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Wuhan, Webasto, Bergamo,
13. März.
2020.
Die Welt, wie wir sie kennen, zersplittert vor unseren Augen.
Mit Entsetzen sehen wir das Gesundheitssystem Italiens unter dem Druck zusammenbrechen.
Unser Denken beherrschen die Toten.
Lockdown. Und morgen?
Surreal.
Was wird übrig sein? Was bleibt?
Von allem, was da war…
So unverletzlich haben wir uns geglaubt. So mächtig! Medizin, Technik, Forschung. Wissen.
Weisheit?
Jetzt stehen wir vor den Scherben. Grausam leicht entschwebt die Situation uns Menschen.
Und für den Moment trifft es uns tief, wie wenig wir unser Schicksal doch tatsächlich in den eigenen Händen halten.
Tage, Wochen, Monate gehen hin,
in dieser Zeit, die festzustecken scheint und uns trotzdem in den Fingern zerrinnt.
Wir wollten die Erde anhalten und doch dreht sie sich weiter.
Viel ist geschehen, viel passiert, und wir
suchen Zusammenhalt
in der Krise, trotz der Krise, gerade wegen der Krise
kreativ
geht Gemeinschaft
auf Abstand
europaweit.
Licht im Dunkeln
flash mob sonoro – tutti a casa, tutti insieme
In den finstersten Stunden Europas steigt Hoffnung aus den verwaisten Straßenzügen Italiens.
Apriamo le finestre, usciamo in balcone e suoniamo insieme, anche se lontani:
Der Aufruf geht viral. Balkonkonzerte verbreiten sich in ganz Europa.
Unsere Hoffnung leuchtet
auf.
Unsere Hoffnung leuchtet
hell.
Gänsehautmomente: Millionen Menschen singen gemeinsam, setzen Lebensfreude gegen die Einsamkeit.
Tröstende, sehnsuchtsvolle, bittersüße Klänge.
Unsere Europahymne.
Auch in meinem kleinen Dorf
öffnen zur Dämmerung die verschiedensten Nachbarn Fenster, Türen und ihr Herz.
Jeder zuhause, und doch, alle zusammen
feiern wir Ostern, Weihnachten, Geburtstage, das neue Jahr.
Gemeinsam trauern wir.
Schmerzhaft getrennt - vereint in Musik.
Weit voneinander entfernt - näher als je zuvor.
Eine neue Tradition, an der wir festhalten,
als die Bilder von den klingenden Straßen Europas lange aus den Nachrichten verschwunden sind.
Auch heute Abend, fast ein Jahr vergangen, schweben wieder Töne durch die Dunkelheit.
Highlight der Woche, Zeichen der Menschlichkeit.
In dieser langen schweren Zeit
ist unser Ort enger zusammengewachsen denn je.
Ich porträtiere hier drei der besonderen Menschen, die uns jede Woche aufs Neue einander ein Stück näherbringen.
Danke!
Wir sind so viel mehr als das, was uns genommen wurde.
Unerschütterlich
leuchtet das Licht unserer Gemeinschaft
durch die Nacht der Welt.
Und doch
könnte ich manchmal
einfach nur noch
schreien.
Wie lange noch? Kein Ende in Sicht. Wohin mit uns?
Immer noch nicht frei.
Es geht nicht mehr.
Meine Verzweiflung blutet aufs Papier, Striche, auf kleinen Platz begrenzt.
Niemals genug, um all das loszulassen.
Die Gartenmauer. Street Art. Graffiti. Raum
für Gedanken und Gefühle,
Spiegel unserer Zeit:
Wir leiden.
Bilder füllen die leeren Straßen, überall:
Unsicherheit und Einsamkeit
Frust, Existenzangst, Ausweglosigkeit,
- Humor!
Aufforderungen, Abstand zu halten, Maske zu tragen, nicht aufzugeben,
Dank an Ärzte und Pflegekräfte.
Neuer Mut und ein Lächeln auf den Lippen, für alle, die vorübergehen.
Eine Überraschung ums nächste Eck.
Galerien und Museen geschlossen, lebt die Spraykunst auf, erreicht alle Menschen, und zeigt,
wofür wir weitermachen.
Weiter, mit Hoffnung, weiter, ins Ungewisse, weiter, für alles, was uns bleibt,
weiter,
für das was da noch kommt.
Graffiti-Künstler in ganz Europa durchbrechen Corona-Koller, Pandemie-Blues –
wir haben so viele Namen für das Gefühl, einfach nur noch schreien zu wollen.
Aber wir haben auch die Kreativität,
die unsere Welt heilt,
wieder mal ein bisschen,
gemeinsam.
Fragmente von
Zusammenhalt
in einer Zeit auf Abstand.
Sie sind so zahlreich, wie wir Menschen sind.
zusammen
Halt
wenn alles sinnlos scheint,
wir uns in unseren persönlichen Hochs und Tiefs verlieren,
treiben, orientierungslos,
die Tage dumpf
und doch so schnell vorbei.
Wir wissen,
wir haben uns
real – online – analog – digital.
Das Internet trägt Wünsche, Grüße, Ideen weit hinaus über die Grenzen unserer jetzt begrenzten Welt.
Ich weiß
jenseits des Horizonts vor meinem Zimmerfenster
singen und zeichnen und schreiben und hoffen die Menschen ganz genau wie ich.
Graffiti, Balkonkonzerte
und
so, so, so
viel mehr.
In dieser Situation, in der wir noch nie waren,
bleiben wir stark,
werden wir innovativ,
über soziale Medien
kreativ.
Musik, Kunst und Verbundenheit: Wir spüren, wir sind Europa.
Wir sind nicht allein.
Vernetzt sind wir trotz Distanz vereint.
Wie nie zuvor.
Mehr als je zuvor.
Bild 1: Buntstift auf weißem Zeichenpapier, Din A3;
Hannah Sauchella
Bild 2: 3 Puzzleteile: Buntstift, Kreide und Fineliner auf schwarzem Tonpapier, jeweils Din B5;
Hannah Sauchella
Bild 3: Wandbild: Grillkohle auf Betonmauer, ca. 3x4 m;
Hannah Sauchella

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  • 3.
  • 4. Licht im Dunkeln flash mob sonoro – tutti a casa, tutti insieme In den finstersten Stunden Europas steigt Hoffnung aus den verwaisten Straßenzügen Italiens. Apriamo le finestre, usciamo in balcone e suoniamo insieme, anche se lontani: Der Aufruf geht viral. Balkonkonzerte verbreiten sich in ganz Europa. Unsere Hoffnung leuchtet auf. Unsere Hoffnung leuchtet hell. Gänsehautmomente: Millionen Menschen singen gemeinsam, setzen Lebensfreude gegen die Einsamkeit. Tröstende, sehnsuchtsvolle, bittersüße Klänge. Unsere Europahymne. Auch in meinem kleinen Dorf öffnen zur Dämmerung die verschiedensten Nachbarn Fenster, Türen und ihr Herz. Jeder zuhause, und doch, alle zusammen feiern wir Ostern, Weihnachten, Geburtstage, das neue Jahr. Gemeinsam trauern wir. Schmerzhaft getrennt - vereint in Musik. Weit voneinander entfernt - näher als je zuvor. Eine neue Tradition, an der wir festhalten, als die Bilder von den klingenden Straßen Europas lange aus den Nachrichten verschwunden sind. Auch heute Abend, fast ein Jahr vergangen, schweben wieder Töne durch die Dunkelheit. Highlight der Woche, Zeichen der Menschlichkeit. In dieser langen schweren Zeit ist unser Ort enger zusammengewachsen denn je. Ich porträtiere hier drei der besonderen Menschen, die uns jede Woche aufs Neue einander ein Stück näherbringen. Danke! Wir sind so viel mehr als das, was uns genommen wurde. Unerschütterlich leuchtet das Licht unserer Gemeinschaft durch die Nacht der Welt.
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  • 6. Und doch könnte ich manchmal einfach nur noch schreien. Wie lange noch? Kein Ende in Sicht. Wohin mit uns? Immer noch nicht frei. Es geht nicht mehr. Meine Verzweiflung blutet aufs Papier, Striche, auf kleinen Platz begrenzt. Niemals genug, um all das loszulassen. Die Gartenmauer. Street Art. Graffiti. Raum für Gedanken und Gefühle, Spiegel unserer Zeit: Wir leiden. Bilder füllen die leeren Straßen, überall: Unsicherheit und Einsamkeit Frust, Existenzangst, Ausweglosigkeit, - Humor! Aufforderungen, Abstand zu halten, Maske zu tragen, nicht aufzugeben, Dank an Ärzte und Pflegekräfte. Neuer Mut und ein Lächeln auf den Lippen, für alle, die vorübergehen. Eine Überraschung ums nächste Eck. Galerien und Museen geschlossen, lebt die Spraykunst auf, erreicht alle Menschen, und zeigt, wofür wir weitermachen. Weiter, mit Hoffnung, weiter, ins Ungewisse, weiter, für alles, was uns bleibt, weiter, für das was da noch kommt. Graffiti-Künstler in ganz Europa durchbrechen Corona-Koller, Pandemie-Blues – wir haben so viele Namen für das Gefühl, einfach nur noch schreien zu wollen. Aber wir haben auch die Kreativität, die unsere Welt heilt, wieder mal ein bisschen, gemeinsam.
  • 7.
  • 8. Fragmente von Zusammenhalt in einer Zeit auf Abstand. Sie sind so zahlreich, wie wir Menschen sind. zusammen Halt wenn alles sinnlos scheint, wir uns in unseren persönlichen Hochs und Tiefs verlieren, treiben, orientierungslos, die Tage dumpf und doch so schnell vorbei. Wir wissen, wir haben uns real – online – analog – digital. Das Internet trägt Wünsche, Grüße, Ideen weit hinaus über die Grenzen unserer jetzt begrenzten Welt. Ich weiß jenseits des Horizonts vor meinem Zimmerfenster singen und zeichnen und schreiben und hoffen die Menschen ganz genau wie ich. Graffiti, Balkonkonzerte und so, so, so viel mehr. In dieser Situation, in der wir noch nie waren, bleiben wir stark, werden wir innovativ, über soziale Medien kreativ. Musik, Kunst und Verbundenheit: Wir spüren, wir sind Europa. Wir sind nicht allein. Vernetzt sind wir trotz Distanz vereint. Wie nie zuvor. Mehr als je zuvor.
  • 9. Bild 1: Buntstift auf weißem Zeichenpapier, Din A3; Hannah Sauchella Bild 2: 3 Puzzleteile: Buntstift, Kreide und Fineliner auf schwarzem Tonpapier, jeweils Din B5; Hannah Sauchella Bild 3: Wandbild: Grillkohle auf Betonmauer, ca. 3x4 m; Hannah Sauchella