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Max-Plank-Gymnasium
Curtigasse 8
64823 Groß-Umstadt
Fach: Deutsch
Lehrer: Herr Pfaul
„Toleranz ist unteilbar“
Überlegungen gegen den Rechtsruck in Europa
Eine Arbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbs
zur Frage:
„Wofür mache ich mich stark“
6. Dezember 2018
Gabriel Lechelt
Wallstraße 9
64823 Groß-Umstadt
Telefon: 06078 911007
1
Zum Thema
Sobald man den Fernseher oder das Radio anschaltet, im Internet surft oder eine Zeitung aufschlägt,
stößt man auf das Thema Rechtspopulismus. In meinem letzten Frankreich-Urlaub habe ich ge-
merkt, dass es nicht nur in Deutschland so ist. In Frankreich habe ich viele Franzosen kennenge-
lernt, die fast alle dafür sind, dass die Flüchtlinge aus ihrem Land verschwinden. Dass der Rechts-
ruck dort ziemlich stark ausgeprägt ist, merkt man daran, wie die letzte Präsidentschaftswahl ausge-
fallen ist. Damals war die rechtsorientierte Partei
von Marine Le Pen zweitstärkste Partei. Nicht nur
in Frankreich und Deutschland sind solche Partei-
en stark. In Ungarn beispielsweise regiert der
rechte Präsident Victor Orbán, der die Grenzen
nach Europa geschlossen hat. Im Österreichischen
Nationalrat sitzt die Freiheitliche Partei Öster-
reichs (FPÖ) unter der Führung von Heinz-
Christian Strache, in Polen hat die Partei „Recht
und Gerechtigkeit“ (PiS) von Jarosław Kaczyński
gerade die Freien Gerichte abgeschafft.
Um an die Macht zu kommen, schrecken viele
Präsidentschaftskandidaten nicht davor zurück ihre
Gegner zu demütigen und zu beleidigen. Es reicht,
wenn man sich die letzten Wahlen in Amerika an-
gesehen hat, um zu erkennen, dass in anderen Län-
dern mit viel härteren Mitteln um das Amt des Prä-
sidenten „gekämpft“ wird.
Auch in den Medien werden viele rechtspopulistische Politiker als „gut“ dargestellt. Für uns ist das
Thema Pressefreiheit selbstverständlich, doch in vielen Ländern, in denen Rechtspopulisten regie-
ren, können die Medien nicht frei über alles berichten, ohne dass die Journalisten verhaftet oder gar
hingerichtet werden. Dies ist ein großes Problem, denn so können sich die Menschen der Länder
nicht über ihren „Herrscher“ informieren und gar nicht wissen, dass man in anderen Ländern über
fast alles berichten kann ohne Angst zu haben verhaftet zu werden. Auf der vorherigen Seite kann
man anhand der Grafik sehen, wie stark der Rechtspopulismus in den Parlamenten Europas vertre-
ten ist.
Europäische Parlamente mit Parteien, die unter
anderem dem Rechtspopulismus zugeordnet wer-
den.
Rechtspopulisten im Parlament vertreten
Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt
Rechtspopulisten stellen Regierungschef
(Quelle: wikipedia.org/wiki/Rechtspopulismus)
2
Doch was kann passieren, wenn solche Parteien in Europa regieren? Um dies zu erfahren, habe ich
mir eine Zeitzeugin gesucht, die den 2.Weltkrieg und die Zeit des Nationalsozialismus miterlebt hat.
Sie heißt Beate Vollmer, ist 93 Jahre alt (geboren 1925) und wohnt in einer südhessischen Klein-
stadt. Ich habe sie im Rahmen einer Anti-AfD-Demonstration kennengerlernt. Sie fiel mir durch ihr
großes Engagement auf. Mit dem Ziel, an Informationen aus erster Hand zu kommen, habe ich
sechs Interviewfragen formuliert, die ich ihr gestellt habe. Das Interview fand am 29.10.2018 statt.
Das Gespräch wurde digital aufgezeichnet und wird hier in einer gekürzten Form wiedergegeben.
Im Folgenden sind einige Passagen im Text unterstrichen, auf die ich später noch einmal zurück-
komme.
Interview
Lechelt: Frau Vollmer, wie haben Sie die Entwicklung des Rechtsextremismus vor dem Zweiten
Weltkrieg miterlebt?
Vollmer: Die Leute kamen aus dem Ersten Weltkrieg desillusioniert nach Hause. Hitler hatte, wie
die AfD heute, wunderbare Parolen ausgegeben. Er war für Familie, Soziales und Nationalbewusst-
sein. Das war für meinen Vater, als er aus dem ersten Weltkrieg nach Hause kam, furchtbar wichtig,
denn die Menschen hatten ein großes nationales Bedürfnis. Und außerdem hatte Hitler immer vor-
gegeben, christlich zu sein. Und dann kam 1929 diese furchtbare Weltwirtschaftskrise, wo kein
Mensch Arbeit fand – mein Vater auch nicht – wir waren furchtbar arm. Da begeisterte sich mein
Vater für den Nationalsozialismus, trat sofort in die Partei ein und setze sich für deren Ideen ein.
Dann kam ein großer Aufruf, dass Hitler in München reden würde. Mein Vater war begierig, ihn
nun persönlich kennenzulernen und herauszufinden, wie er all diese Ideen umsetzen würde. Dann
ist er nach München gefahren und als gebrochener Mann zurückgekommen, wie meine Mutter spä-
ter erzählte, weil er erkannt hatte, dass von dem, was Hitler propagiert hatte, nichts stimmte, son-
dern dass er ein reiner Hetzer und Demagoge war. Als er zurückgekommen war, trat er sofort aus
der Partei aus. Von da an war er ein rotes Tuch für die Nationalsozialisten und war ab 1933, als sie
an die Macht gekommen waren, oft in Gefängnissen. Mein Vater hatte eine große Anziehungskraft
auf die jungen Leute, die auch dagegen waren. Die beiden älteren Brüder meines Mannes sind auf
die Straße gegangen und haben gegen die Auflösung der Bündischen Jugend protestiert. Dafür ka-
men sie ins Gefängnis und wurden erst nach Monaten freigelassen. Ihre eigenen Eltern – der Vater
war Arzt – haben, wie die gutbürgerliche Gesellschaft, gesagt: „Lass die nur machen, das wird nicht
3
so schlimm. Wir wollen doch mal sehen, was der so zuwege bringt, der bringt die Leute in Arbeit
und Brot.“ – Und sie haben ihren eigenen Söhnen nicht beigestanden. So habe ich das gleich als ei-
ne ganz große Bedrohung empfunden. Mein Vater wurde immer wieder ohne ersichtlichen Grund
festgenommen. 1938 hat mein Vater einen Artikel in einer österreichischen Zeitung über das Ende
Deutschlands verfasst und kam dafür ein Jahr lang in das Prinz-Albrecht-Gefängnis. Dort wurde er
schrecklich behandelt: zuerst wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und dann zu einer
lebenslänglichen Strafe im Zuchthaus. Nach den Bombenangriffen auf Hamburg 1943 hat er sich
freiwillig zum Bombenentschärfen gemeldet und ist dann untergetaucht. Danach haben wir ihn zwei
Jahre lang in unserem Haus versteckt. Davon hat heute niemand eine Vorstellung.
Deshalb bin ich sehr dafür, dass sich die Jugend im Klaren darüber ist, dass man solchen Kräften
keinen Raum lassen darf. Man muss energisch dagegen angehen, damit die Rechtspopulisten nicht
die Rechte außer Kraft setzen können und die Menschen drangsalieren. Es ist so erstaunlich – wenn
man mit den Menschen spricht – dass dieses Bewusstsein, was das für eine Gefahr ist, bei den Leu-
ten gar nicht ausgeprägt ist.
Lechelt: Ist heute dieselbe Entwicklung sichtbar?
Vollmer: Toleranz ist unteilbar. Mein Vater sagte immer, es komme nicht darauf an, was einer
darstellt, sondern was er für ein Mensch sei. Diese Toleranz fehlt den Populisten. Und das spüren
nur wenige. Viele Leute sagen, es sei nicht so schlimm – doch, es ist schlimm, wenn du anfängst ei-
nen anderen Menschen nicht als Menschen zu betrachten!
Lechelt: Sehen sie im Auftreten der heutigen Rechtsparteien eine Gefahr?
Vollmer: Ja, da sehe ich eine große Gefahr! Wie damals bei den Nazis, entwickelt sich auch heute
bei manchen AfD-Politikern eine Gossensprache, die man sich nicht vorstellen kann.
Lechelt: Ist es wichtig, die Geschichte des dritten Reichs in den Schulen zu behandeln?
Vollmer: Ja, das halte ich für sehr wichtig! Ich halte es auch für sehr wichtig, dass die Lehrer sich
ein Bild machen. Auch die Besuche der KZs halte ich für wichtig, weil das einen ganz anderen Ein-
druck vermittelt, wenn man einmal vor diesen Verbrennungsöfen gestanden hat oder auch gesehen
hat, auf welch kleinem Raum die Menschen gelebt haben. Man sollte sich selbst auch ein Bild von
der Situation machen.
Lechelt: Wie kann man an den Schulen Europas die Jugend auf das Thema Rechtsruck aufmerksam
machen, damit wir gemeinsam etwas dagegen tun können?
Vollmer: Es kann gar nicht ernst genug genommen werden, dass die Schulen und die Schüler und
die jungen Leute für eine europäische Einigung eintreten. Das müsste im Unterricht einen ganz an-
deren Stellenwert haben. […] Es ist unerlässlich, dass die jungen Menschen sehen, was möglich ist,
4
wenn eine solche Diktatur das Sagen bekommt und was sich breit macht, wenn man dem nicht bei-
zeiten wehrt. […] Ich halte die Beschäftigung damit für unerlässlich, damit ihnen das zu einer
Wirklichkeit wird.
Wenn die Europäische Einigung nicht wäre, wie viel furchtbares Leid, wie viel Kampf und Zerstö-
rung gäbe es in den Regionen um den Rhein herum. Ich glaube, es ist den wenigsten heute bewusst,
wie entscheidend diese europäische Versöhnung mit den Völkern ist. Wie leicht wäre es dann, wenn
die Rechten an die Macht kämen, nur immer von „wir“ zu reden und sich abzukapseln gegenüber
Fremden. Wenn das erst wieder anfängt, dann wird im Nu wieder geschossen.
Lechelt: Was finden sie an Europa am wichtigsten?
Vollmer: Am wichtigsten finde ich die Leistung, die diese Völker und ihre Politiker vollbracht ha-
ben, dass Völker, die Jahrhunderte lang erbitterte Feinde waren, zu einer Versöhnung gekommen
sind […] und dass sich junge Menschen, wenn sie sich begegnen, als Freunde gegenüberstehen. Die
Verschwisterungen zwischen verschiedenen Ländern ist eine unendliche Leistung, auch von all den
Ehrenamtlichen, die sich immer noch engagieren. Es ist ihre Entscheidung, den Menschen mit dem
absoluten Respekt der Gleichberechtigung gegenüberzutreten.
Lechelt: Frau Vollmer, vielen Dank für das Gespräch.
5
Wie kann ich anderen Menschen Europa nahebringen?
Bei den Fragen war es mir vor allem wichtig, dass sie aktuelle Probleme widerspiegeln. Ich glaube,
dass diese Informationen wichtig sind für die heutige Gesellschaft, da sie helfen können, sich ein
Bild der damaligen Zeit zu machen. Meiner Meinung nach ist es ebenfalls wichtig, dass sich Ju-
gendliche einen Eindruck der Situation von heute und damals machen. So könnten wir gemeinsam
etwas gegen den Rechtsruck tun. Ein erster Schritt wäre es, anderen Leuten die Europäische Union
und ihre Institutionen nahezubringen. Dies können wir einerseits tun, indem wir uns mit der Ge-
schichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen und uns die Vorteile für eine europäi-
sche Zusammenarbeit bewusst machen.
Andererseits könnte man dies tun, indem man, wie im Interview angedeutet, den Kindern und Ju-
gendlichen an Schulen die Geschichte des Dritten Reichs erklärt. Das beinhaltet auch, dass man
lernt, mit welchen Methoden die Nationalsozialisten ein ganzes Volk manipuliert haben. So können
Jugendliche rechte Politiker besser durchschauen und schon früh entscheiden, auf wessen Seite sie
stehen. Dazu ist es wichtig, wahre von falschen Informationen unterscheiden zu lernen.
Eine andere Idee wäre es beispielsweise, Verbotsverfahren gegen rechtsextreme Parteien zu verein-
fachen, auch wenn es schwierig ist, Parteien etwas Schlechtes nachzuweisen. Hierzu wäre es erfor-
derlich, die Überwachung von solchen Parteien zu erleichtern.
Um einem Rechtsruck entgegenzuwirken, ist es außerdem erforderlich, die Vorteile eines europäi-
schen Miteinanders zu kennen (Unterrichtsstoff Erdkunde 7. Klasse):
Die vier Freiheiten der Europäischen Union
- Freier Kapitalverkehr
- Freier Personenverkehr
- Freier Dienstleistungsverkehr
- Freier Warenverkehr
Wer sich dieser Freiheiten bewusst ist, der ist weniger anfällig für den Rechtspopulismus.
6
Thesen gegen den Rechtsruck
Folgende Thesen ergeben sich aus dem Interview und aus meiner Beschäftigung mit dem Thema.
Sie können hoffentlich helfen, sich ein eigenes Bild zu machen, um weniger anfällig für Rechtspo-
pulisten zu sein.
Wir können dem Rechtsruck entgegenwirken, indem wir…
1. … Zeitzeugen zuhören und sie ernst nehmen, solange es noch welche gibt;
2. … Schülerinnen und Schülern beibringen, wie sie rechtspopulistische Äußerungen in den
Medien erkennen können;
3. … die Geschichte des Dritten Reichs verstärkt in den Schulen behandeln;
4. … mit Jugendlichen über das Thema Rechtspopulismus sprechen;
5. … das Bewusstsein der Menschen dafür schärfen, dass Populisten wichtige Rechte außer
Kraft setzen wollen;
6. … den Menschen bewusst machen, dass Toleranz unteilbar ist und dass sie jedem Menschen
mit Respekt begegnen und jeden gleich behandeln;
7. … uns mit Methoden der Manipulation auseinandersetzen, um sie zu erkennen;
8. ... selbst darauf achten, dass man nicht die gleiche herabwürdigende Sprache benutzt, wie
die Rechtspopulisten;
9. … den Menschen in Europa die Bedeutung der Versöhnung der Staaten verdeutlichen; hier-
bei spielen die Verschwisterungen eine wichtige Rolle;
10. … für die Europäische Einigung eintreten, damit Diktaturen keine Chance haben;
11. … uns über das Europäische Parlament und andere Einrichtungen der Europäischen Union
informieren;
12. … uns in verschiedenen Medien informieren, um Fake-News von wahren Informationen zu
unterscheiden;
13. … uns die vier Freiheiten der Europäischen Union bewusst machen;
14. … Verbotsverfahren gegen rechtsextreme Parteien in den einzelnen Ländern vereinfachen.
7
Schlussbemerkung
Vor einigen Wochen hatte jemand auf meinen Tisch im Klassenraum die blitzförmigen SS-Runen
geschmiert. Das hat mich erschreckt, weil mir auf diese Weise bewusst wurde, dass die Unwissen-
heit über die schlimmen Folgen dieser Zeit immer noch sehr groß ist. Wie Frau Vollmer schon im
Interview verdeutlichte, ist es wichtig, sich dies bewusst zu machen, damit rechtpopulistische und
rechtsextreme Parteien in Zukunft nicht wieder ähnliche schlimme Dinge anrichten können, wie in
der Zeit des Nationalsozialismus.
Auch wenn das Verständnis zwischen den Ländern Europas nicht immer leicht ist, sollten wir trotz-
dem daran arbeiten, diese Gemeinschaft aufrecht zu erhalten und sie nicht wieder zu zerstören.
Denn nur so können wir friedlich in Europa zusammenleben.
* * *
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  • 1. Max-Plank-Gymnasium Curtigasse 8 64823 Groß-Umstadt Fach: Deutsch Lehrer: Herr Pfaul „Toleranz ist unteilbar“ Überlegungen gegen den Rechtsruck in Europa Eine Arbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbs zur Frage: „Wofür mache ich mich stark“ 6. Dezember 2018 Gabriel Lechelt Wallstraße 9 64823 Groß-Umstadt Telefon: 06078 911007
  • 2. 1 Zum Thema Sobald man den Fernseher oder das Radio anschaltet, im Internet surft oder eine Zeitung aufschlägt, stößt man auf das Thema Rechtspopulismus. In meinem letzten Frankreich-Urlaub habe ich ge- merkt, dass es nicht nur in Deutschland so ist. In Frankreich habe ich viele Franzosen kennenge- lernt, die fast alle dafür sind, dass die Flüchtlinge aus ihrem Land verschwinden. Dass der Rechts- ruck dort ziemlich stark ausgeprägt ist, merkt man daran, wie die letzte Präsidentschaftswahl ausge- fallen ist. Damals war die rechtsorientierte Partei von Marine Le Pen zweitstärkste Partei. Nicht nur in Frankreich und Deutschland sind solche Partei- en stark. In Ungarn beispielsweise regiert der rechte Präsident Victor Orbán, der die Grenzen nach Europa geschlossen hat. Im Österreichischen Nationalrat sitzt die Freiheitliche Partei Öster- reichs (FPÖ) unter der Führung von Heinz- Christian Strache, in Polen hat die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Jarosław Kaczyński gerade die Freien Gerichte abgeschafft. Um an die Macht zu kommen, schrecken viele Präsidentschaftskandidaten nicht davor zurück ihre Gegner zu demütigen und zu beleidigen. Es reicht, wenn man sich die letzten Wahlen in Amerika an- gesehen hat, um zu erkennen, dass in anderen Län- dern mit viel härteren Mitteln um das Amt des Prä- sidenten „gekämpft“ wird. Auch in den Medien werden viele rechtspopulistische Politiker als „gut“ dargestellt. Für uns ist das Thema Pressefreiheit selbstverständlich, doch in vielen Ländern, in denen Rechtspopulisten regie- ren, können die Medien nicht frei über alles berichten, ohne dass die Journalisten verhaftet oder gar hingerichtet werden. Dies ist ein großes Problem, denn so können sich die Menschen der Länder nicht über ihren „Herrscher“ informieren und gar nicht wissen, dass man in anderen Ländern über fast alles berichten kann ohne Angst zu haben verhaftet zu werden. Auf der vorherigen Seite kann man anhand der Grafik sehen, wie stark der Rechtspopulismus in den Parlamenten Europas vertre- ten ist. Europäische Parlamente mit Parteien, die unter anderem dem Rechtspopulismus zugeordnet wer- den. Rechtspopulisten im Parlament vertreten Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt Rechtspopulisten stellen Regierungschef (Quelle: wikipedia.org/wiki/Rechtspopulismus)
  • 3. 2 Doch was kann passieren, wenn solche Parteien in Europa regieren? Um dies zu erfahren, habe ich mir eine Zeitzeugin gesucht, die den 2.Weltkrieg und die Zeit des Nationalsozialismus miterlebt hat. Sie heißt Beate Vollmer, ist 93 Jahre alt (geboren 1925) und wohnt in einer südhessischen Klein- stadt. Ich habe sie im Rahmen einer Anti-AfD-Demonstration kennengerlernt. Sie fiel mir durch ihr großes Engagement auf. Mit dem Ziel, an Informationen aus erster Hand zu kommen, habe ich sechs Interviewfragen formuliert, die ich ihr gestellt habe. Das Interview fand am 29.10.2018 statt. Das Gespräch wurde digital aufgezeichnet und wird hier in einer gekürzten Form wiedergegeben. Im Folgenden sind einige Passagen im Text unterstrichen, auf die ich später noch einmal zurück- komme. Interview Lechelt: Frau Vollmer, wie haben Sie die Entwicklung des Rechtsextremismus vor dem Zweiten Weltkrieg miterlebt? Vollmer: Die Leute kamen aus dem Ersten Weltkrieg desillusioniert nach Hause. Hitler hatte, wie die AfD heute, wunderbare Parolen ausgegeben. Er war für Familie, Soziales und Nationalbewusst- sein. Das war für meinen Vater, als er aus dem ersten Weltkrieg nach Hause kam, furchtbar wichtig, denn die Menschen hatten ein großes nationales Bedürfnis. Und außerdem hatte Hitler immer vor- gegeben, christlich zu sein. Und dann kam 1929 diese furchtbare Weltwirtschaftskrise, wo kein Mensch Arbeit fand – mein Vater auch nicht – wir waren furchtbar arm. Da begeisterte sich mein Vater für den Nationalsozialismus, trat sofort in die Partei ein und setze sich für deren Ideen ein. Dann kam ein großer Aufruf, dass Hitler in München reden würde. Mein Vater war begierig, ihn nun persönlich kennenzulernen und herauszufinden, wie er all diese Ideen umsetzen würde. Dann ist er nach München gefahren und als gebrochener Mann zurückgekommen, wie meine Mutter spä- ter erzählte, weil er erkannt hatte, dass von dem, was Hitler propagiert hatte, nichts stimmte, son- dern dass er ein reiner Hetzer und Demagoge war. Als er zurückgekommen war, trat er sofort aus der Partei aus. Von da an war er ein rotes Tuch für die Nationalsozialisten und war ab 1933, als sie an die Macht gekommen waren, oft in Gefängnissen. Mein Vater hatte eine große Anziehungskraft auf die jungen Leute, die auch dagegen waren. Die beiden älteren Brüder meines Mannes sind auf die Straße gegangen und haben gegen die Auflösung der Bündischen Jugend protestiert. Dafür ka- men sie ins Gefängnis und wurden erst nach Monaten freigelassen. Ihre eigenen Eltern – der Vater war Arzt – haben, wie die gutbürgerliche Gesellschaft, gesagt: „Lass die nur machen, das wird nicht
  • 4. 3 so schlimm. Wir wollen doch mal sehen, was der so zuwege bringt, der bringt die Leute in Arbeit und Brot.“ – Und sie haben ihren eigenen Söhnen nicht beigestanden. So habe ich das gleich als ei- ne ganz große Bedrohung empfunden. Mein Vater wurde immer wieder ohne ersichtlichen Grund festgenommen. 1938 hat mein Vater einen Artikel in einer österreichischen Zeitung über das Ende Deutschlands verfasst und kam dafür ein Jahr lang in das Prinz-Albrecht-Gefängnis. Dort wurde er schrecklich behandelt: zuerst wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und dann zu einer lebenslänglichen Strafe im Zuchthaus. Nach den Bombenangriffen auf Hamburg 1943 hat er sich freiwillig zum Bombenentschärfen gemeldet und ist dann untergetaucht. Danach haben wir ihn zwei Jahre lang in unserem Haus versteckt. Davon hat heute niemand eine Vorstellung. Deshalb bin ich sehr dafür, dass sich die Jugend im Klaren darüber ist, dass man solchen Kräften keinen Raum lassen darf. Man muss energisch dagegen angehen, damit die Rechtspopulisten nicht die Rechte außer Kraft setzen können und die Menschen drangsalieren. Es ist so erstaunlich – wenn man mit den Menschen spricht – dass dieses Bewusstsein, was das für eine Gefahr ist, bei den Leu- ten gar nicht ausgeprägt ist. Lechelt: Ist heute dieselbe Entwicklung sichtbar? Vollmer: Toleranz ist unteilbar. Mein Vater sagte immer, es komme nicht darauf an, was einer darstellt, sondern was er für ein Mensch sei. Diese Toleranz fehlt den Populisten. Und das spüren nur wenige. Viele Leute sagen, es sei nicht so schlimm – doch, es ist schlimm, wenn du anfängst ei- nen anderen Menschen nicht als Menschen zu betrachten! Lechelt: Sehen sie im Auftreten der heutigen Rechtsparteien eine Gefahr? Vollmer: Ja, da sehe ich eine große Gefahr! Wie damals bei den Nazis, entwickelt sich auch heute bei manchen AfD-Politikern eine Gossensprache, die man sich nicht vorstellen kann. Lechelt: Ist es wichtig, die Geschichte des dritten Reichs in den Schulen zu behandeln? Vollmer: Ja, das halte ich für sehr wichtig! Ich halte es auch für sehr wichtig, dass die Lehrer sich ein Bild machen. Auch die Besuche der KZs halte ich für wichtig, weil das einen ganz anderen Ein- druck vermittelt, wenn man einmal vor diesen Verbrennungsöfen gestanden hat oder auch gesehen hat, auf welch kleinem Raum die Menschen gelebt haben. Man sollte sich selbst auch ein Bild von der Situation machen. Lechelt: Wie kann man an den Schulen Europas die Jugend auf das Thema Rechtsruck aufmerksam machen, damit wir gemeinsam etwas dagegen tun können? Vollmer: Es kann gar nicht ernst genug genommen werden, dass die Schulen und die Schüler und die jungen Leute für eine europäische Einigung eintreten. Das müsste im Unterricht einen ganz an- deren Stellenwert haben. […] Es ist unerlässlich, dass die jungen Menschen sehen, was möglich ist,
  • 5. 4 wenn eine solche Diktatur das Sagen bekommt und was sich breit macht, wenn man dem nicht bei- zeiten wehrt. […] Ich halte die Beschäftigung damit für unerlässlich, damit ihnen das zu einer Wirklichkeit wird. Wenn die Europäische Einigung nicht wäre, wie viel furchtbares Leid, wie viel Kampf und Zerstö- rung gäbe es in den Regionen um den Rhein herum. Ich glaube, es ist den wenigsten heute bewusst, wie entscheidend diese europäische Versöhnung mit den Völkern ist. Wie leicht wäre es dann, wenn die Rechten an die Macht kämen, nur immer von „wir“ zu reden und sich abzukapseln gegenüber Fremden. Wenn das erst wieder anfängt, dann wird im Nu wieder geschossen. Lechelt: Was finden sie an Europa am wichtigsten? Vollmer: Am wichtigsten finde ich die Leistung, die diese Völker und ihre Politiker vollbracht ha- ben, dass Völker, die Jahrhunderte lang erbitterte Feinde waren, zu einer Versöhnung gekommen sind […] und dass sich junge Menschen, wenn sie sich begegnen, als Freunde gegenüberstehen. Die Verschwisterungen zwischen verschiedenen Ländern ist eine unendliche Leistung, auch von all den Ehrenamtlichen, die sich immer noch engagieren. Es ist ihre Entscheidung, den Menschen mit dem absoluten Respekt der Gleichberechtigung gegenüberzutreten. Lechelt: Frau Vollmer, vielen Dank für das Gespräch.
  • 6. 5 Wie kann ich anderen Menschen Europa nahebringen? Bei den Fragen war es mir vor allem wichtig, dass sie aktuelle Probleme widerspiegeln. Ich glaube, dass diese Informationen wichtig sind für die heutige Gesellschaft, da sie helfen können, sich ein Bild der damaligen Zeit zu machen. Meiner Meinung nach ist es ebenfalls wichtig, dass sich Ju- gendliche einen Eindruck der Situation von heute und damals machen. So könnten wir gemeinsam etwas gegen den Rechtsruck tun. Ein erster Schritt wäre es, anderen Leuten die Europäische Union und ihre Institutionen nahezubringen. Dies können wir einerseits tun, indem wir uns mit der Ge- schichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen und uns die Vorteile für eine europäi- sche Zusammenarbeit bewusst machen. Andererseits könnte man dies tun, indem man, wie im Interview angedeutet, den Kindern und Ju- gendlichen an Schulen die Geschichte des Dritten Reichs erklärt. Das beinhaltet auch, dass man lernt, mit welchen Methoden die Nationalsozialisten ein ganzes Volk manipuliert haben. So können Jugendliche rechte Politiker besser durchschauen und schon früh entscheiden, auf wessen Seite sie stehen. Dazu ist es wichtig, wahre von falschen Informationen unterscheiden zu lernen. Eine andere Idee wäre es beispielsweise, Verbotsverfahren gegen rechtsextreme Parteien zu verein- fachen, auch wenn es schwierig ist, Parteien etwas Schlechtes nachzuweisen. Hierzu wäre es erfor- derlich, die Überwachung von solchen Parteien zu erleichtern. Um einem Rechtsruck entgegenzuwirken, ist es außerdem erforderlich, die Vorteile eines europäi- schen Miteinanders zu kennen (Unterrichtsstoff Erdkunde 7. Klasse): Die vier Freiheiten der Europäischen Union - Freier Kapitalverkehr - Freier Personenverkehr - Freier Dienstleistungsverkehr - Freier Warenverkehr Wer sich dieser Freiheiten bewusst ist, der ist weniger anfällig für den Rechtspopulismus.
  • 7. 6 Thesen gegen den Rechtsruck Folgende Thesen ergeben sich aus dem Interview und aus meiner Beschäftigung mit dem Thema. Sie können hoffentlich helfen, sich ein eigenes Bild zu machen, um weniger anfällig für Rechtspo- pulisten zu sein. Wir können dem Rechtsruck entgegenwirken, indem wir… 1. … Zeitzeugen zuhören und sie ernst nehmen, solange es noch welche gibt; 2. … Schülerinnen und Schülern beibringen, wie sie rechtspopulistische Äußerungen in den Medien erkennen können; 3. … die Geschichte des Dritten Reichs verstärkt in den Schulen behandeln; 4. … mit Jugendlichen über das Thema Rechtspopulismus sprechen; 5. … das Bewusstsein der Menschen dafür schärfen, dass Populisten wichtige Rechte außer Kraft setzen wollen; 6. … den Menschen bewusst machen, dass Toleranz unteilbar ist und dass sie jedem Menschen mit Respekt begegnen und jeden gleich behandeln; 7. … uns mit Methoden der Manipulation auseinandersetzen, um sie zu erkennen; 8. ... selbst darauf achten, dass man nicht die gleiche herabwürdigende Sprache benutzt, wie die Rechtspopulisten; 9. … den Menschen in Europa die Bedeutung der Versöhnung der Staaten verdeutlichen; hier- bei spielen die Verschwisterungen eine wichtige Rolle; 10. … für die Europäische Einigung eintreten, damit Diktaturen keine Chance haben; 11. … uns über das Europäische Parlament und andere Einrichtungen der Europäischen Union informieren; 12. … uns in verschiedenen Medien informieren, um Fake-News von wahren Informationen zu unterscheiden; 13. … uns die vier Freiheiten der Europäischen Union bewusst machen; 14. … Verbotsverfahren gegen rechtsextreme Parteien in den einzelnen Ländern vereinfachen.
  • 8. 7 Schlussbemerkung Vor einigen Wochen hatte jemand auf meinen Tisch im Klassenraum die blitzförmigen SS-Runen geschmiert. Das hat mich erschreckt, weil mir auf diese Weise bewusst wurde, dass die Unwissen- heit über die schlimmen Folgen dieser Zeit immer noch sehr groß ist. Wie Frau Vollmer schon im Interview verdeutlichte, ist es wichtig, sich dies bewusst zu machen, damit rechtpopulistische und rechtsextreme Parteien in Zukunft nicht wieder ähnliche schlimme Dinge anrichten können, wie in der Zeit des Nationalsozialismus. Auch wenn das Verständnis zwischen den Ländern Europas nicht immer leicht ist, sollten wir trotz- dem daran arbeiten, diese Gemeinschaft aufrecht zu erhalten und sie nicht wieder zu zerstören. Denn nur so können wir friedlich in Europa zusammenleben. * * * Wörter insgesamt: 1.991 Zeichen mit Leerzeichen: 13.358