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Winderklau
Von: Hermann Winderklau (H.Winderklau@gmx.de)
Gesendet: Donnerstag, 20. Januar 2018 10:45
An: `erika.eurostedt@europa.eu´
Betreff: Vielfalt in der EU? - Bürgerschreiben
Sehr geehrte Frau Dr. Eurostedt,
ich schreibe Ihnen, weil die Weiterentwicklung Europas immer mehr zum zentralen Thema in der Frage
nach Europa wird. Soweit ich das mitbekommen habe, haben gerade in den letzten Wochen ranghafte
Politiker Vorschläge gemacht, inwieweit Europa noch mehr Autorität bekommen soll. So habe ich die
Rede von Macron gelesen, die Vorschläge von Jean Claude Juncker gesehen und in den Nachrichten
immer wieder Schulz´ Vorschlag von einem sog. "geeinten Europa" als quasi Gesamtstaat gehört. Europa
soll also noch mehr Kompetenzen zugesprochen bekommen und noch wichtiger werden. Und das immer
getreu dem europäischen Motto: Stark durch "Einheit in Vielfalt". Doch wie bitte soll so etwas möglich
sein? Schon jetzt habe ich das Gefühl, dass die EU es in ihrer bestehenden Vielfalt nicht schafft, jeden
Mitgliedstaaten zu stärken!
Dass dies nicht nur ich so empfinde, hat gerade England mit seinem Brexit deutlich gemacht. Denn der
Brexit ist u. a. eine Reaktion auf die insbesondere wirtschaftlich bzw. sozial nicht zu vereinbarende
Vielfalt in Europa. Denn Tatsache ist: nicht alle Mitgliedstaaten sind finanziell und wirtschaftlich gleich
stark. Vielmehr gibt es in der EU Geber- und Nehmerländer. Es gibt finanziell starke Länder wie z.B.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die viel Geld für die EU zur Unterstützung anderer
Mitgliedstaaten aufwenden. Die Nehmerländer dagegen - z.B. die östlichen Mitgliedstaaten oder das
finanziell schwache Griechenland - haben immense Schulden und erhalten zur Schuldenbewältigung bzw.
zur Abwehr ihrer Insolvenz große Summen seitens der "reichen" Mitgliedstaaten. Die Hilfe für
Griechenland soll sich mittlerweile auf eine Gesamtsumme von ca. 256 Milliarden Euro belaufen! Geld,
dass den sog. Geberländer für ihre eigenen soziale Projekte fehlt und allem Anschein nach auch nicht
mehr zurückgezahlt werden soll. Die Bevölkerung reichere Länder der EU hat insofern meiner Meinung
nach berechtigte Angst, dass ihr Wohlstand durch ärmer Mitgliedsländer gefährdet wird. Zumal immer
mehr Menschen im Zuge der Freizügigkeit aus wirtschaftsschwachen in -starke Mitgliedstaaten - auf der
Suche nach besseren wirtschaftlichen Lebensbedingungen - kommen. Denn dort können sie auf Kosten
des Landes Sozialleistungen in Anspruch nehmen und konkurrieren mit den Einheimischen um
Arbeitsplätze. Da verstehe ich die Schweiz gut, dass diese der EU nicht beigetreten ist - hat dieses Land
doch im Vergleich mit anderen Ländern eine der niedrigsten Arbeitslosenquote!
Zurück zum Brexit: Die Vielfalt gerade in der Wirtschaftsstärke bzw. -schwäche ist ja auch bekanntlich
einer der Hauptgründe, warum die Briten nicht mehr in der EU bleiben wollen. Es ist deshalb nur
verständlich, dass die Briten gesagt haben:"Uns reicht´s! Wir wollen nicht länger nur geben, sondern
auch "bekommen"". Sie haben sich insofern innerhalb der wirtschaftlichen Vielfalt in Europa als
Verlierer gesehen.
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Die Vielfalt Europas mit ihren unterschiedlich wirtschaftlich starken Mitgliedsländer hat also dazu
geführt, dass Europa eines seiner wichtigsten Mitglieder verloren hat. Es hat Europa schwach gemacht
und nicht stark, wie immer gehofft!
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Winderklau
Eurostedt
Von: Erika Eurostedt (erika.eurostedt@europa.eu )
Gesendet: Donnerstag, 20. Januar 2018 15:30
An: `H.Winderklau@gmx.de ´
Betreff: AW: Vielfalt in der EU? - Bürgerschreiben
Sehr geehrter Herr Winderklau,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Es hat mich zum Nachdenken angeregt und ich möchte nun im Folgenden
auf einige Ihrer Punkte eingehen.
Auch ich habe mit großer Besorgnis die Entscheidung Großbritanniens im letzten Jahr wahrgenommen,
die EU zu verlassen und damit der Möglichkeit eines freien Binnenmarktes den Rücken zu kehren. Jedoch
zeigen gerade die jüngsten Entwicklungen in den Brexit-Verhandlungen, dass in England selbst die
Positionen gegen die EU langsam verblassen. Gerade zuletzt wurde Theresa Mays harte Linie in den
Austrittsverhandlungen ernüchtert, als ihre konservative Partei im Unterhaus mit der Opposition für ein
Vetorecht über den Austrittsvertrag stimmte und auch durchsetzte. Auch innerhalb der Bevölkerung
zeigt sich dieser Sinneswandel: Laut einer Untersuchung des Instituts BMG Research waren 51 Prozent
der befragten Briten gegen den Ausstieg aus der EU, wohingegen nur noch 41 Prozent den Brexit
befürworteten. Woher aber kommt dieser Sinneswandel der Briten?
In der Tat bürgt die Mitgliedschaft in der EU einige Pflichten. Doch der freie Binnenmarkt ermöglicht eine
ökonomische Vielfalt, deren Vorteile nicht von der Hand zu weisen sind. So bietet er mehr Wettbewerb
zwischen den Mitgliedsstaaten und damit eine größere Produktvielfalt zu günstigeren Preisen. Von
dieser Vielfalt in der Wirtschaft profitieren nicht nur wir Verbraucher, sondern auch die Unternehmen.
Das Zusammentreffen verschiedener Erfahrungen, Sichtweisen und Arbeitsstilen fördert der IQ
Fachstelle „Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung“ zufolge oft Innovation und
Kreativität in der Problemlösung und Entscheidungsfindung der Unternehmen. Des Weiteren besagt
eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung, dass auch angesichts des Fachkräftemangels Vielfalt
als „erfolgsentscheidender“ Faktor für die Einstellung von Fach- und Nachwuchskräften gesehen werden
muss.
Auch bezüglich Ihrer Sorge über die Asymmetrie der Geber- und Nehmerverhältnisse innerhalb der EU
kann ich Sie beruhigen.
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So stehen wir Mitgliedsstaaten durchaus in der Pflicht, innerhalb der vielfältigen Wirtschaftsstärken
andere Mitglieder solidarisch zu unterstützen, jedoch bedeutet diese Unterstützung nicht zwangsläufig
einen Nachteil für die „Geberländer“. Ganz im Gegenteil verhilft uns Europäern eine internationale
Arbeitsteilung zu mehr Wohlstand und einer besseren Lebensqualität, da einzelne Länder und Regionen
an Stellen aushelfen können, an denen es wiederum anderen Regionen Europas mangelt. Ein Beispiel für
diese europäische Zusammenarbeit stellt der „Airbus“ dar. Während in Frankreich Cockpit und das
mittlere Rumpfstück konstruiert werden, ist Deutschland für z.B. das hintere Rumpfteil zuständig,
wohingegen sich Spanien auf das Heck spezialisiert hat. Es zeigt sich also, dass wir in Europa
wirtschaftlich von unserer Vielfalt profitieren, indem wir einen Ausgleich durch Arbeitsteilung schaffen.
Diese Diversität wiederum wird innerhalb des europäischen Binnenmarktes durch den sogenannten
„Ausschuss der Regionen“ bewahrt, der beispielsweise regionale Herkunftsbezeichnungen schützt.
Diese hier aufgeführten Punkte lassen erkennen, dass in Zukunft Krisen vor allem mit Hilfe von Diversität
bewältigt werden können, da man auf unterschiedliche Stärken und Erfahrungen zurückgreifen kann und
gerade in Zeiten der Instabilität Vielfalt eine konstante Stütze darstellt.
Ich hoffe, dass meine Antwort Ihnen weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Erika Eurostedt
Winderklau
Von: Hermann Winderklau (H.Winderklau@gmx.de)
Gesendet: Freitag, 21. Januar 2018 11:01
An: `erika.eurostedt@europa.eu´
Betreff: Re: AW: Vielfalt in der EU? - Bürgerschreiben
Sehr geehrte Frau Dr. Eurostedt,
ich muss zugeben, dass Ihre Punkte verständlich sind. Wirtschaftlich kann die europäische Vielfalt also
doch Stärke bringen und bedeuten. Es kann ein Geben und Nehmen geben, dass in einer Gesamtsicht zu
einem vertretbaren Ausgleich innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten beiträgt.
Aber ich sehe die Schwäche der Vielfalt nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern viel mehr auch in
politischen-gesellschaftlichen Aspekten! So bedeutet die Vielfalt in diesen Bereichen, dass viele
unterschiedliche Ideologien der einzelnen Mitgliedstaaten aufeinander treffen. Die unterschiedlichen
Vorstellungen müssen aber in die europäische Idee integriert werden.
Aber ich glaube, dass Europa an dieser Aufgabe der Integration - so scheint es momentan - gescheitert
ist. Sieht man sich allein die Osterweiterung vor einigen Jahren an: Mit ihr kamen zu der bisherigen EU
neue Mitgliedsländer, die z. B. in ihrem politischen, nicht immer demokratischen Verständnis nur schwer
integrierbar sind. So hat es z. B. die Entwicklung in Ungarn und Polen gezeigt. Deren Politik macht es
macht es schwierig eine "Einheit in Vielfalt" zu schaffen.
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Zu verschieden sind die politischen Standpunkte. Dadurch wurde und wird die für die europäische Arbeit
so wichtige europäische Identität gefährdet und geschwächt.
Vor diesem Hintergrund kenne ich viele, die sagen, dass sie sich nicht mit den osteuropäischen Staaten
wie Ungarn oder Polen identifizieren könnten. In erster Linie identifiziert man sich deshalb weiter mit
seinem Nationalstaat. In Frankreich und Deutschland sehen sich - so die Statistik - beispielsweise 70 bis
80 Prozent eher oder nur als Bürger des eigenen Landes und nicht als Europäer. Dadurch wird allerdings
die für die europäische Arbeit so wichtige europäische Identität gefährdet und geschwächt. Aber ohne
europäische Identität gibt es kein effektives Arbeiten in der EU, weil die Unterstützung der Bevölkerung
fehlt!
Mit freundlichen Grüßen,
Hermann Winderklau
Eurostedt
Von: Erika Eurostedt (erika.eurostedt@europa.eu )
Gesendet: Freitag, 21. Januar 2018 14:12
An: `H.Winderklau@gmx.de ´
Betreff: AW: Re: AW: Vielfalt in der EU? - Bürgerschreiben
Sehr geehrter Herr Winderklau,
zunächst einmal freut es mich, dass ich Ihnen in meinem letzten Schreiben die Idee und zugleich das
Europamotto „in Vielfalt geeint“ in ökonomischer Sicht etwas näher bringen konnte. Anhand dieses
Mottos möchte ich nun Gleiches für die gesellschaftlich-politischen Aspekte versuchen.
Durchaus stimme ich Ihnen zu, dass die rechtspopulistischen Tendenzen in Ungarn und Polen die
gemeinsame Einheit in Europa durch Vielfalt gefährden. Dennoch bin ich der Ansicht, dass gerade die
Osterweiterung als eine maßgebliche Bereicherung für ein buntes Europa betrachtet werden kann. Sie
stellt geradezu als einmalige Chance dar, Europa, ein Kontinent, der auf eine lange Geschichte der Kriege
und Teilungen zurückblicken muss, dauerhaft zu einen. So wurde gerade den Staaten im Osten Europas,
nur zehn Jahre nach dem Fall des eisernen Vorhangs die Möglichkeit gegeben, sich am Europäischen
Projekt zu beteiligen. Damit hat die Osterweiterung dazu verholfen, politische Stabilität, Demokratie,
Menschenrechte und Minderheitenschutz auch in den früheren Staaten des Ostblocks zu etablieren.
Gerade in gesellschaftlicher Sicht begünstigt Diversität einen Abbau von Diskriminierung und Barrieren,
da man in den Austausch mit anderen Kulturen kommt und so Vorurteile abbauen kann.
Dies führt mich auch zu dem Punkt der kulturellen Vorteile von Diversität. Ob man nun Goethe
betrachtet, der 1786 nach Italien reiste und dort zu diversen Gedichten inspiriert wurde, den
Existenzialismus, der von Frankreich aus ganz Europa erobert hat oder den Eurovision Song Contest, bei
dem jedes Jahr wieder Europas vielfältige Musik zelebriert wird - Europas Kulturen benötigen den
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Austausch. So denke ich weiterführend, dass man mit genau diesem kulturellen Austausch den
antidemokratischen Strömungen in Ungarn und Polen begegnen muss.
Anstatt sich auf seinen nationalstaatlichen Ebenen zu verstecken, gilt es gerade für junge Menschen,
Aktionen gegen die dortigen Regierungen, wie z.B. Proteste von Studenten, denen der Wert von
europäischer Vielfalt bewusst ist, zu unterstützen. Wir Europäer haben nun einmal die Freiheiten der
Meinungsäußerung und Bewegungsfreiheit. Jetzt gilt es diese zu nutzen und zu verteidigen. Des
Weiteren impliziert „in Vielfalt geeint“ meiner Meinung nach nicht, dass alle Europäer ihre nationalen
Identitäten aufgeben und durch eine europäische ersetzen, sondern dass man sich die Frage nach der
Identität vielmehr wie eine Zwiebel in Schichten vorstellen muss. Europa bedeutet nicht
Homogenisierung, es bedeutet Diversität.
Mit freundlichen Grüßen
Erika Eurostedt
Winderklau
Von: Hermann Winderklau (H.Winderklau@gmx.de)
Gesendet: Samstag, 22. Januar 2018 16:32
An: `erika.eurostedt@europa.eu´
Betreff: Re: AW: Re: AW: Vielfalt in der EU? - Bürgerschreiben
Sehr geehrte Frau Dr. Eurostedt,
vielen Dank für Ihre Antwort. Ich gebe zu, sie hat mich nachdenklich gestimmt und dazu angeregt meine
bisherigen Vorwürfe zu überdenken.
Allerdings ist mir dabei abschließend noch ein Punkt eingefallen, der aus meiner Sicht noch einmal die
Schwierigkeiten der EU hinsichtlich seiner Vielfalt deutlich macht.
Ich sehe eine Problematik in der Frage nach einheitlichen Meinungsbildungsprozessen und in der nach
der Handlungsfähigkeit innerhalb der EU. Denn schließlich besteht diese aus 28 Mitgliedstaaten mit
unterschiedlichen Meinungen und Interessen. Wie schon in meinem letzten Brief anhand des Beispiels
von Ungarn und Polen erwähnt, sind die politischen Ansichten und Staatsformen zum Teil doch recht
unterschiedlich. Ungarn als Extrembeispiel entwickelt momentan beinahe antidemokratische
Strömungen. Andere Länder versuchen mit Hilfe von direktdemokratischen Mittel ihre Bürger in den
Entscheidungsprozess ihres Landes unmittelbar einzubeziehen. Aber es gibt auch kleinere Unterschiede
dahingehend, ob ein Land von Konservativen, Sozialisten, Linksliberalen oder Rechtspopulisten regiert
wird oder welche wirtschaftlichen- oder außenpolitische Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Die
Meinungen gehen bei 28 Mitgliedern verständlicherweise auseinander. Das erschwert das Finden eines
gemeinsamen Konsens bei Abstimmungen innerhalb der EU.
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Ein ganz prominentes Beispiel ist die vieldiskutierte Vorgehensweise hinsichtlich der Flüchtlingskrise.
Während Angela Merkel immer wieder für eine "gemeinsame europäische Lösung "plädiert, verweigern
sich andere - gerade auch osteuropäische - Länder (z.B. Ungarn) - gegen eine einheitliche Verteilung der
Flüchtlinge in Europa.
Solche und andere dringende Themen, die einer schnellen und effektiven Lösung bedürfen, werden so
aufgrund der vielfältigen Meinungen zu einem langwierigen Streit zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten.
Statt "Einheit in Vielfalt" scheint deshalb viel mehr "Einheit im Dissens" in der EU zu herrschen. Vielen
Ländern geht es eben nur um die Verfolgung und Durchsetzung von Nationalinteressen. Deswegen ist
und bleibt Europa in letztlich in vielen Fragen handlungsunfähig.
Mit freundlichen Grüßen,
Hermann Winderklau
Eurostedt
Von: Erika Eurostedt (erika.eurostedt@europa.eu )
Gesendet: Montag, 24. Januar 2018 9:55
An: `H.Winderklau@gmx.de ´
Betreff: AW: Re: AW: Re: AW: Vielfalt in der EU? - Bürgerschreiben
Sehr geehrter Herr Winderklau,
in Ihrem letzten Schreiben prangern sie die Ineffizienz der EU Meinungsbildungs- und
Entscheidungsfindungsprozessen an. Auch ich habe mir zu diesem Thema Gedanken gemacht und würde
diese gerne mit Ihnen teilen.
Tatsächlich erfordert eine Vielzahl von Ansichten und Meinungen eine längere Diskussion. Doch
gleichzeitig trägt es auch zu einer differenzierteren Debatte bei, die durch Multiperspektivität bereichert
werden kann. So liegt es durchaus in der Verantwortung der einzelnen Teilnehmer, sich
dementsprechend gut vorzubereiten und sich aktiv einzubringen. Durch einen solchen Rahmen ist es
auch kleinen Mitgliedsstaaten möglich, in einer offenen Diskussionskultur angehört und respektiert zu
werden. Ich halte diese vielseitigen Debatten gerade für eine Chance für Europa. Gäbe es keine solche
Debattenkultur, würden die „Minderheitsländer“ durch die sogenannten „Mehrheitsländer“ und
Tendenzen, wie in Ungarn oder Polen, fremdbestimmt werden.
Wie bereits in meiner letzten Mail geschildert, muss die Lösung der nationalistischen Strömungen in
Europa wieder in dem Austausch vielfältiger Problemlösungsansätze liegen. Neben den zuvor erwähnten
Jugendlichen hat auch die Politik die Aufgabe, durch differenziertere Maßnahmen gegen Orban und co.
Vorzugehen. Die Mittel zu solchen Vorgehensweisen stehen der EU in jedem Fall zur Verfügung. Gerade
in der von Ihnen angesprochenen Flüchtlingsproblematik war es der EU bereits möglich, Maßnahmen
einzuleiten. So verklagte die Europäische Kommission Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof. Es ist
der EU also dank ihrer Multiperspektivität möglich, differenziert durchzugreifen.
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Im Allgemeinen zeigt sich außerdem mehr und mehr, dass die Flüchtlingsbewegung, die zunächst für die
von Ihnen erläuterte Instabilität Europas gesorgt hatte, nun als Bereicherung für Europa angesehen
werden kann. Beispielsweise bringen Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund oftmals Sprachkenntnisse
mit, die in unserer globalisierten Welt von enormer Wichtigkeit sind, wie z.B. Arabisch, Indisch oder
Chinesisch.
Des Weiteren entwickeln der Studie „Nutzung des Potenzials junger Akademiker mit
Migrationshintergrund für die Bundesrepublik Deutschland“ aus dem Jahr 2006 nach Migranten
aufgrund ihrer multikulturellen Erfahrungen und Anpassungsprozessen häufig die Fähigkeit, mit
Individuen und Gruppen anderer Kulturen erfolgreich und angemessen umzugehen und Sensibilität, die
über die reine Sprachkompetenz hinausgehen.
Dies sind nur zwei Beispiele für die Bereicherungen, die die zugewanderten Mitbürger mitbringen
können. Es gilt lediglich nur noch, dieses Wissen in den Gesellschaften zu etablieren.
So komme ich erneut zu dem Schluss, dass in Europa eben dieses Zusammentreffen verschiedener
Mentalitäten und Ansichten zu einem starken Europa führen, dass auf lange Sicht an Zuwanderung,
wirtschaftlichen Freiheiten und offenen Debatten profitiert und für Krisen dahingehend gut gewappnet
ist.
Mit freundlichen Grüßen
Erika Eurostedt