Koller Photographie Auktion 4. Dezember 2018, 16.00 Uhr
Das antiquarium, diemer
1. Das Antiquarium Herzog Albrechts V. von Bayern Schicksale einer furstlichen
Antikensammlung der Spatrenaissance
Author(s): Dorothea Diemer and Peter Diemer
Source: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 58 Bd., H. 1 (1995), pp. 55-104
Published by: Deutscher Kunstverlag GmbH Munchen Berlin
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/1482747
Accessed: 17/05/2010 05:08
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2. Dorotheaund PeterDiemer
Das Antiquarium Herzog AlbrechtsV. von Bayern
Schicksale der
einerfiirstlichenAntikensammlung Spatrenaissance
Der Begriinder der Miinchner Antikensammlung Antike wissenschaftlicherforscht und gesam-
ist Herzog Albrecht V. von Bayern (reg. 1550-I579), melt wurde, bedurfte es im traditionsarmen
auf dessen kulturpolitischen Ehrgeiz ein guter Teil Miinchen eines den h6fischen Reprasentations-
der Miinchner staatlichen Museumstraditionen formen der Renaissanceaufgeschlossenen Fiir-
zuriickgeht'. Beraten von Johann Jakob Fugger, sten, um eine Antikensammlung aufzubauen-
liefi Albrecht in den I56oerJahrenmit hohem Auf- die dann allerdingsauch nicht regionalenCha-
wand durch Agenten, vor allem den kaiserlichen rakter trug, sondern in Umfang und Niveau
Antiquar Jacopo Strada, eine beachtliche Samm- mit den grofienitalienischenSammlungen rivali-
lung antiker Skulpturen, Kleinbronzen und Miin- sierte3.
zen zusammentragen. Als gro6iter Schatz der Die Miinzsammlung im neuerrichteten
fand her-
Sammlung gait die in Venedig von Strada erwor- zoglichen Kunstkammergebaude Platz4.Fiir die
bene Sammlung Loredan2. iibrigenantikenGattungen, allemSkulpturen,
vor
Im Unterschied zum nahen Augsburg, dessen und die - binnenkurzemzu einerInstitutionvon
r6mische Vergangenheit uniibersehbar vor aller europaischer Bedeutunggediehene- Hofbiblio-
Augen stand und wo seit Konrad Peutinger die thek5 entschlof mansich gemafieinemhumanisti-
Spindler 1977, 335-350;WuB I980; Horst Leuchtmann, 3Zu Augsburg zusammenfassend:Ausst.Kat. Welt im
Die MiinchnerFuirstenhochzeit i56& MassimoTroia-
von Umbruch. Augsburg zwischen Renaissance und Ba-
no: Die Dialoge, italienischund deutsch (Studien zur rock, Augsburg 1980, Bd. i, 76-88 (Hermann Kellen-
Landes-und Sozialgeschichte Musik, Bd. 4), Miin-
der benz). Zum zeitgeschichtlichenHorizont des Kunst-
chen und Salzburg 1980;zur Kulturpolitik:Karl von sammelns vgl. u.a.: von Busch I973; The Origins of
Reinhardst6ttner, Geschichtedes Humanismusund
Zur Museums.The Cabinet of Curiositiesin sixteenth- and
der Gelehrsamkeitin Miinchen unter Albrecht dem seventeenth-centuryEurope, edited by Oliver Impey
Fiinften,Jahrbuch Miinchener
fiir Geschichte 890,45-
4, and ArthurMacGregor,Oxford 1985;W/FL I987;Kry-
174;Stockbauer1874; Hartig I917;Hartig,Kunsttitigkeit sztof Pomian, Der Ursprungdes Museums.Vom Sam-
I933;von Busch 1973;Seelig 1989;Bauer-Wild 1989;Petzet meln, Berlin 1988; Ingo Herklotz, Neue Literaturzur
I989. - Fur grofie Hilfe beim Schreibendieses Beitrags Sammlungsgeschichte, Kunstchronik 47, I994, S. II7-135.
dankenwir RosemarieBiedermann, Miinchen. Zum r6mischenSammlungswesen: PatriciaFalguieres,
2Uber die zitierte Literaturhinaus:Ausst. Kat. Glypto- La cite fictive. Les collections de cardinaux,a Rome, au
thek Miinchen 183-1980, Miinchen 1980; W/FL 1987. Zu XVIe siecle, in: Les Carrache et les decorsprofanes.
einer Episode der Antikenkaufe:Clifford M. Brown, Actes du Colloque organise par I'cole franpaise de
The Dukes of Bavariaand Ferraraand CardinalCarlo Rome (Rome, 2-4 octobre I986), Rom 1988,2I5-333; Chri-
Source7 Nr. 2, 1988,
Borromeo'sAntiquities(I568-I569), stinaRiebesell,Die SammlungdesKardinalAlessandro
13-16; id. The PictureGallery of Gerolamo Garim-
vgl. Farnese.Ein >studio, Kiinstlerund Gelehrte,Wein-
fiir
berto offered to the Duke of Bavaria,Journal of the heim i989.
History of Collections 2, 1990, I99-203; Noes M. Overbee- 4Zum Kunstkammergebaude: Petzet 1989;Seelig I989.
ke, CardinalOtto Truchsessvon Waldburgand his role Fur die Miinzsammlung berechnete der Bildhauer
as artdealerfor AlbrechtV of Bavaria ibid.,173-
(1568-73), Jordan Prechenfelder 1573 ein (verlorenes) M6bel,
I79. Zu Hans Jakob Fugger: Hartig 1917,I93-223;NDB einen Schrank oder Verzierungen dazu (Diemer
Bd. 5, Berlin 1961,720f. Zu Jacopo Strada:Dirk Jacob 1986, I55, Dok. I). Es k6nnte identisch sein mit je-
Jansen,Jacopo Strada(15I5-I588):Antiquariodella Sacra nem, das Fickler I598in der Kunstkammerbeschrieb:
CesareaMaesta,Leids Kunsthistorisch Jaarboek i, 1982 BStB, Cgm 2134,fol. 26or-264v; dazu Seelig 989, I05 und
(Rudolf II and His Court), 57-69; JacopoStrada le
id., et Anm. 68.
commerce d'art, Revue de l'art 77 Nr. 3, I987, 1-21; id., 5Hartig 1917; Ausst. Kat. Thesaurus
Librorum,425Jahre
Jacopo Strada'sAntiquarianInterests:A Survey of his BayerischeStaatsbibliothek, Miinchen1983,Wiesbaden
Musaeum and its Purpose, Xenia 21, 1991, 59-76. 1983;Staatsbibliothek 1992.
55
3. schen Konzept6 zu einem gemeinsamen Neubau. Betritt man heute den Raum, erinnertdarinaufer
Als Baugrund bestimmte der Herzog ein Grund- den in seine Dekoration verbauten antiken Skulp-
stiick auf dem sogenannten Jagerbiihl im Vorfeld turen kaum noch etwas an seinen Griinder. Schon
seiner Neuveste, einer mittelalterlichen Wasser- Herzog Albrechts Sohn Wilhelm V. (reg. I579-
burg am Nordrand der Stadt, das er seinem Eigen- I597) hat das urspriinglich freistehende Gebaude
tiimer, dem Miinchner Franziskanerkloster, mit einer neuen Residenzanlage inkorporieren lassen,
sanfter Gewalt abnahm7. I570/7I wurde der Bau die iiber die mittelalterliche, von Wassergraben
aufgefiihrt, das Aufstellungskonzept fiir die Anti- umzogene Burg der Wittelsbacher hinauswuchs
ken lieferte nach eigener Aussage Strada. Fur die und sich auf stadtischem Grund auszudehnen be-
gebildeten Zeitgenossen, die Zugang zum Hof gann; der Grottenhofbereich der Residenz geht
hatten, geh6rte dieser aus humanistischem Geist auf diese Entscheidung zuriick (Abb. i)9. Im
nach italienischem Vorbild entstandene Muse- Zuge dieser Baumaginahmenhat man das Erdge-
umsbau ebenso wie die Kunstkammer zu den Se- schofi, das eigentliche Antiquarium, zu einem
henswiirdigkeiten Miinchens. Festsaal umgestaltet und im Sinne des Florentiner
Das Konzept von Bibliothek und Antiken unter Manierismus dekoriert. Diese Dekoration und
einem Dach - die gewichtigen Antiken im Erdge- Zutaten von Wilhelms Sohn Maximilian I. (reg.
schofi, die Bibliothek dariiber - wurde von Al- I597-I651) bestimmen den heutigen optischen Ein-
brechts Nachfolgern Wilhelm V. und Maximili- druck. Sie haben allerdings Elemente der ur-
an I. etappenweise aufgegeben, doch ist das Ge- spriinglichen Ausstattung erhalten oder weiter-
baude mit einem Teil der Antiken im urspriingli- verwendet.
chen Raum als Bestandteil der Miinchner Resi- Dafi tatsachlich die bis zum Krieg einigermafien
denz durch die Zeiten gekommen, wenn auch I944 geschlossen gebliebene Raumausstattung noch
teilzerstort und anschliefiend wiederhergestellt. diejenige der Zeit Herzog MaximilianswarI0,bele-
Als das friiheste und das einzige in wesentlichen gen vier Zeichnungen, die der bekannte Augsbur-
Teilen erhaltene Antikenmuseum grofien An- ger Kunsthandler Philipp Hainhofer i6II durch
spruchs des i6. Jahrhunderts n6rdlich der Alpen Mathias Kager fiir Herzog Philipp II. von Pom-
hat das Antiquarium seit langem die Forschung mern anfertigen lassen durfte - die einzigen Bild-
beschaftigt8. zeugnisse des dekorierten Antiquariums vor der
6von Busch 1973, I53-I55. nach hateinenGrofgteil durch Krieg
1945 des den geret-
7Zur Neuveste: Meitinger1970.Zur teten Mauerwerks
Enteignungdes Ja- bewahrt,doch sind diese Arbeitenso
gerbiihls: Hartig 1917,48f.
8Die kunsthistorische gut wie undokumentiertgeblieben,so dafiman es heute
Erforschungder MiinchnerResi- in der Residenzmit einemdenkbarkomplexenGemen-
denz bietet bis heute ein uneinheitlichesBild, das sich in ge von alter,verlaiflichrekonstruierteroder willkiirlich
einer Publikationwie BrunnerI977spiegelt. Christian geanderterMauersubstanz Dekoration zu tun hat.
wie
Hiutles Versuchvon I883, eine Baugeschichte kom-
des - Speziell fiir das Kriegs- und Nachkriegsschicksal des
pliziert gewachsenen an
Bautenkonglomerats Hand Antiquariums wichtig: Zur Eroffnung des Fest- und
von Archivalienzu schreiben,ist, wenn auch iiberholt, Konzertsaalesin der MiinchenerResidenz am 3. Marz
im Ganzen nicht ersetzt:Hiutle 1883.SpatereLiteratur 1953, Festschrift, Miinchen o. J. (I953), I5; Festschrift zur
in Auswahl: Thoma 1937;Brigitte Kniittel, Zur Ge- Wiedereroffnung des Residenzmuseums Miinchen,
schichte der MiinchnerResidenz, MiinchnerJahrbuch Miinchen I958,24f.;Fritz Haeberlein,Zur historischen
der bildenden Kunst i8, 1967, S. I87-210; Stierhof 1980; Farbigkeitder Malereiim Antiquariumder Miinchner
Brunner-Hojer-Seelig I990. An historischenBeschrei- Residenz, Maltechnik Restauro 1973,Heft 2, 111-114;Beil
bungen sind fiir den hier angesprochenenZeitraum 1975,i8f.; Walz/Meitinger/Beil 1987.Zum zeitgeschicht-
Pistorini I644und Pallavicinoi68o zu nennen. Mit der lichen Hintergrund: Ausst. Kat. Aufbauzeit. Planen
Offnung der Anlage 1923fiir die Bauhistorikerbegann und Bauen Miinchen I945-1950, Miinchen I984. - Zu Bau
eine Zeit der Beobachtungen und Diskussionen, die und Funktion:Nach Otto HartigsgrundlegendenFor-
1944 mit der weitgehenden Zerst6rung der Residenz schungen: Hartig 1917,I931,I933und Kunsttdtigkeit I933,
durchBomben abgebrochenschien.Der Wiederaufbau hat Renate von Buschs ungedruckteDissertationiiber
56
4. I. Die Miinchner Residenz im Zustand des friihen 17.Jahrhunderts. Ausschnitt aus Wenzel Hollars
Miinchner Stadtplan von 1623.Miinchen, Stadtmuseum
die deutschen Antikensammlungen des I6. Jahrhun- schinger 1988;vgl. Petzet 1988, 20-22 (= Petzet 1989, 33-
derts die Grundlagegeistesgeschichtlicher Interpretati- 36). Endlich hat 1989BrigitteVolk-Kniittel den gesam-
on wie auch archivalischer Grundlagenklirung ge- ten (Vorkriegs-)Bestandder Deckenmalereides Anti-
schaffen, auf der bis heute die Forschung fufit: von quariumsin Bild und Dokumentation erschlossenund
Busch I973.Erst in den letzten Jahrenist in die Erfor- inhaltlichanalysiert:Volk-Kniittel I989.
schung des MiinchnerAntiquariumswieder Bewegung 9Zu Wilhelm V.: Spindler I977, 351-36I; WuB 1980; zu
gekommen, ausgehendvon iibergeordnetenwie spezi- seiner Kulturpolitik: Stockbauer I874; Baader 1933;Die-
ellen Fragestellungen. Katalogder antikenund neu-
Ein mer 1980; weitere Literatur bei Diemer 1986;zum Grot-
zeitlichen Skulpturenvon Ellen Weski und Heike Fro- tenhofbau zuletzt: Volk-Kniittel 1989, 67-117;zur topo-
sien-Leinz (hier:W/FL 1987; dazu die wichtige Rezen- graphischenund stadtebaulichenAuswirkung des Re-
sion von Lietzmann1988) erschliefitseit 1987 Samm-
den sidenzbaus: Heydenreuter i992, bes. 205.
lungsbestanddes Museums. Er enthilt die bisher um- 'O Mit Anderungenund Verschiebungendes Antikenbe-
fassendsteund zugleich in vielen Fragenweiterfuhren- standsist selbstverstindlichdurch alle Zeiten hindurch
de Geschichte der Antiquariumsforschungdurch Lo- zu rechnen. Ein Vergleich der Photos in: Paul Arndt,
renz Seelig:Seelig I987.Ein im selben Werk enthaltener Photographische Einzelaufnahmenantiker Skulpturen
Text von Frosien-Leinz zur Bedeutungdes Antiquari- nach Auswahl und mit Text (SerieIV, Paul Arndt und
ums im I6. Jahrhunderthat Gabriele Dischinger zu Walther Amelung, Miinchen 1899, Nr. 907-1035), er-
einer Korrekturveranlafit,die nichts weniger ist als die weist, dafi noch seit den Jahren um 1900 Kopfe und
Beantwortungder Fragenach dem I570/7I fur die Aus- Biisten umgetauscht werden konnten: Zeitschriftfur
fuhrung des Baues verantwortlichenBaumeister:Di- Kunstgeschichte 52, 1989, 572.
57
5. Ara der Photographie (Abb. 35, 36)". Hainhofer, Bauherr eines vom regierenden Sohn Maximi-
damals in diplomatischer Mission in Munchen, lian vollendeten festlichen Saals. Maximilian, des-
hatte die Erlaubnis erhalten, die reprasentativen sen Anteil an der Ausstattung entschieden der
Raume der Residenz zu besichtigen. geringste war, hatte ja auch seinen Namen grof
Es ist nun kurios zu sehen, welch verkiirztes Bild und auffillig in einer Bauinschrift verewigen las-
man damals bei Hofe dem doch stets am Detail sen'6.
interessierten Hainhofer vermittelt hat. In seinem Gewissermafen als ein spater Triumph maximi-
Bericht an den Herzog von Pommern'2gibt er eine lianischer Selbststilisierung,wie eine kunstwissen-
Beschreibung des Antiquariums. Darin halt er zur schaftliche Wiederholung dieser Geschichtskor-
Baugeschichte fest: >>und umb sovil hat es hertzog rektur liest sich im Antikenkatalog zum Antiqua-
Maximilian tieffer graben lassen, weder [= als] es rium 1987 die These, unter Albrecht V. sei das
hertzog Wilhelm gebaut hatte, damit es desto ho- Antiquarium weder fertig noch benutzbar gewe-
her vnd herrlicher aussehe...<< Zur Funktion des sen; das Museum habe es nie gegeben, nicht einmal
Raumes - apart dekorierter Festsaal - autiert er einen Fufiboden habe der Raum besessen'7.
sich nicht, sie verstand sich fur ihn von selbst'3. Dies war der Ausgangspunkt unserer Oberle-
Bereits 1603 hatte er erfahren: >bisweiln werden gungen, deren Gegenstand eben die in Hainhofers
fiurstlichedenz darin ghalten<<4, und 1612notierte Aufierung aufscheinende Umnutzung, Uminter-
er beilaufig: >Zu Mittag haben die Fiirstl. Perso- pretation des Antiquariums in den wenigenJahren
nen im Antiquario gessenn<<I5. zwischen seiner Griindung und Hainhofers Be-
Da war vieles - vielleicht nicht absichtslos - in such ist. Unser Beitrag versteht sich als Versuch,
Vergessenheit geraten:nicht nur, dafi die Tieferle- das unverzichtbare, leider ungedruckte Standard-
gung des Bodens nicht Maximilians Verdienst werk von Renate von Busch punktuell zu ergan-
war, vor allem, dai das Antiquarium urspriinglich zen.
als Museum im humanistischen Sinne erbaut wor-
den war, und zwar nicht von Herzog Wilhelm, Das Antiquarium unter Herzog Albrecht V.
sondern schon von dessen Vater Albrecht V. Vier- Renate von Busch hat die Quellen und Indizien
zig Jahre nach Errichtung des Antikenmuseums, zur >Rekonstruktion<< urspriinglichen Raum-
des
der ersten so grof angelegten Sammlung dieser bildes der Antikensammlung zusammengestellt'8.
Art im deutschen Raum, war die Erinnerung an Der in der ersten Planungsphase auch am Baupro-
den Griinder schon eliminiert. Der im Ruhestand jekt beteiligte Jacopo Strada widmete I575 Al-
lebende Herzog Wilhelm erschien Hainhofer als brecht V. seine Caesar-Ausgabe. In deren Vorrede
"Wolfenbiittel, Herzog August Bibliothek, Cod. 23.3 I5 Hautle I88I, i68.
'6 MAXIMILIANVS DEI GRATIA COMES PALA-
Aug. fol., anscheinendZweitausfiihrungen fur den
der
Herzog von Pommern bestimmten Ansichten; WuB TINVS RHENI VTRIVSQUE BAVARIAE DVX.
1980 II/2, 543ff.Nr. 892c-f; Susanne Netzer, Johann Die Titulaturist im Unterschied zu zahlreichenande-
Matthias Kager, Stadtmalervon Augsburg (1575-I634), ren InschriftenMaximilians nachdem Erwerbder Kur-
Misc. Bavarica Monacensia, 92, Miinchen 1980, 122, Z wirde 1623nicht aktualisiert worden - m6glicherweise
27,4-7; Hainhofer (Hautle i88i) nimmt wiederholt auf hatte der Raum bis dahin durch die Fertigstellungvon
die Entstehungsumstinde dieser Dokumentation Be- Herkulessaal und Kaisersaal Residenzan Reprasen-
der
zug: I7 (Wilhelms V. Reaktion auf die Bitte Herzog tationswert verloren. Am Gesims des Kamins steht:
Philippsvon Pommern),I35 (Liste der GeschenkeWil- ABSOLVTVMANNO MDC. Das gegeniiberliegende
helms an denselben)und 140(WilhelmsV. Begleitbrief Portal tragt die Inschrift:SACRAE VETVSTATIDI-
zu den Zeichnungenan denselben). CATVM. Kloos 1958, i6if.
I2 Hautle i88I, 7if. 17 Frosien-Leinz 1980; W/FL I987. Schon im I7. Jahrhun-
3 Er hebt dert suggeriertedie Inszenierungdes RaumesMaximi-
lediglich die Stattlichkeitdes Raumes hervor:
>undist diss Antiquariumwol ain K6niglichZimmer?; lians Autorschaft: Le Sieur Chapuzeau, Relation de
Hautle 1881,72. l'estat present de la maison electorale et la cour de
14Wolfenbiittel,Herzog August Bibliothek, 60.21 Aug. Baviere, Paris 1673, 44; von Busch 1973, io8.
oct., fol. I36v.
58
6. hat er dem Fiirsten folgendes in Erinnerung geru-
fen: ,Als dann aber beschlossen war, dies alles
[Bibliothek und Antiken] an einem passenden,
feuersicheren Ort zusammenzufiihren, wurde auf
Ihren Befehl ein grofziigiger und zweckmai3iger
freistehender Palastbau errichtet, dessen gesamte
Innendistribution von mir entworfen war. In ihm
befinden sich zwei weitraumige Sale. Der untere
weist ein stuckiertes Gewolbe auf, hier und dort
stehen die Antiken in nicht unangemessener Ord-
nung. Der obere hat als Schmuck eine edle, auf-
wendig geschnitzte Vertafelung; dies ist die nie-
mals genug gelobte Bibliothek. Der Ort des Ge-
baudes war einst Garten der Franziskanerbriider.
Ihre Hoheit kann aus Ihrer Festung nach Belieben
ungesehen dorthin gehen<<9.
Wie der Bau von aufien aussah, lai3tdas Protokoll
einer Besprechung vom Juni I570 kurz vor Baube-
ginn20 ahnen: ?Aufwendig soll alles glatt sein.<
Die Bauabteilung der Bayerischen Schlosserver-
waltung hat kiirzlich auf der Siidwestwand hinter
friihen Vermauerungen Reste einer vielleicht ori-
ginalen Aufenfassung gefunden - es scheint, dafg
I ..-A . .1-I
weitere Sondagen in diese Frage noch etwas Licht 2. Querschnittdes geplantenAntiquariumsbaues,
und Wolbung Simon Zwitzel I570. Miinchen, Bayerisches Haupt-
bringen k6nnten2I. Abmessungen
staatsarchiv, Plansammlung 7940
des Raumes, der der Statik zuliebe und vermutlich
auch wegen der besseren Lichtfiihrung vom Er-
bauer etwas in die Erde eingesenkt worden war,
sind noch dieselben des ersten Baues22.Baumeister konstruktive Losungen des Wolbungsproblems
war der Augsburger Simon Zwitzel. Von ihm ist darstellt und einige Materialangabenenthalt (Abb.
eine Querschnittskizze iiberliefert, die vor allem z). Der Plan ist wohl gleichzeitig mit der Bespre-
'8von Busch 1973, I38f., 146-I8I. potest...?Die Bedeutung Quelleunterschatzt
der bei
I9 DasZitat ist der Vorrede zu C. J. Caesarisrerum ge- W/FL 1987, 63 Anm. 295.
starum commentariiXIV, Frankfurt1575,entnommen, 20Von Hartig 1933,223 publiziert, seither verschollen;
ein kompletter Abdruck dieses Textes bei Hartig I917, Hubala 1958/59, 136, und von Busch I973, 300 Anm. I05
286-289, dazu auch 44-47. Der Originaltext lautet: Jam erwagennachtragliche einesBesprechungs-
Datierung
verb cum constitutum esset haec omnia compararein papiers demVorjahr; Wortlaut
aus der neuerdingsbei
vnum aliquem commodum locum, et a calamitatibus Dischinger 85f.
1988, nachgedruckt.
ignis immunem, fabricatum est iussu tuo elegantissi- 2 Freundlicher
Hinweisvon Matthias Miin-
Staschull,
mum palatium, ac in insulam totius, structuraeordine chen, 10.11.I994. Schon Hartig, Kunsttatigkeit 1933, 224
interiori a me delineato, redactum. In eo sunt cellae Anm. 216 erwahnteinen derartigenBefund.
22 Die
duae spaciosissimae, quarum inferiorforniceincrustato Baubesprechung Juni1570lahitdie Sorgeum
von
munitur,collocatishic illic ordine non inconcinno,ipsis den Schub des grof3enGewolbes erkennen:-Den
antiquitatibus: superioreleganti tabulatu ornata est, ex Grund er[derBaumeister] holln,danneswerd
soil tieff
operesumptuosesecto. Hic numquam satis laudata Bi- ein grosser Lasthtdarauff
khomen.<,Die Mauer soll
bliothecaest. Ipse verb structuraelocus,hortusaliquan- zimblichdickhund starckhsein, sonderlich zur
bis
do fuit fratrum Franciscanorum.Huc Celsitudo tua Liberey.<
nulli conspecta,e suo castello, quoties libet, commeare
59
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3. Alternativentwurf Neuaufstellungder Antikenim Antiquarium,
zur Antonio Ponzanozugeschrieben,
um I580.Miinchen,Bayerische Cod. icon. I98c
Staatsbibliothek,
chung, deren knappe Anweisungen erkennen las- nengewolbe iiberspannte damals wie heute einen
sen, dafi man einen im Architektonischen sehr einzigen durchgehenden, nicht durch Zwischen-
schlichten Bau errichten wollte23. wande unterteilten Raum. Den von Strada er-
Dagegen hat man nur von wenigen Einzelheiten wahnten Deckenstuck darf man sich ziemlich
der raumfesten Ausstattung Kenntnis. Das Ton- schlicht denken mit Blick auf die Zweckbestim-
23 Ausfiihrlich: Dischinger 1988. FL 1987,Taf. I7 Abb. 7. Schon von Busch 1973,302 Anm.
4 Die anskizzierte Wolbungsdekoration in dem sog. sieht den qualitativenAbstand zu Sustrisselbst, an
120
?Schaubildentwurf? von I568 (BHStA, Plansammlung dessen Hand Hartig dachte. Dazu ist sie zu wenig
7933),dessen Urheber unbekannt bleibt und die den prazise und zu fahrig;u. E. stammt sie von Antonio
neuerdingswiederentdecktenMalereirestenin Herzog Ponzano, der vielleicht- die Lesung ist nicht zwingend
Albrechts Arkadenbau im Miinchner Hofgarten ih- - die BuchstabenPON auf einem der Sockel anbrachte.
26Publiziert von
nelt, kann vielleicht eine Vorstellung vermitteln. Zu Hartig, Kunsttatigkeit1933, 24 und 214
dem ?Schaubildentwurf< eines Antiquariumsgebiudes Abb. 30; W/FL 1987, Taf. 24 Abb. i6.
27
1568, Hubala 1958/59 die Literatureingefiihrthat,
den in Dischinger 1988, 82 Anm. 9.
6i7f., und die neuerdingsmit einer 28Zur
vgl. Lietzmann1988, Frage der Treppen: von Busch 1973, I34 und i7If.;
in kurioserParallelezu Dischinger 1988 publizierteZu- Stierhof in: W/FL 1987, 21; Seelig 1987, 26. Die Baube-
schreibungshypothesean den AugsburgerBaumeister sprechungbestimmte zu den Zugangen:,Unnden soil
BernhardZwitzel: Petzet 1988, 20-22 (= Petzet 1989, 33- von der Stiegen das Gewelb biif an das End durchaufi
36). Zu den HofgartenarkadenKlaus Endemann,Putz geen und khainUnderschiedhaben.- Gegen dem Giigl
und Malerei an den Arkaden im Unteren Hofgarten. soil es ganz sein. - Dest braiterund la[n]ger mag die
Restauratorische Untersuchungzur Konservierung der Stieg werden. - So soil die Thiir in mitten des Gwelbs
Befunde, in: Denkmaler 1988, 233-240, bes. Abb. 8f.; gegen der Munch Garterkhommen.?- von Busch und
Adrian von Buttlarund Traude Bierler-Rolly (Hrsg.), Stierhofschliegen daraus,der Hauptzugangzum Anti-
Der Minchner Hofgarten. Beitrage zur Spurensiche- quarium habe in der Mitte der siidwestlichen Langs-
rung, Miinchen 1988, Abb. i6f. W/FL I987, 5o negiert wand vom Franziskanerkonvent gelegen.Das wirkt
her
ohne Begrundungdie Uberlieferung:WVon einer Stuk- unwahrscheinlich.Die Stiege in den Oberstock wird
kierungdes Raumeslii3t sich in diesem Zeitraumiiber- vielmehr *in mitten des Gwelbs?, d. h. in der Mitte
haupt nichts nachweisen." einer Schmalseiteunter dem Gewolbescheitel geplant;
25BStB, Cod. icon. I98c. Publiziert von Hartig, Kunstti- doch wohl das Siidostende.Die unkorrekteBenennung
tigkeit I933, 222f. und 213 Abb. 29.; weitere Abb. bei W/ in der Quelle *gegen der Munch Garter? konnte im
6o
8. mung des Antiquariums, auf die kurze Bauzeit
und die anderenorts erhaltenen Hinweise auf Al-
brechts Dekorationsgeschmack24.Die Langswan-
de wurden durch massige, sich nach oben verjiin-
gende Wandpfeiler mit schlichten Kapitellen aus
Tuffstein gegliedert, die, abgearbeitet, noch heute
unter den sekundaren Dekorationen stecken. Eine
nahere Vorstellung von der Wandgliederung ver-
mittelt eine Zeichnung der Sustriswerkstatt, die
um I580entstanden sein diirfte und Vorschlage fur
ein neues Arrangement der Aufstellung enthalt;
sie zeigt anschaulich Fenster, Fenstervergitterung
und die Pfeilergestaltung (Abb. 3)25. Die Pfeilerde-
koration konnte 1924 durch eine Sondierung ge-
klart werden, bei der ein Kapitell des ersten Zu- 4. Antiquarium, Kapitell, 1924 voriibergehend freige-
stands voriibergehend freigelegt wurde (Abb. 4)26. legter erster Bauzustand, abgearbeitet
Damals zeigte sich auch, dafi die Wandpfeiler,
entgegen der Zwitzel-Zeichnung von 1570, gemau-
ert und nicht in rotem Marmor ausgefiihrt sind27.
Der Eingang lag u. E. von Anfang an auf der Siid- Fenster. Die urspriingliche Fufibodenh6he lai3t
ostseite, der Portalwand, wo gemafi Stradas Be- sich mit Hilfe der genannten Zwitzel-Zeichnung
richt ein erhoht gefiihrter Gang von der Neuveste bestimmen: 12 Fui3, d. h. ca. 3,50 m unterhalb der
her in ein Treppenhaus miindete28.Das Aussehen Kapitelloberkante, somit auf der Sitzhohe der den
der Schmalwande ist nicht im einzelnen bekannt; Langswanden nachtraglichvorlegten Banke (Abb.
vielleicht besafi zumindest eine Schmalwand zwei 2, 21, 29)29.
Gegensatz am
zum ,Nufidorfer-Garten, entgegenge- lagert, dessen Grundform in Residenzplanenmaximi-
setztenSchmalende verstehen
zu sein. In den etwas lianischerZeit oder deren Kopie erkennbarsind und
kolloquialen der
Formulierungen Besprechung konnte das in seiner Substanz durch alle Umbauten hindurch
auch dieser Bereich noch durchausglobal als der erhaltenblieb, z.T. iiber zwei Stockwerke hinweg. Es
Monchsgarten bezeichnetwordensein;die Franziska- ist in seiner charakteristischenForm kaum anders
ner hattenin der GegendHopfen angepflanzt. Die denn als Treppenturmerklarbar.Seine Mauern wur-
Trasse
wahrscheinlichste einesGanges derNeuve-
von den - wie neuerdingsdie Bauabteilungder Schlosser-
ste zum Antiquarium mufiam Ballhaus vorbeinach verwaltung beobachtet hat - sekundar (noch unter
Siidenin dasSudostende Gebaudes
des haben.
gefiihrt Albrecht V. oder unter Wilhelm V.?) an das Anti-
Man kann sich doch schlecht vorstellen,dafi der quarium angebaut. Bereits unter Maximilian I. aber
Hauptzugang einem weiten Bogen iiber fremdes
in muf der Anbau seine Treppenfunktion verloren ha-
Gelindegelegtworden ware,zumal ?Kunsthaus?
das ja ben, damalswurde sein ErdgeschofR gewolbt. Stierhof
Schatze -
auchvon materiellem barg. ,Oben soil
Wert 1980, 277 Anm. o0, verweist auf den Befund, dai3 am
ain Gangiiber das Gai31geen?, planteman 1570. Da Oktogon auf der Hofseite in den Zwickelriumen, die
keineswegs belegt ist, dafi der Hofdamenstock schon beim Anbau des SchwarzenSaalsentstanden,noch ver-
unter Albrecht V. gebaut wurde (so Thoma I937, I5; mauerteFenster zu beobachtensind; Schlosserverwal-
Stierhof in: W/FL 1987, 21), nehmen wir an, dafi man tung Foto Nr. 8375. den Planen:P. Diemer, Materia-
Zu
wieder an das zur Neuveste gelegeneSiidostendedach- lien zu Entstehung und Ausbau der Kammergalerie
te; das ?Gagil<ware dann das auf StradasPlanen BStB, MaximiliansI. von Bayern, in: QuS 1980, Taf. 30 und
Cod. icon. 198c und BHStA, Plansammlung7939 ge- S. I37.
nannte:>quie una piccola stradellache e traquesti muri 29Das in Miinchen iibliche - hier wohl verwendete -
e i muri della Citta che sono alti, per6 non si pote Schuhmai3(Fritz Verdenhalven,Alte Mafle, Munzen
comodamente far lumi? (von Busch I973, 124; Abb. der und Gewichte, Neustadt a. d. Aisch 1968, 24) betrug 29,2
Plane bei W/FL 1987, Tafelband, Taf. 14). - Dem Siid- cm, der AugsburgerWerkschuh(noch am Rathausab-
ostende des Antiquariumsist das sog. Oktogon vorge- zumessen) 29,75 bis 29,8 cm.
9. Im Jahr 1571hat der Steinmetz und Werkmeister Zweifel um die Beschriftungen Antiken.Die
der
Caspar Weinhart, der unter anderem auch Al- Nachrichtist deshalbvon Interesse, weil die Fra-
brechts V. Miinchner Lusthaus am Hofgarten er- ge, ob iiberhaupt, wann und wie die Aufstellung
baut und die Pflasterung des Dachauer Festsaals der Antiken durch Inschriftenbegleitet wurde,
iibernommen hatte30,unter der Rubrik ?Fiirstli- Das
bisherkontroversbeurteiltwurde35. betrifft
che Hofgebaude? fur Marmor und Arbeit die den iaueren Aspektwie den inhaltlichen. Waren
enorme Summe von 245Ifl. erhalten31. in die-
Da die Inschriftenauf Postamentenangebracht, auf
sem Jahr kein anderes Bauvorhaben vorlag, wird eigenen Schrifttafeln, oder, bei Biisten, auf den
sich die Ausgabe auf das Antiquarium beziehen. kleinenBiistensockeln?
Ein gro6gerer Posten davon mag der Anschaffung Strada hatteschon 1567 schwarzeInschriftsteine
von Marmor fur Biisten und Postamente - siehe ins Werk gesetzt, im Jahr daraufauch schon in
unten - gegolten haben, doch kann man, da Wein- ItalienProbestiicke anfertigenlassen36; seine In-
hart auch Arbeit abrechnet, an den Fuf3bodendes itiativewurdedannallerdings gebremst, dennder
Antiquariums, vielleicht auch an Steinmetzarbei- Herzog wollte erstbeschliefen,zu welchenK6p-
ten dort denken32. fen Biisten gemachtwerden sollten37; damals,so
Damit war der Bau selbst vermutlich fertig33. Der kann man schliefien,sollten die Beschriftungen
Hofbildhauer mufgteeine Tafel aus weifem Stein derAntikensichjeweilsaufdasindividuelle Stuck
vorbereiten, die vermutlich, innen oder aufien, beziehen.Bishergibt es keinenAnhaltspunkt fur
Trager der Bauinschrift werden sollte: >Mer ge- die Annahme, mandiesesPrinzipbalddarauf
dafg
macht ain Thaffel von weissem Stein, darein man aufgegeben hatte38. Prechenfelder
Mit wahlteAl-
die puechstaben zumb khunsthaus machen viert, brechtV. abereineneffizienteren Weg.
ist ungevarlich 4 werchsuech lang und 3 preit, Uber 4000 Buchstabensind eine betrachtliche
darvier 6 guldin<34. Die Quellennachrichten spie- Anzahl.Legtmanein Benennungssystem zugrun-
geln die Ziigigkeit, mit der der Herzog das Projekt de, wie es unterSustrisausgefiihrtwurde,braucht
vorantrieb. Bei diesem Bau war ihm offensichtlich man pro Kopf durchschnittlich Buchstaben39.
25
weder an einer palastartigen Fassadengestaltung, Und auch bei alien m6glichendenkbaren Zusat-
wie sie z. B. Strada vorgeschlagen hatte, noch an zen mug mandochwohl annehmen, Prechen-
daf
opulenter Dekoration des Innenraums gelegen. felders Schrifttafelaktion Jahres I572 wenn
des
Um so rascher schritt, wie uns die Quellen erlau- nichtdengesamten, dochdenwesentlichen
so Teil
ben zu verfolgen, die Aufstellung der Sammlung der geplantenAufstellung abdeckte.Es verwun-
fort. dertdemnachkaum,dai3in spateren Abrechnun-
Die erste Nachricht, die auf eine Aufstellung der gen derHofbildhauer mehrvon Inschriften
nie die
Antiken schliegfen lafit, stammt schon aus dem Redeist.
Jahr I572. Der Bildhauer Jordan Prechenfelder Darausfolgert,dafiPrechenfelder Inschriften
die
rechnet, neben Biisten fiir das Antiquarium, 4238 aufVorratfertigenkonnte.D. h., sie wurdennicht
Buchstaben ab, drei Buchstaben zu 2 Kreuzer, das direktin die Biistenfiigeoderin die grofen Posta-
macht 47 fl. 6 k (Dok. I). Es handelte sich ohne mentegemeifelt,denndamals von diesenEin-
war
30Thieme-Becker Bd. 35,Leipzig 1942, 294f. (KarlFeucht- (475 Q 332),kann doch wohl kaum als Beleg herhalten.
mayr). 33In diesem Sinn deutet einleuchtend Hartig I917,49f.
31 Hartig I931, 355,Nr. 777. Albrechts V. briefliche Einladung an Kardinal Otto
32 Die
Behauptung von W/FL 5o, das Antiquarium Truchseg von Waldburgvom I5.9.1572,>>unser auf-
neu
habe erst I58I, zehn Jahrenach seiner Erbauung,einen gerichtlibereiund antiquitetenhaus< sehen.
zu
Marmorfufboden erhalten, sei deshalb vorher nicht 34Undatierte,1575 anzusetzende Bittschrift der Witwe
beniitzbar gewesen, ist abwegig. Die einmalige Notiz Prechenfelderan Albrecht V.: Miinchen, Stadtarchiv,
in den Wochenaufstellungen der Handwerker, man Gewerbeamt 324Ia;abgedrucktbei Diemer I986, I55f.
habe an Marmorplatten das Antiquariumgehauen
fur Dok. i.
62
10. richtungsgegenstanden erst der kleinste Teil fertig,
sondern doch wohl auf Steintafeln, die man darin
einlassen konnte. Das setzte neben den definitiven
Texten natirlich auch ein festes Mafisystem fiir die
verschiedenen ben6tigten Sockel voraus.
Auch wenn Renate von Busch sicher richtig be-
obachtet, dafi die Ausfiihrung der Arbeiten fur das
Antiquarium in die Hande heimischer Handwer-
ker iibergeht4 - jetzt eindrucksvoll belegt durch
den Bauentwurf von Simon Zwitzel -, so hat man
doch Grund anzunehmen, dafi die Planung all
dieser Innenausstattung, deren Beschriftung
schon bald nach Fertigstellung des Baus ausge-
fiihrt vorlag, eben auf jenes von Jacopo Strada
selbst vorgegebene Aufstellungskonzept zuriick-
r . ~ ~~~~~~~~~~
o .
ging, dessen er sich I575 riihmt.
Im Zusammenhang mit der Beschriftung des L-a78~~
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Antiquariums stellt sich die Frage nach der inhalt-
lichen Struktur des Museums. Welcher Ordnung i. ,'
folgte die Aufstellung unter Albrecht? Versuchte '.. .': ~-
man, die K6pfe antiquarischrichtig zu benennen -
etwa im Sinne der Mantuaner Antikensammlung : ~ "" ~I: ,~
~~~~~~~~......
oder in der Art der bei der Erwerbung der Samm-
lung Loredan u. a. aufgestellten Listen4I -, oder
verfolgte das schon bei der Baubesprechung 1570
vorliegende Verzeichnis, nach dem die Bildwerke 5. Erdglobusvon PhilippApianaus der Hofbiblio-
aufgestellt werden sollten, ein abstraktes ikono- thek mit Gestellvon Hans Ernhofer.Miinchen,
graphisches Programm, wie es nachher die unter Bayerische Staatsbibliothek
Sustris installierte Kaiserreihe tat? Die humani-
stisch ausgerichtete Intelligenz eines Strada und
Fugger sowie die verballhornten Worte auf dem tung zeitgen6ssischer Antikensammlungen gene-
?Schaubildentwurf< von I568 (SESARI NERO, rell nichts bekannt.
MARSSVS VENUS ET CVBITO, IP[...]RA- Prechenfelders Abrechnungen geben Einblick in
TOR SESARIVS CVNSTANTINVS, S. SBA- die Herstellung von Sockeln und Biistenteilen.
STANVS) machen die erste Moglichkeit wahr- Er hatte 1572 insgesamt i8 lebensgrofie Biisten
scheinlicher42. Leider ist uns iiber die Beschrif- hergestellt, 7 kleinere und eine iiberlebensgrof3e
35von Busch 1973, I46-I50 fafit ihren Wissensstand iiber 40von Busch I973, 148f.
die Einrichtungdes Antiquariumszusammen.Frosien- 41 Paola
Barocchi, Giovanna Gaeta Bertela, Collezionis-
Leinz behauptete neuerdings, W/FL 1987, 52, daf erst in mo mediceo.CosimoI, Francesco e il CardinaleFerdi-
I
den I59oerJahren iiberhaupt Schrifttafelnangefertigt nando. Documenti 540-1587. Collezionismo e storia
wurden. dell'arte, studi e fonti, 2, Modena 1993, Bericht von
36von Busch 1973, 307f. Anm. 166-169. Ercole Basso an Herzog FrancescoI; W/FL 1987Q 20,
37von Busch 1973, 308 Anm. 169; W/FL 1987, 466 Q 133. 454f.; Q 32, 456f.; Q 39, 457f.
38So auch von Busch 1973, I49f. 42 BHStA, Plansammlung7933.
39 heutigenInschriftenstimmenmit der Abschriftder
Die
Tituli bei Pistorini i644, fol. 74r-78v,uberein.
63
11. (Dok. I); dafiir bekam er 346 fl.43. Schon I57i, als te Biisten47.Da ihren gr6oiten Posten Zahlungen
das Antiquarium noch im Bau war, erhielt Pre- an Carlo di Cesari Pallago von 1586-88 darstellen,
chenfelder etwa die Halfte dieses Betrages fiir die kommt sie zu der Annahme, dafi die Hilfte der
>Kunstkammer<<44, sicher auch schon fiir Biisten Biisten erst unter Wilhelm V. gefertigt wurde. Es
und Postamente. gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dafi diese
1573hatte Prechenfelder dann i8 K6pfe bekom- Summen iiberhaupt auf Biisten bezogen waren;
men, um Biisten dazu zu fertigen (Dok. I). Die wir mochten sie mit der Terrakottadekoration
Herstellung solcher Biisten aus buntem Marmor verbinden48.
durch Bildhauer am Ort kann man, wenn auch DagfPallago, der seit I573 im Dienst Herzog Wil-
natiirlich keineswegs liickenlos, durch die ganze helms als Dekorateur in Stuck, Terrakotta und
Regierungszeit Albrechts verfolgen. Ab 1573 iiber- Bronze arbeitete, 1575/76fur Herzog Albrecht die
nimmt Hans Ernhofer einen Teil der Arbeit45.Die Herstellung von 13 Marmorbiisten und 8 Posta-
letzten bekannten Nachrichten zur Herstellung menten abrechnete49, mag ursachlich mit dem Tod
dieser Biisten stammen aus dem Jahr I58046. Dies Prechenfelders, wohl Ende Februar 1575,zusam-
ist festzuhalten, denn die bisherige Forschung zur menhangen. Pallago hatte diese Arbeit im April
Ausstattung von Albrechts Antiquarium hat die 1575iibernommen. Vier der sechs Gesellen und
Tendenz, einen Grofiteil der Biisten viel spater zwei Steinmetzen, deren Arbeit er in Rechnung
anzusetzen, was fiir die Frage der Rekonstruktion stellt, haben nur einige Monate lang bei Pallago
und Fertigstellung des Antikenraumes unter Al- gearbeitet;von einem der Gesellen erwahnt er aus-
brecht natiirlich von Belang ist. driicklich, er habe bei Prechenfelder gelernt. Es
Renate von Busch geht rein rechnerisch vor und sieht also so aus, als habe Pallago fur eine einmali-
schlieft aus belegten Lohnsummen auf hergestell- ge Aufgabe eigens Bildhauer und Steinmetzen in
43Die uns bisher bekannten Abrechnungen stimmen >Carl zu
Stuckator< Kaiserk6pfen kleineMengenFar-
nicht mit den Zahlungenlaut Hofzahlamtsrechnungen ben entgegennahm: rote Mennige,
Griin, BleiweifS,
iiberein (zusammengestellt bei von Busch 1973, 323 Kesselbraun; von Busch 1973,322Anm. 261.Der Titel
Anm. 265);es scheint, dafi beide Quellengattungendie der Quelle (BHStA, HR I Fasz. 279,4) lautet: >>I586.
geleisteteArbeitwie die Zahlennicht liickenlosiiberlie- Hierein wirt verzaichnetalles was ich Wolff. Pronner
fern. Deshalb konnen ?Hochrechnungen?nur sehrun- von wegen meines Gened. Fiirstenund herrenszu der
gefahreWerte vermitteln. Malerey geh6rig, von gemallnen und geschlagnen
44Der Begriff Kunstkammerwurde, wie Konkordanzen Goldt und Silberauchallerlaysorttenfarbenempfache,
derRechnungenzeigen, von den Beamtendes Hofzahl- eynnembe und widerum ausgib, den 22. Juli zu Miin-
amts auch fiir das Antiquarium verwendet; vgl. von chen.<Dieses Materialbuch brichtim Friihjahr 1590ab,
Busch I973, I75f. und Petzet 1989, 24. wohl durch den Tod Pronners(BHStA, HZR 36/I590,
45 Uber die hier in Dok.
I-VII neu vorgestelltenArchiva- fol. 488v),vgl. von Busch I973,3I8f.Anm. 238(andere
lien hinaus sind bekannt:Nennungen in den Hofzahl- Daten bei Volk 1989,50).Das Buch wird seit Zottmann
amtsrechnungen,zusammengestelltbei v. Busch 1973, I9IO der Kunstgeschichte
von beniitzt,doch ist es bisher
323 Anm. 264f.Die Angabenfolgen den ausfiihrlicheren nicht ediert.- Alle oben angefiihrtenEintragestammen
Exzerptenbei Hartig1931, Registers.v. Prechenfelder,
s. von I588;das ist die Zeit, in der im Grottenhof die
Jordan, und Aernhofer, Hans (Bildhauer),wobei die Antiken aufgerichtet wurden,s. unten. Da die Farbaus-
Trennung nach HZR-Eintragen >Umb arbait< und gabesicherim Hinblick auf Stuckarbeiten Carlo di
von
>umbarbaitin die Kunstkammer<< natiirlicheher zufal- Cesare Pallago erfolgte, wird man entweder an die
-
lige Wortlautetransportiert. Die Eintragenach Har- Ausgestaltungdes Antikengartensdenken oder allen-
tig bei W/FL 1987im Quellenanhangals Q 179-182 (183 falls an eine Erganzung des Biistenbestandes durch
steht im Originalunter der Rubrik>FurHerzog Ferdi- Stuckbiisten, deren einige erhalten sind (W/FL 1987,
nand<), i86, I88-90o, 192, i94f., 197, 20I, 204, 207, 209, 2II- Kat. Nr. 148, 26I, 266, 299, 316).Eine Mengenherstellung
226, 229-232, 234-245, 247f., 251-253, 258-261,265, 267-269, von Marmorbiistenwird man daraus keinesfalls er-
272-274, 278, 281, 283, 288f., 296, 326, 328-331. schlieftendiirfen.
46W/FL 1987, Q 328-33I. 49 Diemer 1986, 135-155, spezielle Quelle 156f. Dok. 3.
die
47 von Busch 1973, I74-I77. 50Daraus erklartsich wohl der Versuch Hans Ernhofers
48 von Busch wurde auf die FahrtegefiihrtdurchEintrage Pallagovom Hof zu verdringen, vgl. Hartig 1933,
1576,
in >PronnersMalbuch<,fol. 40, 66, 76, 78v, wonach 229Nr. 845.
64
12. seine Werkstatt genommen, um die Arbeiten und
ihre finanzielle Abwicklung zu iiberwachen5?;
Ende I575 waren die Werkleute bis auf zwei wieder
entlassen. So gesehen ist es miigig, nach Stilele-
menten Pallagos unter den Biisten zu suchen.
Heike Frosien-Leinz hat die Tendenz, die Ent-
stehung der Biisten in die Zeit Wilhelms V. und
spater zu verschieben, aufgenommen, argumen-
tiert aber im Gegensatz zu von Busch ausschlie3-
lich stilistisch. Da sie den Bildhauern aus der
Griindungsphase des Antiquariums unter Al-
brecht, von denen man so gut wie nichts wisse,
allenfalls Stiicke zutraut, ?die eine organische
Struktur des Gewandes missen lassen5'<,gerat ge-
rade diejenige Phase der Miinchner Skulptur, die 6. Hans Ernhofer, Detail des Gestells zum Erdglobus
sich, wenn iiberhaupt, nur mit dem Material aus von Philipp Apian. Miinchen, Bayerische
Staatsbibliothek
dem Antiquarium fassen lafit, ganzlich aus dem
Blick52.
Man hat mehrmals den Versuch unternommen
zu berechnen, wieviele Biisten unter Albrecht V. lich, dagidie Grundlage hierfiir fragwiirdig ist. Oft
denn hergestellt worden seien53; hier neu vor- wird in den Abrechnungen nicht spezifiziert zwi-
die
gestellten Quellen machen nun noch einmal deut- schen Postamenten, Biisten, Erganzungen von
5IW/FL 1987,41. Frosien-Leinz nimmt die Entstehung schiedenerProvenienz kaufenund kombinierenkonn-
einiger sehr qualititvoller Marmorkopfe fir den te. Ein vergleichbarunausgestandenesMethodenpro-
MiinchnerHof um 60oo Anspruch(Kat.Nr. 277-284).
in blem der Trennung von Typus und Stil zeichnet die
Da die Autorin eine gesonderte 'Untersuchung zur Lokalisierung von Kat. 311und 312 aus. - Die Entste-
MiinchnerMarmorskulptur frihen 17.Jahrhundert'
im hung im ,Werkstattumkreisvon Krumperund Can-
angekiindigt hat (394 Kat.Nr. 277 Anm. 7), soil ihren did< - was immer das bedeuten mag - nennt Kiinstler-
Argumenten nicht vorgegriffen werden. Methodisch namen,die fur Marmorskulptur bestimmtnicht in Fra-
fallt auf, dafials Begrindung der Lokalisierungeneiner ge kommen:Candidwar ausschlieflich Maler,und von
Gruppeein Vergleichmit Zeichnungenvon Peter Can- dem Plastiker Krumper ist kein Hinweis auf Stein-
did steht. Ein pausbickigerKinderkopfund eine jiinge- skulpturenbekannt.
re Frau mit sorgsam geflochtener Frisur- da drangen 52W/FL 1987, 39-42. Es erscheintnicht sinnvoll,den Stiler-
sich allgemeintypischeund zeittypische Merkmaleso 6rterungender Autorin im Einzelnen nachzugehen,da
in den Vordergrunddes Vergleichs,dagi eine stilisti-
wir ihre Pramissennicht nachvollziehbarsind. Ein ?Ent-
sche Relevanz solcher Gegeniiberstellungnicht zu er- von
wicklungsprozegi kraftigplastischem Faltenwerkzu
kennen vermogen. Die zur Zeit unbestrittenerfahren- eng dem Korper anliegendemStoff...< (4I), der zu so
ste Kennerin von Candids Werk, Brigitte Volk, lehnt apodiktischenZuweisungenfihrte wie: ?Die auieror-
jede Beteiligung Candids an plastischen Werken seit dentlichdiinnenGewandereinigerBiisten...k6nnen erst
jehermit Entschiedenheitab, auchwenn Frosien-Leinz im friihen I7. Jahrhundertentstandensein< (ebd.), ist
durch ein mifiverstandliches Zitat das Gegenteil glaub- ebensowenigin Sichtwie eine Begrindung fur die Aus-
haft zu machen scheint (Kat.Nr. 277 Anm. 6, Kat.Nr. sage:?Die Gewanddraperie greiftzwaraufFaltenforma-
278 Anm. 5). Die bei Kat.Nr. 277-284 immer wieder tionen des i6. Jahrhundertszuruck,bildet die einzelnen
herangezogenen Vergleiche mit Krumper sind uns Faltenziigeabervolumin6seraus so dafi eine Datierung
nicht nachvollziehbar.Was einige Kopfe der Laokoon- in das 17. Jahrhundertm6glich scheint<(42 zu >Gruppe
sohne, nach dem prominentenVorbild, betrifft,scheint VI-). Auf diesem Weg kommt Frosien-Leinz zu dem
das Postulat, dag der eine als Erganzung zu einem Schlug, dafi unter Albrecht V. zwar zahlreicheBiisten
vorhandenen erst geschaffen werden mugte, folglich hergestellt wordensein miissen,dafidieseabernachi6o0,
>weitgehendgesichert<(Kat.Nr. 280)in Miinchen ent- bis ins 19.Jahrhundert hinein, durch gleichartige
Typen
standensei, nicht zwingend. Es hat derlei 'Teilkopien' ersetztworden sein. >Wohindie urspriinglichen Biisten
in geniigenderAnzahl gegeben, dag man Stiicke ver- kamen,konnte nicht mehrgeklartwerden.<
65
13. Antiken oder - wie wir sehen werden- grofien Die
denken. Wande
reichten
sicher
nichtaus,umdie
neugeschaffenen Figuren.Zum anderensind uns 230 Marmorkopfe, I04 Statuen und 71 Reliefs aufzu-
offenbar nichtalleBelegebekannt, und manwird nehmen, die von Busch errechnethat59.
den Eindruck nichtlos, dai3mehrArbeitabgelie- Die Bildhauer der Biisten sind bisher bloge
fertwurdealsin denHofzahlamtsrechnungen auf- Namen - Jordan Prechenfelder und Hans Ernho-
scheint- alleindie in Dok. VII genannten Biisten fer -, wie iiberhaupt die Miinchner Skulptur vor
Ernhofersmiiften 130 fl. kosten. Ausdriicklich dem Auftreten der italienisch geschulten Plastiker
genannt werdenbis I580, wenn wir richtigzihlen, Hubert Gerhard und Carlo di Cesari Pallago in
etwasiiberhundert die
Biisten; fertiggestellte Zahl den I58oerJahren terra incognita blieb, obgleich
diirfteaberum einigesdariiber gelegenhaben54. Hartig seit langem eine Anzahl sie betreffender
Die Statuenwaren auf Sockeln aufgestellt,die Archivalien publiziert hat. Auch im Antiquarium-
von denselbenBildhauern hergestelltwarenwie Katalogwerk von 1987 kommt die Skulptur am
Biisten;Postamentewerden diese Sockel in den Hof Albrechts V. nicht vor, weil die kunsthistori-
Quellen genannt.In Prechenfelders Abrechnung sche Bearbeiterindie Biisten in m6glichst viel spa-
fillt auf, dafidie Postamenteebenso teuerwaren tere Zeit verschiebt. Doch gerade ihr Hinweis, dafi
wie Biisten. I573 hat Prechenfelder sechs Posta- die im Zuge des Neubaus der Michaelskirche un-
mentein Arbeit,vierseienfertigbis aufdasPolie- ter Wilhelm V. ab 1584 an die Fassade der Kirche
ren.Darauslai3t entnehmen, dieseSockel
sich daf versetzten Herrscherfiguren aus dem Antiquari-
nicht etwaausMuschelkalk oder ahnlichem Stein um stammten6?, kann, in Wechselwirkung mit
bestanden, sondernaus Marmor, was dannwohl Stilbeobachtungen an Biisten, dieses Gebiet doch
den Preis rechtfertigte, denn ein Postamentfiir etwas erhellen, wenngleich das Material sparlich
eine grogie er
Figurberechnete mit i8 fl., kleinere bleibt.
mit I5fl. (Dok. III)55. Jordan Prechenfelders Herkunft ist nicht be-
Die Quellenlassentatsachlich Schlufi dafi
den zu, kannt6I.I565tritt er bei Hofe auf, indem er dem
in AlbrechtsAntiquarium nicht nur jede Statue, Herzog ein >>Kunststiick<< schenkt und 20 Taler
sondernjeder Kopf einen eigenenfreistehenden dafiir empfingt. Im selben Jahr erhalt er das Mei-
Sockelhatte56. Renatevon Buschhatdarauf hinge- sterrecht62.Bis zu seiner Tatigkeit fur das Anti-
-
wiesen, dafidie friihestenZeichnungen Stradas quarium ab I57I tritt er in den bisher bekannten
Aufstellungsentwurf57, sog. Schaubildentwurf
der Quellen nur mit kleinen Lohnsummen in Erschei-
und die bereitsangesprochene Zeichnung frii-
der nung. Er starb I57563.
hen Sustriszeit(Abb. 3) - im Prinzip dieselben Seit I573hat man die Herstellung der Innenein-
tischhohenSockelmit profilierter Deckplatteund
richtung des Antiquariums beschleunigt, indem
Sockel zeigen, in derenVorderseitedie Inschrift man neben Prechenfelder einen zweiten Bildhau-
eingelassen ist58. er, Hans Ernhofer, beschaftigte64.Von Ernhofer
Auch wenn zu Albrechts Lebzeitennichtalle weig man, dafger in Miinchen bei Hans Aflinger
V.
dieseSockel,Biistenu.a.fertiggestellt
wordensind, lernte, als Geselle unter Arnold Abel am Grabmal
muf mansich die Raummitte doch auchbestiickt Kaiser Maximilians I. in Innsbruck arbeitete65,
53 Busch 1973, I75f.
von Fiife der Biisten gehandelt haben. Schon die Uberle-
54BHStA, HZR 1573fol. iz6v; Hartig i93I, 362f. Nr. 799. gung, ob im SteinbruchSteinefur Postamentevorhan-
55Frosien-Leinz'Rechnung (W/FL 1987,39f.), wonach den seien (Q 287),hitte sie vor dem Schluf bewahren
es sich bei >Postamenten? in den Quellen um die k6nnen.
kleinen Biistensockel handelte, entbehrt der Grund- 56W/FL 1987, Q 287.
lage. Sie rechnet samtlicheiiberliefertenLohnsummen 57
BStB, Cod. icon. Ig8c,publiziert von Hartig, Kunstti-
Prechenfeldersauf Postamente,nicht auf Biisten, um, tigkeit 1933, 222f. und 211Abb. 28; auch abgebildet bei
kommt so zu einererstaunlichhohen Zahl und schliei3t W/FL 1987, Taf. I5 Abb. 4.
daraus wieder, es k6nnte sich nur um die kleinen 58von Busch 1973, I46-I50, besonders 147f.
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7. Die Fassade der Miinchner Michaelskirche. Kupferstich aus ?Trophaea
Bavarica Sancto Michaeli Archangelo<, Miinchen 1597
59von Busch 1973, I44. von dem Vorgangsind bittereDokumente einer Schat-
60Frosien-Leinz tenseite des Hofkiinstlertums erhalten: BHStA, HR
1980, 3I5.
6i
Thieme-Becker Bd. 4, Leipzig 19II, 559 s. v. Brechfeld. 281/89; Miinchen, Stadtarchiv, Gewerbeamt 3241a.
62Hartig I931, 335Nr. 705 und 7I3. 64Hartig 1926; Hartig 1931, Register 378 s. v. Bildhauer,
63 Prechenfelders
Witwe miihte sich nach seinem Tod um Aernhofer (statt 704a lies: 704b).
die Zahlung ausstehenderForderungenihres Mannes; 65
Hartig 1931,335Nr. 704b; Dressier 1973, 47.
67
15. nach Abels Tod 1564 seinen Abschied nahm und Gewandstiicken. Ebenso bieten die weiblichen
nach Miinchen zog, wo er I570 oder I57I das Mei- Biisten alle nur denkbaren - und ja im Sinne der
sterrecht erwarb66. Er starb I62I. Gesamtwirkung wiinschenswerten - Variationen.
In den Rechnungen der fiirstlichen Hofkammer Renate von Busch hat schon 1979 darauf aufmerk-
kommt Ernhofer erstmals I572 vor. Aufier den sam gemacht, dafi in einem Codex mit Zeichnun-
Biisten des Antiquariums kennen wir an erhalte- gen Stradasnach Antiken solche Biistenvarianten
nen gesicherten Werken nur die geschnitzten Ge- vorformuliert sind68.Die Typeniibereinstimmung
stelle der Globen Albrechts V. (Abb. 5, 6)67. Kurz geht so weit, daf man daraus schliefien muf, daf
vor Weihnachten I573 hat Ernhofer wieder acht den Miinchner Handwerkern solche Vorlagen als
Biisten abgeliefert, von denen er bald danach Muster vorgegeben waren. An dieser Typenge-
schreiben konnte, dafi sie ?schon in meines gnadi- bundenheit miissen aber auch prinzipiell alle Han-
gen Fiirsten und Herrn Kunstkammer stehen< descheidungsversuche scheitern.
(Dok. VII), fiinf aus blauem Stein, drei aus rotem, Eine Ausnahme bilden solche Biisten, bei denen
zwei darunter iiberlebensgroi. Appliken in Form von Masken, Lowenkopfen und
Es erscheint verlockend, unter den >blauen<, ahnlichenMotiven doch etwas wie eine pers6nliche
d. h. den graumarmornen erhaltenen Biisten die Note zeigen. Hier bietet sich ein Stilvergleich,der
Werke Ernhofers auszumachen. Doch entziehen nicht nur zur Datierung erhaltenerBiisten verhilft,
sich die Plastiken einer solchen Fragestellung. Sie sondern einen Schrittweiter fiihrt zu einer Vorstel-
folgen verschiedenen Typen: mannliche mit und lung von der Raumausstattung unter Albrecht V.
ohne Panzer, mit und ohne Fibeln, Schlaufen, glatt Von 1584datiert eine in der Forschung seit lange-
hangenden oder iiber die Schulter geschlagenen rem debattierte, unter pers6nlicher Mitwirkung
66Volker Liedke, Das Meisterbuchder MiinchnerZunft
K6nig RupprechtIII. von der Pfalz gemacht.In diesem
der Maler, Bildhauer,Seidenstickerund Glaser (I566- Fall wurde Alexander der Grofle sicher zu Christoph
I825), Ars Bavarica 10, 1978, 21-74, hier 25 und 50;dort das von Danemark.Julius Caesar lait sich auf dem Sub-
Jahr157I.In der Stadtkammerrechnung
erlegtErnhofer traktionswegermitteln:aufwelche verbleibendeStatue
1570 das Zunftgeld; vgl. Hartig I93I, 354 Nr. 770. trifft die Beschreibung der vier namenlosen Romer
67 ohne Individualitat(>die 4 aber mag man daufen wie
Hartig I93I, 366 Nr. 810; Hartig 1926.
68ONB Cod. min. man w1l, haben khainen aigentlichen namen, seien
21/3;Symposion 8.-. 2. 1979.Das Anti-
quarium in Miinchen - Antikensammlungendes 16 nach gedunckhengemachtworden<;Diemer 1988, 126)
Jahrhunderts,Protokoll. Aufgenommen von Josefine am wenigsten zu? In Fragekommen Tassilo und Otto
Eichwald.Veranstalter: Deutsches ArchaologischesIn- von Wittelsbach, wobei das charakteristischeProfil
stitut Berlin,Zentralinstitutfur Kunstgeschichte,Bay- Ottos durchausCaesargemeint haben k6nnte.
er. Verwaltung der StaatlichenSchl6sser, Garten und 7 Im Miinchner Bayerischen Landesamtfur Denkmal-
Seen, Miinchen o.J. (1979,vervielfaltigtesManuskript); pflege habensich Fotos aus derZeit unmittelbar der
vor
vgl. Lietzmann 1988, 617 mit Abb. 2 und 3 S. 622f. Restaurierung erhalten,derenAnsichten und Beschrif-
69 >Verthailung grossen Stainenbilderin antiquario.<
der tung AufschlufS iiber die Mafgnahmen 1907 geben.
von
Schade I983, bes. 65 Abb. 37; Frosien-Leinz 1980, 315;
W/ Danach laift sich folgendes feststellen:
FL 1987 mit schwerwiegenden Fehllesungen Q 336, Christophvon Danemark: gut erhalten, Helm vorne
475f.; Diemer I988, 92-95 und 126-128, Dok. II. erneuert; restauriert von Hermann S6fner. Foto:
7?Vergleichtman die urspriinglicheBenennung und die 871004/26,27.
in der Liste festgehaltenenAnderungsplanemit dem FerdinandI.: gut erhalten,Krone abgewittert;restau-
ausgefiihrtenStatuenprogramm St. Michael,ergibt
von riert von Karl Satzinger. Fotos: 87IOO11/6,17; 87IooI/
sich folgendes Bild: unter gleichem Namen iibernom- 22,23.
men wurdenKarlder Gro/fe,Ludwig der Bayer,Maxi- sehr von Rai-
Karl der GroJ3e: gut erhalten;restauriert
milian I, Karl V. und Ferdinand. Fur Ludwig den mund Liebhaber. Fotos: 87I004/20,2I; 87I004/I6,I7.
Frommenerwog man mehrereM6glichkeitender Um- Karl V.:war 1907 bis auf die Krone gut erhalten;
restau-
benennung,Ludwig den Brandenburger (der dann fal- riert von Max Mayer. Nach dem zweiten Weltkrieg
lengelassenwurde) oder Christophvon Danemark,fiir wurden ein neuer Kopf und ein neuer Wappenschild
den sich aber mindestens ebenso sehr Alexander der (mit dem Reichswappen anstelle des urspriinglichen
Grof3eanbot; vermutlich hat man am Ende die dritte Osterreich/Ungarn) hergestellt. Fotos: 87IOOI/26,27;
M6glichkeit realisiertund aus Ludwig dem Frommen 87IOOI/28,29; 87IOOI/30,3I
68
16. Herzog Wilhelms selbst iiberarbeitete Liste von
zwolf Herrscherstatuen, die sich laut Oberschrift
damals ,in antiquario( befanden; sie sollen an die
Fassade der geplanten Michaelskirche (Abb. 7)
versetzt und dafiir teils umbenannt und heraldisch
umgeriistet werden69.Was daran im Hinblick auf
das Antiquarium Albrechts zuerst interessiert, ist
die urspriingliche Benennung der Figuren: Karl
der Grofge,Ludwig der Fromme, Ludwig IV. der
Bayer, (Kaiser) Maximilian I., Karl V., Konig Fer-
dinand, Alexander der Grofie, Julius Caesar und
vier >Romani imperatores(, deren Namen schon
1584 vergessen waren70. Hatte Albrecht etwa auch
neuzeitliche Skulpturen im Antiquarium stehen?
Die Figuren der Fassade der Michaelskirche sind
bisher nicht genauer betrachtet worden. Nach ei-
ner Restaurierung I907, bei der fiinf Figuren abge-
nommen und durch Kopien ersetzt wurden7', und
der Neufassung nach dem zweiten Weltkrieg, de-
ren klumpiger griin-goldener Wirtshausbarock-
Ludwig der Bayer: sehr gut erhalten einschliefglich
Wappen, nur das Schwert1907 erganzt;restauriert von
Raimund Liebhaber. Fotos: 871002/I2,I3; 87I003/20,21.
Maximilian I.: am Ort eine Kopie von Ludwig Sand.
Das Original steht im Hof von St. Michael. Die Figur
war 1907 rechtgut erhaltenmit AusnahmederFiifie,das
Schwertabgebrochen,der Schildmit plastischemAdler
zertriimmert.
Otto von Wittelsbach: Kopf scheint 1907 ganz er-
der
neuert worden zu sein; rechter grofger Zeh, Unterarm
und Sabel erganzt, im iibrigen gut erhalten;restauriert
von Leo Straub. Fotos: 87I004/12,13 (wohl nach der
Restaurierung); 871004/10,II; 87I004/8,9; 87Io04/I4,15.
Otho: am Ort eine Kopie von JuliusSeidler.Das Origi-
nal steht im Hof von St. Michael. Gegeniiber dem
heutigenZustandwar 1907noch die rechteHand erhal-
ten, die linke Hand wurde bei der Restaurierungnach
innen gedreht; heute liegt der Helm Karls V. bei der
Figur. Fotos: 871001/I2,13; 87Ioo1/8,9.
' ' '
Ruprechtvon der Pfalz: am Ort eine Kopie von Franz &
' -.a , --
.. *
Drechsler. Das Original steht im Hof von St. Michael,
gut erhaltenmit Ausnahme des erneuertenOrnaments 8. Hans Ernhofer zugeschrieben, Kaiser Ludwig IV.
am liegenden Helm. Fotos: 871002/2,3; 87I004/36,37. der Bayer. Miinchen, St. Michael, Fassade.
Tassilo:sehr gut erhalten,nur die Helmzier fehlte; re- Zustand 1907
stauriertvon Joseph Fritsch. Nach dem Krieg wurden
offenbar Beine und Lowe erneuert. Fotos: 871004/2,3;
871004/4,5; 87oo004/6,7; U i966/Nr. I072; U i966/Nr. tos (abgenommen, gemeinsam mit Theodovalda):
1073. 871003/8,9; 87I003/34,35.
Theodo: am Ort eine Kopie von Ludwig Dasio. Das Theodovalda:am Ort eine Kopie von Anton Wasinger.
Original steht im Hof von St. Michael. 1907 war noch Das Original steht im Hof von St. Michael. Fotos wie
die rechte Hand mit dem Wappenansatzerhalten.Fo- bei Theodo.
69
17. i.
*
i(: :1.:? - :
9. Hans Ernhofer K6nigRupprecht
zugeschrieben, III. KaiserKarlder
io. Hans Ernhoferzugeschrieben,
St.
Miinchen, Michael, Hof desJesuitenkollegs Grofe. Miinchen,St. Michael,Fassade
Anstrich72 kaum noch historische Substanz ver- offensichtlich seiner gotischen Grabplatte in der
muten lafit, scheinen sie die Kunstgeschichte nicht Miinchner Frauenkirche entlehnt ist.
mehr gereizt zu haben. Fur den neuen Ort ist der Aufschlufreich fur Datierung und Zuschreibung
Zyklus um Bildnisstatuen der bayerischen Herzo- der zwolf Herrscherfiguren aus dem Antiquarium
ge Albrecht IV., Albrecht V. und Wilhelm V. aus an St. Michael ist eine nach Jordan Prechenfelders
Terrakotta von Hubert Gerhard erweitert wor- Tod im Februar I575von seiner Witwe an den Hof
den, die I907 unrettbar ruiniert waren und durch gerichtete Bittschrift. Sie nennt u. a. folgende
Kopien ersetzt wurden73. Punkte: >>Mer auch [= auf] pevelch des wolgebor-
Die schon durch den dynastischen Bezug des nen herrn Fugger, ain Fissierung, von pildwerch,
wittelsbachisch-habsburgischen Programms na- zumb khunsthaus auf dem Jagerpiichl gemacht,
heliegende Miinchner Entstehung wird erhartet daran gearbeit mit zweichen ges6lln, pis in die 20
durch den Portrattypus Ludwigs IV. (Abb. 8), der wochenlang, hat ainem gs6llen zu sambt dem
Albrecht amOrteineKopievonGeorgAlbertsho-
IV.: aus Stuck:87I003/I6,I7, 87I003/I4,15
fer. Fotos des starkkorrodierten,1907 zerstortenOrigi- Wilhelm am Ort eine Kopievon BrunoDiamant.
V.:
nals aus Stuck: 87I004/3I; 87004/34,35. Fotos des starkkorrodierten,1907 zerstortenOriginals
AlbrechtV.:am Ort eine Kopievon Anton Schmid. aus Stuck: 87IooI/34,35; 871001/36,37.
Fotos des starkkorrodierten,1907 zerstortenOriginals 72 Zu der Mafnahme: Diemer 1988, 95 und I40 Anm. I84f.
70
18. ii. JordanPrechenfelder HerzogTheo-
zugeschrieben, 12. JordanPrechenfelder HerzogTheo-
zugeschrieben,
do. Miinchen, Michael,
St. Hof desJesuitenkollegs dovalda. St.
Miinchen, Michael, Hof desJesuitenkollegs
disch, die wochen ain Thaller geben miiessen, ver- Bezahlung fur >vierausgemachte [d. h. vollendete]
meint daran verdient zehaben 60 guldin74<. pilder75<; berechnete pro Stuck 75 fl., was be-
er
Fur eine Visierung, also einen detaillierten Ent- weist, dafi es sich nicht um Biisten handelte, die je
wurf, ist der Ansatz von 20 Wochen Arbeitszeit nach Gr6oBe I2 oder 20 fl. kosteten.
8,
fur den Meister und zwei Gesellen iuf3erst hoch; I575 ubernahm Ernhofer Prechenfelders Werk-
undenkbar, dafi man fur Biisten solchen Aufwand statt. Im September I575berichtete der herzogliche
getrieben hatte. Sollte es sich um Entwiirfe zu den Bauschreiber der Hofkammer, er habe >bei
zwolf Herrscherstandbildern handeln? unnserm g. F. u. H. angelanngt, und gebetten, Ime
Diese zunachst willkiirlich erscheinende These [Ernhofer] auf die alberaidt verferttigt (...) arbait
erhalt Wahrscheinlichkeit durch die Kombination an stainen pilden etc., 200 fl. auf Rechnung zu
weiterer Quellen mit dem stilistischen Befund. verordnen...<76.Anfang I576nun erhielt Ernhofer
Jordan Prechenfelder verlangte im Oktober 1574 die stolze Summe von 645 fl. ?per mer pilder so in
Wir revidierendie dort vertreteneMeinung, die Figu- 75Hartig 193I, S. 366 Nr. 809; BHStA,
Hofkammerproto-
ren konnten nicht aus dem Antiquariumstammen. kolle 9, I574, fol. 75, 2. Oktober.
73Diemer 1988,88, 92f. mit Abb. 90f. 76BHStA,
Hofkammerprotokolle 15,1575, fol. 255,I5. Sep-
74Miinchen,Stadtarchiv,Gewerbeamt324Ia; abgedruckt tember.
bei Diemer 1986, I55f. Dok. i.
7I
19. u. g. F. u. H. Kunst Cammer gemacht<77.Im Ok- Die Archivalien legen also die Annahme nahe,
tober desselben Jahres ist wieder von ?seiner dafi Prechenfelder Entwiirfe zu den zwolf Herr-
volbrachten arbaitetlicher.verferttigterBilder<<die scherfiguren herstellte und die ersten vier davon
Rede78.Die Summe ist bisher von der Forschung ausfiihrte, Ernhofer nach Prechenfelders Tod den
der Arbeit an den Biisten zugeschlagen worden; Auftrag mitsamt der Werkstatt iibernahm, wenn
allerdings gibt es sonst nirgends einen vergleich- er nicht schon friiher, wie auch im Fall der Biisten,
bar hohen Betrag fir Biisten, und es fillt auf, dafi am Auftrag beteiligt worden war. Dieser Kombi-
Biisten im lokalen Sprachgebrauchder Zeit sonst nation zufolge waren die Statuen spatestens I573 in
meist 'prustbilder' oder ahnlich genannt werden. Auftrag gegeben und 1576fertiggestellt worden.
Gait die Zahlung also wom6glich Ganzfiguren, im Einige Nachrichten lassen das Verhaltnis der bei-
Sprachgebrauchder Zeit eben 'bildern'? den Bildhauer zueinander ahnen. Im April I574
Zu fragen ware allenfalls, ob sich die Summe von beschwert sich Ernhofer, daf er fiir seine Biisten
75 f. auf die Restaurierung antiker Statuen bezie- weniger bezahlt bekomme als Prechenfelder, ob-
hen kann. Man wird diese M6glichkeit grundsatz- wohl dem Herzog doch seine Stiicke, die schon im
lich nicht ausschliefgen,doch erscheint auch hier- Antiquarium stehen, besser gefallen haben (Dok.
fur der Betrag zu hoch, wenn man bedenkt, dafi VII). Tatsachlich ist in den Prechenfelder-Quellen
Prechenfelder einmal fur die Erganzung eines des 6fteren von Reklamationen die Rede. Wohl
Kopfes, eines Armes sowie einiger Flickungen 16 nach Prechenfelders Tod wurde neu iiber den Ta-
fl. berechnete (Dok. II). rif verhandelt;Prechenfelder hatte fiir iiberlebens-
grofie Biisten 20 fl. erhalten, Ernhofer noch keine
solchen hergestellt. Prechenfelder war wohl der
schonbeiHof Akkreditierte,
etwasAltere79, was
in
erklart, er die ?VisierungenmAuftrag
dafi be-
kam.SeinRivaleErnhofer dagegenfiihltesich,
womoglich Recht,als derFahigere war
mit und
ehrgeizig genug, um zu versuchen, selbst einen
Carlo di Cesari Pallago vom Hof zu verdrangen8?.
Der Stilbefund geht mit solchen Oberlegungen
zwanglos iiberein. Die Figuren von St. Michael
wirken stilistisch nicht einheitlich. Die Mehrzahl,
acht, sind recht stammige Gestalten mit detailreich
dekorierten Panzern, deren Gestaltung deutlich
vom Florisstil bestimmt ist (Abb. 8, 9, 10, i6). Die
vier restlichen sind ihnen gegeniiber gelangt, sta-
tuarisch etwas unbeholfen, im Ornamentalen viel
schlichter und auch in den Kopfen weniger klein-
teilig durchgebildet, ihr Stil verweist auf lokale
Arbeiten wie die Bauinschrift in Schlofi Dachau
von I55881; an der Fassade tragen sie die Namen
77Hartig I933, 227 Nr. 838 Anm. 164.
78BHStA, Hofkammerprotokolle 19, 1576, fol. IIIv, 17.
L 44 *.. f * ;-,Bsr
.. . ... . 5 Oktober.
79 Die Daten des Meisterrechts sind 1565und 1570/71.
13. JordanPrechenfelderzugeschrieben,Herzog 80
Hartig 1933,229 Nr. 845.
Theodovalda,Detail. Miinchen,St. Michael,Hof des 8 Elmar D. Schmid und Toni
Beil, Das SchloJf Dachau.
Jesuitenkollegs Geschichte und Bedeutung der ehem. Sommerresidenz
72
20. I4. JordanPrechenfelder minnliche
zugeschrieben, I5. Hans Ernhoferzugeschrieben,
mannlicheBiiste
Biiste im AntiquariumKat.Nr. 116 im Antiquarium Kat. Nr. 142
Otto, Theodo, Theodovalda und Maximilian I. andere, Colin verwandte Stilgruppe lai3t sich
(Abb. II, I2, 13). Eine Zuschreibung der acht ?rei- verdeutlichen im Vergleich der Verzierungen
cheren< Figuren an Ernhofer liefie sich mit seiner auf Kat. I4284mit dem Panzer des >Ludwig IV.<
Mitarbeit am Innsbrucker Maximiliansgrabmal (Abb. I5, i6); der Gruppe geh6ren auf jeden Fall
und seiner Bekanntschaft mit dem Stil Alexander noch drei weitere Biisten an (Abb. 17, I8)85. Ebenso
Colins sehr gut vereinbaren. deutliche Ubereinstimmungen zeigt der Panzer
Nach dieser Quelleninterpretation waren die des ,>Tassilo<.Selbst solche motivischen Eigen-
Herrscherfiguren und die Biisten des Antiquari- tiimlichkeiten wie die Faunshorner bei Mas-
ums von denselben Bildhauern geschaffen und ken lassen sich in beiden Denkmilergruppen fin-
gleichzeitig entstanden. Stilistisch laitt sich dies den86.
zumal in Einzelmotiven des Dekors gut nach- Gerade die reiche Ausgestaltung der Panzer im
vollziehen. Man vergleiche z. B. die schlichte Florisstil wie bei >Tassilo< zeigt, daf es falsch ist,
Tierkopfapplik am Schuh des ?Theodovalda<< mit an solchen Biisten wie der schwungvollen Arbeit
der Biiste Kat. 116 (Abb. 13, 14)82, die Masken auf unter Kat. 8687?barocke Tendenzen? zu diagno-
dem Waffenrock desselben mit Kat. I3583. Die stizieren88. Man vergleiche nur die vegetabilen
Dachau 85Kat. I33 (W/FL 1987, Taf. 387), 218 (Taf. 388), 25o (Taf.
desHausesWittelsbach, I98I, I2 und I4f.;
Abb.
6f. S. I8f. Wahrscheinlich
386). gehorenauchStiicke Kat.97
wie
82 W/FL
1987, Taf. 422. (Taf. 386),139(Taf. 386)und 219 (Taf. 384)dazu.
83 86Kat. 133
W/FL 1987,Taf. 400. Dieser Stilgruppe zugehorig wirken (W/FL 1987,Taf. 387)und ,Karl V.<
auch Kat.263(Taf.388),39(Taf.400) und i (Taf.400). 87W/FL 1987, Taf. 433.
84W/FL 1987, Taf. 385. 88 VI.
W/FL 1987,S. 42 zur ?Biistengruppe<
73
21. Panzerarmel oder, mit >Ludwig IV.<, die L6wen- den Antiken bewegte, an ihnen arbeitete, dann
kopfapplik. Die Beispiele liefien sich fur beide durchaus in der Lage, in seinem Sinne >antike<
Stilgruppen vermehren (Abb. I9, 20). Sie geben Statuen zu schaffen.
durchaus ein Bild vom >Geschmack<< Skulptur
der Es fillt zunichst nicht leicht, sich diese im Gan-
unter Albrecht V., die in Qualitat und Stil dem zen wenig eleganten, im Durchschnitt mit Sockel-
gehobenen Standarddeutscher Hofe entsprach89. platte 2,20 bis 2,40 m Hohe deutlichiiberlebens-
Jenen drei Herrscherfiguren, die wir versuchs- grofen Figuren im Antiquariumsraumvorzustel-
weise Prechenfelder zuschreiben und die fur die len. Doch sind sie nicht auf Untersicht berechnet.
Fassade in die legendaren friihen Wittelsbacher Daf es sich urspriinglich trotz ihrer Gro6e wirk-
umgetauft wurden, ist ein etwas grofiformig hohl lich um Innenraumfigurenhandelte, legt ihr klein-
blickendes Gesicht eigen, wenig nuanciert und in teiliger Dekor, sogar auf der Innenseite des Schil-
deutlichem Gegensatz zu den ganz auf Colin stili- des von Ludwig dem Bayern, ebenso nahe wie die
sierten, >>individuell-knittrigen<< Gesichtern Ern- Spuren einer feinen ornamentalen Bemalung, die
hofers. So sehr einige dieser Merkmale auch bei man bei >Tassilo? auf Aufnahmen von 1907 deut-
Maximilian I. wiederkehren, wire es dennoch lich erkennen kann (Abb. i6).
wohl zu kurz gegriffen, wollte man hierin nur Die heute unregelmaiiig abgearbeitetenFiguren-
Personalstil sehen. Nach dem Augenschein sind sockel waren, wie den abgenommenen Originalen
diese drei Statuen in der Liste von 1584unter den im Hof von St. Michael zu entnehmen ist, ur-
vier >Romani imperatoressine nomine.. miterfafit: spriinglich rund mit einem Durchmesser von an-
sie seien, so der Bericht, nach Gutdiinken gemacht nahernd 84 oder 85cm. Die oft halbrund gestaltete
worden, besafien weder Portratahnlichkeit noch Riickenfolie der Figuren laiit daraufschliefien, daf
Heraldik. Ganz offenbar sind diese Statuen antiki- sie auch urspriinglich in Nischen standen. Mit
sierend gemeint. ihrer betrichtlichen H6he waren sie mit Sicherheit
Daf die antiken Plastiken fur Prechenfelder kein nicht fiir die Langwande bestimmt, deren Fenster-
ganz fremdes Gebiet waren, zeigen - fur den bis- sohlbankh6he in Zwitzels Zeichnung bei ca.
herigen Forschungsstand etwas iiberraschend9? - 1,90 m liegt. Bleiben die Schmalwande (Abb. 37,
seine Abrechnungen. 1573hatte er >4 grosse Bilder 38), iiber deren urspriingliches Aussehen man
auszubessern mit vielen Stiicken? (Dok. I), dann nichts weigf, und wo auch, unseres Wissens, nie
?> grofes Bild darauf einen neuen Kopf gemacht eine umfassende Bauuntersuchung stattgefunden
und einen neuen Arm, auch dasselbe mit etlichen hat. Kann man aus der Lokalisierung der Caesar-
Stiicken ausgebessert, dafiir i6 fl.< (Dok. III). Pre- Statue 1584>Stetmitten under dem andernfenster<<
chenfelder hat also auch Antiken im Hinblick auf schliei3en, eine Schmalwand habe im oberen Be-
die Aufstellung erginzt, wie dies in der Zeit iiblich reich zwei Fenster besessen? Solange unbekannt
war; auch Ernhofer wird solche Auftrage bekom- ist, in welchem Ausmafi die urspriingliche Treppe
men haben. So war der Bildhauer, der sich unter das Siidostende verdeckte, wird man das Vorkom-
89Auch ein Bildhauerwie der 1568 gestorbene Heinrich Frosien-Leinzscheint, gibtihrTextW/FL1987, 42-
so
Hagarth, der fur Albrecht V. Steinfiguren zu einem 45,implizitzu erkennen,ihnendas auchkaumzuge-
Brunnengemachthatte,wird den Florisstil nach Miin- trautzu haben.Diese Arbeitensind natiirlichnicht
chen transportiert in
haben;er hattebis 1563 Antwerpen mehrzu identifizieren. fallenErganzun-
Andererseits
bei CornelisFloris gearbeitetund war dannvon Arnold gen derAntikenauf,die mannichtaufBildhauer wie
Abel zur Mitarbeitam Maximiliansgrab berufen wor- Hubert Gerhard mochtewegen ihrer
zuriickfiihren
den (Hartig 193I, 348f.Nr. 75oa.),wo er bis S566unter Ungelenkheit, diegutz. B. von einemPrechenfel-
und
AlexanderColin arbeitete(Dressler1973, 47 und I36
12, der stammen k6nnten, die Beinevon W/FL1987,
vgl.
Anm. 35). Kat. I5I (Taf. 192), 164 (Taf. 20o), I65 (Taf. 202), i66 (Taf.
90Bisher es keineHinweise
gab darauf, Hofbildhauer
dag 203) und I75 (Taf. 210).
Albrechtsan Antikenerganzungen haben.
gearbeitet 9'Vgl. Anm. 28.
74