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In Vielfalt geeint
Europa zwischen Tradition und Moderne
Ein Beitrag zum 64. Europäischen Wettbewerb 2017 zu dem Modul:
4-2 Mein Europa, dein Europa – unser Europa
Gegen das Vergessen:
Warum Europa nach wie vor unverzichtbar ist – und
was das für uns Europäer bedeutet
Von Jannik Reuter
Es ist ein kalter, aber sonniger Wintertag. Am Sonntag zum Abschluss des Europäischen
Schülerparlaments in Herford sitzen ein Moderator und mehrere politikinteressierte Schüler bei
einem Tee zusammen. Sie machen sich Gedanken um Europa und seine Zukunft. Dabei entwickelt
sich folgende Diskussion...
Herr Münkler: „Die Einheit Europas war ein Traum weniger. Sie wurde eine Hoffnung für viele.
Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Das waren wahrlich große Worte, die Konrad
Adenauer da in einer Regierungserklärung von 1954 mitzuteilen hatte1
. Gerichtet an Alte und
Junge, Männer und Frauen, Deutsche und Ausländer, Europäer und Nicht-Europäer. Für unseren
ersten Bundeskanzler war Europa das Größte und absolut Notwendigste überhaupt, kein Zweifel.
Doch besonders der aktuelle „Brexit“ und ein immer stärker werdender Nationalismus in den
europäischen Ländern zeigen, dass bei vielen Menschen die Euphorie um Europa verblasst ist. Den
Gründungsmythos der EU können immer mehr Menschen nach mehr als 70 Jahren seit dem Ende
des Zweiten Weltkriegs nicht mehr nachempfinden. Deshalb ist es besonders wichtig, sich
permanent ins Bewusstsein zu rufen, dass eine Institution wie die Europäische Union keine
Selbstverständlichkeit ist.
Vor mir sitzt eine junge Generation von EU-Bürgern. Ihre Perspektive ist besonders entscheidend,
denn Sie haben eine neue Sichtweise auf die Dinge. Sie sind es, die den wahrscheinlich aktuellsten
Eindruck von der EU vermitteln können. Und Sie sind es, die letztlich entscheidend für Europa sein
werden, denn Sie prägen die Zukunft und können Europa mitgestalten. Deshalb lade ich Sie dazu
ein, Folgendes zu diskutieren:
„Wo ist Europa für Sie Traum und Hoffnung? Wo wird Europa für Sie im Alltag notwendig?“
Fatma: Ihre türkischen Eltern haben ihr stets ein liberales Weltbild vermittelt. Ihre Wurzeln
und viele Besuche in der Türkei haben sie geprägt, sodass sie sich in ihrer Freizeit in einem
Arbeitskreis für die Emanzipation der Frau einsetzt.
Also für mich ist Europa eine Hoffnung, die alles überstrahlt! Was ich besonders wertschätze, ist
das europäische Bestreben nach der Gleichstellung der Frauen.
Für mich ist es wichtig, dass jede Person in der EU unabhängig von Glauben, Herkunft und
Geschlecht gleichberechtigt ist und vor allem gleich behandelt wird. Nur so ist auf Dauer ein
harmonisches Zusammenleben möglich. Daher ist es enorm wichtig für eine Gesellschaft, dass man
verstärkt progressive Werte wie die Gleichstellung der Frau fördert und vermittelt.
Niklas: Er nennt sich einen spontanen und praktischen Menschen. Sein Interesse konzentriert
sich auf regionale Politik, die ihm zufolge den größten Einfluss auf sein Leben hat.
Ich sehe keinen Grund, sich so sehr für die Rolle der Frau einzusetzen, wenn sowieso alles gut läuft.
Die Geschlechterunterschiede hier in Deutschland sind im Großen und Ganzen auf das Gehalt
reduzierbar, ansonsten ist die Frau nahezu emanzipiert. Und die gebliebenen Ungleichheiten werden
mit den Jahren auch ausgemerzt, so wie es schon seit längerer Zeit geschieht.
Fatma: Wenn wir davon reden, ob sich die EU für die Emanzipation einsetzen sollte, dürfen wir
uns nicht nur auf Deutschland beschränken! Entscheidend ist der Blick auf den gesamten
europäischen Raum. Hier kann man nach wie vor nicht von einer tatsächlichen Emanzipation
sprechen. Es gibt deutlich mehr Männer in Führungspositionen bei Unternehmen und auch auf dem
europäischen Arbeitsmarkt allgemein gibt es mehr erwerbstätige Männer als Frauen2
. Und was noch
viel erschreckender ist: In Europa sind Frauen und Mädchen ebenfalls viel zu häufig Gewalt
ausgesetzt. So hat zum Beispiel jede dritte Frau nach ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder
sexuelle Gewalt erfahren und jeder fünften Frau wurde nachgestellt3
.
Außerdem ist besonders auffällig, dass es starke nationale und regionale Unterschiede innerhalb
Europas bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter gibt. So belegt das EU-Mitglied Malta im
„Global Gender Gap Report“ 2015 des „World Economic Forum“ einen erschreckenden 104. Platz
von insgesamt 145 Ländern4
. Ferner ist das Streben nach Gleichstellung in den konservativen
ländlichen Gebieten deutlich weniger ausgeprägt als in den eher als liberal zu bezeichnenden
Städten innerhalb eines jeden Landes, wo eher fortschrittliche Ansichten das öffentliche
Meinungsbild prägen.
Niklas: Ich bin immer noch nicht ganz überzeugt. Innerhalb Europas mag es Regionen geben, in
denen die Frauen nicht derart emanzipiert sind wie in Deutschland. Doch was nützen den Frauen
dort schon die Bemühungen der EU?
Fatma: Du unterschätzt die Bedeutung der Arbeit der Union für die Gleichstellung gewaltig,
Niklas. Wir brauchen nur auf unseren unmittelbaren Nachbarn zu schauen. So schreibt die
Bundeszentrale für politische Bildung in Bezug auf Polen, dass „Verachtung der Rechte von Seiten
der staatlichen Instanzen gegenüber den Frauen und mangelndes Interesse seitens der Regierenden
an der öffentlichen Meinung der Frauen in ihrer eigenen Sache […] keine Seltenheit“ sind5
.
Aktivitäten der polnischen Regierung, die Rolle der Frauen zu stärken, würden häufig wie
„Scheinhandlungen“ aussehen. Des Weiteren werden dem Land „Mängel in der
Geschlechterpolitik“ attestiert.
Ganz abgesehen davon sind wir darauf angewiesen, dass mehr Frauen arbeiten, da bereits jetzt ein
Fachkräftemangel in vielen Branchen besteht und dieser durch den demografischen Wandel in
Zukunft noch verstärkt werden wird6
. Und letztlich ist es schlichtweg nicht fair, dass Frauen für die
selbe Arbeit weniger verdienen, sie in wichtigen Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert und
häufig von ihrem männlichen Partner abhängig sind. Und dass überalterte Rollenbilder sowie
Gewalt und Unterdrückung von Frauen beendet werden müssen, sollte jedem klar sein.
Deshalb verfolgt die Europäische Kommission ein umfassendes Arbeitsprogramm, wodurch Frauen
u.a. die selbe wirtschaftliche Unabhängigkeit, der gleiche Lohn für gleiche Arbeit, die selbe Rolle in
Entscheidungsprozessen sowie die gleiche Würde und Integrität wie den Männern zugutekommen
soll7
. Das Bestreben der EU verdient Respekt, und der Vergleich zu anderen Ländern und die
Erfolge der letzten Jahre zeigen: Hier verkörpert die EU eine Institution, die das Heft des Handelns
in die Hand nimmt und die die Gleichstellung der Geschlechter für alle verschiedenen
Mitgliedsstaaten gleichermaßen vorantreibt.
Niklas: Okay, schön und gut. Ich gebe ja zu, dass die Gleichstellung der Geschlechter sinnvoll ist.
Aber wieso sollte sich die EU überhaupt um so etwas kümmern, wenn wir mit der Eurokrise
dringlichere wirtschaftliche Themen zu behandeln haben?
Fatma: Es wird häufig vergessen, dass die Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern in erster
Linie eine Wertegemeinschaft ist. Sie hat eine generelle moralische Pflicht, progressive Werte zu
stärken und zu verbreiten. Und die Gleichstellung der Geschlechter wurde bereits als Ziel in der
Charta der Grundrechte der EU verankert8
. Besonders diejenigen, die unsere auf Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie beruhenden Werte nicht uneingeschränkt teilen, sollten nach und nach aufgeklärt
und integriert werden. Wenn dies nicht geschieht und sich benachteiligte Frauen wie z.B. in Polen
nicht auf eine Institution wie die EU verlassen könnten, hätten sie keine Aussicht mehr auf eine
Besserung der teilweise gravierenden Zustände. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die EU für
Werte eintritt, auch wenn viele diese wertvolle Arbeit in ihrem Alltag nicht direkt wahrnehmen. Die
Europäische Union ist somit der wichtigste Baustein meiner Hoffnung und die von vielen Frauen in
Europa, eine absolute Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen.
Matteo: Für sein Alter ist er bereits sehr belesen. Er versucht kurzfristige Lösungen zu
vermeiden und will später in die Politik gehen, um seine Ideen umzusetzen, mit denen er ein
nachhaltigeres und langfristiges Zusammenleben auf der Welt ermöglichen möchte.
Daran würde ich gerne anknüpfen. Mir ist wichtig, zwischen den einzelnen Bereichen zu
differenzieren, in denen sich die EU engagiert. Denn auch wenn das Eintreten für Emanzipation
durchaus positiv zu bewerten ist, sollten wir ein Problem nicht aus den Augen verlieren, bei dem die
Rolle der EU zentral ist: die Flüchtlingskrise.
Es sollte klar sein, dass eine große Anzahl nationaler und internationaler Probleme durch den
unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen entstanden ist. Die Asylsuchenden haben hohe Kosten
verursacht, es gibt große Probleme bei ihrer Integration und besonders Länder und Regionen, in
denen viele Flüchtlinge ankommen, sind überfordert.
Doch das größte entstandene Problem ist die Polarisierung und der entfachte nationale und
internationale Streit in der Flüchtlingsdebatte. In Deutschland sind immer mehr Menschen gegen
die andauernde Aufnahme von Flüchtlingen, was sich auch in der Erstarkung der AfD bemerkbar
macht. Und auf europäischer Ebene sind zwei politische Lager9
entstanden, die sich
gegenüberstehen: Auf der einen Seite ist die sogenannte „Koalition der Willigen“, also der Länder,
die auf Solidarität und eine europäische Lösung angesichts der Flüchtlingsströme setzen, von denen
Deutschland das bedeutendste Land ist. Dieser kleinen Gruppe von Ländern stehen die meisten
anderen EU-Mitgliedsstaaten gegenüber, die sich nicht an einem europäischen Verteilungsschlüssel
beteiligen und am liebsten wenig bis keine Flüchtlinge aufnehmen wollen10
.
Celine: Sie wohnt in einer Gegend, in der viele Immigranten leben. Da auch ihre beiden
besten Freundinnen aus dem Iran und aus Serbien kommen, hat sie kein Verständnis dafür,
dass sich nicht alle Länder der EU an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen wollen. Diese
haben ihrer Meinung nach nur Angst vor dem Unbekannten.
Es mag ja so sein, dass die große Zahl von Asylsuchenden für Zwietracht innerhalb Deutschlands
und zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten gesorgt hat. Doch die meisten Probleme, die auf
die Flüchtlingskrise zurückzuführen sind, wären nicht entstanden, wenn die Flüchtlinge
gleichmäßig unter den Ländern verteilt und so Brennpunkte vermieden worden wären.
Matteo: Ich finde auch, dass sich die Länder der Union solidarisch mit den Asylsuchenden zeigen
sollten. Allerdings liegen die Absichten der Mitgliedsstaaten viel zu weit auseinander und die
Gräben sind schon zu tief, als dass sich die Länder auf einen langfristigen fairen
Verteilungsschlüssel für Flüchtlingszahlen einigen könnten. Was ich deshalb sehr interessant finde,
ist die Idee des an der Universität Oxford lehrenden Ökonoms Paul Collier. Der Migrationsforscher
und ehemalige Direktor der Weltbank erläuterte in einem Interview11
mit „Die Welt“ seine Ansicht,
dass ein Wiederaufbau und eine Stabilisierung der Heimatländer der Flüchtlinge alternativlos ist.
Collier erklärt, dass die Europäische Union naturgemäß wegen der größeren Lebensqualität einen
Anziehungspunkt für Menschen aus armen Verhältnissen von der ganzen Welt darstellt, wobei er
auch, aber nicht nur Kriegsflüchtlinge wie aus Syrien berücksichtigt. Diese Menschen würden zum
einen nach mehr Wohlstand streben und zum anderen in Zukunft auch immer häufiger
Fluchtursachen ausgesetzt sein. Collier fürchtet, dass Europa diese riesige Anzahl von potentiellen
zukünftigen Immigranten niemals versorgen könne. Deshalb kritisiert er Merkel vehement, da sie
mit ihrer kommunizierten Offenheit dafür gesorgt habe, dass sich viele Menschen aus sicheren
Drittländern - also im derzeitigen Beispiel aus sicheren Nachbarländern Syriens - auf den
gefährlichen Weg nach Europa gemacht haben. Als Konsequenz fordert er, dass die EU anders
kommuniziert: Man solle wirtschaftlich motivierten Nicht-Europäern direkt vermitteln, dass sie
nicht zu kommen brauchen. Außerdem sollen Flüchtlinge, die sich in Sicherheit bringen wollen,
lieber in das sichere Nachbarland statt über gefährliche Umwege nach Europa kommen.
Celine: Du bist also der Meinung, dass der Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingskrise darin besteht,
den Menschen zu sagen: Kehrt um, von uns habt ihr in keiner Form Hilfe zu erwarten?
Für mich ist die Flüchtlingskrise ähnlich wie die Wirtschaftskrise 2008 ein Gradmesser für
Solidarität und die Achtung der Menschenwürde der Mitgliedsstaaten. Sie kann einzig und allein
dadurch überwunden werden, dass alle Länder Flüchtlinge aufnehmen und so ihrer
festgeschriebenen humanitären Verantwortung nachkommen. Dabei beziehe ich mich auf die
Grundrechtecharta der EU13
. Unter den sechs verankerten Grundwerten ist neben Solidarität auch
die Würde des Menschen entscheidend. Das schließt ein, dass alle europäischen Länder
gleichermaßen neben finanzieller Unterstützung auch einen angemessenen Anteil von Menschen
aufnehmen um kurzfristige, aber dringend benötigte Hilfe zu leisten. So wären die wenigen
solidarischen Länder der Union nicht derart überfordert, dass die Asylsuchenden dort unter
menschenunwürdigen Bedingungen verharren müssten, wie es derzeit in Griechenland der Fall ist14
.
Dadurch könnte durch mehr Solidarität die Menschenwürde respektiert und eine Bewältigung der
Flüchtlingskrise erreicht werden.
Und letztlich haben die Flüchtlinge bereits ihr Hab und Gut verkauft und sich auf die lange und
gefährliche Reise nach Europa begeben, in Aussicht auf ein besseres und sicheres Leben. Für die
meisten dieser Menschen ist Umkehren nun keine Option mehr, viele könnten das auch schlicht und
einfach nicht mehr realisieren. Die Flüchtlinge sind bereits da, nun liegt es an den europäischen
Staaten, diese Menschen aufzunehmen. Außerdem können die armen Anrainerstaaten eines
krisengebeutelten Landes wie Syrien die Last der vielen Flüchtlinge jetzt schon nicht mehr tragen12
.
Die EU hingegen hat die Möglichkeiten zu helfen – und sollte diese auch tun.
Matteo: Du hast auf jeden Fall recht – das Kind ist jetzt schon in den Brunnen gefallen und die
Menschen sind da. Collier zufolge war es ein politischer Fehler Angela Merkels, die Flüchtlinge
quasi zu ermutigen, nach Europa zu kommen. Diese Situation ließe sich jetzt in einem kurzen
Zeitraum nur noch schwer lösen. Deshalb ist es meiner Meinung nach aber besonders wichtig,
daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen und präventiv gegen die Wiederholung einer
solchen Krise vorzugehen, indem man dafür sorgt, dass zukünftig weniger Menschen kommen.
Collier zufolge zähle für die Schutzsuchenden in erste Linie, in Sicherheit zu sein. Dafür brauche
man nicht nach Europa zu kommen, sondern könne in einen sicheren anliegenden Drittstaat
flüchten. Die Reise in das Nachbarland ginge schnell und sei sicherer, außerdem wäre eine
Rückreise problemlos, sobald wieder Frieden herrsche. Dies sei für die Krisenländer von
besonderem Vorteil, denn nach Europa kämen hauptsächlich die relativ wohlhabenden und
gebildeten Flüchtlinge, die dazu tendieren würden, im Westen zu bleiben, sobald sie einmal
integriert sind. Eben diese würden dann beim Wiederaufbau des Landes besonders fehlen.
Collier erklärt, dass die Verantwortung der reichen europäischen Länder darin liegt, die Drittländer
finanziell zu unterstützen, sodass diese den Flüchtlingen angemessenen Schutz gewähren können.
Des Weiteren appelliert er explizit an die europäische Wirtschaft, Jobs in den Nachbarländern des
jeweiligen Krisenlandes zu schaffen. So könne man den Flüchtlingen eine Perspektive bieten,
womit der Anreiz schwinden würde, in die EU zu kommen.
Ich finde diesen Lösungsansatz so unterstützenswert, da er alles in allem solidarisch ist. Ich sehe die
EU dabei in einer ganz entscheidenden Rolle, denn sie muss dafür sorgen, dass sich alle ihre
Mitgliedsstaaten gleichermaßen daran beteiligen, sichere und menschenwürdige Zufluchtsorte in
den Anrainerstaaten der Krisenländer zu schaffen. So ist die EU dafür verantwortlich, bei der
Stabilisierung mitzuwirken, indem sie von den Mitgliedsländern finanzielle Mittel einfordert und
deren Verwendung koordiniert, sodass den Krisenregionen langfristig und effektiv geholfen werden
kann. Bei diesem Vorgehen würde es auch gelingen, die Mitgliedsländer einzuspannen, die bisher
nicht dazu bereit waren, selber Flüchtlinge aufzunehmen.
Celine: Ich halte diese Idee von der Grundüberlegung her für sehr lobenswert. Doch wie du bereits
gesagt hast, wird es dauern, bis das Konzept zur Stabilisierung der Krisenregionen fruchten kann.
Wir sollten bereits im Hintergrund mit entsprechenden Maßnahmen beginnen und vordergründig an
einem fairen und humanitären Verteilungsschlüssel festhalten.
Deshalb sollte die Koalition der aufnahmewilligen Länder und explizit Angela Merkel standhaft
bleiben. Denn auch in Zukunft werden noch viele Flüchtlinge nach Europa kommen, jedoch wird
sich ihre Zahl durch das vorgestellte Konzept zur Stabilisierung der Krisenregionen deutlich
verringern. Das könnte bisherige Aufnahmeverweigerer überzeugen, ebenfalls Flüchtlinge
aufzunehmen. Den Mitgliedsstaaten, die sich dennoch weigern, muss zusätzlich weiterhin ihre
humanitäre Verantwortung bewusst gemacht werden, um einen fairen Verteilungsschlüssel
innerhalb der EU durchzusetzen.
Ohne die Union hingegen könnte weder die aktuelle Flüchtlingskrise überwunden, noch könnte den
Schutzsuchenden adäquat geholfen und die Krisenregionen stabilisiert werden. Denn lose
europäische Nationalstaaten hätten bis auf wenige Ausnahmen nur ihre eigenen Interessen im Kopf,
sodass sie keine Menschen aufnehmen und kein Geld für sichere Anrainerstaaten bereitstellen
würden. Wenn die Staaten dann ihre Grenzen abriegelten, würde nicht nur die Flüchtlinge im Stich
gelassen werden, sondern würden sich die Flüchtlingsströme nach Europa bei zukünftigen
Gewaltkonflikten in Afrika oder im Nahen Osten nur noch zunehmen, die irgendwann auch die
nationalen Grenzen und eine aufnahmeverweigernde Kommunikation nicht mehr stoppen würde.
Die Europäische Union ist damit der einzige Weg, meinen Traum eines solidarischen,
menschenwürdigen und nachhaltigen Zusammenlebens wahr zu machen.
Moussa: Er war bereits das letzte Jahr beim Europäischen Schülerparlament. Sein Onkel
musste vor einigen Jahren aus Ägypten flüchten. Von der dort herrschenden Gewalt hat er
von vielen Familienmitgliedern erfahren, was bei ihm eine enorme Wertschätzung für die EU
als stabiles demokratisches System hervorgebracht hat.
Ich finde es sehr gut, dass ihr nach einem Lösungsansatz sucht, der auf Solidarität, Humanität und
Stabilität beruht. Leider vergessen viele, dass moralische Normen und Grundsätze die Quelle der
Europäischen Union sind. Und die EU in Kombination mit seinen gemeinsamen Werten haben eine
unglaublich zentrale Bedeutung für jeden einzelnen Bürger auf der Erde, denn: Nur die Europäische
Union vermag es, den Frieden in Europa und somit für die ganze Welt zu sichern.
Laura: Ihre politische Meinung ist eher konservativ geprägt. Sie fordert mehr innere
Sicherheit in Europa, da sie Terrorismus als die mit Abstand größte Gefahr für Europa
betrachtet.
Jetzt brems' dich aber mal. Nicht ohne Grund ist der letzte Krieg bereits über 70 Jahre her, doch
dieser Grund ist ganz bestimmt nicht die Europäische Union. Dass es seit dem Ende des zweiten
Weltkriegs friedlich in Europa ist, liegt einzig und allein an unserer Lernfähigkeit. Wir haben nun
einmal gesehen, wie verheerend ein Krieg für alle Seiten ist, weshalb wir unsere Konflikte
mittlerweile diplomatisch lösen. Niemand möchte ein Hiroshima 2.015
bei der heutigen Technik.
Nicht wenige meinen, dass ein dritter Weltkrieg dem Ende der Menschheit gleichkäme. Wir leben
nun mal auf einem Kontinent, wo wir weit entwickelt sind – und wo man nach all dem erlebten
Übel versteht, dass Staaten ihre Konflikte friedlich lösen können, ohne sich gegenseitig zu
zerstören.
Moussa: Damit hast du die zentrale Gefahr für den Frieden wiedergegeben. Sie besteht in dem
Irrtum, dass ein Krieg in Europa unmöglich ist, egal was passiert. Doch ein Blick auf die
europäische Geschichte zeigt, dass der Europäer diesbezüglich nicht aus seinen Fehlern lernt.
Kriege auf europäischem Boden sind seit Jahrhunderten eine der wenigen Konstanten der
Geschichte. Wir haben zwar auch schon Perioden des Friedens erlebt, doch die haben nie lange
gedauert. Allein die deutsch-französische Erbfeindschaft war über Jahrhunderte verantwortlich für
unzählige Opfer von gewaltsamen Konflikten. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass wir
zukünftig von Kriegen verschont bleiben sollten, falls wir uns von der Europäischen Union zurück
zu losen Nationalstaaten bewegen, die allesamt ihre eigenen Interessen verfolgen und wieder in
Konkurrenz zueinander treten.
Laura: Also wenn ihr mich fragt, ist eine Gemeinschaft wie die EU hier nicht mehr notwendig, um
Frieden zu wahren. Heutzutage gibt es eine klare Tendenz zu asymmetrischen Konflikten, in denen
häufig private Akteure auftreten, wozu ökonomisch interessierte Banden und vor allem Terroristen
zählen16
. Und wie wir es in jüngster Zeit leider immer wieder erleben müssen: Terrorismus kann
auch die EU nicht verhindern, wie die Attentate in Paris, Nizza oder Berlin zeigen. Der klassische
Krieg zweier gleichwertiger Nationen gehört in das vergangene Jahrhundert.
Moussa: Ich glaube du unterschätzt den Wert unseres Europas für den Frieden gewaltig. Die
Europäische Union hat eine herausragende Position bei der Prävention von Konflikten jeglicher Art.
Im Grunde entspricht der Wirkungsmechanismus der EU nach wie vor den Erklärungen Robert
Schumans aus dem Jahr 195017
. Durch einen gemeinsamen Markt produziert kein Staat mehr die
Mittel alleine, die er zur Führung eines Krieges benötigen würde. Zusätzlich schadet jeder
zwischenstaatliche Konflikt immer auch den Angreifer, da er seinen „Handelspartner“ schädigt und
für instabile Handelsbeziehungen sorgt. So verlieren bedeutende Wirtschaftsakteure Interesse an
einem Krieg und ein bewaffneter Konflikt ist materiell betrachtet nahezu ausgeschlossen.
Abgesehen von der wirtschaftlichen Integration sorgen die offenen Grenzen, Förderprogramme des
gesellschaftlichen Austausches wie ERASMUS18
und das Teilen von gemeinsamen europäischen
Werten zu einem Abbau von Nationalismus. Eine übersteigerte nationale Denkweise in Europa
wurde gemeinhin als Ursache für den Zweiten Weltkrieg wahrgenommen, da diese in der
Vergangenheit immer wieder Rivalitäten und Spannungen erzeugt hatte19
.
Letztlich ist auch besonders die Verbreitung, die Wahrung und die Förderung der Demokratie
entscheidend für den Frieden, da man davon ausgeht, dass es zwischen demokratischen Staaten
nicht zu einem Krieg kommt. Das geht auf die These zurück, dass unter einem Krieg hauptsächlich
die große Mehrheit der einfachen Bürger leidet, die sich in der Folge gegen ihn wendet und so
verhindert, dass eine kleine Elite einen Krieg beginnen kann20
. Die Europäische Union und ihre
Institutionen, die allesamt auf demokratischen Säulen gegründet sind, setzen besonders durch den
Binnenmarkt einen attraktiven Anreiz für Staaten und sorgen dafür, dass Länder, die an einem
Beitritt interessiert sind, ebenfalls eine vollkommen demokratische Regierungsform adaptieren
müssen21
. Sie fördert und schützt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte und trägt so
entscheidend zum Erhalt des demokratischen Friedens bei.
Alle diese Faktoren kombiniert machen klar, dass nur die Europäische Union es vermag, Kriege in
Europa kategorisch auszuschließen. Wir haben es ihr zu verdanken, dass Kriege in der EU
mittlerweile undenkbar sind und dass die Mitgliedsstaaten ihre Konflikte diplomatisch und auf
rechtsstaatlicher Basis lösen.
Laura: Das ist ja schön und gut, aber zur Wahrung des Friedens gehört nun mal mehr als das
Verhindern von Kriegen. Wie ich ja schon erklärt habe, sind besonders andere Formen von Gewalt
wie durch den Terrorismus im Vormarsch. Was tut die EU denn, um asymmetrische Gewaltkonflikte
zu verhindern?
Moussa: So wie die heutigen EU-Mitgliedsstaaten mit der Umsetzung des Schuman-Plans dafür
gesorgt haben, dass ein Umdenken weg von zwischenstaatlichen Kriegen hin zur Diplomatie
erforderlich wird, so stellen sich die Länder den aktuellen Gewaltproblemen, damit den EU-Bürgern
ein friedliches Umfeld garantiert wird.
Seit 1992 verfolgt die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) klar definierte
Ziele, die der Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit der EU-Länder und -Bürger effektiv
zugutekommt22
. Auch die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP)
kämpft mit zusätzlichen zivilen und militärischen Instrumenten für die Sicherheit Europas23
.
Auch wenn man Terroranschläge niemals zu 100 Prozent verhindern können wird: Durch
Austausch, Zusammenarbeit und Einigkeit kann man schneller und effektiver gegen aktuelle
Bedrohungen unserer Sicherheit vorgehen und den Frieden Europas besser sicherstellen. Die EU ist
eine Institution, die mit der Zeit geht, sich den neuen Herausforderungen stellt und immer besser
auf sie zu reagieren weiß. Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit in Europa immer besser wird, sodass
wir noch weniger Gewalt zu befürchten haben. Was das betrifft, ist die europäische Einheit für mich
eine absolute Notwendigkeit.
Außerdem ist es wichtig allen Bürgern bewusst zu machen, dass Frieden keine
Selbstverständlichkeit ist - dies gerät leider bei viel zu vielen Menschen in Vergessenheit. Doch die
Europäische Union ist die stabile Friedensordnung, die uns unsere Sicherheit am besten garantiert.
Ohne sie würden wir in lose Nationalstaaten zerfallen, die auf kurz oder lang ihre Konflikte wieder
gewaltsam austragen würden – so wie es unsere leidvolle Geschichte bestens zeigt.
Das Licht am Ende des Tunnels, das aus dem Chaos aus Krieg, Feindschaft und blinder
Zerstörungswut herausführt, hieß und heißt Europa! Dass die Arbeit der EU für den Frieden häufig
nicht mehr wahrgenommen wird, zeigen vor allem zwei Dinge: Erstens ist Frieden für die meisten
Menschen selbstverständlich und alltäglich und zweitens besteht dadurch der Bedarf, die
Wertschätzung der Europäischen Union nicht zu vernachlässigen. Nur indem wir der EU weiter
Rückhalt geben und den europäischen Gedanken auch mehr als 70 Jahre nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges weiter in uns tragen, können wir die Friedensordnung Europa auch in der
Zukunft garantieren. Und das ist absolut entscheidend, denn: Frieden ist eine absolute
Notwendigkeit für uns alle!
Herr Münkler: Vielen Dank für ihre Beiträge. Ich möchte die Gelegenheit für das Schlusswort des
heutigen Tages nutzen und einen abschließenden Appell an Sie richten.
Letztlich sind wir mit der Europäischen Union in fast allen Bereichen unseres Lebens konfrontiert,
egal ob bei der Arbeit durch den EU-Binnenmarkt, bei der Gesundheitspolitik durch europaweite
Hygienestandards oder beim Reisen durch den Schengen-Raum und durch eine gemeinsame
Währung24
.
Was dabei häufig aus den Augen gerät ist die Bedeutung der EU auf Ebenen, die unseren Alltag
nicht so unmittelbar betreffen. So ist die Europäische Union von ungeheurer Bedeutung für das
Erhalten und Fördern von progressiven Werten, beim Bewältigen der Flüchtlingskrise und vor
allem für die Wahrung von Frieden.
Alle drei dieser Funktionen der EU sind eher abstrakt und weniger direkt als ein Euro in der
Geldbörse. Doch Sie haben im Endeffekt eine immense Bedeutung für das Leben jedes einzelnen.
Für manchen sind sie Hoffnung, für manchen sind sie Traum – doch für alle sind sie Notwendigkeit.
Das ist besonders in einer Zeit wichtig, in der die Stimmen der Nationalisten lauter werden und die
Bedeutung der Europäischen Union von immer mehr nicht mehr wahrgenommen wird.
Erinnert deshalb die Menschen daran, dass die EU in erster Linie eine Wertegemeinschaft ist und
dass immer noch viele auf ihren Einsatz für eine gerechte Welt angewiesen sind, sodass viele
Frauen ohne sie keine Aussichten auf Besserung hätten.
Erinnert die Menschen daran, dass bei all dem Streit über richtige Vorgehensweisen der Weg nur
über die EU gehen kann, um komplexe Problematiken wie die Flüchtlingskrise effektiv und
angemessen zu lösen, sodass wir ohne sie den erschütterten Regionen und den leidenden Menschen
nicht helfen könnten.
Erinnert die Menschen schließlich daran, dass die EU die größte und wirksamste Friedensordnung
ist, die Europa je gesehen hat – und dass ihr Zerfall auch den Krieg wiederbringen wird.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie erbauen eine Brücke, eine Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft.
Sie machen sich all den Facetten der Europäischen Union bewusst: ihr Einfluss auf den Alltag, ihre
Rolle als Wertegemeinschaft, als Problemlöser und als Friedenshüter. Sie verinnerlichen die
außerordentliche Bedeutung der EU und berücksichtigen gleichzeitig Kritik und
Herausforderungen, um die EU an neue Anforderungen anzupassen. Ihre Brücke bauen Sie nun
vom Ufer der Gegenwart über einen reißenden Strom aus Krisen, Nationalismus und schleichender
Gewöhnung hinweg, um schließlich am anderen Ufer anzukommen. Dort geben Sie ihr Wissen um
die Bedeutung Europas weiter und stellt so sicher, dass auch dort das Ufer kräftig genug bleibt, um
gegen die destabilisierende Gewalt des Stroms anzukommen, um die Existenz des gerechten,
lebenswerten und friedlichen Kontinents zu wahren und zu stärken. Und ja, Ihre Brücke hat hat ihre
Schwachstellen. Doch sie ist der beste und einzige Weg voranzuschreiten, um nicht im Sumpf
stecken zu bleiben.
Das Bewusstmachen der Bedeutung der Europäischen Union für das Leben aller Menschen
verkörpert den Bau einer solchen Brücke. Das Vermitteln vom europäischen Gedanken vereint die
Tradition, die Europa im Innersten zusammen hält, mit der Moderne, für die ein funktionierendes
Europa genauso entscheidend ist und sein wird, wie es für den Kontinent vor 70 Jahren war.
Das Erinnern ist der einzige Weg, Europa in dieser schwierigen Zeit zu bewahren und seine
Fundamente zu stärken. Besonders weil vielen Menschen die Bedeutung der Europäischen Union
für essenzielle Aspekte nicht mehr bewusst ist, sind Sie gefordert, die Bedeutung der EU, wie in der
Diskussion gezeigt, auch zukünftig zu vermitteln. Das Handeln ihrer Generation ist entscheidend
für das Schicksal der Europäischen Union – und damit für jeden einzelnen Menschen.
Herzlichen Dank und gute Heimreise!
Literatur- und Quellenverzeichnis
Titelbild
http://bilder4.n-tv.de/img/incoming/origs7459311/6332737457-w1000-h960/2012-10-12T114951Z-
01-BRU100-RTRMDNP-3-NOBEL-PEACE.jpg, n-tv, entnommen am 18.10.2016
Hauptteil
1) http://www.konrad-adenauer.de/dokumente/erklarungen/regierungserklarung15, Konrad-
Adenauer-Stiftung e.V., entnommen am 18.10.2016
2) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/202187/frauen-auf-dem-arbeitsmarkt,
Bundeszentrale für politische Bildung (im Folgenden „bpb“), entnommen am 26.10.2016
3) http://fra.europa.eu/de/publication/2014/gewalt-gegen-frauen-eine-eu-weite-erhebung-
ergebnisse-auf-einen-blick, European Union Agency For Fundamental Rights, entnommen
am 26.10.2016
4) http://reports.weforum.org/global-gender-gap-report-2015/rankings/, World Economic
Forum, entnommen am 26.10.2016
5) http://www.bpb.de/internationales/europa/polen/40779/frauen-in-polen, bpb, entnommen am
26.10.2016
6) http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/178757/fachkraeftemangel?p=all,
bpb, entnommen am 29.10.2016
7) http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/index_de.htm, Europäische Kommission,
entnommen am 30.10.2016
8) http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_5.10.8.html,
Europäisches Parlament, entnommen am 30.10.2016
9) https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-eu-faq-103.html, tagesschau.de, entnommen
am 12.11.2016
10) https://www.welt.de/politik/ausland/article157467502/Wie-gefaehrdet-ist-das-Abkommen-
mit-der-Tuerkei-wirklich.html, Die Welt, entnommen am 12.11.2016
11) https://www.welt.de/wirtschaft/article151603912/Ist-Merkel-schuld-an-Fluechtlingskrise-
Wer-sonst.html, Die Welt, entnommen am 26.11.2016
12) http://migration-info.de/artikel/2014-11-13/syriens-nachbarlaender-erreichen-
belastungsgrenze-fluechtlingsaufnahme, Migration & Bevölkerung in Kooperation mit der
bpb und dem Netzwerk Migration in Europa, entnommen am 27.11.2016
13) http://www.europarl.de/de/europa_und_sie/europa_vorstellung/grundrechtecharta.html,
Europäisches Parlament, entnommen am 10.12.2016
14) http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/fluechtlinge-in-griechenland-die-hoelle-auf-erden-
12874994.html, FAZ, entnommen am 11.12.2016
15) http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/wiederaufbau-der-staedte/64351/trauma-
und-stadtplanung, bpb, entnommen am 27.12.2016
16) Taschenbuch: Die neuen Kriege; von Herfried Münkler. Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei
Hamburg, Februar 2004, S.11
17) https://europa.eu/european-union/about-eu/symbols/europe-day/schuman-declaration_de,
europa.eu, entnommen am 2.1.2017
18) http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/176821/erasmus, bpb, entnommen am 5.1.2017
19) https://www.bpb.de/izpb/203855/motive-und-leitbilder-der-europaeischen-einigung?p=all,
bpb, entnommen am 5.1.2017
20) http://www.foederalist.eu/2016/09/europa-integration-frieden-demokratie.html,
foederalist.eu/verfasst von Manuel Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Humboldt-
Universität Berlin und Experte im Bereich Europapolitik, entnommen am 8.1.2017
21) https://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Europa/Artikel/2005-11-
08-kriterien-beitrittskandidaten.html, die Bundesregierung, entnommen am 8.1.2017
22) https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Lexikon/EUGlossar/G/2005-11-16-
gemeinsame-aussen-und-sicherheitspolitik-gasp-.html, die Bundesregierung, entnommen am
21.1.2017
23) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Europa/Aussenpolitik/GSVP/GSVP-Start_node.html,
Auswärtiges Amt, entnommen am 22.1.2017
24) http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/42848/grafik-ich-und-die-eu,
bpb, entnommen am 22.1.2017

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Reuter

  • 1. In Vielfalt geeint Europa zwischen Tradition und Moderne Ein Beitrag zum 64. Europäischen Wettbewerb 2017 zu dem Modul: 4-2 Mein Europa, dein Europa – unser Europa Gegen das Vergessen: Warum Europa nach wie vor unverzichtbar ist – und was das für uns Europäer bedeutet Von Jannik Reuter
  • 2. Es ist ein kalter, aber sonniger Wintertag. Am Sonntag zum Abschluss des Europäischen Schülerparlaments in Herford sitzen ein Moderator und mehrere politikinteressierte Schüler bei einem Tee zusammen. Sie machen sich Gedanken um Europa und seine Zukunft. Dabei entwickelt sich folgende Diskussion... Herr Münkler: „Die Einheit Europas war ein Traum weniger. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Das waren wahrlich große Worte, die Konrad Adenauer da in einer Regierungserklärung von 1954 mitzuteilen hatte1 . Gerichtet an Alte und Junge, Männer und Frauen, Deutsche und Ausländer, Europäer und Nicht-Europäer. Für unseren ersten Bundeskanzler war Europa das Größte und absolut Notwendigste überhaupt, kein Zweifel. Doch besonders der aktuelle „Brexit“ und ein immer stärker werdender Nationalismus in den europäischen Ländern zeigen, dass bei vielen Menschen die Euphorie um Europa verblasst ist. Den Gründungsmythos der EU können immer mehr Menschen nach mehr als 70 Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr nachempfinden. Deshalb ist es besonders wichtig, sich permanent ins Bewusstsein zu rufen, dass eine Institution wie die Europäische Union keine Selbstverständlichkeit ist. Vor mir sitzt eine junge Generation von EU-Bürgern. Ihre Perspektive ist besonders entscheidend, denn Sie haben eine neue Sichtweise auf die Dinge. Sie sind es, die den wahrscheinlich aktuellsten Eindruck von der EU vermitteln können. Und Sie sind es, die letztlich entscheidend für Europa sein werden, denn Sie prägen die Zukunft und können Europa mitgestalten. Deshalb lade ich Sie dazu ein, Folgendes zu diskutieren: „Wo ist Europa für Sie Traum und Hoffnung? Wo wird Europa für Sie im Alltag notwendig?“ Fatma: Ihre türkischen Eltern haben ihr stets ein liberales Weltbild vermittelt. Ihre Wurzeln und viele Besuche in der Türkei haben sie geprägt, sodass sie sich in ihrer Freizeit in einem Arbeitskreis für die Emanzipation der Frau einsetzt. Also für mich ist Europa eine Hoffnung, die alles überstrahlt! Was ich besonders wertschätze, ist das europäische Bestreben nach der Gleichstellung der Frauen. Für mich ist es wichtig, dass jede Person in der EU unabhängig von Glauben, Herkunft und Geschlecht gleichberechtigt ist und vor allem gleich behandelt wird. Nur so ist auf Dauer ein harmonisches Zusammenleben möglich. Daher ist es enorm wichtig für eine Gesellschaft, dass man verstärkt progressive Werte wie die Gleichstellung der Frau fördert und vermittelt. Niklas: Er nennt sich einen spontanen und praktischen Menschen. Sein Interesse konzentriert sich auf regionale Politik, die ihm zufolge den größten Einfluss auf sein Leben hat. Ich sehe keinen Grund, sich so sehr für die Rolle der Frau einzusetzen, wenn sowieso alles gut läuft. Die Geschlechterunterschiede hier in Deutschland sind im Großen und Ganzen auf das Gehalt reduzierbar, ansonsten ist die Frau nahezu emanzipiert. Und die gebliebenen Ungleichheiten werden
  • 3. mit den Jahren auch ausgemerzt, so wie es schon seit längerer Zeit geschieht. Fatma: Wenn wir davon reden, ob sich die EU für die Emanzipation einsetzen sollte, dürfen wir uns nicht nur auf Deutschland beschränken! Entscheidend ist der Blick auf den gesamten europäischen Raum. Hier kann man nach wie vor nicht von einer tatsächlichen Emanzipation sprechen. Es gibt deutlich mehr Männer in Führungspositionen bei Unternehmen und auch auf dem europäischen Arbeitsmarkt allgemein gibt es mehr erwerbstätige Männer als Frauen2 . Und was noch viel erschreckender ist: In Europa sind Frauen und Mädchen ebenfalls viel zu häufig Gewalt ausgesetzt. So hat zum Beispiel jede dritte Frau nach ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren und jeder fünften Frau wurde nachgestellt3 . Außerdem ist besonders auffällig, dass es starke nationale und regionale Unterschiede innerhalb Europas bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter gibt. So belegt das EU-Mitglied Malta im „Global Gender Gap Report“ 2015 des „World Economic Forum“ einen erschreckenden 104. Platz von insgesamt 145 Ländern4 . Ferner ist das Streben nach Gleichstellung in den konservativen ländlichen Gebieten deutlich weniger ausgeprägt als in den eher als liberal zu bezeichnenden Städten innerhalb eines jeden Landes, wo eher fortschrittliche Ansichten das öffentliche Meinungsbild prägen. Niklas: Ich bin immer noch nicht ganz überzeugt. Innerhalb Europas mag es Regionen geben, in denen die Frauen nicht derart emanzipiert sind wie in Deutschland. Doch was nützen den Frauen dort schon die Bemühungen der EU? Fatma: Du unterschätzt die Bedeutung der Arbeit der Union für die Gleichstellung gewaltig, Niklas. Wir brauchen nur auf unseren unmittelbaren Nachbarn zu schauen. So schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung in Bezug auf Polen, dass „Verachtung der Rechte von Seiten der staatlichen Instanzen gegenüber den Frauen und mangelndes Interesse seitens der Regierenden an der öffentlichen Meinung der Frauen in ihrer eigenen Sache […] keine Seltenheit“ sind5 . Aktivitäten der polnischen Regierung, die Rolle der Frauen zu stärken, würden häufig wie „Scheinhandlungen“ aussehen. Des Weiteren werden dem Land „Mängel in der Geschlechterpolitik“ attestiert. Ganz abgesehen davon sind wir darauf angewiesen, dass mehr Frauen arbeiten, da bereits jetzt ein Fachkräftemangel in vielen Branchen besteht und dieser durch den demografischen Wandel in Zukunft noch verstärkt werden wird6 . Und letztlich ist es schlichtweg nicht fair, dass Frauen für die selbe Arbeit weniger verdienen, sie in wichtigen Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert und häufig von ihrem männlichen Partner abhängig sind. Und dass überalterte Rollenbilder sowie Gewalt und Unterdrückung von Frauen beendet werden müssen, sollte jedem klar sein. Deshalb verfolgt die Europäische Kommission ein umfassendes Arbeitsprogramm, wodurch Frauen u.a. die selbe wirtschaftliche Unabhängigkeit, der gleiche Lohn für gleiche Arbeit, die selbe Rolle in
  • 4. Entscheidungsprozessen sowie die gleiche Würde und Integrität wie den Männern zugutekommen soll7 . Das Bestreben der EU verdient Respekt, und der Vergleich zu anderen Ländern und die Erfolge der letzten Jahre zeigen: Hier verkörpert die EU eine Institution, die das Heft des Handelns in die Hand nimmt und die die Gleichstellung der Geschlechter für alle verschiedenen Mitgliedsstaaten gleichermaßen vorantreibt. Niklas: Okay, schön und gut. Ich gebe ja zu, dass die Gleichstellung der Geschlechter sinnvoll ist. Aber wieso sollte sich die EU überhaupt um so etwas kümmern, wenn wir mit der Eurokrise dringlichere wirtschaftliche Themen zu behandeln haben? Fatma: Es wird häufig vergessen, dass die Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern in erster Linie eine Wertegemeinschaft ist. Sie hat eine generelle moralische Pflicht, progressive Werte zu stärken und zu verbreiten. Und die Gleichstellung der Geschlechter wurde bereits als Ziel in der Charta der Grundrechte der EU verankert8 . Besonders diejenigen, die unsere auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie beruhenden Werte nicht uneingeschränkt teilen, sollten nach und nach aufgeklärt und integriert werden. Wenn dies nicht geschieht und sich benachteiligte Frauen wie z.B. in Polen nicht auf eine Institution wie die EU verlassen könnten, hätten sie keine Aussicht mehr auf eine Besserung der teilweise gravierenden Zustände. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die EU für Werte eintritt, auch wenn viele diese wertvolle Arbeit in ihrem Alltag nicht direkt wahrnehmen. Die Europäische Union ist somit der wichtigste Baustein meiner Hoffnung und die von vielen Frauen in Europa, eine absolute Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. Matteo: Für sein Alter ist er bereits sehr belesen. Er versucht kurzfristige Lösungen zu vermeiden und will später in die Politik gehen, um seine Ideen umzusetzen, mit denen er ein nachhaltigeres und langfristiges Zusammenleben auf der Welt ermöglichen möchte. Daran würde ich gerne anknüpfen. Mir ist wichtig, zwischen den einzelnen Bereichen zu differenzieren, in denen sich die EU engagiert. Denn auch wenn das Eintreten für Emanzipation durchaus positiv zu bewerten ist, sollten wir ein Problem nicht aus den Augen verlieren, bei dem die Rolle der EU zentral ist: die Flüchtlingskrise. Es sollte klar sein, dass eine große Anzahl nationaler und internationaler Probleme durch den unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen entstanden ist. Die Asylsuchenden haben hohe Kosten verursacht, es gibt große Probleme bei ihrer Integration und besonders Länder und Regionen, in denen viele Flüchtlinge ankommen, sind überfordert. Doch das größte entstandene Problem ist die Polarisierung und der entfachte nationale und internationale Streit in der Flüchtlingsdebatte. In Deutschland sind immer mehr Menschen gegen die andauernde Aufnahme von Flüchtlingen, was sich auch in der Erstarkung der AfD bemerkbar macht. Und auf europäischer Ebene sind zwei politische Lager9 entstanden, die sich
  • 5. gegenüberstehen: Auf der einen Seite ist die sogenannte „Koalition der Willigen“, also der Länder, die auf Solidarität und eine europäische Lösung angesichts der Flüchtlingsströme setzen, von denen Deutschland das bedeutendste Land ist. Dieser kleinen Gruppe von Ländern stehen die meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten gegenüber, die sich nicht an einem europäischen Verteilungsschlüssel beteiligen und am liebsten wenig bis keine Flüchtlinge aufnehmen wollen10 . Celine: Sie wohnt in einer Gegend, in der viele Immigranten leben. Da auch ihre beiden besten Freundinnen aus dem Iran und aus Serbien kommen, hat sie kein Verständnis dafür, dass sich nicht alle Länder der EU an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen wollen. Diese haben ihrer Meinung nach nur Angst vor dem Unbekannten. Es mag ja so sein, dass die große Zahl von Asylsuchenden für Zwietracht innerhalb Deutschlands und zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten gesorgt hat. Doch die meisten Probleme, die auf die Flüchtlingskrise zurückzuführen sind, wären nicht entstanden, wenn die Flüchtlinge gleichmäßig unter den Ländern verteilt und so Brennpunkte vermieden worden wären. Matteo: Ich finde auch, dass sich die Länder der Union solidarisch mit den Asylsuchenden zeigen sollten. Allerdings liegen die Absichten der Mitgliedsstaaten viel zu weit auseinander und die Gräben sind schon zu tief, als dass sich die Länder auf einen langfristigen fairen Verteilungsschlüssel für Flüchtlingszahlen einigen könnten. Was ich deshalb sehr interessant finde, ist die Idee des an der Universität Oxford lehrenden Ökonoms Paul Collier. Der Migrationsforscher und ehemalige Direktor der Weltbank erläuterte in einem Interview11 mit „Die Welt“ seine Ansicht, dass ein Wiederaufbau und eine Stabilisierung der Heimatländer der Flüchtlinge alternativlos ist. Collier erklärt, dass die Europäische Union naturgemäß wegen der größeren Lebensqualität einen Anziehungspunkt für Menschen aus armen Verhältnissen von der ganzen Welt darstellt, wobei er auch, aber nicht nur Kriegsflüchtlinge wie aus Syrien berücksichtigt. Diese Menschen würden zum einen nach mehr Wohlstand streben und zum anderen in Zukunft auch immer häufiger Fluchtursachen ausgesetzt sein. Collier fürchtet, dass Europa diese riesige Anzahl von potentiellen zukünftigen Immigranten niemals versorgen könne. Deshalb kritisiert er Merkel vehement, da sie mit ihrer kommunizierten Offenheit dafür gesorgt habe, dass sich viele Menschen aus sicheren Drittländern - also im derzeitigen Beispiel aus sicheren Nachbarländern Syriens - auf den gefährlichen Weg nach Europa gemacht haben. Als Konsequenz fordert er, dass die EU anders kommuniziert: Man solle wirtschaftlich motivierten Nicht-Europäern direkt vermitteln, dass sie nicht zu kommen brauchen. Außerdem sollen Flüchtlinge, die sich in Sicherheit bringen wollen, lieber in das sichere Nachbarland statt über gefährliche Umwege nach Europa kommen. Celine: Du bist also der Meinung, dass der Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingskrise darin besteht, den Menschen zu sagen: Kehrt um, von uns habt ihr in keiner Form Hilfe zu erwarten? Für mich ist die Flüchtlingskrise ähnlich wie die Wirtschaftskrise 2008 ein Gradmesser für
  • 6. Solidarität und die Achtung der Menschenwürde der Mitgliedsstaaten. Sie kann einzig und allein dadurch überwunden werden, dass alle Länder Flüchtlinge aufnehmen und so ihrer festgeschriebenen humanitären Verantwortung nachkommen. Dabei beziehe ich mich auf die Grundrechtecharta der EU13 . Unter den sechs verankerten Grundwerten ist neben Solidarität auch die Würde des Menschen entscheidend. Das schließt ein, dass alle europäischen Länder gleichermaßen neben finanzieller Unterstützung auch einen angemessenen Anteil von Menschen aufnehmen um kurzfristige, aber dringend benötigte Hilfe zu leisten. So wären die wenigen solidarischen Länder der Union nicht derart überfordert, dass die Asylsuchenden dort unter menschenunwürdigen Bedingungen verharren müssten, wie es derzeit in Griechenland der Fall ist14 . Dadurch könnte durch mehr Solidarität die Menschenwürde respektiert und eine Bewältigung der Flüchtlingskrise erreicht werden. Und letztlich haben die Flüchtlinge bereits ihr Hab und Gut verkauft und sich auf die lange und gefährliche Reise nach Europa begeben, in Aussicht auf ein besseres und sicheres Leben. Für die meisten dieser Menschen ist Umkehren nun keine Option mehr, viele könnten das auch schlicht und einfach nicht mehr realisieren. Die Flüchtlinge sind bereits da, nun liegt es an den europäischen Staaten, diese Menschen aufzunehmen. Außerdem können die armen Anrainerstaaten eines krisengebeutelten Landes wie Syrien die Last der vielen Flüchtlinge jetzt schon nicht mehr tragen12 . Die EU hingegen hat die Möglichkeiten zu helfen – und sollte diese auch tun. Matteo: Du hast auf jeden Fall recht – das Kind ist jetzt schon in den Brunnen gefallen und die Menschen sind da. Collier zufolge war es ein politischer Fehler Angela Merkels, die Flüchtlinge quasi zu ermutigen, nach Europa zu kommen. Diese Situation ließe sich jetzt in einem kurzen Zeitraum nur noch schwer lösen. Deshalb ist es meiner Meinung nach aber besonders wichtig, daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen und präventiv gegen die Wiederholung einer solchen Krise vorzugehen, indem man dafür sorgt, dass zukünftig weniger Menschen kommen. Collier zufolge zähle für die Schutzsuchenden in erste Linie, in Sicherheit zu sein. Dafür brauche man nicht nach Europa zu kommen, sondern könne in einen sicheren anliegenden Drittstaat flüchten. Die Reise in das Nachbarland ginge schnell und sei sicherer, außerdem wäre eine Rückreise problemlos, sobald wieder Frieden herrsche. Dies sei für die Krisenländer von besonderem Vorteil, denn nach Europa kämen hauptsächlich die relativ wohlhabenden und gebildeten Flüchtlinge, die dazu tendieren würden, im Westen zu bleiben, sobald sie einmal integriert sind. Eben diese würden dann beim Wiederaufbau des Landes besonders fehlen. Collier erklärt, dass die Verantwortung der reichen europäischen Länder darin liegt, die Drittländer finanziell zu unterstützen, sodass diese den Flüchtlingen angemessenen Schutz gewähren können. Des Weiteren appelliert er explizit an die europäische Wirtschaft, Jobs in den Nachbarländern des jeweiligen Krisenlandes zu schaffen. So könne man den Flüchtlingen eine Perspektive bieten,
  • 7. womit der Anreiz schwinden würde, in die EU zu kommen. Ich finde diesen Lösungsansatz so unterstützenswert, da er alles in allem solidarisch ist. Ich sehe die EU dabei in einer ganz entscheidenden Rolle, denn sie muss dafür sorgen, dass sich alle ihre Mitgliedsstaaten gleichermaßen daran beteiligen, sichere und menschenwürdige Zufluchtsorte in den Anrainerstaaten der Krisenländer zu schaffen. So ist die EU dafür verantwortlich, bei der Stabilisierung mitzuwirken, indem sie von den Mitgliedsländern finanzielle Mittel einfordert und deren Verwendung koordiniert, sodass den Krisenregionen langfristig und effektiv geholfen werden kann. Bei diesem Vorgehen würde es auch gelingen, die Mitgliedsländer einzuspannen, die bisher nicht dazu bereit waren, selber Flüchtlinge aufzunehmen. Celine: Ich halte diese Idee von der Grundüberlegung her für sehr lobenswert. Doch wie du bereits gesagt hast, wird es dauern, bis das Konzept zur Stabilisierung der Krisenregionen fruchten kann. Wir sollten bereits im Hintergrund mit entsprechenden Maßnahmen beginnen und vordergründig an einem fairen und humanitären Verteilungsschlüssel festhalten. Deshalb sollte die Koalition der aufnahmewilligen Länder und explizit Angela Merkel standhaft bleiben. Denn auch in Zukunft werden noch viele Flüchtlinge nach Europa kommen, jedoch wird sich ihre Zahl durch das vorgestellte Konzept zur Stabilisierung der Krisenregionen deutlich verringern. Das könnte bisherige Aufnahmeverweigerer überzeugen, ebenfalls Flüchtlinge aufzunehmen. Den Mitgliedsstaaten, die sich dennoch weigern, muss zusätzlich weiterhin ihre humanitäre Verantwortung bewusst gemacht werden, um einen fairen Verteilungsschlüssel innerhalb der EU durchzusetzen. Ohne die Union hingegen könnte weder die aktuelle Flüchtlingskrise überwunden, noch könnte den Schutzsuchenden adäquat geholfen und die Krisenregionen stabilisiert werden. Denn lose europäische Nationalstaaten hätten bis auf wenige Ausnahmen nur ihre eigenen Interessen im Kopf, sodass sie keine Menschen aufnehmen und kein Geld für sichere Anrainerstaaten bereitstellen würden. Wenn die Staaten dann ihre Grenzen abriegelten, würde nicht nur die Flüchtlinge im Stich gelassen werden, sondern würden sich die Flüchtlingsströme nach Europa bei zukünftigen Gewaltkonflikten in Afrika oder im Nahen Osten nur noch zunehmen, die irgendwann auch die nationalen Grenzen und eine aufnahmeverweigernde Kommunikation nicht mehr stoppen würde. Die Europäische Union ist damit der einzige Weg, meinen Traum eines solidarischen, menschenwürdigen und nachhaltigen Zusammenlebens wahr zu machen. Moussa: Er war bereits das letzte Jahr beim Europäischen Schülerparlament. Sein Onkel musste vor einigen Jahren aus Ägypten flüchten. Von der dort herrschenden Gewalt hat er von vielen Familienmitgliedern erfahren, was bei ihm eine enorme Wertschätzung für die EU als stabiles demokratisches System hervorgebracht hat.
  • 8. Ich finde es sehr gut, dass ihr nach einem Lösungsansatz sucht, der auf Solidarität, Humanität und Stabilität beruht. Leider vergessen viele, dass moralische Normen und Grundsätze die Quelle der Europäischen Union sind. Und die EU in Kombination mit seinen gemeinsamen Werten haben eine unglaublich zentrale Bedeutung für jeden einzelnen Bürger auf der Erde, denn: Nur die Europäische Union vermag es, den Frieden in Europa und somit für die ganze Welt zu sichern. Laura: Ihre politische Meinung ist eher konservativ geprägt. Sie fordert mehr innere Sicherheit in Europa, da sie Terrorismus als die mit Abstand größte Gefahr für Europa betrachtet. Jetzt brems' dich aber mal. Nicht ohne Grund ist der letzte Krieg bereits über 70 Jahre her, doch dieser Grund ist ganz bestimmt nicht die Europäische Union. Dass es seit dem Ende des zweiten Weltkriegs friedlich in Europa ist, liegt einzig und allein an unserer Lernfähigkeit. Wir haben nun einmal gesehen, wie verheerend ein Krieg für alle Seiten ist, weshalb wir unsere Konflikte mittlerweile diplomatisch lösen. Niemand möchte ein Hiroshima 2.015 bei der heutigen Technik. Nicht wenige meinen, dass ein dritter Weltkrieg dem Ende der Menschheit gleichkäme. Wir leben nun mal auf einem Kontinent, wo wir weit entwickelt sind – und wo man nach all dem erlebten Übel versteht, dass Staaten ihre Konflikte friedlich lösen können, ohne sich gegenseitig zu zerstören. Moussa: Damit hast du die zentrale Gefahr für den Frieden wiedergegeben. Sie besteht in dem Irrtum, dass ein Krieg in Europa unmöglich ist, egal was passiert. Doch ein Blick auf die europäische Geschichte zeigt, dass der Europäer diesbezüglich nicht aus seinen Fehlern lernt. Kriege auf europäischem Boden sind seit Jahrhunderten eine der wenigen Konstanten der Geschichte. Wir haben zwar auch schon Perioden des Friedens erlebt, doch die haben nie lange gedauert. Allein die deutsch-französische Erbfeindschaft war über Jahrhunderte verantwortlich für unzählige Opfer von gewaltsamen Konflikten. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass wir zukünftig von Kriegen verschont bleiben sollten, falls wir uns von der Europäischen Union zurück zu losen Nationalstaaten bewegen, die allesamt ihre eigenen Interessen verfolgen und wieder in Konkurrenz zueinander treten. Laura: Also wenn ihr mich fragt, ist eine Gemeinschaft wie die EU hier nicht mehr notwendig, um Frieden zu wahren. Heutzutage gibt es eine klare Tendenz zu asymmetrischen Konflikten, in denen häufig private Akteure auftreten, wozu ökonomisch interessierte Banden und vor allem Terroristen zählen16 . Und wie wir es in jüngster Zeit leider immer wieder erleben müssen: Terrorismus kann auch die EU nicht verhindern, wie die Attentate in Paris, Nizza oder Berlin zeigen. Der klassische Krieg zweier gleichwertiger Nationen gehört in das vergangene Jahrhundert. Moussa: Ich glaube du unterschätzt den Wert unseres Europas für den Frieden gewaltig. Die Europäische Union hat eine herausragende Position bei der Prävention von Konflikten jeglicher Art.
  • 9. Im Grunde entspricht der Wirkungsmechanismus der EU nach wie vor den Erklärungen Robert Schumans aus dem Jahr 195017 . Durch einen gemeinsamen Markt produziert kein Staat mehr die Mittel alleine, die er zur Führung eines Krieges benötigen würde. Zusätzlich schadet jeder zwischenstaatliche Konflikt immer auch den Angreifer, da er seinen „Handelspartner“ schädigt und für instabile Handelsbeziehungen sorgt. So verlieren bedeutende Wirtschaftsakteure Interesse an einem Krieg und ein bewaffneter Konflikt ist materiell betrachtet nahezu ausgeschlossen. Abgesehen von der wirtschaftlichen Integration sorgen die offenen Grenzen, Förderprogramme des gesellschaftlichen Austausches wie ERASMUS18 und das Teilen von gemeinsamen europäischen Werten zu einem Abbau von Nationalismus. Eine übersteigerte nationale Denkweise in Europa wurde gemeinhin als Ursache für den Zweiten Weltkrieg wahrgenommen, da diese in der Vergangenheit immer wieder Rivalitäten und Spannungen erzeugt hatte19 . Letztlich ist auch besonders die Verbreitung, die Wahrung und die Förderung der Demokratie entscheidend für den Frieden, da man davon ausgeht, dass es zwischen demokratischen Staaten nicht zu einem Krieg kommt. Das geht auf die These zurück, dass unter einem Krieg hauptsächlich die große Mehrheit der einfachen Bürger leidet, die sich in der Folge gegen ihn wendet und so verhindert, dass eine kleine Elite einen Krieg beginnen kann20 . Die Europäische Union und ihre Institutionen, die allesamt auf demokratischen Säulen gegründet sind, setzen besonders durch den Binnenmarkt einen attraktiven Anreiz für Staaten und sorgen dafür, dass Länder, die an einem Beitritt interessiert sind, ebenfalls eine vollkommen demokratische Regierungsform adaptieren müssen21 . Sie fördert und schützt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte und trägt so entscheidend zum Erhalt des demokratischen Friedens bei. Alle diese Faktoren kombiniert machen klar, dass nur die Europäische Union es vermag, Kriege in Europa kategorisch auszuschließen. Wir haben es ihr zu verdanken, dass Kriege in der EU mittlerweile undenkbar sind und dass die Mitgliedsstaaten ihre Konflikte diplomatisch und auf rechtsstaatlicher Basis lösen. Laura: Das ist ja schön und gut, aber zur Wahrung des Friedens gehört nun mal mehr als das Verhindern von Kriegen. Wie ich ja schon erklärt habe, sind besonders andere Formen von Gewalt wie durch den Terrorismus im Vormarsch. Was tut die EU denn, um asymmetrische Gewaltkonflikte zu verhindern? Moussa: So wie die heutigen EU-Mitgliedsstaaten mit der Umsetzung des Schuman-Plans dafür gesorgt haben, dass ein Umdenken weg von zwischenstaatlichen Kriegen hin zur Diplomatie erforderlich wird, so stellen sich die Länder den aktuellen Gewaltproblemen, damit den EU-Bürgern ein friedliches Umfeld garantiert wird. Seit 1992 verfolgt die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) klar definierte Ziele, die der Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit der EU-Länder und -Bürger effektiv
  • 10. zugutekommt22 . Auch die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP) kämpft mit zusätzlichen zivilen und militärischen Instrumenten für die Sicherheit Europas23 . Auch wenn man Terroranschläge niemals zu 100 Prozent verhindern können wird: Durch Austausch, Zusammenarbeit und Einigkeit kann man schneller und effektiver gegen aktuelle Bedrohungen unserer Sicherheit vorgehen und den Frieden Europas besser sicherstellen. Die EU ist eine Institution, die mit der Zeit geht, sich den neuen Herausforderungen stellt und immer besser auf sie zu reagieren weiß. Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit in Europa immer besser wird, sodass wir noch weniger Gewalt zu befürchten haben. Was das betrifft, ist die europäische Einheit für mich eine absolute Notwendigkeit. Außerdem ist es wichtig allen Bürgern bewusst zu machen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist - dies gerät leider bei viel zu vielen Menschen in Vergessenheit. Doch die Europäische Union ist die stabile Friedensordnung, die uns unsere Sicherheit am besten garantiert. Ohne sie würden wir in lose Nationalstaaten zerfallen, die auf kurz oder lang ihre Konflikte wieder gewaltsam austragen würden – so wie es unsere leidvolle Geschichte bestens zeigt. Das Licht am Ende des Tunnels, das aus dem Chaos aus Krieg, Feindschaft und blinder Zerstörungswut herausführt, hieß und heißt Europa! Dass die Arbeit der EU für den Frieden häufig nicht mehr wahrgenommen wird, zeigen vor allem zwei Dinge: Erstens ist Frieden für die meisten Menschen selbstverständlich und alltäglich und zweitens besteht dadurch der Bedarf, die Wertschätzung der Europäischen Union nicht zu vernachlässigen. Nur indem wir der EU weiter Rückhalt geben und den europäischen Gedanken auch mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weiter in uns tragen, können wir die Friedensordnung Europa auch in der Zukunft garantieren. Und das ist absolut entscheidend, denn: Frieden ist eine absolute Notwendigkeit für uns alle! Herr Münkler: Vielen Dank für ihre Beiträge. Ich möchte die Gelegenheit für das Schlusswort des heutigen Tages nutzen und einen abschließenden Appell an Sie richten. Letztlich sind wir mit der Europäischen Union in fast allen Bereichen unseres Lebens konfrontiert, egal ob bei der Arbeit durch den EU-Binnenmarkt, bei der Gesundheitspolitik durch europaweite Hygienestandards oder beim Reisen durch den Schengen-Raum und durch eine gemeinsame Währung24 . Was dabei häufig aus den Augen gerät ist die Bedeutung der EU auf Ebenen, die unseren Alltag nicht so unmittelbar betreffen. So ist die Europäische Union von ungeheurer Bedeutung für das Erhalten und Fördern von progressiven Werten, beim Bewältigen der Flüchtlingskrise und vor allem für die Wahrung von Frieden. Alle drei dieser Funktionen der EU sind eher abstrakt und weniger direkt als ein Euro in der Geldbörse. Doch Sie haben im Endeffekt eine immense Bedeutung für das Leben jedes einzelnen.
  • 11. Für manchen sind sie Hoffnung, für manchen sind sie Traum – doch für alle sind sie Notwendigkeit. Das ist besonders in einer Zeit wichtig, in der die Stimmen der Nationalisten lauter werden und die Bedeutung der Europäischen Union von immer mehr nicht mehr wahrgenommen wird. Erinnert deshalb die Menschen daran, dass die EU in erster Linie eine Wertegemeinschaft ist und dass immer noch viele auf ihren Einsatz für eine gerechte Welt angewiesen sind, sodass viele Frauen ohne sie keine Aussichten auf Besserung hätten. Erinnert die Menschen daran, dass bei all dem Streit über richtige Vorgehensweisen der Weg nur über die EU gehen kann, um komplexe Problematiken wie die Flüchtlingskrise effektiv und angemessen zu lösen, sodass wir ohne sie den erschütterten Regionen und den leidenden Menschen nicht helfen könnten. Erinnert die Menschen schließlich daran, dass die EU die größte und wirksamste Friedensordnung ist, die Europa je gesehen hat – und dass ihr Zerfall auch den Krieg wiederbringen wird. Stellen Sie sich einmal vor, Sie erbauen eine Brücke, eine Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft. Sie machen sich all den Facetten der Europäischen Union bewusst: ihr Einfluss auf den Alltag, ihre Rolle als Wertegemeinschaft, als Problemlöser und als Friedenshüter. Sie verinnerlichen die außerordentliche Bedeutung der EU und berücksichtigen gleichzeitig Kritik und Herausforderungen, um die EU an neue Anforderungen anzupassen. Ihre Brücke bauen Sie nun vom Ufer der Gegenwart über einen reißenden Strom aus Krisen, Nationalismus und schleichender Gewöhnung hinweg, um schließlich am anderen Ufer anzukommen. Dort geben Sie ihr Wissen um die Bedeutung Europas weiter und stellt so sicher, dass auch dort das Ufer kräftig genug bleibt, um gegen die destabilisierende Gewalt des Stroms anzukommen, um die Existenz des gerechten, lebenswerten und friedlichen Kontinents zu wahren und zu stärken. Und ja, Ihre Brücke hat hat ihre Schwachstellen. Doch sie ist der beste und einzige Weg voranzuschreiten, um nicht im Sumpf stecken zu bleiben. Das Bewusstmachen der Bedeutung der Europäischen Union für das Leben aller Menschen verkörpert den Bau einer solchen Brücke. Das Vermitteln vom europäischen Gedanken vereint die Tradition, die Europa im Innersten zusammen hält, mit der Moderne, für die ein funktionierendes Europa genauso entscheidend ist und sein wird, wie es für den Kontinent vor 70 Jahren war. Das Erinnern ist der einzige Weg, Europa in dieser schwierigen Zeit zu bewahren und seine Fundamente zu stärken. Besonders weil vielen Menschen die Bedeutung der Europäischen Union für essenzielle Aspekte nicht mehr bewusst ist, sind Sie gefordert, die Bedeutung der EU, wie in der Diskussion gezeigt, auch zukünftig zu vermitteln. Das Handeln ihrer Generation ist entscheidend für das Schicksal der Europäischen Union – und damit für jeden einzelnen Menschen. Herzlichen Dank und gute Heimreise!
  • 12. Literatur- und Quellenverzeichnis Titelbild http://bilder4.n-tv.de/img/incoming/origs7459311/6332737457-w1000-h960/2012-10-12T114951Z- 01-BRU100-RTRMDNP-3-NOBEL-PEACE.jpg, n-tv, entnommen am 18.10.2016 Hauptteil 1) http://www.konrad-adenauer.de/dokumente/erklarungen/regierungserklarung15, Konrad- Adenauer-Stiftung e.V., entnommen am 18.10.2016 2) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/202187/frauen-auf-dem-arbeitsmarkt, Bundeszentrale für politische Bildung (im Folgenden „bpb“), entnommen am 26.10.2016 3) http://fra.europa.eu/de/publication/2014/gewalt-gegen-frauen-eine-eu-weite-erhebung- ergebnisse-auf-einen-blick, European Union Agency For Fundamental Rights, entnommen am 26.10.2016 4) http://reports.weforum.org/global-gender-gap-report-2015/rankings/, World Economic Forum, entnommen am 26.10.2016 5) http://www.bpb.de/internationales/europa/polen/40779/frauen-in-polen, bpb, entnommen am 26.10.2016 6) http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/178757/fachkraeftemangel?p=all, bpb, entnommen am 29.10.2016 7) http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/index_de.htm, Europäische Kommission, entnommen am 30.10.2016 8) http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_5.10.8.html, Europäisches Parlament, entnommen am 30.10.2016 9) https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-eu-faq-103.html, tagesschau.de, entnommen am 12.11.2016 10) https://www.welt.de/politik/ausland/article157467502/Wie-gefaehrdet-ist-das-Abkommen- mit-der-Tuerkei-wirklich.html, Die Welt, entnommen am 12.11.2016 11) https://www.welt.de/wirtschaft/article151603912/Ist-Merkel-schuld-an-Fluechtlingskrise- Wer-sonst.html, Die Welt, entnommen am 26.11.2016 12) http://migration-info.de/artikel/2014-11-13/syriens-nachbarlaender-erreichen- belastungsgrenze-fluechtlingsaufnahme, Migration & Bevölkerung in Kooperation mit der bpb und dem Netzwerk Migration in Europa, entnommen am 27.11.2016 13) http://www.europarl.de/de/europa_und_sie/europa_vorstellung/grundrechtecharta.html, Europäisches Parlament, entnommen am 10.12.2016 14) http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/fluechtlinge-in-griechenland-die-hoelle-auf-erden-
  • 13. 12874994.html, FAZ, entnommen am 11.12.2016 15) http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/wiederaufbau-der-staedte/64351/trauma- und-stadtplanung, bpb, entnommen am 27.12.2016 16) Taschenbuch: Die neuen Kriege; von Herfried Münkler. Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Februar 2004, S.11 17) https://europa.eu/european-union/about-eu/symbols/europe-day/schuman-declaration_de, europa.eu, entnommen am 2.1.2017 18) http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/176821/erasmus, bpb, entnommen am 5.1.2017 19) https://www.bpb.de/izpb/203855/motive-und-leitbilder-der-europaeischen-einigung?p=all, bpb, entnommen am 5.1.2017 20) http://www.foederalist.eu/2016/09/europa-integration-frieden-demokratie.html, foederalist.eu/verfasst von Manuel Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Humboldt- Universität Berlin und Experte im Bereich Europapolitik, entnommen am 8.1.2017 21) https://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Europa/Artikel/2005-11- 08-kriterien-beitrittskandidaten.html, die Bundesregierung, entnommen am 8.1.2017 22) https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Lexikon/EUGlossar/G/2005-11-16- gemeinsame-aussen-und-sicherheitspolitik-gasp-.html, die Bundesregierung, entnommen am 21.1.2017 23) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Europa/Aussenpolitik/GSVP/GSVP-Start_node.html, Auswärtiges Amt, entnommen am 22.1.2017 24) http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/42848/grafik-ich-und-die-eu, bpb, entnommen am 22.1.2017