indikatoren für systemisches Risiko - Februar 2022Bankenverband
Weltwirtschaft: Dynamik lässt nach
Die Weltwirtschaft hat im letzten Quartal 2021 erneut etwas an Kraft verloren. Hintergrund sind neue Covid-Varianten, deutlich anziehende Teuerungsraten und anhaltende Lieferengpässe.
Nach einem sehr kräftigen Wachstumsschub im vergangenen Jahr (5,9 %) sollte sich die globale Erholung 2022 grundsätzlich fortsetzen, auch wenn der Internationale Währungsfonds seine Wachstumsprognose für die Welt-wirtschaft in diesem Jahr zuletzt um einen halben Prozentpunkt auf 4,4 % reduziert hat.
An den internationalen Finanzmärkten war die Stimmung im Dezember wegen der Bedenken über eine Abschwächung der Weltwirtschaft getrübt. Die abnehmende Risikobereitschaft verstärkte sich in der zweiten Dezemberhälfte. Die Volatilität an den Märkten nahm zu und die Talfahrt an den Aktienmärkte beschleunigte sich. Gleichzeitig weiteten sich die Renditenaufschläge aus und die Renditen von Staatsanleihen gingen weiter zurück.
Nach dem Jahreswechsel erholten sich die Märkte dann wieder und machten die seit Anfang Dezember erlittenen Verluste wieder wett. Verantwortlich hierfür war in erster Linie die Ankündigung der Fed, nicht nur beim Leitzins, sondern auch beim Bilanzabbau flexibel auf die Konjunkturabkühlung zu reagieren. Unterstützend wirkte auch die Ankündigung der EZB die Geldpolitik an die sich verändernden Umstände anzupassen. Die Aktienmärkte verzeichneten in Folge Kursgewinne, während sich die Anleiherenditen weiter verringerten und die Renditen deutscher Bundesanleihen auf Tiefstände fielen, die sehr lange nicht mehr erreicht worden waren.
Im Euro-Raum unterliegt vor allem das Länderrisiko für Italien weiterhin starken Schwankungen. Nachdem der Renditeabstand zu Bundeswertpapieren nach der Veröffentlichung des Haushaltsplans im September einen Höchststand erreichte, verengte sich anschließend wieder. Als die EU-Kommission im Februar ihre Prognose für das italienische BIP 2019 nach unten revidierte, weiteten sich die Renditenaufschläge auf italienische Staatsanleihen jedoch erneut aus.
Indikatoren für Systemisches Risiko - Januar 2020Bankenverband
Seit dem Sommer letzten Jahres tritt die deutsche Wirtschaft auf der Stelle. Die Ursache der anhaltenden sehr schwachen konjunkturellen Grundtendenz liegt in erster Linie an der seit fünf Quartalen rückläufigen Entwicklung in der exportabhängigen Industrie. Demgegenüber zeigten sich die stärker binnenwirtschaftlich orientierten Sektoren, gestützt auf die günstige Einkommensentwicklung, als widerstandsfähig.
Konjunkturprognose: Krieg in Ukraine hinterlässt deutliche Spuren in deutsche...Bankenverband
Der Ausblick der Chefvolkswirte der privaten Banken auf die wirtschaftliche Lage ist in diesem Frühjahr von großen Unsicherheiten geprägt. „Der unfassbare Angriff Russlands auf die Ukraine wird deutliche Spuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen. Wie tief diese sein werden, ist derzeit noch nicht absehbar,“ sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, mit Blick auf die Frühjahrsprognose des Verbandes.
Indikatoren für Systemisches Risiko - Oktober 2019Bankenverband
Die Geldpolitik der EZB unterstützt das Wirtschaftswachstum nur in begrenztem Umfang und ihr Einfluss auf die Inflation bleibt gering. Der Euroraum bleibt aufgrund seiner Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage anfällig für weitere externe Schocks. Die wichtigsten Risiken, die das Vertrauen und das Wirtschaftswachstum zu untergraben drohen, bleiben weitgehend geopolitisch und politisch. Dazu gehören zunehmende globale Handelsspannungen, die Brexit-Unsicherheit und die politische Fragmentierung in der Region. Die Marktvolatilität ist ein weltweit wachsendes Risiko, da die Kreditrisikoprämien in einem niedrigen und länger anhaltenden Zinsumfeld steigen.
BdB-Umfrage Konjunktur und WirtschaftspolitikBankenverband
Konjunkturprognose des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik beim Bundesverband deutscher Banken. Das Fazit in Kürze: Die aktuelle wirtschaftliche Lage ist alles andere als trivial und es gibt sehr viele wirtschaftspolitische Herausforderungen. Dennoch lautet die Prognose, dass die Weltwirtschaft nach einer Verschnaufpause in diesem Jahr, im nächsten Jahr wieder etwas an Fahrt gewinnen wird.
Indikatoren für systemisches Risiko November 2021Bankenverband
Die Unsicherheiten hinsichtlich der Erholung der Weltwirtschaft haben zuletzt wieder leicht zugenommen. Aufgrund von Lieferengpässen und Virusmutationen verliert das Wirtschaftswachstum in zahlreichen Ländern an Schwung. Hinzu kommt, dass der aktuelle Preisdruck offenbar länger anhalten wird als ursprünglich erwartet. Der IWF prognostiziert für das laufende Jahr ein Weltwirtschaftswachstum von 5,9 %, für 2022 werden 4,9 % erwartet. Fiskalpolitische Maßnahmen zur Unterstützung des Aufschwungs sollten zielgerichteter werden.
Deutschland am Rande der Rezession - wie geht es weiter? - Herbstumfrage Konjunktur und Wirtschaftspolitik des Bankenverbands-Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik
Umfrageergebnisse Konjunktur und WirtschaftspolitikBankenverband
„Die Weltwirtschaft befindet sich im Kriechgang, sie ist festgefahren in Mittelmäßigkeit“, erklärt Carsten Klude, Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bankenverbandes und Chefvolkswirt von M.M. Warburg, mit Blick auf die Konjunkturprognose 2016/2017 der privaten Banken. Die 15 Chefvolkswirte des Ausschusses betonen, dass das globale Wachstum mit 3 % im Jahresverlauf erneut enttäuscht habe. Allein in den Schwellenländern seien erste Lichtblicke auszumachen. Ursache: die etwas höheren Öl- und Rohstoffpreise. Bei einem im nächsten Jahr auch wieder etwas höheren Wirtschaftswachstum in den USA könnte die Weltwirtschaft dann im Jahr 2017 um 3,3 % wachsen. Aber Klude warnt: „Die Risiken für die Weltkonjunktur werden auch im kommenden Jahr außergewöhnlich hoch bleiben.“
Das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum habe im ersten Halbjahr 2016 leicht positiv überrascht. Im Jahresdurchschnitt 2016 dürfte die gesamtwirtschaftliche Leistung in der Währungsunion um 1,5 % steigen. Schalte man einmalige Sondereffekte aus, sei dies in etwa das gleiche Tempo wie im vergangen Jahr. Klude erwartet: „Auch im nächsten Jahr wird sich nichts Grundlegendes an diesem Bild ändern.“ Aber: Da die positiven Konjunktureffekte durch die günstigen Ölpreise und die Euro-Abwertung hervorgerufen und im nächsten Jahr wohl vollständig wegfallen würden, werde die Wirtschaft mit 1,3 % geringfügig schwächer wachsen.
Auch die Wachstumsprognose für Deutschland haben die Chefvolkswirte der privaten Banken in diesem Jahr leicht angehoben, für nächstes Jahr aber etwas gesenkt. Durch besondere Kalendereffekte (in diesem Jahr stehen mehr Arbeitstage zur Verfügung als im nächsten) falle der Tempoverlust optisch deutlicher aus (nicht kalenderbereinigt von 1,8 % in diesem auf 1,2 %), als er tatsächlich sei (kalenderbereinigt von 1,7 % auf 1,5 %). Klude bekräftigt: „Zentrale Stütze für die deutsche Konjunktur bleiben die private Konsumnachfrage sowie der zur Finanzierung der Zuwanderung deutlich expandierende Staatsverbrauch. Die Wachstumsraten beider Komponenten sollten im nächsten Jahr nur geringfügig nachlassen.“
Pressegespräch zur europäischen Umsetzung von Basel IV und den Empfehlungen d...Bankenverband
Der Bankenverband hat am 23. August 2019 ein Pressegespräch in Frankfurt am Main durchgeführt. Dabei wurde die Präsentation gezeigt zur Umsetzung von Basel IV und den Empfehlungen der European Banking Authority. Das Basel-IV-Paket geht zu Lasten von Banken und Wirtschaft in Europa. Der Bankenverband zeigt die quantitativen Auswirkungen auf und erläutern die negativen Konsequenzen einer strikten Umsetzung.
An den internationalen Finanzmärkten nahmen die Unsicherheiten und Turbulenzen im Dezember wieder zu. Während die Volatilitätsindices und die systemischen Stressindikatoren nach oben schnellten, waren die internationalen Aktienmärkte weiter auf dem Rückzug.
Für die Neubewertung an den Finanzmärkten scheinen drei Faktoren verantwortlich gewesen zu sein: Zunächst mehrten sich die Signale, die auf eine Abschwächung des internationalen Wirtschaftswachstums hindeuten, sodann änderte sich die Wahrnehmung des geldpolitischen Kurses der Fed und schließlich trugen verschiedene politische Konflikte wie der Handelsstreit mit China und der Brexit zur weiteren Verunsicherung an den Märkten bei.
Unsicherheiten bezüglich des weiteren geldpolitischen Kurses in den USA entstanden, als die Renditenstrukturkurve flacher wurde und sich am kürzeren Ende kurzfristig umkehrte – was häufig als Zeichen für eine bevorstehende Rezession gewertet wird. Da sich die wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten in den kommenden Monaten fortsetzen werden, sind weitere Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht auszuschließen.
Zunehmende Sorgen bereitet der internationale Anstieg der Verschuldung. In Europa konnte zwar insgesamt die Verschuldung etwas reduziert werden, jedoch stand nach dem Regierungswechsel in Italien die Staatsverschuldung wieder stärker im Blick. Weil die italienische Regierung die Haushaltsvorgaben der EU-Kommission ablehnte, weiteten sich die CDS-Spreads für italienische Staatsanleihen deutlich aus, dabei kam es auch zu begrenzten Ansteckungseffekten.
International stehen dagegen die Unternehmensschulden im Zentrums des Interesses. Erste skeptische Ein-schätzungen werden aus den USA berichtet, die größte Bedrohung für die Finanzstabilität findet sich jedoch in China. Mit Sorge wird beobachtet, dass die Gesamtverschuldung der Weltwirtschaft seit Ausbruch der Finanzkrise weiter kräftig expandiert und sich auf einem historischen Höchststand befindet.
Die Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat in Deutschland zu historisch niedrigen Zinsen geführt. Diese Politik hat eine noch sehr viel tiefere Krise und ein Auseinanderbrechen der Währungsunion verhindert. Sie birgt aber zunehmende Gefahren für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung und die Stabilität des Finanzsystems in Deutschland und in der Eurozone.
Vor diesem Hintergrund hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) im Rahmen einer Studie für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) analysiert, ob ein zeitnaher Ausstieg aus der Niedrigzinsphase erfolgen sollte, wann und unter welchen Voraussetzungen es dazu kommen kann und wie die EZB die Zinswende möglichst ohne größere Verwerfungen und negative Auswirkungen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung steuern kann.
Indikatoren für Systemisches Risiko - Juli 2019Bankenverband
Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Abschwung oder durchläuft doch zumindest eine Phase deutlicher Abschwächung. Zudem ist sie in sich gespalten. Einem nach wie vor expandierenden Dienstleistungssektor steht ein Industriesektor entgegen, den nicht wenige Beobachter bereits in einer Rezession wähnen. Zugegebenermaßen ist die Kapazitätsauslastung noch hoch, jedoch verläuft ihre Dynamik in Richtung Rezession, sie sinkt seit sechs Quartalen kontinuierlich.
Indikatoren für systemisches Risiko - Februar 2022Bankenverband
Weltwirtschaft: Dynamik lässt nach
Die Weltwirtschaft hat im letzten Quartal 2021 erneut etwas an Kraft verloren. Hintergrund sind neue Covid-Varianten, deutlich anziehende Teuerungsraten und anhaltende Lieferengpässe.
Nach einem sehr kräftigen Wachstumsschub im vergangenen Jahr (5,9 %) sollte sich die globale Erholung 2022 grundsätzlich fortsetzen, auch wenn der Internationale Währungsfonds seine Wachstumsprognose für die Welt-wirtschaft in diesem Jahr zuletzt um einen halben Prozentpunkt auf 4,4 % reduziert hat.
An den internationalen Finanzmärkten war die Stimmung im Dezember wegen der Bedenken über eine Abschwächung der Weltwirtschaft getrübt. Die abnehmende Risikobereitschaft verstärkte sich in der zweiten Dezemberhälfte. Die Volatilität an den Märkten nahm zu und die Talfahrt an den Aktienmärkte beschleunigte sich. Gleichzeitig weiteten sich die Renditenaufschläge aus und die Renditen von Staatsanleihen gingen weiter zurück.
Nach dem Jahreswechsel erholten sich die Märkte dann wieder und machten die seit Anfang Dezember erlittenen Verluste wieder wett. Verantwortlich hierfür war in erster Linie die Ankündigung der Fed, nicht nur beim Leitzins, sondern auch beim Bilanzabbau flexibel auf die Konjunkturabkühlung zu reagieren. Unterstützend wirkte auch die Ankündigung der EZB die Geldpolitik an die sich verändernden Umstände anzupassen. Die Aktienmärkte verzeichneten in Folge Kursgewinne, während sich die Anleiherenditen weiter verringerten und die Renditen deutscher Bundesanleihen auf Tiefstände fielen, die sehr lange nicht mehr erreicht worden waren.
Im Euro-Raum unterliegt vor allem das Länderrisiko für Italien weiterhin starken Schwankungen. Nachdem der Renditeabstand zu Bundeswertpapieren nach der Veröffentlichung des Haushaltsplans im September einen Höchststand erreichte, verengte sich anschließend wieder. Als die EU-Kommission im Februar ihre Prognose für das italienische BIP 2019 nach unten revidierte, weiteten sich die Renditenaufschläge auf italienische Staatsanleihen jedoch erneut aus.
Indikatoren für Systemisches Risiko - Januar 2020Bankenverband
Seit dem Sommer letzten Jahres tritt die deutsche Wirtschaft auf der Stelle. Die Ursache der anhaltenden sehr schwachen konjunkturellen Grundtendenz liegt in erster Linie an der seit fünf Quartalen rückläufigen Entwicklung in der exportabhängigen Industrie. Demgegenüber zeigten sich die stärker binnenwirtschaftlich orientierten Sektoren, gestützt auf die günstige Einkommensentwicklung, als widerstandsfähig.
Konjunkturprognose: Krieg in Ukraine hinterlässt deutliche Spuren in deutsche...Bankenverband
Der Ausblick der Chefvolkswirte der privaten Banken auf die wirtschaftliche Lage ist in diesem Frühjahr von großen Unsicherheiten geprägt. „Der unfassbare Angriff Russlands auf die Ukraine wird deutliche Spuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen. Wie tief diese sein werden, ist derzeit noch nicht absehbar,“ sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, mit Blick auf die Frühjahrsprognose des Verbandes.
Indikatoren für Systemisches Risiko - Oktober 2019Bankenverband
Die Geldpolitik der EZB unterstützt das Wirtschaftswachstum nur in begrenztem Umfang und ihr Einfluss auf die Inflation bleibt gering. Der Euroraum bleibt aufgrund seiner Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage anfällig für weitere externe Schocks. Die wichtigsten Risiken, die das Vertrauen und das Wirtschaftswachstum zu untergraben drohen, bleiben weitgehend geopolitisch und politisch. Dazu gehören zunehmende globale Handelsspannungen, die Brexit-Unsicherheit und die politische Fragmentierung in der Region. Die Marktvolatilität ist ein weltweit wachsendes Risiko, da die Kreditrisikoprämien in einem niedrigen und länger anhaltenden Zinsumfeld steigen.
BdB-Umfrage Konjunktur und WirtschaftspolitikBankenverband
Konjunkturprognose des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik beim Bundesverband deutscher Banken. Das Fazit in Kürze: Die aktuelle wirtschaftliche Lage ist alles andere als trivial und es gibt sehr viele wirtschaftspolitische Herausforderungen. Dennoch lautet die Prognose, dass die Weltwirtschaft nach einer Verschnaufpause in diesem Jahr, im nächsten Jahr wieder etwas an Fahrt gewinnen wird.
Indikatoren für systemisches Risiko November 2021Bankenverband
Die Unsicherheiten hinsichtlich der Erholung der Weltwirtschaft haben zuletzt wieder leicht zugenommen. Aufgrund von Lieferengpässen und Virusmutationen verliert das Wirtschaftswachstum in zahlreichen Ländern an Schwung. Hinzu kommt, dass der aktuelle Preisdruck offenbar länger anhalten wird als ursprünglich erwartet. Der IWF prognostiziert für das laufende Jahr ein Weltwirtschaftswachstum von 5,9 %, für 2022 werden 4,9 % erwartet. Fiskalpolitische Maßnahmen zur Unterstützung des Aufschwungs sollten zielgerichteter werden.
Deutschland am Rande der Rezession - wie geht es weiter? - Herbstumfrage Konjunktur und Wirtschaftspolitik des Bankenverbands-Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik
Umfrageergebnisse Konjunktur und WirtschaftspolitikBankenverband
„Die Weltwirtschaft befindet sich im Kriechgang, sie ist festgefahren in Mittelmäßigkeit“, erklärt Carsten Klude, Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bankenverbandes und Chefvolkswirt von M.M. Warburg, mit Blick auf die Konjunkturprognose 2016/2017 der privaten Banken. Die 15 Chefvolkswirte des Ausschusses betonen, dass das globale Wachstum mit 3 % im Jahresverlauf erneut enttäuscht habe. Allein in den Schwellenländern seien erste Lichtblicke auszumachen. Ursache: die etwas höheren Öl- und Rohstoffpreise. Bei einem im nächsten Jahr auch wieder etwas höheren Wirtschaftswachstum in den USA könnte die Weltwirtschaft dann im Jahr 2017 um 3,3 % wachsen. Aber Klude warnt: „Die Risiken für die Weltkonjunktur werden auch im kommenden Jahr außergewöhnlich hoch bleiben.“
Das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum habe im ersten Halbjahr 2016 leicht positiv überrascht. Im Jahresdurchschnitt 2016 dürfte die gesamtwirtschaftliche Leistung in der Währungsunion um 1,5 % steigen. Schalte man einmalige Sondereffekte aus, sei dies in etwa das gleiche Tempo wie im vergangen Jahr. Klude erwartet: „Auch im nächsten Jahr wird sich nichts Grundlegendes an diesem Bild ändern.“ Aber: Da die positiven Konjunktureffekte durch die günstigen Ölpreise und die Euro-Abwertung hervorgerufen und im nächsten Jahr wohl vollständig wegfallen würden, werde die Wirtschaft mit 1,3 % geringfügig schwächer wachsen.
Auch die Wachstumsprognose für Deutschland haben die Chefvolkswirte der privaten Banken in diesem Jahr leicht angehoben, für nächstes Jahr aber etwas gesenkt. Durch besondere Kalendereffekte (in diesem Jahr stehen mehr Arbeitstage zur Verfügung als im nächsten) falle der Tempoverlust optisch deutlicher aus (nicht kalenderbereinigt von 1,8 % in diesem auf 1,2 %), als er tatsächlich sei (kalenderbereinigt von 1,7 % auf 1,5 %). Klude bekräftigt: „Zentrale Stütze für die deutsche Konjunktur bleiben die private Konsumnachfrage sowie der zur Finanzierung der Zuwanderung deutlich expandierende Staatsverbrauch. Die Wachstumsraten beider Komponenten sollten im nächsten Jahr nur geringfügig nachlassen.“
Ergebnisse der Umfrage zu Konjunktur und WirtschaftspolitikBankenverband
Die Umfrage „Konjunktur und Wirtschaftspolitik“ des Bundesverbandes deutscher Banken liefert Zahlen und Perspektiven zur Entwicklung des weltwirtschaftlichen Umfelds, zur Konjunktur im Euro-Raum sowie in Deutschland und zur Geldpolitik der EZB.
Aktuelle Informationen aus dem Kapitalmarkt - Januar 2012
Wir möchten Ihnen Einblicke in die aktuelle Marktlage ermöglichen und Sie über zukunftsträchtige Anlageformen informieren.
Unser Experte Arnim E. Kogge, Leiter des Bereiches "Private Banking" bei ELLWANGER & GEIGER PRIVATBANKIERS, und sein Team analysiert und kommentiert die Entwicklungen auf den Aktienmärkten.
Den vollständigen Artikel sowie weitere Studien, Daten und Tools finden Sie auf: http://ged-project.de/de/2012/05/01/maastricht-2-0-2/
Die wachsende Staatsverschuldung wird eine immer größere Belastung für die EU und den Euro. Europa braucht deshalb eine langfristig angelegte Finanzpolitik, die die staatliche Verschuldung wieder auf ein tragfähiges Niveau bringt und dabei gleichzeitig eine stabile ökonomische Entwicklung ermöglicht.
Neue Verschuldungsregel
»Maastricht 2.0« ist ein Vorschlag für eine neue Verschuldungsregel, die diese beiden Anforderungen erfüllt. Anders als der europäische Fiskalpakt berücksichtigt »Maastricht 2.0« länderspezifische Gegebenheiten und lässt den Staaten zudem mehr Zeit für den Schuldenabbau. Dadurch ist »Maastricht 2.0« wachstumsfreundlicher als die europäische Schuldenbremse. Bis zum Jahr 2030 addieren sich die realen Wachstumsgewinne gegenüber der europäischen Schuldenbremse zu etwas mehr als 450 Milliarden Euro auf.
1. SÖZf
SÖZf
ZEITSCHRIFT FÜR SOZIALÖKONOMIE
Die Endlagerinstrumente der Euro-
päischen Zentralbank vor dem
Bundesverfassungsgericht und dem
Europäischen Gerichtshof
Brauchen wir eine neue Geldordnung?
Stabile Währung durch Haltegebühr
auf Geld
Der Euro-Leitzins ist nicht
konjunkturgerecht
Grundlagen des islamischen
Wirtschaftsdenkens – Eine Einführung
Dollar, Sucre und die Suche nach einer
gerechten Weltwährungsordnung
Leopold Kohr – Wachstumskritiker
der ersten Stunde
Bioökonomie – Über die Pervertierung
eines grünen Paradigmas
Berichte – Bücher – Veranstaltung
56. Mündener Gespräche in der
Reinhardswaldschule in Fuldatal
Max Danzmann
Dieter Suhr †
Eckhard Behrens
Abdelaali El Maghraoui
Edoardo Beretta
Helmut Woll
Hans-Günter Wagner
3
12
23
26
28
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49
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87
186/187.52. Jahrgang Folge Oktober 2015
ISSN 0721-07522. überarbeitete Auflage2. überarbeitete Auflage
SILVIO GESELL:
„Reichtum und Armut
gehören nicht in
einen geordneten
Staat.“
Werkauswahl zum
150. Geburtstag
zusammengestellt
von Werner Onken
2. überarbeitete
Auflage 2012
230 Seiten, Pb.
19,90 EURO [2012]
ISBN 978-3-87998-462-6
Bestellungen:
SOZIALÖKONOMIE-SHOP
www.sozialoekonomie.de
Am 17. März 2012 jährte sich zum 150. Mal der
Geburtstag des Kaufmanns und Sozialreformers
Silvio Gesell, der wegen seiner grundlegenden
Vorschläge für die Verwirklichung einer freiheitlichen
und gerechten, den Frieden fördernden Gesellschafts-
ordnung mehr Beachtung verdient, als ihm bisher im
allgemeinen und in der Wissenschaft im besonderen
zuteil wurde. Aus diesem Anlass soll das vorliegende
Buch die Persönlichkeit Silvio Gesells vorstellen und
anhand einer Auswahl von Textpassagen aus seinen
Werken einen Einblick in seine sozialreformerische
Gedankenwelt vermitteln.
ZfSÖ-186-187.Umschlag.qxp_ZfSÖ-145_U 05.10.15 11:41 Seite 1
2. 3
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
Die Eurorettungspolitik der Regierungen der
Euromitgliedstaaten, der Europäischen Kommis-
sion und des IWF hat die Eurozone auch nach
Jahren nicht hinreichend finanziell zu stabili-
sieren vermocht. Die EZB scheint derzeit der ein-
zige Akteur zu sein, der über die zur Finanz-
stabilisierung der Eurozone erforderlichen In-
strumente verfügt. Allerdings werden über die
Finanzstabilisierungsprogramme der EZB vor dem
BVerfG und dem EuGH Rechtsstreite geführt,
weil deren Anwendung zur gemeinschaftlichen
Endlagerung von Verlusten und zur Verletzung
der (finanziellen) Souveränität der Euromit-
gliedstaaten führen kann.
1 Die Finanzstabilisierungspro-
gramme der Europäischen
Zentralbank
Nach schwierigen Verhandlungen wurde mit
Griechenland ein weiteres Rettungspaket verein-
bart, obwohl sich längst gezeigt hat, dass die
dauerhafte Refinanzierung des griechischen Fis-
kus und anderer fiskalisch instabiler Staaten die
Eurozone langfristig nicht finanziell stabilisieren
kann. Es ist nicht zu erwarten, dass die betroffe-
nen Fisken die Mittel zur Tilgungs- und Zinslei-
stung aufbringen können.2
Auch werden die be-
troffenen Völker wahrscheinlich nicht auf Dauer
bereit sein, die erheblichen Eingriffe in ihre
Souveränität infolge der strikten Finanzierungs-
bedingungen der Geldgeber hinzunehmen.
Deshalb versucht die EZB zurzeit als mächtig-
ster finanzwirtschaftlicher Akteur, die Eurozone
über das Outright Monetary Transactions (OMT)-
Programm3
und das Extended Asset Purchase
(EAP)-Programm4
finanziell zu stabilisieren.
Die OMT umfassen dabei ein Programm, nach
welchem das Eurosystem Staatsanleihen von
einzelnen Euromitgliedstaaten (Selektivität) auf
Sekundärmärkten unter Akzeptanz der eigenen
Gleichbehandlung mit sonstigen Gläubigern und
unter Neutralisierung der dadurch bedingten
Liquiditätseffekte erwirbt, falls die begünstigten
Staaten jeweils an den parallel laufenden Pro-
grammen der EFSF und des ESM (Parallelität) teil-
nehmen und deren Bedingungen erfüllen (Kondi-
tionalität). Dieses Programm ist Gegenstand ei-
ner (im Folgenden näher betrachteten) gerichtli-
chen Auseinandersetzung vor dem BVerfG und dem
EuGH, wurde aber bislang noch nicht angewen-
det und mittlerweile vom EAP-Programm abgelöst.
Beim EAP-Programm hingegen entfallen die
Selektivität, die Konditionalität, die Parallelität
und die Liquiditätsneutralisierung des OMT-Pro-
gramms. Im Wege des EAP-Programms erwirbt
das ESZB von März 2015 bis mindestens Septem-
ber 2016 Wertpapiere des privaten und öffent-
lichen Sektors in Höhe von monatlich sechzig
Milliarden Euro, wobei wiederum Staatsanleihen
im Vordergrund stehen. Dadurch kommt es zu
einer erheblichen Ausweitung der Geldmenge
(Quantitative Easing) und es werden Umvertei-
lungseffekte und Fehlanreize zwischen den Euro-
mitgliedstaaten bewirkt.
2 Die Zentralbankbilanzen als
Endlager für Verluste
Das OMT-Programm und das EAP-Programm
Die Endlagerinstrumente der
Europäischen Zentralbank vor dem
Bundesverfassungsgericht
und dem Europäischen Gerichtshof
Max Danzmann1
1
3. 4
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...
legen es nahe, von einer Endlagerung durch das
ESZB zu sprechen. Bei einer solchen Endlagerung
werden finanziell destabilisierende Vermögens-
werte in die Bilanzen des ESZB aufgenommen, um
Verluste, die aus Abschreibungen auf diese Ver-
mögenswerte resultieren, dauerhaft in den Zen-
tralbankbilanzen zu belassen. Abstrakt betrach-
tet, werden durch die Endlagerung finanzielle
Instabilitäten aus dem Finanzmarkt im Wege
quantitativer Lockerungen (Quantitative Easing)
herausgelöst. Das ESZB und damit auch die EZB
würden im Falle solcher Verlustabschreibungen
die Funktion einer Bad Bank übernehmen.5
Die EZB könnte ihre Bilanz als Endlager nut-
zen, weil endgelagerte Verluste für die EZB keine
existentiellen Gefahren darstellen und grund-
sätzlich nur bilanzielle Konsequenzen haben.
Eine negative Eigenkapitalposition hat keine
existentiellen Folgen für die EZB, weil die EZB
grundsätzlich nicht insolvenzfähig ist und sie
faktisch auch ihre Zahlungsfähigkeit wegen ihrer
unbeschränkten Geldschöpfungskapazität nicht
verlieren kann.
Bei den OMT- und EAP-Programmen erwirbt
die EZB Vermögenswerte (vornehmlich Staatsan-
leihen), die das Finanzsystem destabilisieren, zu
Preisen, welche die (gegenwärtigen) (Markt-)
Werte übersteigen, damit die begünstigten Ver-
käufer keine die Finanzstabilität gefährdenden
Verlustabschreibungen vornehmen müssen und
damit – im Falle von Staatsanleihekäufen – den
begünstigten Fisken auch weiterhin eine Finan-
zierung über den Finanzmarkt ermöglicht wird.6
Durch die überhöhte Kaufpreiszahlung mit zu
diesem Zweck generiertem Zentralbankgeld wird
das Finanzstabilitätsrisiko vom Verkäufer auf die
EZB übertragen.
Der Einsatz der Endlagerinstrumente durch die
EZB könnte erforderlich sein, um die (Zusam-
mensetzung der) Europäischen Währungsunion
(EWU) trotz ihrer finanziell instabilen Verfassung
aufrechtzuerhalten. Die EZB könnte durch die
Endlagerung in weitem Umfang als Garant der
Finanzstabilität fungieren. Jedoch bewirkt die
Endlagerung Umverteilungseffekte, Fehlanreize
und Inflationsgefahren, die vor dem Hintergrund
der Unabhängigkeit der EZB eine Mandatsab-
grenzung erforderlich machen.7
3 Die Endlagerung als finanzstabi-
litätspolitisches Instrument
Für die Prüfung der Zulässigkeit der Endlage-
rung durch die EZB ist es maßgeblich, welchem
Politikbereich die Endlagerinstrumente zuzuord-
nen sind, weil der EZB nach Art. 119 AEUV eine
umfassende Kompetenz nur für die Geldpolitik
zusteht. Die Endlagerung finanziell destabilisie-
render Verluste berührt die Belange mehrerer
Politikbereiche: insbesondere der Geldpolitik,
der Fiskalpolitik und der Finanzstabilitätspolitik.
Dabei ist die Finanzstabilitätspolitik ein erst
seit kurzem eigenständig wahrgenommener Wirt-
schaftspolitikbereich, weshalb finanzstabilitäts-
politische Verantwortlichkeiten noch durch den
Gesetzgeber zu regeln sind.
Die Endlagerinstrumente werden von der EZB
für die Geldpolitik reklamiert, wofür spricht,
dass die Instrumente in der Hand der Zentral-
bank als dem wesentlichen geldpolitischen Ak-
teur liegen. Außerdem steuert die EZB über Käufe
von Schuld- und Eigentumstiteln die Geldmenge
als einen wesentlichen geldpolitischen Parame-
ter. Jedoch könnten die Endlagerinstrumente
auch der Fiskalpolitik zugeordnet werden, wenn
über Staatsanleihekäufe die Refinanzierungs-
bedingungen des Fiskus am Kapitalmarkt beein-
flusst werden. Andererseits hat die Auflösung
monetärer und fiskalischer Instabilitäten im
Wege der Endlagerung insofern finanzstabilitäts-
politischen Charakter, als monetäre und fiska-
lische Instabilitäten auch Finanzinstabilitäten
darstellen.
Die Zuordnung zu einem der genannten Poli-
tikbereiche sollte nach ihrem Bedeutungsgehalt
erfolgen. Wenn eine Maßnahme grundsätzliche
Bedeutung für die Finanzstabilität insgesamt
aufweist, dann reicht ihr Bedeutungsgehalt über
das spezifisch Geldpolitische oder das spezifisch
Fiskalpolitische hinaus, auch wenn die Geld-
politik oder die Fiskalpolitik ebenfalls betroffen
sind, so dass sie primär der Finanzstabilitäts-
politik zuzuordnen ist. Dieser grundsätzliche
Bedeutungsgehalt wird über das Ausmaß der
Gefahr für die Finanzstabilität infolge desjeni-
gen Zustands bestimmt, gegen den sich die
Endlagerung richtet. Die Endlagerung erfolgt
4. 5
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...
demnach primär finanzstabilitätspolitisch, wenn
der Zustand, dem durch die Endlagerung abge-
holfen werden soll, einen hohen Gefahrengrad
für die Finanzstabilität aufweist.
Die Endlagerinstrumente sind in der Regel der
Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen, weil sie als
quantitative Lockerung aufgrund des Preisstabi-
litätsgrundsatzes regelmäßig nur ultima ratio
angewendet werden. Darüber hinaus wird die
finanzstabilitätspolitische Natur einer Endlager-
maßnahme indiziert, wenn (i) große Volumina
von Verlusten endgelagert werden, (ii) die Maß-
nahme gegenüber vielen Adressaten ergeht, (iii)
sie über einen langen Zeitraum angewendet
wird, (iv) sie gegenüber den Begünstigten mit
fiskal- oder finanzstabilitätspolitischen Bedin-
gungen oder Auflagen verbunden wird und (v)
sie sich gegen einen Zustand richtet, der gleich-
zeitig die Annahme monetärer, fiskalischer und
sonstiger finanzieller Instabilitäten begründet.8
4 Gerichtsentscheidungen zu
Endlagerinstrumenten
Das BVerfG und der EuGH haben im Rahmen
des OMT-Verfahrens zwar nicht begrifflich, aber
inhaltlich die faktische Möglichkeit der EZB zur
Endlagerung rechtlich geprüft, weil es sich bei
den OMT um ein Programm zum Erwerb von das
Finanzsystem destabilisierenden Staatsschuld-
papieren und Ausfallrisiken in erheblichem Um-
fang und damit um Maßnahmen zur Übernahme
finanziell destabilisierender Verluste durch das
Eurosystem (Endlager) handelt.
4.1 Vorlagebeschluss des
Bundesverfassungsgerichts
Das BVerfG hat im Rahmen seines Vorlage-
beschlusses Unionsrecht interpretiert und erheb-
liche Zweifel an der Vereinbarkeit der OMT mit
dem EZB-Mandat und dem Verbot monetärer
Staatsfinanzierung geäußert. Es hat indes eine
verbindliche Auslegung des Unionsrechts dem
EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfah-
rens überlassen, was ein Novum in der deut-
schen Verfassungsrechtsprechung darstellt. In
einem ausführlich begründeten Vorlagebeschluss
hat das BVerfG den OMT-Beschluss vorbehaltlich
einer restriktiven Auslegung durch den EuGH für
einen Akt ultra vires gehalten.9
4.2 Vorabentscheidung des
Europäischen Gerichtshofs
Der EuGH hat daraufhin auf Grundlage der
Vorlagefragen des BVerfG entschieden, dass der
Beschluss des Rates der EZB über die OMT vom
6. September 2012 nicht die Grenzen des geld-
politischen Mandats der EZB überschreitet und
nicht gegen das Verbot monetärer Staatsfinan-
zierung verstößt. Damit hat der EuGH grundsätz-
lich auch die Endlagerung von Verlusten durch
die EZB gebilligt.
a. Das Mandat der Europäischen Zentralbank
Der EuGH hat zunächst (die Selbstverständ-
lichkeit) ausdrücklich festgehalten, dass er dazu
berufen ist, die rechtlichen Grenzen des Mandats
der EZB zu überprüfen, welches ausdrücklich auf
die Währungspolitik (Geldpolitik) beschränkt
ist.10
Zur Abgrenzung der Währungspolitik von
der „allgemeinen Wirtschaftspolitik“ im Rahmen
des Art. 119 Abs. 1 AEUV bemüht der EuGH vor-
nehmlich das nach Art. 127 Abs. 1 S.1 AEUV pri-
märe Ziel der EZB, Preisstabilität zu gewähr-
leisten, sowie das in Art.119 Abs. 2 AEUV ver-
ankerte Ziel der Einheitlichkeit der Geldpolitik.11
Zur Verfolgung des Preisstabilitätsziels ist die
EZB auf den geldpolitischen Transmissionsme-
chanismus angewiesen, weshalb nach Auffassung
des EuGH (alle) Maßnahmen zur Erhaltung des
Transmissionsmechanismus (generell) durch das
Preisstabilitätsziel und damit geldpolitisch ge-
rechtfertigt werden können.12
Jedoch ist nicht
jeder Beitrag zur Preisstabilität allein deshalb
geldpolitisch, weil die Preisstabilität das zen-
trale geldpolitische Ziel darstellt 13
; denn jedes
ökonomische Handeln hat (zumindest mittelbar)
Einfluss auf das Preisniveau. Beispielsweise ha-
ben fiskalische Instabilitäten regelmäßig Stö-
rungen des Transmissionsmechanismus zur Folge,
weil fiskalische Instabilitäten wegen des kon-
nexen Verhältnisses zwischen Fiskalpolitik und
Finanzstabilitätspolitik häufig mit finanziellen
Instabilitäten privater Finanzwirtschaftsakteure
5. 6
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...
einhergehen.14
Die Funktionsfähigkeit des Trans-
missionsmechanismus ist somit auch abhängig
von finanziellen Instabilitäten, deren Ursachen
(zunächst) nichts mit dem Geldsystem zu tun
haben und sich erst im weiteren Verlauf einer
Störung auch auf Banken wegen ihrer zentralen
Stellung im Finanzsystem (negativ) auswirken.
Die (mittelbare) Betroffenheit der Zentralbank
gibt ihr nicht das Recht, in die Politikbereiche
anderer Akteure überzugreifen. Sonst würde es
der Zentralbank überantwortet, für die Finanzie-
rung des Fiskus zu sorgen, nur weil sich fiska-
lische Instabilitäten auch auf die Banken und
damit schließlich auf den Transmissionsmecha-
nismus auswirken können.
Auch das Ziel der Einheitlichkeit der Geldpo-
litik macht es der EZB nicht zur Aufgabe, Maß-
nahmen zu ergreifen, um die Zusammensetzung
der Eurozone zu gewährleisten. Bei der Zusam-
mensetzung einer geldpolitischen Gemeinschaft
handelt es sich auch um eine geldpolitische
Frage, gerade weil die Zusammensetzung einer
Währungsunion ohne die Möglichkeiten zur Wäh-
rungsabwertung und zur monetären Staatsfinan-
zierung möglicherweise faktisch nur durch die
Endlagerinstrumente gesichert werden kann,
denn eine Fiskalkrise kann bei fiskalischen In-
stabilitäten sonst nur durch den Austritt aus der
Währungsunion verhindert werden.15
Aber das
Primärrecht der EU weist die Kompetenz zur
Entscheidung über die Zusammensetzung der
Eurozone nicht der EZB, sondern explizit dem
Rat, der Kommission, dem Europaparlament und
den Mitgliedstaaten zu. Der EZB kommt gemäß
Art. 139 und 140 Abs. 3 AEUV nur für den Fall
des Beitritts eines Staats zur Eurozone ein Recht
zur Anhörung zu.16
Als weiteres Kriterium des währungspoliti-
schen (geldpolitischen) Mandats stellt der EuGH
auf die Mittel ab. Insoweit erklärt der EuGH
Staatsanleihekäufe auf Sekundärmärkten wegen
Art. 18 Abs. 1 ESZB-Satzung zu einem grundsätz-
lich zulässigen geldpolitischen Mittel.17
Dabei
sei die Selektivität des OMT unerheblich, weil
der AEUV nicht vorschreibe, dass das ESZB durch
allgemeine Maßnahmen auf den Finanzmärkten
zu intervenieren habe 18
. Der EuGH nimmt aber
nicht dazu Stellung, dass es ein Indiz für den
über das Geldpolitische hinausgehenden Gehalt
der OMT ist, dass die Selektivität der Staats-
anleihekäufe nur die Zinsaufschläge einzelner
Staaten rückführen soll, obwohl die geldpoliti-
schen Instrumente des Eurosystems – vor allem
die Leitzins- und Mindestreservesätze – sonst
nicht nach den Erfordernissen der teilnehmenden
Volkswirtschaften differenziert werden. Auf diese
Weise werden Zinsunterschiede eingeebnet, was
diejenigen Volkswirtschaften und Fisken benach-
teiligt, die sich aufgrund fiskalischer Stabilität
und allgemeiner Finanzstabilität eine bessere
Wettbewerbsposition erwirtschaftet haben.19
Ein-
griffe in die fiskalischen und gesamtwirtschaft-
lichen Wettbewerbspositionen gehen über das
Geldpolitische hinaus und haben allgemein wirt-
schaftspolitischen (finanzstabilitätspolitischen)
Charakter; zumal die gemeinsame Geldpolitik
schon wegen des Diskriminierungsverbots des
Art. 3 EUV und den Grundsätzen des freien Wett-
bewerbs und des offenen Binnenmarktes nicht
zwischen den Mitgliedstaaten des gemeinsamen
Währungsraumes unterscheiden darf.20
Außerdem spricht einiges dafür, dass die EZB
durch die Verknüpfung der Staatsanleihekäufe
mit den Anpassungsprogrammen (Konditionalität)
primär allgemeine Wirtschaftspolitik (Finanz-
stabilitätspolitik) betreibt, weil sowohl EFSF als
auch ESM (auch nach Ansicht des EuGH 21
) keine
Geldpolitik betreiben.22
Die EZB müsste die
Staatsanleihekäufe, wenn sie die Zusammenset-
zung der Eurozone gewährleisten will, faktisch
auch dann vornehmen, wenn der begünstigte
Staat die Anpassungsprogramme nicht einhält,
weil bei deren Nichterfüllung die Zinszuschläge
am Markt noch größer würden.23
Überdies müssen die OMT verhältnismäßig
sein, dürfen also nur in einem Umfang durchge-
führt werden, soweit sie zur Verwirklichung der
Preisstabilität geeignet, erforderlich und ange-
messen sind. Diese Beschränkung wird durch den
EuGH stark relativiert, weil er nicht etwa materi-
elle Grenzwerte vorgibt, sondern der EZB wegen
der technischen Natur der OMT und der Erfor-
derlichkeit von komplexen Beurteilungen und
Prognosen ein weites Ermessen einräumt.24
Bei der Prüfung der Geeignetheit stellt der
EuGH darauf ab, dass durch die OMT „überhöhte
6. 7
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...
Risikoaufschläge“ vermieden werden.25
Durch die
Annahme übermäßiger Risikoaufschläge verstößt
der EuGH entweder gegen den Marktgrundsatz
des Art. 3 Abs. 3 EUV oder er geht von Marktver-
sagen (beispielsweise durch Spekulation) aus.
Die Annahme eines Marktversagens ist jedoch
nicht mit der Grundstruktur der EWU vereinbar.
Die EWU wurde gemäß der no bail out-Klausel
des Art. 125 Abs.1 AEUV unter der Prämisse der
fiskalischen Eigenverantwortlichkeit konzipiert,
weshalb die Marktteilnehmer dem betroffenen
Fiskus im Falle fiskalischer Instabilitäten entwe-
der überhaupt nicht mehr oder nur noch gegen
höhere Zinszahlungen Kredite gewähren. Somit
sind die Zinsbestandteile nicht übermäßig oder
ungerechtfertigt, sondern in der Verfassung der
EWU angelegt. Zudem lassen sich Risikoauf-
schläge nicht in einen gerechtfertigten und ei-
nen übermäßigen Teil trennen.26
Vielmehr „lässt
sich im Ergebnis jede Interpretation und damit
einhergehende Handlungsempfehlung durch ent-
sprechende Annahmen begründen“, wenn ein-
zelne Risikokomponenten und Zinsbestandteile
nicht zweifelsfrei quantifiziert, eindeutig zuge-
ordnet und interpretiert werden können.27
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit stellt der
EuGH darauf ab, dass die OMT auf Staatsanleihen
mit ein- bis dreijähriger Laufzeit und auf Mit-
gliedstaaten, die an einem Anpassungsprogramm
von EFSF oder ESM teilnehmen und erneut Zu-
gang zum Finanzmarkt bekommen haben, be-
schränkt sind.28
Dabei bleibt unklar, ob ein Mit-
gliedstaat Marktzugang hat, wenn er nur Kredit
bekommt, weil die Kreditgeber auf die Möglich-
keit des Weiterverkaufs an die EZB spekulieren.
Auch kann der Marktzugang nur dadurch zustan-
de kommen, dass der Fiskus Zinsen mit Risiko-
aufschlägen zahlt, die von EZB und EuGH als
„überhöht“ eingestuft werden. Möglicherweise
könnte also der Zugang nur zu einem Markt be-
stehen, der nach Einschätzung von EZB und
EuGH versagt. Ferner ist die Beschränkung auf
Papiere mit ein- bis dreijähriger Laufzeit kaum
dazu imstande, das Volumen zu beschränken,
weil die Laufzeit von Staatsanleihen instabiler
Fisken üblicherweise im kurzfristigen Bereich
bleibt, so dass ein großer Anteil der Schuld-
papiere dieser Staaten in die Bilanzen des ESZB
gelangen würde. Dadurch würde das ESZB zum
Hauptgläubiger dieser Staaten; dies ist ein Um-
stand der mit dem Grundsatz fiskalischer Eigen-
verantwortlichkeit des Art. 125 Abs. 1 AEUV und
mit dem ursprünglich vereinbarten Verhältnis
von Fiskalpolitik und vergemeinschafteter Geld-
politik nicht zu vereinbaren sein dürfte.
Es bleibt festzuhalten, dass die OMT als End-
lagerinstrumente – wie in Abschnitt 3 erörtert –
primär nicht geldpolitischer, sondern finanzsta-
bilitätspolitischer Natur und damit der „allge-
meinen Wirtschaftspolitik“ zuzuordnen sind 29
.
Die „allgemeine Wirtschaftspolitik“ ist grund-
sätzlich – mit Ausnahme von ausdrücklichen Er-
mächtigungen zugunsten der EU – Sache der Mit-
gliedstaaten, wobei die EU insoweit gemäß Art.
119 Abs. 1 AEUV auf eine koordinierende Funk-
tion beschränkt ist 30
und der vergemeinschafte-
ten Geldpolitik gemäß Art. 119 Abs. 2 AEUV nur
eine unterstützende Rolle zugewiesen wurde. Ge-
mäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermäch-
tigung der Art. 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 und 2 EUV
sind daher die Mitgliedstaaten und nicht die EU
für die Finanzstabilitätspolitik zuständig.
Die Zuständigkeit des ESZB für die Finanz-
stabilitätspolitik wird zudem durch Art. 127
Abs. 5 AEUV explizit geregelt. Aus der Aufgabe
des ESZB nach Art. 127 Abs. 5 AEUV, einen
Beitrag zur Finanzstabilität zu leisten, kann aber
kein eigenständiges finanzstabilitätspolitisches
Mandat abgeleitet werden; zumal die Norm nicht
das ESZB, sondern explizit andere „Behörden“
als „zuständig“ bezeichnet. Mit einem solchen
Beitrag kann keinesfalls die Überantwortung der
Endlagerung finanziell destabilisierender Ver-
luste als das wirksamste Instrument der Finanz-
stabilitätspolitik gemeint sein, weil dadurch
eine umfassende Kompetenz begründet würde
und nicht nur eine Mitwirkung an einer mit-
gliedstaatlichen Finanzstabilisierung.31
Erschwe-
rend kommt hinzu, dass die EZB über die OMT
nach eigenem Ermessen entscheiden will.32
Zwar
setzt die in Art. 130 S. 1 AEUV verankerte
Unabhängigkeit der EZB eigenständige wirt-
schaftspolitische Bewertungen ihrer Hilfsmaß-
nahmen voraus, aber bei Inanspruchnahme
eigenen Ermessens gibt die EZB ihre Unter-
stützungsfunktion auf und wird zur eigenstän-
7. 8
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
digen finanzstabilitätspolitischen Gestaltungs-
instanz.33
Es besteht generell die Gefahr, dass die Macht
der EZB über die Endlagerinstrumente durch die
Berufung der EZB auf ihre Unabhängigkeit fak-
tisch von der Kontrolle anderer staatlicher Stel-
len abgeschottet wird. Die Endlagerinstrumente
sind der Zentralbankunabhängigkeit nie über-
antwortet worden und können ihr wegen ihrer
grundsätzlichen Bedeutung für die Verteilung der
wirtschaftlichen Ressourcen und der Wirtschafts-
leistung unter Demokratiegesichtspunkten auch
nicht überantwortet werden. Vielmehr müssen
Entscheidungen der Zentralbank über Endlager-
maßnahmen der parlamentarischen Kontrolle un-
terworfen werden. Durch die faktische Macht der
EZB über die Endlagerinstrumente infolge ihrer
Verfügungsgewalt über die Geldschöpfung und
ihre Bilanz hat sich das innerstaatliche Kom-
petenzgefüge weg von der Legislative hin zur
Exekutive (Monetative) verschoben. Die Zentral-
bank entscheidet ohne hinreichende demokrati-
sche Legitimation über verteilungsrelevante Fra-
gen, mithin über Grundzüge der (Finanz-)Wirt-
schaftsordnung, ohne dass der Gesetzgeber (aus-
reichend) Vorgaben gemacht hat.
b. Das Verbot monetärer Staatsfinanzierung
Der EuGH stellt in seinem Urteil zudem fest,
dass Art. 123 AEUV „jede finanzielle Unterstüt-
zung des ESZB zugunsten eines Mitgliedstaats“
„verbietet“, ohne grundsätzlich Sekundärmarkt-
käufe von Staatsschuldpapieren auf Grundlage
von Art. 18 Abs.1 ESZB-Satzung auszuschließen.
Jedoch darf das ESZB keine Sekundärmarktkäufe
vornehmen, wenn diese „die gleiche Wirkung wie
ein unmittelbarer Erwerb von Staatsanleihen“
haben und dadurch die Wirksamkeit des Verbots
monetärer Staatsfinanzierung und dessen Zweck
fiskalischer Stabilität „in Frage stellen“. 34
Aus diesem Grund muss das OMT-Programm
nach Ansicht des EuGH Bedingungen erfüllen,
die verhindern, dass Primärerwerber von Staats-
anleihen die Gewissheit haben, ihre Anleihen an
das ESZB weiterveräußern zu können, um da-
durch „faktisch als Mittelspersonen des ESZB für
den unmittelbaren Erwerb“ zu fungieren.35
Da-
bei stellt sich der EuGH aber mit den von der
EZB völlig offen formulierten Durchführungs-
parametern der OMT zufrieden. Insbesondere
reicht dem EuGH die bloße Absicht der EZB aus,
eine nicht näher konkretisierte Mindestfrist zwi-
schen Primär- und Sekundärerwerb einzuhalten
und weder die Durchführung noch das Volumen
der OMT anzukündigen.36
Der EuGH erkennt zwar
grundsätzlich den Einfluss der OMT auf den
Primärmarkt, rechtfertigt diesen aber in zirkel-
schlüssiger Weise damit, dass diese Wirkung den
grundsätzlich nach Art. 18 Abs. 1 AEUV zulässi-
gen Sekundärmarktkäufen „inhärent“ sei und zu-
dem „unerlässlich“ sei, um Sekundärmarktkäufe
„im Rahmen der Geldpolitik wirksam einsetzen
zu können.“ 37
Der EuGH hat weder eine quantitative Begren-
zung der OMT vorgenommen noch andere Kri-
terien entwickelt, die eine Beurteilung einer
unzulässigen „gleichen Wirkung“ ermöglichen
würden. Bereits die Ankündigung der OMT hat
die Finanzmarktteilnehmer trotz der fiskalischen
Instabilitäten zum Ersterwerb von Staatsanlei-
hen veranlasst, weil sie darauf hoffen, durch die
Weiterveräußerung an das Eurosystem risikolose
Profite zu vergleichsweise hohen Zinsen erzielen
zu können. Außerdem könnte das ESZB die
Staatsanleihen von den Ersterwerbern mangels
konkreter Mindestfristen auch im engen zeitli-
chen Zusammenhang mit der Emission erwer-
ben.38
Die Zwischenschaltung der Ersterwerber
diente dann lediglich der Umgehung des Verbots
monetärer Staatsfinanzierung; wirtschaftlich
wäre sie hingegen kostspielig und zwecklos.
Überdies hält es der EuGH im Rahmen von
Art. 123 AEUV für zulässig, wenn das ESZB die
erworbenen Staatsanleihen bis zur Fälligkeit
hielte, solange es damit nicht auf die Rückzah-
lung verzichtet. Jedoch erfolgt die Staatsfinan-
zierung dabei besonders wirksam, weil das An-
gebot der betreffenden Staatsanleihen am Markt
durch die Forderungskäufe mit anschließendem
Halten bis zur Fälligkeit verknappt wird und weil
damit in die marktliche Preisfindung eingegriffen
wird.39
Die Staatsfinanzierungswirkung der OMT würde
sich nicht nur auf die Liquiditätsbeschaffung des
Fiskus beschränken, sondern auch dessen Ver-
schuldungsumfang betreffen, sobald das Euro-
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...
8. 9
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
system (teilweise) auf die in Form von Staats-
anleihen verbrieften Forderungen verzichtet oder
sich das Ausfallrisiko in anderer Weise verwirk-
licht.40
Im Rahmen des OMT-Programms würde
das ESZB sogar eine Gleichbehandlung mit den
übrigen Gläubigern des Fiskus (pari passu) ak-
zeptieren, so dass es automatisch von einem von
einer Gläubigermehrheit beschlossenen Schul-
denschnitt betroffen wäre.41
Überdies billigt der
EuGH ausdrücklich, dass das ESZB durch gezielte
Staatsanleihekäufe fiskalisch instabiler Staaten
– vor allem auch zur Entlastung von Bankbi-
lanzen – erhebliche Verlustrisiken eingeht.42
Die im Rahmen der OMT vorgesehenen Se-
kundärmarktkäufe suchen das Verbot monetärer
Staatsfinanzierung zu umgehen.43
Die EZB will
explizit durch die mit Zentralbankgeld finanzier-
ten Staatsanleihekäufe – also mit monetären
Mitteln – Zinsaufschläge neutralisieren, damit
sich die betreffenden Staaten zum Zwecke der
Staatsfinanzierung am Primärmarkt günstiger
finanzieren können.44
Die von Art. 18 Abs. 1
ESZB-Satzung dem ESZB ermöglichten Sekun-
därmarktkäufe dürften wegen Art. 123 AEUV pro
Fiskus allenfalls einen Umfang haben, der dem
ESZB technisch die Steuerung der Geldmenge
ermöglicht, aber sonst für den jeweiligen Fiskus
nicht spürbar wird. Des Weiteren lässt die
Parallelität der OMT mit den Programmen der
EFSF und des ESM, die mit ihren Hilfskrediten
unmittelbar zur Staatsfinanzierung beitragen,
auf die Staatsfinanzierungswirkung der OMT
schließen.45
Die monetäre Finanzierung einzelner Staaten
führt in der EWU nicht nur zu inflationsbeding-
ten Umverteilungen zwischen Gläubigern, Schuld-
nern, Geldinhabern und dem Fiskus, sondern
auch zu Umverteilungen zwischen den Volkswirt-
schaften, weil sich deren (von der Inflation
betroffene) Forderungen und Verbindlichkeiten
nicht per Saldo ausgleichen. Für die EWU sollten
die aus der monetären Staatsfinanzierung fol-
genden Inflationsgefahren und die inflationsbe-
dingten Umverteilungswirkungen durch das Ver-
bot des Art. 123 Abs. 1 AEUV umfassend ausge-
schlossen werden. Das Verbot monetärer Staats-
finanzierung erfasst daher nicht nur die unmit-
telbare Finanzierung über Staatsanleihekäufe auf
dem Primärmarkt, sondern erfasst aufgrund des
(zur Durchsetzung des Europarechts häufig her-
angezogenen) Gebots der praktischen Wirksam-
keit auch sämtliche Umgehungstatbestände.46
5 Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts: Finanzstabilitätsunion
oder Souveränität?
Im Anschluss an die Vorabentscheidung des
EuGH wird das Urteil des BVerfG über die OMT als
Endlagerinstrumente grundlegende Fragen der
Finanzstabilitätsverfassung und der Souveränität
zu behandeln haben. Die Endlagerungsinstru-
mente bilden den Kern der Finanzstabilitätsver-
fassung der modernen Geld- und Finanzordnung,
weil sie die einzigen (grundsätzlich) unerschöpf-
lichen Stabilisierungsquellen darstellen. Für die
eigene volkswirtschaftliche Entwicklung ist die
Finanzstabilität von so entscheidender Bedeu-
tung, dass die Staatsgewalt über die Endlager-
instrumente und damit die Finanzstabilitätsho-
heit nicht aufgegeben werden kann, ohne dass
das betroffene politische Gemeinwesen einen
wesentlichen Bestandteil seiner Souveränität
verliert.47
Das BVerfG hat die Auslegung des OMT-Be-
schlusses zunächst dem EuGH überlassen, weil
die EZB als Organ der EU grundsätzlich der
Jurisdiktion des EuGH und nicht der des BVerfG
unterliegt. Das BVerfG hat in seinem Vorlage-
beschluss aber signalisiert, dass der OMT-Be-
schluss einschränkend vom EuGH ausgelegt wer-
den muss, um zu verhindern, dass das BVerfG
den OMT-Beschluss der EZB für ultra vires er-
klärt, und möglicherweise auch um den Rahmen
der Integrationsgrenze des Art. 79 Abs. 3 i.V.m.
Art. 20 Abs. 1 und 2 GG zu wahren .48
Trotz dieser
Ausgangslage hat der EuGH den OMT-Beschluss
in seiner Vorlageentscheidung ohne wesentliche
Restriktionen für vertragsgemäß erklärt.
Nun wird das BVerfG zumindest über einen
hinreichend qualifizierten Verstoß des OMT-Pro-
gramms gegen den Kompetenzkatalog der EU
(ultra vires-Kontrolle) und möglicherweise auch
über die Vereinbarkeit des OMT-Programms mit den
Integrationsgrenzen des Grundgesetzes (Iden-
titätskontrolle) entscheiden. Insofern hat der
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...
9. EuGH festgehalten, dass sein Urteil das BVerfG
„hinsichtlich der Auslegung oder der Gültigkeit
der fraglichen Handlungen der Unionsorgane bei
der Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit
bindet.“ 49
Es bleibt abzuwarten, ob nun das
BVerfG (i) durch Bindung an die EuGH-Entschei-
dung von einer Vereinbarkeit der OMT mit dem
währungspolitischen Mandat der EZB, dem Ver-
bot monetärer Staatsfinanzierung und dadurch
auch mit dem Grundgesetz ausgeht oder (ii)
trotz Vereinbarkeit der OMT mit dem AEUV die
Unvereinbarkeit der OMT mit den Integrations-
grenzen des Grundgesetzes annimmt oder (iii)
sich entgegen dessen ausdrücklicher Feststellung
nicht an die Entscheidung des EuGH gebunden
sieht. Jedenfalls hat das BVerfG als Reaktion auf
die Vorlageentscheidung des EuGH bereits an-
gekündigt, erneut mündlich verhandeln zu wol-
len, was darauf hindeuten könnte, dass sich das
BVerfG dem EuGH inhaltlich nicht vollends anzu-
schließen gedenkt.
Sollte das BVerfG den OMT-Beschluss als aus-
brechenden Rechtsakt oder sogar als Verletzung
der Verfassungsidentität einordnen, stellt sich
die Frage nach der Rechtsfolge einer solchen
Entscheidung. Zunächst ist denkbar, dass das
BVerfG materielle Grenzen für die OMT und die
Endlagerinstrumente (wie Höchstbeträge für den
Erwerb bestimmter Vermögenswertklassen) zieht,
in denen die EZB ihre Kompetenzen nicht über-
schreiten würde. Jedoch wären diese Grenzen
allenfalls für die Deutsche Bundesbank und nicht
für die EZB verbindlich, weil die EZB nicht der
Jurisdiktion des BVerfG unterliegt.
Ferner könnte das BVerfG die Bundesregierung
oder den Bundestag damit befassen, auf Ebene
der EU Verhandlungen anzustreben mit dem Ziel,
ausbrechende Rechtsakte der EZB in Zukunft zu
unterbinden. Dabei dürfte aber problematisch
sein, dass die Bundesregierung auf die unabhän-
gige EZB kaum Einfluss besitzt, der Bundesre-
gierung ein entsprechender Gestaltungswille
wegen ihrer eigenen europapolitischen Agenda
fehlt und Änderungen des europäischen Primär-
rechts der Zustimmung aller Mitgliedstaaten be-
dürfen.
Darüber hinaus könnte das BVerfG für den
OMT-Beschluss und die Endlagerinstrumente als
10
Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...
Rechtsfolge bestimmen, dass solche Beschlüsse
von deutschen Staatsorganen nicht angewendet
werden dürfen. Dann dürfte die Deutsche Bun-
desbank im Rahmen des ESZB keine OMT vor-
nehmen und keine Endlagerinstrumente anwen-
den, was der Deutschen Bundesbank zwar Ver-
luste ersparen würde, aber grundsätzlich nicht
die wirtschaftlichen Folgen der OMT und der
Endlagerung (wie der Geldmengenerweiterung)
für das deutsche Geldsystem aufheben würde,
zumal andere Zentralbanken des ESZB den Teil
der Deutschen Bundesbank übernehmen könn-
ten. Würde die Deutsche Bundesbank zudem ver-
suchen, das inländische Geldsystem (beispiels-
weise durch Beschränkungen von TARGET2) von
den Folgen abzuschirmen, würde die Einheit-
lichkeit der Geldpolitik des ESZB beeinträchtigt
und damit die EWU insgesamt in Frage gestellt.
Weiterhin ist auch denkbar, dass das BVerfG
die Verfassungswidrigkeit der OMT und damit der
Endlagerung durch die EZB feststellt, aber diese
Feststellung mit keiner konkreten Rechtsfolge
verknüpft. Dies hätte zwar den Vorteil, die Pro-
bleme mit der Unanwendbarkeitserklärung zu
vermeiden, aber auch zur Folge, dass ein aus-
brechender Rechtsakt und die dadurch bedingte
Souveränitätsverletzung keine (bestimmte) Rechts-
folge hätte. Politische Entscheidungsträger hät-
ten dann in Zukunft keine negativen Rechts-
folgen einer Souveränitätsverletzung mehr zu
befürchten, so dass das BVerfG Gefahr läuft,
dass seine ultra vires-Kontrolle zu einem stump-
fen Schwert wird und dass es seine Rolle als
Hüter der Verfassung verliert.
Die gleichen Gesichtspunkte zu den Rechts-
folgen kommen auch im Verfahren zu den be-
reits anhängigen Verfassungsbeschwerden zum
EAP-Programm50
zum Tragen. Beim Quantitative
Easing-Programm der EZB greifen indes die Ar-
gumente gegen die OMT der Selektivität, Kon-
ditionalität und Parallelität wegen dessen brei-
terer Strukturierung nicht, obwohl durch dieses
Programm nicht nur eine Endlagerung von Ver-
lusten aus Staatsschuldpapieren, sondern auch
aus weiteren Vermögenswertklassen möglich wird.
Es werden dabei zwar Wertpapiere aus allen Mit-
gliedstaaten erworben, jedoch sollten die Aus-
fallwahrscheinlichkeiten der Wertpapiere un-
10. gleich auf die Volkswirtschaften verteilt sein, so
dass es nicht nur zur Begünstigung der Finanz-
wirtschaftsakteure, denen die Wertpapiere abge-
nommen werden, sondern auch bestimmter Volks-
wirtschaften kommen dürfte. Die Umverteilungs-
wirkungen des Quantitative Easing dürften noch
erheblicher sein, als sie dies bei den OMT ge-
wesen wären; zumal das EAP-Programm einen
Umfang in Billionenhöhe hat.
Schließlich bleibt festzuhalten, dass über die
Anerkennung der Befugnis der EZB zur Endlage-
rung durch den EuGH und (nun auch) das BVerfG
die Finanzstabilitätshoheit und damit die Sou-
veränität der Euromitgliedstaaten preisgegeben
werden würde. Die Endlagerinstrumente würden
auf diese Weise zum entscheidenden Moment der
Integration zum Europäischen Bundesstaat. Zu-
dem wäre vor allem die EZB (finanziell) souve-
rän, wenn sie ohne parlamentarische Mitsprache
die Gewalt über die Endlagerinstrumente aus-
übte und damit (unabhängig) über die Finanz-
krise als (finanziellen) Ausnahmezustand ent-
scheiden könnte.51
Deshalb bedarf es zumindest
eines neuen institutionellen Rahmens, der die
Endlagerinstrumente der EZB an die Legitima-
tionskraft parlamentarischer Entscheidungen (der
Mitgliedstaaten) rückbindet.
Anmerkungen
01 Der Autor dankt Wolfgang Freitag für die Diskussion zum
Thema.
02 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft-
lichen Entwicklung, Konsequenzen aus der Griechenland-Krise
für einen stabileren Euro-Raum, 2015, S. 27 f.
03 Vgl. EZB, Pressemitteilung vom 06.09.2012 zu den „Technical
features of Outright Monetary Transactions“.
04 Vgl. EZB, Pressemitteilung vom 22.01.2015 „ECB announces ex-
panded asset purchase programme“.
05 M. Danzmann, Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und
Finanzstabilitätspolitik, S. 325.
06 Vgl. M. Danzmann, Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik
und Finanzstabilitätspolitik, S. 269 f.
07 M. Danzmann, Die Endlagerung von Verlusten in der Zentral-
bankbilanz am Beispiel der Europäischen Währungsunion, Zeit-
schrift für Sozialökonomie, 184/185.Folge (2015), S. 48 (51 ff.).
08 Vgl. dazu ausführlich: M. Danzmann, Das Verhältnis von Geld-
politik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik, S. 281 ff.
09 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 36 u. 55.
10 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), ECLI:
EU:C:2015:400, Absatz-Nr. 41.
11 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 43 u. 47.
12 Vgl. EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.),
Absatz-Nr. 50.
13 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 96.
14 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 97.
15 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme im BVerfG-Verfahren
vom 21.12.2012, S. 9.
16 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 72.
17 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 53.
18 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 55.
19 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 73.
20 Vgl. K. A. Schachtschneider, Schriftsatz aus dem BVerfG-Ver-
fahren vom 13.11.2012, S. 26.
21 Vgl. EuGH, Urt. vom 27.11.2012, Rs. C-370/12 (Pringle), EU:C:
2012:756, Absatz-Nr. 60.
22 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 76.
23 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 77.
24 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 64, 66 u. 68.
25 Vgl. EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.),
Absatz-Nr. 72 ff.
26 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 71 (m.
w.N.).
27 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme im BVerfG-Verfahren vom
21.12.2012, S. 7.
28 Vgl. EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.),
Absatz-Nr. 85 ff.
29 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 55 f.
30 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 39.
31 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 39.
32 Vgl. EZB, Pressemitteilung vom 06.09.2012 zu den OMT: „in
full discretion“.
33 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 82.
34 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 95 u. 97.
35 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 104.
36 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 106.
37 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 108.
38 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 92 ff.
39 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 90.
40 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 88.
41 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 88.
42 Vgl. EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.),
Absatz-Nr. 123 ff.
43 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 84.
44 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 87.
45 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 87.
46 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 85 f.
47 M. Danzmann, Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und
Finanzstabilitätspolitik, S. 331.
48 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 36 u.
55.
49 EuGH, Urt. vom 16.06.2015, Rs. C-62/14 (Gauweiler u.a.), Ab-
satz-Nr. 16.
50 Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig unter 2 BvR 859/
15.
51 Vgl. C. Schmitt, Politische Theologie, S. 11.
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Zeitschrift für Sozialökonomie 186-187/2015
Max Danzmann: Die Endlagerinstrumente der Europäischen Zentralbank ...