Aus Sicht der Akteure, die regionale Innovationsstrategien
vorantreiben wollen, existieren drei wesentliche Barrieren:
• Mangelndes Bewusstsein für die Notwendigkeit regionaler
Innovationsstrategien. Die Wirtschaft in Baden-
Württemberg entwickelt sich seit Jahren überaus
erfreulich; die Unternehmen können den nationalen
und internationalen Bedarf kaum decken. In solchen
Boom-Zeiten ist es schwierig, den regionalen Akteuren
zu vermitteln, warum regionale Entwicklungskonzepte
für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung
notwendig sind. Außerdem ist die Thematik für manche
Akteure noch vergleichsweise neu oder lässt sich
zum Tagesgeschäft dazu nicht verfolgen.
• Das fehlende Wissen, wie regionale Innovationskonzepte
entwickelt werden sollen. Da die Entwicklung
von regionalen Innovationsstrategien zur Steigerung
der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bisher in
der Regel nicht im Verantwortungsbereich der regionalen
Akteure lag, existiert ein vergleichsweise geringes
Wissen, wie dieser Prozess zu gestalten ist und wie
die Ergebnisse in der Region zu kommunizieren sind.
• Fehlende Instrumente für die Konzeption und Implementierung
regionaler Innovationsstrategien.
Die zukünftige Herausforderung besteht also darin, diese
Barrieren und Unsicherheiten der potenziellen Akteure,
die für die Entwicklung und Umsetzung von derartigen
regionalen Entwicklungskonzepten im Sinne eines kontinuierlichen
regionalen Verbesserungsprozesses zuständig
sind, zu beseitigen.
Die Studie zeigt, welche Rolle Cluster Initiativen in diesem Kontext spielen können
3. 1Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Inhalt
1 Einleitung.......................................................................................................................................................3
2 Der Innovationswettbewerb RegioWIN ......................................................................................................5
2.1 Wesentliche Erkenntnisse des Wettbewerbes.......................................................................................6
2.2 Weiterführung der regionalen Innovationsstrategien..............................................................................7
3 Wesentliche Akteure eines regionalen
Innovationsstrategie-Prozesses....................................................................................................................8
3.1 Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Wirtschaftsstrukturen..............................................................9
4 Neue Instrumente für die Entwicklung regionaler Innovationsstrategien unter
Einbindung von Cluster-Initiativen .............................................................................................................12
4.1 Regionales Cluster-Portfolio....................................................................................................................12
4.2 Dashboard Cluster-Services ...................................................................................................................15
4.3 Innovationsausblick.................................................................................................................................16
4.4 Entrepreneurial Discovery Workshop......................................................................................................18
5 Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext
regionaler Innovationsstrategien ................................................................................................................20
5.1 Baden-Württemberg ...............................................................................................................................20
5.1.1 Smarte Clusterentwicklung in Mannheim – Integrierter Ansatz der
kommunalen Wirtschaftsförderung.............................................................................................22
5.1.2 Technologieverbund als „Cross-Sektorales-Dach“ in der ländlich geprägten
Industrieregion Schwarzwald-Baar-Heuberg................................................................................24
5.2 Freie und Hansestadt Hamburg...............................................................................................................26
5.2.1 Hamburg – Cluster-Brücken mit System......................................................................................26
5.3 Europäische Regionen ............................................................................................................................28
5.3.1 IDM Südtirol – vom Cluster zum regionalen Ecosystem-Ansatz...................................................28
5.3.2 Süddänemark – Cluster-Initiativen als Koordinator regionaler Kooperationsmodelle....................29
6 Implikationen für Baden-Württemberg........................................................................................................31
7 Literaturverzeichnis.......................................................................................................................................33
8 Abkürzungsverzeichnis.................................................................................................................................34
4. 2 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
5. 3Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Einleitung
1 Innovationsstrategie Baden-Württemberg (2013), https://wm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-wm/intern/Publikationen/Innovation/InnovationsstrategieBW.pdf.
2 Vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Forschungs- und Entwicklungsmonitor Baden-Württemberg, in: Statistische Analysen 2/2016, S. 7.
1 Einleitung
Baden-Württemberg hat sich erfolgreich den Herausfor-
derungen der Globalisierung in den vergangenen Jahr-
zehnten gestellt. Es ist ein industrie- und exportinten-
sives Bundesland, das einerseits Industriegiganten von
Weltruf beherbergt, andererseits aber nach wie vor durch
eine mittelständische Wirtschaftsstruktur geprägt ist. Zu-
dem verfügt Baden-Württembergs Wirtschaft über eine
Reihe von sehr starken Clustern, eine hohe Forschungs-
und Technologiekompetenz, eine ausgeprägte Internati-
onalität und das Zusammenspiel von Großunternehmen
und Mittelstand.
Gleichzeitig besteht kein Zweifel, dass den Regionen in
Baden-Württemberg signifikante strukturelle Herausfor-
derungen bevorstehen. Die Veränderung traditioneller,
lange bewährter Strukturen stellt für Regionen, Landkrei-
se, Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg eine
entsprechende Herausforderung dar. Die Digitalisierung,
der Trend zur Elektromobilität und die zunehmende Kon-
vergenz von Technologien verändern traditionelle Sek-
toren und Industrien in ihrem Kern oder transformieren
diese signifikant. Die Notwendigkeit, Dinge zu verändern
und sich dabei auf eigene Stärken und Ideen zu besinnen,
eröffnet den Regionen und ihren Akteuren aber auch ganz
neue Perspektiven und Chancen. Dabei ist es das Ziel der
Wirtschaftspolitik des Landes, durch die Schaffung ef-
fektiver wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen das
überdurchschnittliche Beschäftigungs- und Wohlstands-
niveau Baden-Württembergs zu erhalten und dabei mit-
zuwirken, dass sich die Unternehmen des Landes den
veränderten nationalen und internationalen Herausforde-
rungen erfolgreich stellen können und die Wettbewerbs-
fähigkeit des Landes weiter ausgebaut wird.
In Baden-Württemberg wurde die Wichtigkeit der regi-
onalen Innovationsakteure und Unterstützungsinstituti-
onen (Intermediäre) schon frühzeitig erkannt. Folgerich-
tig wurde der strategische Ansatz der Innovationspolitik
seit langem dynamisch und iterativ weiterentwickelt. So
wurden im Laufe der Jahre Plattformen und Gremien
geschaffen, um den Dialog zwischen den Akteuren aus
Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu initiieren. In die-
sem Kontext wurden gemeinsam konkrete wirtschafts-
politische Ziele formuliert und Maßnahmen durchgeführt.
Es wurde z. B. schon in den 1990er Jahren mit dem Inno-
vationsrat ein Instrument geschaffen, das den Austausch
zwischen den verschiedenen Akteuren ermöglicht hat.
Aus diesen ersten Erfahrungen sind im Laufe der Zeit
verschiedenste Dialogformate entstanden (Abbildung 1).
Hierbei ist vor allem der Regional-Dialog als wichtiges
Instrument zu nennen. Im Rahmen der Regional-Dialoge
begleitete bzw. begleitet das Land die regionalen Akteure
bei der Implementierung eines kontinuierlichen Verbes-
serungsprozesses zur Mobilisierung der in den Regionen
vorhandenen Potenziale und zur Verbesserung regionaler
Standortfaktoren.
Es ist nicht verwunderlich, dass Baden-Württemberg seit
Jahren einen Spitzenplatz unter den innovativsten Regi-
onen in Europa einnimmt2
. Dieses gute Innovationsran-
king ist u. a. auf die hohen Aufwendungen für Forschung
und Entwicklung und die Innovationskraft der Unterneh-
Abbildung 1: Formate der dialogorientierten Innovations- und Wirtschaftspoli-
tik in Baden-Württemberg1
Themen
dialoge
u. a.:
• Fachkräfte
allianz
• Ausbil-
dungs-
bündnis
• Cluster
dialog
• Rohstoff
dialog
Implementierung / Umsetzung
• Wirtschaftsgespräche mit
Kammern, Verbänden, Gewerk-
schaften
Branchen-/
Sektordialoge
u. a.:
• Automobil
• Gesund-
heitsindus-
trien
• IKT
• Kreativ
wirtschaft
• Logistik
• Luft- und
Raumfahrt
• Maschinen-
bau
Regional
dialoge
u. a.:
• Pro-aktive
Regional-
Dialoge
• Situations-
bezogene
Regional-
Dialoge
6. 4 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Einleitung
men zurückzuführen. Die gute FuE-Infrastruktur und die
Existenz bzw. das Zusammenwirken der Innovations-In-
termediäre fördern außerdem diese Innovationskraft der
Unternehmen. Die über Jahre hinweg etablierte Cluster-
und Netzwerklandschaft hilft Unternehmen, die richtigen
Partner zu finden und in „geschützten“ Räumen mitei-
nander zu kooperieren. Bei genauerer Betrachtung wird
aber auch deutlich, dass die Innovationsfähigkeit der
Sub-Regionen innerhalb Baden-Württembergs teilweise
sehr unterschiedlich verteilt ist, wie Abbildung 2 zeigt.
Weiterhin wird deutlich, dass die Beteiligung von kleinen
und mittleren Unternehmen am Innovationsgeschehen
über Jahre hinweg kontinuierlich zurückgegangen ist4
.
Diese Tatsache zeigt kontinuierliche und perspektivisch
auch strukturelle Risiken für den Wirtschafts- und Innova-
tionsstandort Baden-Württemberg. Weitere Risiken sind
auch darin zu erkennen, dass die guten Innovationswerte
bei den FuE-Aufwendungen durch wenige Branchen und
in diesen durch wenige Global Player gestellt werden. Es
ist daher davon auszugehen, dass die Ursachen für die
unterschiedliche Innovationskraft auf der subregionalen
Ebene in den regional sehr unterschiedlichen Herausfor-
derungen in Bezug auf Wirtschaftsstruktur, Topografie,
Demografie und Vernetzung zwischen den Innovations-
akteuren zu finden sind5
. Hierbei ist darauf zu achten,
dass mögliche Konzepte für die Weiterentwicklung bzw.
Anpassung der Regionen an die zukünftigen Herausfor-
derungen aufgrund der subsidiären Aufgabenverteilung
in Baden-Württemberg nur von den Akteuren auf der
subregionalen Ebene entwickelt und umgesetzt werden
können.
Abbildung 2: Innovationsfähigkeit der Regionen Baden-Württembergs3
3 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.
4 Baden-Württembergischer Handelskammertag (Hrsg.): Technologiepolitik in Baden-Württemberg 2015, S. 2.
5 Magdalena Häberle, RegioWIN – Interregional Competition as a means of successfully involving regional stakeholders in Smart Specialisation and bottom-up approach für ITI,
Ministry of Economic Affairs, Labour and Housing Baden Württemberg, 2016.
7. 5Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Der Innovationswettbewerb RegioWIN
2 Der Innovationswettbewerb RegioWIN
Um für die Regionen in Baden-Württemberg bei der Ver-
besserung der Standortfaktoren in den funktionellen Räu-
men des Landes (d. h. unterhalb von NUTS I) Unterstüt-
zung zu leisten, initiierte das Ministerium für Wirtschaft,
Arbeit und Wohnungsbau (WM) im Zusammenwirken
mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und
Kunst sowie dem Ministerium für Ländlichen Raum und
Verbraucherschutz den zweistufigen, sog. Innovations-
wettbewerb RegioWIN (Regionale Wettbewerbsfähig-
keit durch Innovation und Nachhaltigkeit). Gleichzeitig
transformierte dieser erstmals auch die Fortführung des
Ansatzes der intelligenten Spezialisierung (S3) auf regi-
onaler Ebene. Aus Sicht Baden-Württembergs stellt der
Ansatz der intelligenten Spezialisierung ein für die regi-
onale Entwicklung hilfreiches Konzept dar. Im Idealfall
geht es darum, auf der Ebene des entsprechenden funk-
tionalen Raums das regionale Stärkespektrum (Stärkefel-
der) zu ermitteln und dieses durch eine Orientierung der
öffentlichen Investitionen möglichst gut zu stabilisieren
bzw. auszubauen, um damit einen Beitrag zur Stärkung
des Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums zu leis-
ten. Wichtig ist hierbei, dass sich die regionalen Strategi-
en auf die Schwerpunktfelder von Baden-Württemberg
beziehen, gleichzeitig aber auch die existierenden Stärke-
felder in den entsprechenden Regionen berücksichtigen.
Durch RegioWIN wurden Regionen, Landkreise, Städte
und Gemeinden motiviert, sich mit den relevanten Ak-
teuren aus Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung eine
gemeinsame Zukunftsstrategie im Sinne der intelligenten
Spezialisierung für einen funktionalen Raum zu erarbeiten
(regionale Entwicklungskonzepte). Auf eine Definition der
Region wurde bewusst verzichtet, damit sich die Akteure
frei zusammensetzen konnten. Allerdings musste dabei
das Prinzip der Einräumigkeit bewahrt werden. Das be-
deutet, eine Stadt oder ein Landkreis durfte nur an einem
Strategiekonzept mitarbeiten, aber nicht an unterschied-
lichen.
Zielgruppe des Wettbewerbs waren vor allem regiona-
le Akteure, die die konzeptionelle und strategische Ent-
wicklung des funktionalen Raumes und deren spätere
Umsetzung mitgestalten. Dazu gehören u. a. relevante
Akteure aus den Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft,
Gesellschaft und Verwaltung in den Regionen. Dies konn-
ten beispielsweise Städte, Gemeinden, Kreise, Verbän-
de, Kammern, Wirtschaftsförderungsgesellschaften etc.
sein.
Wettbewerbsteilnehmer/-innen waren regionale Partner
und Multiplikatoren, die für den Wettbewerbsbeitrag ver-
antwortlich waren und eine wesentliche koordinierende
Rolle im regionalen Entwicklungsprozess übernahmen.
Sie kamen in der Regel aus den Reihen der regionalen
Akteure, die für die Entwicklung des funktionalen Rau-
mes eine umfassende Verantwortung und Zuständigkeit
haben, z. B. Gebietskörperschaften, Kammern, Verbände,
Gewerkschaften.
Eine wichtige Rolle im Kontext der v. g. regionalen Part-
ner kommt den Cluster-Initiativen zu. Durch Nähe zu den
Zielgruppen der KMU, Innovationsakteure einerseits aber
auch Wettbewerbsteilnehmer/-innen andererseits, konn-
ten sie sowohl einen koordinierenden als auch einen
fachlichen Input leisten. Die Intensität der Einbindung
der Cluster-Initiativen variierte bei RegioWIN jedoch stark
zwischen den Regionen bzw. den Wettbewerbsteilneh-
mer/-innen.
Der Wettbewerb untergliederte sich in zwei Phasen.
• In der ersten Phase waren regionale Vertreter dazu
aufgerufen, für selbst definierte regionale Räume
eine Strategie zu entwickeln, die eine gemeinsa-
me Zielsetzung für ein regionales Innovations- und
Wachstumsprofil beinhalten. Basieren sollte diese
Zielsetzung auf einer sozioökonomischen Analyse und
gemeinsamen Verständigung der regionalen Akteure
über Stärken / Schwächen sowie Chancen / Risiken in
der Region. In diesen Konzepten sollten außerdem
schon erste Leuchtturmprojekte zur Erreichung der
gesetzten Ziele erarbeitet werden. Eine unabhängige
und interdisziplinäre Jury bewertete die eingereichten
Wettbewerbsbeiträge und wählte die besten Beiträge
für die zweite Wettbewerbsphase aus. Insgesamt
wurden 14 Konzepte eingereicht, elf Regionen wurden
aufgefordert, sich an der zweiten Wettbewerbsphase
zu beteiligen. Sie erhielten für die Weiterentwicklung
ihrer Konzepte ein Budget jeweils von ca. 50.000 Euro.
• Die Strategiekonzepte aus der ersten Phase des Wett-
bewerbs galt es in der zweiten Phase zu regionalen
Entwicklungskonzepten weiterzuentwickeln. Vor allem
die Leuchtturmprojekte mussten weiter konkretisiert
werden. So musste ein detaillierter Kosten-, Finanzie-
rungs- und Zeitplan für die Projekte erstellt werden.
Letztlich mussten diese bei der Antragstellung umset-
9. 7Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Der Innovationswettbewerb RegioWIN
einer gesamten regionalen Entwicklungsstrategie) erfolg-
reich platziert.
2.2 Weiterführung der regionalen Innovations-
strategien
RegioWIN war ein wichtiger erster Schritt, um die regi-
onalen Akteure besser miteinander zu vernetzen und zu
einem gemeinsamen regionalen Handeln zur Stärkung
des regionalen Wirtschaftsstandorts zu bewegen. Damit
wurde in den Regionen eine gute Grundlage geschaf-
fen, um eine weitere Konkretisierung des innovativen
Leistungsprofils, beispielsweise in Bezug auf regionale
Alleinstellungsmerkmale in der Innovationskraft oder in
den industriellen Stärken oder in einer Verschränkung
der einzelnen Kompetenz- und Technologieprofile, in de-
nen primär die künftigen innovationspotenziale liegen,
anzugehen, die über eine allgemeine Beschreibung (wie
z. B. Automotive, Maschinenbau, IKT etc.) hinausgehen.
Wichtige Aspekte einer regionalen Innovationsstrategie
lassen sich auf diese Weise finden. Einzelne Räume,
wie z. B. die Stadt Mannheim, die Metropolregion Rhein-
Neckar oder die TechnologieRegion Karlsruhe oder auch
der Ostalbkreis haben über Jahre hinweg solch regionale
Innovationskonzepte rudimentär entwickelt oder bereits
implementiert.
Aus Sicht der Akteure, die regionale Innovationsstrategi-
en vorantreiben wollen, existieren drei wesentliche Bar-
rieren:
• Mangelndes Bewusstsein für die Notwendigkeit re-
gionaler Innovationsstrategien. Die Wirtschaft in Ba-
den-Württemberg entwickelt sich seit Jahren überaus
erfreulich; die Unternehmen können den nationalen
und internationalen Bedarf kaum decken. In solchen
Boom-Zeiten ist es schwierig, den regionalen Akteu-
ren zu vermitteln, warum regionale Entwicklungskon-
zepte für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung
notwendig sind. Außerdem ist die Thematik für man-
che Akteure noch vergleichsweise neu oder lässt sich
zum Tagesgeschäft dazu nicht verfolgen.
• Das fehlende Wissen, wie regionale Innovationskon-
zepte entwickelt werden sollen. Da die Entwicklung
von regionalen Innovationsstrategien zur Steigerung
der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bisher in
der Regel nicht im Verantwortungsbereich der regiona-
len Akteure lag, existiert ein vergleichsweise geringes
Wissen, wie dieser Prozess zu gestalten ist und wie
die Ergebnisse in der Region zu kommunizieren sind.
• Fehlende Instrumente für die Konzeption und Imple-
mentierung regionaler Innovationsstrategien.
Die zukünftige Herausforderung besteht also darin, diese
Barrieren und Unsicherheiten der potenziellen Akteure,
die für die Entwicklung und Umsetzung von derartigen
regionalen Entwicklungskonzepten im Sinne eines kon-
tinuierlichen regionalen Verbesserungsprozesses zustän-
dig sind, zu beseitigen. Zudem muss es darum gehen, sie
dabei aktiv zu unterstützen und einen Grundstein dafür zu
schaffen, dass möglichst alle Regionen in Baden-Würt-
temberg auf den bevorstehenden strukturellen und tech-
nologischen Wandel vorbereitet sind.
10. 8 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Wesentliche Akteure eines regionalen Innovationsstrategie-Prozesses
3 Wesentliche Akteure eines regionalen
Innovationsstrategie-Prozesses
Unter anderem hat der RegioWIN-Prozess gezeigt, dass
neben einem klaren Commitment der Region ein weite-
rer wesentlicher Erfolgsfaktor für ein bedarfsgerechtes,
zukunftsorientiertes regionales Entwicklungskonzept
die aktive Einbindung und Mobilisierung der passenden
Akteure einer Region (regionale Akteure) ist. Wichtig ist
hierbei auch die richtige „Mischung“ von zu involvieren-
den Institutionen und Personen. Folgende Eigenschaften
sollten vertreten sein:
• Gutes Verständnis für die Stärken und Schwächen
in der Region: Für die Identifikation zukünftiger, spe-
ziell für die Region relevanter Trends und zu erwarten-
der strukturverändernder Prozesse ist es wichtig, dass
ein vertiefendes Verständnis über die Stärken und
Schwächen einer Region bei den involvierten Akteu-
ren vorliegt. Die Ist-Analyse (inkl. einer Bewertung der
innovationsorientierten Stärken und Schwächen) steht
oftmals am Beginn eines regionalen Entwicklungskon-
zeptes.
• Kompetenz in den Bereichen Regionalpolitik, Wirt-
schaft und Forschung: Regionale Entwicklungs-
konzepte zielen auf die nachhaltige Steigerung der
Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit einer Region.
Sie adressieren damit in der Regel Aspekte der Wirt-
schaft, Wissenschaft und Regionalpolitik bzw. -ent-
wicklung. Die entsprechenden Rahmenbedingungen
werden in der Regel auf subregionaler und regionaler
(und gesamtstaatlicher) Ebene bestimmt. Daher
sollten diese Kompetenzen in angemessener Art und
Weise vertreten sein.
• Erfahrung und Akzeptanz: Wichtig ist, dass die
wesentlichen involvierten Akteure sowohl hinsichtlich
der Institution als auch der Person als Instanz in der
Region respektiert und anerkannt werden.
Der Grad der Einbindung der Akteure ist über den Ent-
wicklungsprozess hinweg nicht immer gleichbleibend. In
der Regel unterteilt sich die Erarbeitung eines regionalen
Entwicklungskonzeptes in drei wesentliche Schritte, wie
in Abbildung 4 dargestellt.
Die Herausforderung besteht darin, die Unterschiedlich-
keit der Akteure zu beachten und diese zum richtigen
Zeitpunkt in den Entwicklungs- und Umsetzungsprozess
einzubeziehen. Abbildung 5 zeigt die wesentlichen Ak-
teure eines regionalen Entwicklungsprozesses und ihre
Einbindung entsprechend den Phasen der Entwicklung
einer regionalen Innovationsstrategie.
Eine aktive Einbindung in diesem Zusammenhang be-
deutet, dass die jeweilige Akteursgruppe in dieser Phase
eine tragende Rolle einnehmen sollte. Das heißt, dass
sie den Prozess mitgestalten sowie ihr Wissen und ihre
Erfahrung einbringen soll. Hier wird noch unterschieden
zwischen einer aktiven Einbindung, die zwingend not-
wendig ist, und einer wünschenswerten Einbindung.
Eine reaktive (bedarfs- und anlassbezogene) Einbindung
bedeutet, dass diese Akteursgruppe bei Bedarf punktuell
eingebunden werden sollte.
Bei eingehender Betrachtung der Abbildung 5 wird deut-
lich, dass Wirtschaftsförderer und Cluster-Initiativen eine
besonders aktive Rolle während aller Phasen eines regi-
onalen Entwicklungsprozesses einnehmen können. Dies
ist nicht verwunderlich, da beide Akteursgruppen in der
Region in der Regel das Potenzial und das Aktionsspekt-
rum haben, um sehr gut mit Wirtschaft und Wissenschaft
vernetzt sein und somit deren Stärken und Schwächen
gut kennen zu können. Gerade Cluster-Initiativen reprä-
sentieren eine signifikante Gruppe von Akteuren aus Wis-
senschaft und Wirtschaft in einem bestimmten Kompe-
tenzfeld.
Abbildung 4: Wesentliche Phasen eines regionalen Entwicklungsprozesses
(Quelle: ClusterAgentur Baden-Württemberg [2017])
Implementierung / Umsetzung
Strategische Schwerpunktsetzung
Analyse regionaler Stärken und Schwächen
11. 9Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Wesentliche Akteure eines regionalen Innovationsstrategie-Prozesses
Abbildung 5: Einbindung der verschiedenen Akteure in den verschiedenen Phasen der Entwicklung einer regionalen Innovationsstrategie
Akteure eines regionalen Entwicklungsprozesses
Analyse
Unter-
nehmen
Wirtschaft Regionalentwicklung
Regionale Potenziale
Globale Mega Trends
Identifizierung struktur
veränderter Prozesse
Festlegung strategischer
Themenschwerpunkte
Entwicklung
Instrumente / Methoden
Durchführung von
Aktivitäten und Maßnahmen
Umsetzung
Evaluation und Performance
Measurement
Cluster-
Initiativen
UNI /
HS / FI
Forschung
Regional
politik
Politik
TTZ / IZ
Technolo-
gietransfer
Aktive Einbindung notwendig Aktive Einbindung wünschenswert Reaktive Einbindung
Kammern /
Verbände
WiFö
3.1 Cluster-Initiativen im Kontext regionaler
Wirtschaftsstrukturen
Cluster-Initiativen sind Netzwerke, in denen in einem
konkreten Kompetenzfeld oder einer Technologie die
innovationsorientierten Kooperationsbeziehungen zu-
nehmend strategisch und systematisch abgestimmt
sind, gezielt Kompetenz- und Wertschöpfungslücken ge-
schlossen werden und alle Aktivitäten durch eine Cluster-
management- oder Trägerorganisation koordiniert bzw.
durchgeführt werden. In der Regel sind Cluster-Initiativen
als Teil der Wirtschaftsförderung oder des Technologie-
transfers in die regionale Struktur- und Innovationspolitik
eingebunden8
. Die Clusterpolitik in Baden-Württemberg
unterstützt systematisch Entwicklung und Ausbau von
solchen Cluster-Initiativen und landesweiten Innovations-
netzwerken. Besondere Schwerpunkte liegen dabei auf
branchen- oder technologiefeldübergreifenden Koope-
rationen sowie Maßnahmen zur Internationalisierung.
Erklärtes Ziel der Clusterpolitik des Landes Baden-Würt-
temberg ist es, Clustermanagementstrukturen weiter zu
professionalisieren und zur Steigerung der Qualität der
Clustermanagements beizutragen9
. Die ClusterAgentur
Baden-Württemberg ist hierbei ein zentrales Instrument
des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungs-
bau, den Prozess zur Professionalisierung und Internati-
onalisierung der Clustermanagements voranzutreiben10
.
Entscheidend für den Erfolg einer Cluster-Initiative ist,
dass die Cluster-Akteure aufgrund einer gemeinsamen
Zielsetzung und Strategie in der systematischen und or-
ganisatorisch verorteten Zusammenarbeit einen höheren
8 Vgl. Analytische und konzeptionelle Grundlagen zur Clusterpolitik in Baden-Württemberg. 2008.
9 Cluster-Atlas Baden-Württemberg 2016, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, https://www.clusterportal-bw.de/fileadmin/media/Download/
Downloads_Publikationen/Regionaler_Cluster-Atlas_Baden-Wuerttemberg_2016.pdf.
10 www.clusteragentur-bw.de.
12. 10 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Wesentliche Akteure eines regionalen Innovationsstrategie-Prozesses
Abbildung 6: Schematische Darstellung ausgewählter Charakteristika der Strategieentwicklung von Unternehmen, Cluster-Initiativen und Regionen
Charakteristika Unternehmen Cluster-Initiative Region
Fokus Einzelnes Unternehmen Viele unterschiedliche
Akteure (triple Helix),
regionaler Fokus
Viele unterschiedliche
Akteure (triple Helix),
regionaler Fokus
Ziel Gewinn, Wettbewerbs-
fähigkeit, Wachstum
Wettbewerbs- und Inno-
vationsfähigkeit
Wettbewerbsfähig-
keit, Verbesserung der
Standortfaktoren
Top-down / Bottom-up Top-down Integrativ Bottom-up Integrativ Bottom-up
Akteurseinbindung Management, evtl.
Berater
Kernakteure, Interme-
diäre
Intermediäre, ausge-
wählte Akteure
Komplexität der
Implementierung
Gering - mittel Mittel - hoch hoch
Zeithorizont Kurz- bis mittelfristig Mittel- bis langfristig Mittel- bis langfristig
Einzel- und Gesamtnutzen erreichen, der ansonsten nicht
realisierbar wäre. Konträr zu überregional und landesweit
ausgerichteten Netzwerken und losen Kooperationsfor-
men zeichnen sich Cluster-Initiativen dadurch aus, dass
sie grundsätzlich regional verortet sind und gezielt inno-
vative Kooperationspotenziale systematisch aktivieren,
um Synergien und Wachstum zu generieren.
Durch die intensive und insbesondere frühzeitige Zusam-
menarbeit zwischen Unternehmen und Forschungsinsti-
tutionen beschleunigt sich der Wissenstransfer. Dadurch
profitieren zum einen Unternehmen von den Forschungs-
ergebnissen, die somit innovative Produkte und Dienst-
leistungen sowohl schneller als auch wettbewerbsfähi-
ger in den Markt bringen können, zum anderen finden
Forschungseinrichtungen effektiver Wirtschaftspartner
für die Umsetzung ihrer Forschungsprodukte. Cluster-Ini-
tiativen sind dadurch in der Lage, die Innovationsfähigkeit
der Unternehmen bedeutend zu steigern und zur Profil-
bildung sowie Positionierung von Regionen im internatio-
nalen Wettbewerb beizutragen. Dabei sind Cluster-Initia-
tiven, die von der räumlichen Agglomeration der Akteure
profitieren, mehr als ein loses Beziehungsgeflecht. Sie
agieren zielorientiert, unterstützen die Kompetenzent-
wicklung, den Wissensaustausch, die Innovationsgene-
rierung und sind an den Erfordernissen einer Wissens-
gesellschaft sowie der fortschreitenden Globalisierung
ausgerichtet. Hierzu bedarf es einer professionellen Ko-
ordination, die in der Regel ein Cluster- bzw. Netzwerk-
management übernimmt11
.
Durch ihr Wirken im Sinne der Mitglieder aus Wissen-
schaft und Wirtschaft leisten Cluster-Initiativen einen
wichtigen Beitrag zur Clusterentwicklung. Eine gestei-
gerte Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Mitglie-
der einer Cluster-Initiative leistet auch einen Beitrag zur
Wettbewerbsfähigkeit der Region, vor allem dann, wenn
die Cluster-Initiative eine kritische Masse an Clusterak-
teuren hat. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele
Cluster-Initiativen in Baden-Württemberg an Wirtschafts-
förderungsinstitutionen (und auch IHKs) angesiedelt sind
bzw. von diesen unterstützt werden.
In der Vergangenheit haben die Cluster-Initiativen primär
Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft unterstützt.
Die damit verbundenen Dienstleistungen und Services
spiegeln oftmals die gesamte Breite der Bedarfe dieser
Kundengruppe wider (Networking, Matching, Aus- und
Weiterbildung, Arbeitsgruppen, Cross-Clustering, Tech-
nologietransfer, Internationalisierung etc.). Cluster-Initi-
ativen stellen aber auch geeignete Instrumente dar, die
von Wirtschaftsförderern und anderen regionalen Ak-
teuren im Kontext regionalpolitischer Strategieprozesse
genutzt werden können. Somit repräsentiert eine Clus-
ter-Initiative in der Regel eine Teilmenge an Akteuren ei-
ner Region. In Baden-Württemberg haben Cluster-Initiati-
11 Lämmer-Gamp, Thomas, Meier zu Köcker, Gerd: “Clusters are Individuals. New Findings from the European Cluster Management and Cluster Program Benchmarking”,
Copenhagen, Berlin, 2012.
13. 11Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Wesentliche Akteure eines regionalen Innovationsstrategie-Prozesses
Abbildung 7: Leistungen, die Cluster-Initiativen bzw. deren Managements im Kontext regionaler Entwicklungskonzepte erbringen (250 befragte Akteure aus 25
Regionen; Mehrfachnennungen möglich, Befragungszeitraum 2016 / 2017)13
Kernakteur bei der Erarbeitung der
Entwicklungsstrategie
Aktives Mitwirken in Strategiesitzung
Erarbeitung von Strategie- oder
Diskussionspapieren
Teilnahme an Strategie-Workshops
Nominierung von Experten aus der
Cluster-Initiative
kleine fachliche Beiträge auf Nachfrage
100 %60 % 80 %40 %0 % 20 %
12 Regionaler Cluster-Atlas Baden-Württemberg 2016, https://www.clusterportal-bw.de/clusterdaten/cluster-atlas-baden-wuerttemberg/.
13 Meier zu Köcker, Gerd; Dermastia, Mateja; Keller, Michael, (2017) “StressTesting Regional Approaches Conducive to Implement S3 through Clusters”,
Synthesis Report, DOI: 10.23776/001.
ven durchschnittlich rund 60 Mitglieder12
. Des Weiteren
haben sie oftmals Erfahrungen in Bezug auf Strategieent-
wicklung in ähnlichen Kontexten, da eine Clusterstrategie
immer eine regionale, mitgliederbezogene Komponente
beinhaltet. Abbildung 6 zeigt die Ähnlichkeit von Cluster-,
Unternehmens- und Regionalstrategien.
Wie mögliche Unterstützungsleistungen von Cluster-Initi-
ativen bzw. deren Clustermanagements für Wirtschafts-
förderer und andere regionale Akteure im Kontext der
Erarbeitung eines regionalen Entwicklungskonzeptes
aussehen und in welcher Intensität diese nachgefragt
werden, zeigt Abbildung 7. Zu diesem Thema wurden
rund 250 Akteure aus 25 Regionen (Clustermanager/-in-
nen, Wirtschaftsförderer, Kammern und andere Interme-
diäre) in ganz Europa befragt. Auch wenn diese Ergebnis-
se nicht alle Regionen Europas repräsentieren, so zeigen
sie doch, dass Cluster-Initiativen oftmals bei der Entwick-
lung von regionalen Innovationsstrategien eingebunden
werden. Neben der Bereitstellung von Fachexpertise
nehmen sie oftmals eine aktive Rolle im Strategieprozess
ein.
15. 13Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Neue Instrumente für die Entwicklung regionaler Innovationsstrategien unter Einbindung von Cluster-Initiativen
hohe Agglomeration („kritische Masse“) als auch eine
hohe Wettbewerbsfähigkeit der Akteure. Ein wesentli-
ches Element einer regionalen Innovationsstrategie ist
letztlich auch die Identifikation und Förderung von Innova-
tionen an sektoralen Schnittstellen, die in der Regel zwi-
schen regionalen Stärken (Cross-Clustering) stattfinden.
Gerade bei der Förderung von Innovationen an sektora-
len Schnittstellen können Cluster-Initiativen eine wichtige
Rolle spielen, um die Akteure im Sinne eines cross-sek-
toralen Ansatzes zusammenzubringen. Für die Ausgangs-
betrachtung der Stärken und Schwächen einer Region
ist es daher wichtig zu wissen, welches die regionalen
Stärken (Cluster) sind und ob es ausreichend entwickelte
Akteure gibt, die Innovations- bzw. Transformationspro-
zesse initiieren können (z. B. Cluster-Initiativen).
Die Betrachtung eines regionalen Cluster-Portfolios bildet
hierfür eine gute Grundlage. Konkret werden die Stärken
von Clustern und die Exzellenz von Cluster-Initiativen ge-
messen und gegenübergestellt, um damit im nächsten
Schritt ein regionales Cluster-Portfolio zu erstellen.
Die Messung der Stärke der Cluster einer Region kann
auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Wichtig ist
hierbei, die Cluster und deren Sektoren realistisch abzu-
bilden. Eine gute Möglichkeit ist die Anwendung der Me-
thodik des European Cluster Observatory, basierend auf
einem errechneten Clusterstärke-Index15
. Dieser Index
wird anhand der Multiplikation der räumlichen Spezialisie-
rung16
, der räumlichen Konzentration17
, der Produktivität
und dem Kehrwert der relativen durchschnittlichen Be-
triebsgröße18
bestimmt.
Durch diese Berechnung wird u. a. auch berücksichtigt,
wie viele Unternehmen es in einem Cluster innerhalb
der Region gibt und nicht nur wie hoch die Beschäftig-
tenzahlen sind. Über das European Cluster Observatory
wurde der Cluster-Index für 51 Cluster oder Gruppen von
thematisch zusammenhängenden Wirtschaftszweigen
(4-Steller NACE-Codes) in 212 europäischen Regionen
(NUTS 2) errechnet. Um eine Veranschaulichung bei die-
ser Menge an Daten zu ermöglichen, werden Schwellen-
werte festgesetzt. Durch diese können je Cluster 0 bis 4
Stärkepunkte vergeben werden (siehe X-Achse in Abbil-
dung 9). Außerdem werden von den 51 möglichen Clus-
tern im Portfolio einer Region nur jene abgebildet, die
in der Bewertungsskala mindestens einen Stärkepunkt
oder mehr erreicht haben. Cluster, die Cluster-Index-Wer-
te unterhalb dieses Grenzwertes erreichen, werden nur
dann dargestellt, wenn dazu eine Cluster-Initiative in der
Region existiert oder wenn die Cluster bisher regional als
gefühlte Stärke angesehen werden. Falls möglich wird
auch empfohlen, weitere Quellen heranzuziehen und
nicht ausschließlich auf die Daten des European Cluster
Observatory zurückzugreifen.
In Baden-Württemberg wurde dies zum Beispiel mit der
BAK-Baselstudie19
gemacht. Somit wurden über die Da-
ten des European Cluster Observatory maximal 2 Stärke-
punkte für die Konzentration innerhalb Europas und über
BAK-Basel maximal weitere 2 Stärkepunkte für die Kon-
zentration innerhalb des Bundeslandes vergeben, womit
insgesamt wieder maximal 4 Stärkepunkte je Cluster er-
reicht werden konnten. Jede Region kann hier letztlich
selbst bestimmen, auf welche Daten sie zurückgreifen
will, ob ggf. bestehende Studien genutzt oder extra re-
präsentative Studien durchgeführt werden, um die Clus-
ter-Stärke zu ermitteln.
Zur Messung der Exzellenz von Cluster-Initiativen kann
man den international anerkannten Ansatz der European
Cluster Excellence Initiative (ECEI) anwenden20
, im dem
rund 30 Exzellenzindikatoren definiert sind. Die folgenden
drei Kriterien lassen sich stellvertretend für die Einzelin-
dikatoren der ECEI in der Regel einfach durch öffentlich
zugängliche Informationen gewinnen.
• Anzahl an Mitgliedern: Cluster-Initiativen brauchen
eine Mindestanzahl von Clusterakteuren, um eine
kritische Masse zu haben. Weiterhin sollte eine gute
Mischung zwischen KMU, Großunternehmen, Wis-
senschaft und Akteuren der öffentlichen Hand beste-
hen. Nach den ECEI-Kriterien sollten mindestens 40
Clusterakteure Mitglied in einer Cluster-Initiative sein.
• Kapazität im Clustermanagement: Um sich aus-
reichend um die Clusterakteure kümmern und an-
spruchsvolle Aktivitäten im Sinne der Clusterakteure
15 European Kommission; European Cluster Panorama 2016, http://ec.europa.eu/DocsRoom/documents/20381.
16 Räumliche Spezialisierung = Anteil der Beschäftigten des Clusters in der Region / Anteil der Beschäftigten des Clusters im Referenzraum.
17 Räumliche Konzentration = (Beschäftige des Clusters in der Region / Fläche der Region) / (Beschäftigte des Clusters im Referenzraum / Fläche des Referenzraumes).
18 Kehrwert der relativen durchschnittlichen Betriebsgröße = 1 / (Anzahl Beschäftigte des Clusters in der Region / Anzahl der Unternehmen des Clusters in der Region) /
(Anzahl Beschäftigte des Clusters im Referenzraum / Anzahl der Unternehmen des Clusters im Referenzraum).
19 Studie „Innovationskraft Baden-Württemberg: Erfassung in Teilregionen des Landes und Beitrag zum Wirtschaftswachstum“, erstellt im Auftrag des Ministeriums für
Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg durch das Forschungsinstitut BAK Basel Economics AG (2011).
20 Weitere Informationen zur European Cluster Excellence Initiative unter: www.cluster-analysis.org.
16. 14 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Neue Instrumente für die Entwicklung regionaler Innovationsstrategien unter Einbindung von Cluster-Initiativen
Abbildung 9: Regionales Cluster-Portfolio (mit fiktiven Beispielen)
implementieren zu können, braucht es eine an die
Anzahl an Clusterakteuren angepasste Kapazität im
Clustermanagement.
Die ECEI-Kriterien empfehlen ein Verhältnis von 20 bis
30 Clusterakteuren pro volle Personalstelle im Cluster-
management.
• Existenz eines neutralen, anerkannten Qualitäts
labels: Es gibt eine Reihe von Labeln oder Aus-
zeichnungen, die darauf schließen lassen, dass das
Clustermanagement eine hinreichend hohe Exzellenz
besitzt. Dies können die ECEI-Labels sein, aber auch
andere nationale Auszeichnungen wie Cluster-Exzel-
lenz Baden-Württemberg21
oder die Aufnahme in das
Programm „go-cluster“ (BMWi) oder der Spitzenclus-
terwettbewerb (BMBF).
Auch für die Exzellenz von Cluster-Initiativen wurden ana-
log zur Clusterstärke vier Stärkepunkte vergeben22
.
Bezogen auf eine Region können die verschiedenen aus-
geprägten Clusterstärken und die Leistungsfähigkeit der
Cluster-Initiativen anhand eines regionalen Cluster-Port-
folios visualisiert werden, wie Abbildung 9 in einem fikti-
ven Beispiel zeigt.
Die in Abbildung 9 dargestellten Piktogramme repräsen-
tieren die Cluster einer Region. Das Auto-Piktogramm
steht somit beispielsweise für das Cluster Automotive,
der entsprechende Name daneben steht für die relevante
Cluster-Initiative (z. B. Auto-Ländle). Kombinationen von
Clustern und Cluster-Initiativen, die im Regionalen Clus-
ter-Portfolio auf der dunkel blauen Achse liegen, stellen
den Idealfall dar.
Kombinationen in der oberen rechten Hälfte stehen für
starke Cluster (mit drei oder vier Stärkepunkten für das
Cluster), die von exzellenten Cluster-Initiativen (drei oder
vier Stärkepunkte für die Exzellenz der Cluster-Initiative)
unterstützt werden. Im fiktiven Fall in Abbildung 9 sind
damit – ganz im Sinne der Smart Specialisation – die Au-
tomotive (Pro-E-Auto) und IKT (CyberMuster) aktuelle
Stärkefelder der Region. Unter der Berücksichtigung der
strukturverändernden Prozesse gilt es nun zu eruieren,
inwiefern die beiden Stärkefelder zukünftig einzeln wei-
terverfolgt werden oder ob es möglichweise neue über-
lappende Themen, wie z. B. autonomes Fahren als neue
strategische Schwerpunkte gibt. Wenn dies tatsächlich
der Fall ist und eine neue Themensetzung – welche die
IKT und Automotive verbindet – für die Unternehmen,
Hochschulen und Forschungseinrichtung innovative Per-
spektiven in beiden Clustern darstellt, dann ist ein gro-
ßes Potenzial für einen neuen zusätzlichen strategischen
Schwerpunt zur intelligenten Spezialisierung in der Regi-
on gegeben.
Das Regionale Cluster-Portfolio kann somit als gutes In-
strument verstanden werden, sich einen Überblick über
die in der Region existierenden Stärken (Cluster) und die
Leistungsfähigkeit der entsprechenden Cluster-Initiativen
zu schaffen. Es richtet sich nicht nur an die regionalen
Träger, die das Zusammenspiel der CI in der Region op-
timieren möchten, sondern auch an regionale Akteure,
die in der Verschränkung der Kompetenzfelder etablierter
Cluster unter Berücksichtigung neuer Trends Innovations-
potenziale erkennen wollen. Somit sollte das Regionale
Cluster-Portfolio von den Akteuren, die eine regionale In-
novationsstrategie vorantreiben, als eines von mehreren
analytischen Instrumenten genutzt werden.
21 Weitere Informationen unter: https://www.clusterportal-bw.de/cluster-exzellenz/cluster-exzellenz-baden-wuerttemberg/.
22 Jeweils ein Stärkepunkt für die kritische Masse der Cluster-Initiative und Personalausstattung des Clustermanagements sowie bis zu zwei je nach Güte des Qualitätslabels
(ECEI-Silver oder „go-cluster“ ein Stärkepunkt bzw. Cluster-Exzellenz BW oder ECEI-Gold oder Spitzencluster zwei Stärkepunkte).
3 42
Capacity (Leistungsvermögen) der Cluster-Initiative
Potenzial(Agglomeration)derregionalenCluster
Environ-
ment-ML
0
4
3
2
1
0
1
Auto-Ländle
BIO ABC
Cyber
Master
Pro-E-Auto
Minimum
Optimum
Pack-Ein
& Aus
Schwaben-
Food
17. 15Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Neue Instrumente für die Entwicklung regionaler Innovationsstrategien unter Einbindung von Cluster-Initiativen
Abbildung 10: Beispielhafte Darstellung eines Dashboard Cluster-Services
Standortorientiert
langfristig
UMSETZUNG
kurzfristig
Verwaltung / Wirtschaftsförderung FINANZIERUNG Mitglieder
Standort- und
Unternehmensorientiert
Unternehmensorientiert
Infrastruktur
Neuansiedlung
Gründerförderung
Bestandspflege / -entwicklung
Standortentwicklung
Mapping
Firmenbesuche
Stammtische
Informationsveranstaltungen
Vernetzung
Matching: International
Cross-Clustering
Matching: Intra-Sektor
Matching: Intra-Cluster
Business Development
Generierung von Inventionen
Generierung von Projektideen
Wissensgenerierung
Identifizierung von neuen
Themen
Betriebliche Weiterbildung /
Qualifizierung
Mitgliederkompetenz /
Qualifizierung
Leistungsfähigkeit der Region
Curriculum entwickeln
(Hochschulen)
Strategische Identität /
Branding / USP
Ausbildung (Facharbeiter)Akquise neuer Fachkräfte
Leistungsfähigkeit des
Netzwerks
Neue Produkte / Technologien / Dienstleistungen / Geschäftsmodelle
Fachkräfte / Human Resources
Sichtbarkeit / Marketing / Public Relation
Kooperations- / Innovations-
projekte
4.2 Dashboard Cluster-Services
In den vorherigen Kapiteln wurde dargestellt, dass Clus-
ter-Initiativen und deren Clustermanagements bei der
Erarbeitung und Implementierung von regionalen Ent-
wicklungsprozessen eine wichtige Rolle spielen können.
Somit muss auch dem Servicespektrum von Clusterma-
nagements eine hohe Bedeutung beigemessen werden.
Welche Services bieten Clustermanagements exklusiv
ihren Mitgliedern an? Welche können externalisiert wer-
den und somit auch anderen Zielgruppen (wie z. B. Wirt-
schaftsförderern oder Kammern) angeboten werden, die
zugleich eine synergetische Wirkung in Hinblick auf die
Regionalentwicklung entfalten können? Welche zielen be-
wusst auf die Entwicklung von Regionen ab (z. B. Stand-
ort-Marketing, Regional Branding oder Roadmapping)?
Zur Veranschaulichung der Aufgabenfelder und Dienst-
leistungen von Clustermanagements hilft die systemati-
sche Darstellung des Servicespektrums von Cluster-Initi-
ativen mit dem „Dashboard Cluster-Services“ (Abbildung
10). Darin werden drei grundsätzliche Zielrichtungen
(standortorientiert, unternehmensorientiert, standort-
und unternehmensorientiert) unterschieden, nach denen
Clustermanagements ihre Aufgaben definieren können.
Im unternehmensorientierten Bereich (dunkelbaue Fel-
der, rechts in der Abbildung 10) werden alle möglichen
Leistungen einer Cluster-Initiative dargestellt, die darauf
abzielen, einen direkten Nutzen bei den Mitgliedsunter-
nehmen zu erzeugen. Dieser Bereich umfasst das kom-
plette Servicefeld „Business Development“ mit seinen
vier Maßnahmen sowie Aufgabenfelder aus drei wei-
teren Servicefeldern, nämlich Marketingaktivitäten zur
Sichtbarmachung der Mitgliederkompetenzen, Aus- und
Weiterbildungsangebote im Bereich „Fachkräfte / HR“
und die Identifizierung von neuen Themen bis zur Gene-
rierung von Inventionen.
Die Dienstleistungen mit Standortorientierung (hellblaue
Felder, links in der Abbildung 10) sind diejenigen, welche
im Kontext der Regionalentwicklung und Umsetzung von
einer regionalen Entwicklungsstrategie besonders inter-
essant sind.
20. 18 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Neue Instrumente für die Entwicklung regionaler Innovationsstrategien unter Einbindung von Cluster-Initiativen
Abbildung 11 zeigt ein typisches Ergebnis eines Inno-
vationsausblickes am Beispiel des Innovationsfeldes
Erneuerbare Energien für Baden-Württemberg. Dunkel
blau gefärbten sind besonders aktiv im Bereich der ange-
wandten FuE. Die beteiligten Unternehmen investieren
gleichzeitig Mittel im signifikanten Umfang, da die geför-
derten Projekte zu mindestens 50 % mit privaten Mitteln
zu finanzieren sind. Forschungspartner sind ebenfalls in-
tensiv involviert.
Durch eine Indexierung lässt sich messen, in welchen
Innovationsfeldern eine Region im Bundesvergleich über-
durchschnittlich stark oder schwach ist. In Abbildung 12
ist dies für die Region Nordschwarzwald veranschaulicht.
Werte, die über dem normierten Wert 1 liegen, deuten
auf eine hohe relative Stärke im Bundesvergleich hin. So
ist im vorliegenden Beispiel die Region Nordschwarzwald
im Bereich angewandte FuE in Produktionstechnologien
mit einem Indexwert von 2 besonders stark aktiv.
Der Innovationsausblick berücksichtigt natürlich nicht alle
FuE- bzw. Innovationstätigkeiten der Akteure einer Regi-
on. So fehlt die Einbeziehung regionaler Förderprogram-
me ebenso wie unternehmensinterne FuE-Tätigkeiten.
Dennoch eignet er sich als Indikator oder Trendradar, um
einen Eindruck zu bekommen, in welchen Innovations-
themen die Akteure einer Region besonders aktiv sind.
Er ermöglicht es, Informationen zu konkreten Projektin-
halten und beteiligten Unternehmen zu erhalten. Dies ist
vor allem dann interessant, wenn solche Unternehmen
in einem Themenfeld FuE- und Innovationsaktivitäten
durchführen, welches bisher (noch) nicht zum Kerngebiet
des Unternehmens gehört. Hierin lassen sich erste Anzei-
chen für strukturverändernde Aktivitäten in einer Region
erkennen, die im Rahmen einer regionalen Innovations-
strategie berücksichtigt werden sollten. Wenn z. B. meh-
rere Softwareunternehmen einer Region zunehmend im
FuE-Bereich „Energieforschung“ aktiv werden, deutet
dies darauf hin, dass verstärkt cross-sektorale Innovati-
onen zwischen IKT und Energie ablaufen, in die mehrere
Unternehmen signifikant investieren.
Zur besseren Interpretation der Ergebnisse des Innova-
tionsausblicks sollten diese mit den regionalen Cluster-
Portfolios gespiegelt werden, um zu erkennen, in wel-
chen Bereichen existierende Cluster-Initiativen diese
Trends konkret aufnehmen können bzw. wo eher signi-
fikante Transformationsprozesse auf existierende Clus-
ter-Initiativen zukommen.
4.4 Entrepreneurial Discovery Workshop
Ein wichtiger Schritt bei der Erarbeitung einer regiona-
len Innovationsstrategie ist die Identifikation zukünftiger
Trends, die für eine Region von Bedeutung sind. Hierbei
sind nicht allgemeine Trends wie Digitalisierung, Elekt-
romobilität oder Demographischer Wandel gemeint.
Vielmehr geht es um konkrete, für die Region relevante
Trends, vor allem auch solche, die einen strukturverän-
dernden Charakter für die Region haben. Diese struk-
turverändernden Prozesse in einer Region gilt es zu
identifizieren und darauf aufbauend die strategischen
Schwerpunkte zu setzen.
Der sog. Entrepreneurial Discovery Workshop (EDW) ist
hierbei ein geeignetes Instrument, genau diese struk-
turverändernden Prozesse zu identifizieren. Grundlagen
des EDW sind die innovationsrelevanten Stärkefelder
(Cluster), welche eine Region auszeichnen. Basierend
auf diesen Stärken und unter Berücksichtigung relevan-
ter Innovationstrends besteht das Ziel des EDW darin,
die strukturverändernden Prozesse (transformative ac-
tivities) zu identifizieren, die für die Unternehmen und
Forschungseinrichtungen, und damit auch für die Region,
von besonders großer Relevanz sind. In Kenntnis dieser
strukturverändernden Prozesse können dann zukünftig
regionale Entwicklungspotenziale und damit verbundene
Maßnahmen abgeleitet werden. Neben dem analytischen
Input aus der Analysephase (z. B. Stärken-Schwächen-
analyse, regionales Cluster-Portfolio und Innovationsaus-
blick) ist die Einbindung der Cluster-Initiativen (vertreten
durch die entsprechenden Clustermanagements) der
Region von besonderer Wichtigkeit. Die Clustermanage-
ments als Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft der
Region haben in der Regel ein gutes Markt- und Tech-
nologiewissen, da sie sich mit ähnlichen Fragestellungen
beschäftigen, wenn diese in ihren Cluster-Initiativen Ak-
tivitäten (z. B. Innovationsförderung, Technologietransfer
oder Cross-Clustering etc.) durchführen.
Sie vertreten somit nicht die Interessen eines Unterneh-
mens oder das Forschungsfeld einer Wissenschaftsor-
ganisation, sondern als neutraler Akteur die Vielzahl der
Interessen der Mitglieder der betreffenden Cluster-Ini-
tiative. Vor dem Hintergrund wird auch die Wichtigkeit
eines exzellenten und leistungsfähigen Clustermanage-
ments deutlich. Das notwendige Wissen, welches die
Clustermanagements im Rahmen des EDW einbringen,
erlangen sie in der Regel durch die enge Zusammenar-
beit mit ihren Mitgliedern. Am EDW nehmen in der Regel
10 bis 20 Akteure teil.
22. 20 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
5 Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-
Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
Jede Region hat eigene individuelle Voraussetzungen,
Strukturen und Ansätze zur Konzeption und Umsetzung
regionaler Innovationsstrategien. Dies gilt auch im Hin-
blick darauf, wie und in welchem Maße Cluster-Initiati-
ven hierbei eingebunden werden. Somit ist ein direkter
Vergleich zwischen Regionen bedenklich. Trotz der un-
terschiedlichen Voraussetzungen, jeweiligen Verfasstheit
und der damit verbundenen sehr verschiedenen Aktions-
spielräume zeigen die gewählten Beispiele in diesem
Kapitel sehr interessante Ansätze und Methodiken im
Kontext der Regionalentwicklung, die zu einem gewissen
Anteil gegebenenfalls auch in zukünftigen regionalen In-
novationsstrategien berücksichtigt werden könnten. Der
Schwerpunkt liegt bei den folgenden Beispielen vor allem
auch darauf, wie Cluster-Initiativen bei der Entwicklung
und Implementierung von regionalen Innovationsstrate-
gien eingebunden waren und welche Rolle sie spielten.
5.1 Baden-Württemberg
Im Rahmen von RegionWIN wurde in Baden-Württem-
berg eine Vielzahl von guten Ansätzen zur Regionalent-
wicklung geschaffen. Die beiden folgenden Beispiele zei-
gen ergänzende Ansätze, stellvertretend für eine Reihe
von weiteren interessanten Konzepten in Baden-Würt-
temberg.
Region
Mannheim /
Rhein-Neckar
Schwarzwald-
Baar-Heuberg
Hamburg Bozen-Südtirol
Süddänemark
(Syddanmark)
Einwohner: 325.000 (Stadt)
2,3 Mio. (Me-
tropolregion
Rhein-Neckar)
481.000 1,7 Mio. (Stadt-
staat);
5,3 Mio. (Me-
tropolregion
Hamburg)
520.000 1,2 Mio.
Regionaler
Treiber (Akteurs
form), Sitz:
Stadt Mannheim
(Kommunal-
verwaltung),
Mannheim
IHK Schwarz-
wald-Baar-Heu-
berg, (Kör-
perschaft des
öffentlichen
Rechts), Villin-
gen-Schwennin-
gen
Behörde für
Wirtschaft,
Verkehr und
Innovation (Lan-
desverwaltung),
Hamburg
IDM Südtirol -
Alto Adige
(Regionale
Wirtschaftsför-
derung), Bozen
Regional Coun-
cil of Southern
Denmark (Regi-
onsverwaltung),
Vejle
Stärkefelder
(Anzahl und
Auflistung:
4:
• Medizin
technologie
• Kultur- und
Kreativ
wirtschaft
• Energie und
Umwelt
• Produktions-
technologie
4:
• Medizin
technik
• Mikrotechnik
• Kunststoff-
technik
• Zerspanungs-
technik
8:
• Erneuerbare
Energien
• Medien/IT
• Kreativ
wirtschaft
• Life Science
• Logistik
• Luftfahrt
• Maritime Wirt-
schaft
• Gesundheits-
wirtschaft
6:
• Alpine
Sicherheit
• Bauwesen
• Gesundheit
• Health & Well-
ness
• Lebens-
mittel-
produktion
• Sport & Win-
tertechnologie
4:
• Cleantech
• Design
• Gesundheits
technologien
• Windenergie
23. 21Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
Region
Mannheim /
Rhein-Neckar
Schwarzwald-
Baar-Heuberg
Hamburg Bozen-Südtirol
Süddänemark
(Syddanmark)
Organisations-
struktur zum
Cluster- / Stär-
kefeldmanage-
ment:
Die 4 Stärke-
felder sind als
Cluster-Initia-
tiven bei der
kommunalen
Wirtschaftsför-
derung verortet.
Der Verein
Technology
Mountains e.V.
agiert als Dach
für 3 Cluster-
Initativen.
Die Cluster-Ini-
tiativen haben
eine Vereins-
oder GmbH-
Struktur.
Zu den Stärke-
feldern: Es gibt
die folgenden
Cluster in HH:
• Erneuerbare
Energien
• Medien/IT
• Kreativwirt-
schaft
• Life Science
• Logistik
• Luftfahrt
• Maritime Wirt-
schaft
• Gesundheits-
wirtschaft
Die Ecosystems
sind direkt
ohne eigene
Rechtsform
bei der IDM
(als regionale
Wirtschafts-
förderung)
angesiedelt. Sie
repräsentieren
die Stärkefel-
der Südtirols
und setzen
die Inhalte der
S3 in enger
Abstimmung
mit dem Land
Südtirol und der
Handelskammer
Bozen um.
Cluster-Initiati-
ven agieren als
Koordinator re-
gionaler Koope-
rationsmodelle
für Innovation
zur Umsetzung
der S3 ,die
Cluster-Initi-
ativen sind
organisatorisch
unabhängig
vom Regional
Council.
Besonderheit: Cluster-Initiati-
ven und deren
Managements
sind das we-
sentliche strate-
gisches Element
der Regional-
entwicklung, es
gibt keine Mit-
gliedsbeiträge
(durch Verwal-
tung finanziert),
in der Region
gibt es weitere
Cluster, die von
anderen Akteu-
ren gemanagt
werden.
Cross-sekto-
raler Ansatz
mit Fokus auf
Technologie,
unternehmens-
getrieben, ca.
300 Mitglieder,
die automatisch
allen Cluster-Ini-
tiativen ange-
hören. Erste
Projekte zur Re-
gionalentwick-
lung entstehen
derzeit.
Cluster-Initi-
ativen reprä-
sentieren die
Stärkefelder der
Stadt Hamburg
und setzen die
Inhalte der S3 in
enger Abstim-
mung mit der
Hamburger
Wirtschafts-
behörde um.
Mit dem ver-
gleichsweise
neuen Ansatz
des „Ecosys-
tems“ sollen
auch Akteure
seitens der
IDM unterstützt
werden, die sich
(noch) nicht für
eine konkrete,
verbindliche
Clusterarbeit
im Rahmen
einer der sechs
Stärkefelder
entschieden
haben.
Die besondere
Position des
Regional Coun-
cil of Southern
Denmark gibt
diesem eine
zentrale Rolle
bei der Entwick-
lung und Im-
plementierung
der S3. Alle 4
Cluster-Initiati-
ven haben ein
ECEI-Gold-La-
bel.
Abbildung 14: Gegenüberstellungen der Beispielregionen
24. 22 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
5.1.1 Smarte Clusterentwicklung in Mannheim –
Integrierter Ansatz der kommunalen
Wirtschaftsförderung
Vom Gemeinderat der Stadt Mannheim wurde im Jahr
2009 / 2010 als wirtschaftspolitische Strategie für Mann-
heim der Fokus auf vier Stärkefelder beschlossen. Auf
deren Entwicklung hat sich die städtische Wirtschafts-
förderung Mannheim in den vergangenen Jahren kon-
zentriert. Die Aufgabenstellung, welche bis heute für die
vier Cluster (Kultur- und Kreativwirtschaft, Energie und
Umwelt, Produktionstechnologie und Medizintechno-
logie) besteht, lautet: Ausbau der Vernetzung mit virtu-
eller und realer Infrastruktur zu einem neuartigen Inno-
vationsökosystem. Alle vier Cluster sind räumlich nicht
auf die Stadt Mannheim begrenzt, sondern schließen die
Akteure der gesamten Metropolregion Rhein-Neckar ein,
um Zukunftstechnologien und Kreativität in der Region
zu stärken. Durch enge Verknüpfung von Wissenschaft
und Unternehmen sollen die Stärkefelder unterstützt und
durch entsprechende Cluster-Initiativen weiterentwickelt
werden. Die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen
ist dabei ein Kernpunkt des Engagements der Wirt-
schaftsförderung23
.
Folgende Punkte sind bei diesem Ansatz bemerkenswert:
• Die Wirtschaftsförderung Mannheim hat eine kon-
krete regionale wirtschafts- und innovationspolitische
Strategie entwickelt, die politisch legitimiert ist und
konsequent umgesetzt wird.
Region: Mannheim (Metropolregion Rhein-Neckar)
Einwohner: 325.000 (Stadt), 2.3 Mio. (Metropolregi-
on Rhein-Neckar)
Stärkefelder / Cluster im Fokus: 4 Cluster: Medizin-
technologie, Kultur- und Kreativwirtschaft, Energie
und Umwelt, Produktionstechnologie
Rolle der Cluster-Initiativen im Kontext der regiona-
len Wirtschaftsentwicklung: Cluster-Initiativen und
deren Clustermanagements sind das wesentliche
strategische Element der Wirtschaftsförderung und
Regionalentwicklung
23 Dazu: https://www.clusterportal-bw.de/regionen/regionen-detailseite/rhein-neckar/clusterdb/Region/pdftech/.
24 Bordon, Mannheim Medizintechnik Cluster, OECD Workshop “New Cluster Policies”, April 2016, Berlin.
Abbildung 15: Integration des Clustermanagements Medizintechnik in die Wirtschaftsförderung und regionale öffentliche Verwaltung24
Organisatorische Integration ist entscheidend für den notwendigen Stakeholder-Fokus,
Ausführung und Tempo
Stadtverwaltung
Mannheim
Universitätsmedizin
Mannheim mg:gmbh
Bauherr
100% städt. Gesellschaft
100% städt. Gesellschaft
Bauherr
Export Panel
International Business
Development Office
Industrie-in-Klinik-
Plattform (Phase 1)
Practice Advisors
Projektleitung
Projektleitung
(Mit-) Antragsteller und Fördermittelempfänger
Gesamt
projektleitung
„Owner“ und Koordinator von
Netzwerken / Expertengruppen
Cluster
Mangt.
25. 23Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
• Es existiert eine klare Fokussierung (Priorisierung)
auf wenige, aber bereits existierende Stärkefelder /
Cluster.
• Obwohl die Finanzierung bzw. Bereitstellung der Clus-
termanagementressourcen durch die Stadt Mannheim
erfolgt, wird das Potenzial der ganzen Metropolregion
Rhein-Neckar genutzt, welche neben Baden-Würt-
temberg auch Teile von Rheinland-Pfalz und Hessen
einschließt.
• Die Clustermanagements sind Teil der städtischen
Wirtschaftsförderung und haben somit exzellenten
Zugang zur Stadtverwaltung, außerdem sind sie in
die Aktivitäten der regionalen Wirtschaftsförderung
eingebunden.
Durch diesen Ansatz ist eine effiziente Verzahnung von
Forschung und Unternehmen mit der öffentlichen Ver-
waltung möglich. Auch andere Aspekte, wie ein ver-
bessertes Forschungs- und Arbeitskräfteumfeld für
Bestandsunternehmen sowie Start-ups und Neuansied-
lungen, können in die Clusterentwicklung in der Region
leicht integriert werden (vgl. Abbildung 10, Dashboard
Cluster-Services: Standortorientierung).
Der konkrete Ansatz der Stadt Mannheim zur Nutzung
der Cluster-Initiativen als Instrument der Implementie-
rung der regionalen wirtschaftspolitischen Strategie wird
am Beispiel des Clusters Medizintechnik Mannheim
nachfolgend erklärt. Das Ziel für die Cluster-Initiative
Medizintechnik ist es, Akteure aus Industrie, Klinik, For-
schung und Technik gemeinsam
• an einem Ort
• Medizinprodukte schneller und effizienter sowie
• konsequent ausgerichtet auf den klinischen Versor-
gungsbedarf
• zu entwickeln und zu vermarkten.
Die organisatorische Integration des Clustermanage-
ments in die Wirtschaftsförderung und Stadtverwaltung
ist in Abbildung 15 darstellt. Sie zeigt die intensive Ver-
zahnung aller wichtigen Stakeholder.
In den letzten Jahren hat das Clustermanagement zu-
sammen mit der Stadtverwaltung eine Reihe an Pro-
jekten akquiriert, die für die Implementierung der wirt-
schaftspolitischen Strategie von großer Wichtigkeit sind.
Durch die Bündelung von regionalen Investitionen sowie
die Akquisitionen auf Landesebene (z. B. das Projekt DE-
LIVER – Internationalisierung von KMU durch das Clus-
ter Medizintechnologie) als auch auf Bundesebene ist es
Abbildung 16: Assistenzsysteme, Medizintechnik
26. 24 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
der Region Mannheim gelungen, signifikante öffentliche
Investitionen zu tätigen. Abbildung 16 zeigt einige Bei-
spiele, die den ganzheitlichen Ansatz Mannheims veran-
schaulichen. Als ein konkretes Beispiel ist der Gewinn
des Forschungscampus-Wettbewerbs „öffentlich-private
Partnerschaft für Innovationen“ des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) in 2012 zu nennen.
Hier fördert das BMBF über bis zu 15 Jahre hinweg mit
bis zu 30 Millionen Euro das Projekt „Mannheim Mole-
cular Intervention Environment“ (M2OLIE) und damit
die Entwicklung des „Operationsraums der Zukunft“ in
Mannheim. Das Clustermanagement war an der Akquisi-
tion federführend beteilig25
.
Das ernsthafte und langfristige Commitment der Stadt
Mannheim gegenüber seinen Cluster-Initiativen wie dem
Cluster Medizintechnologie Mannheim zeigt sich auch
darin, dass das Clustermanagement zu 100 % finanziert
wird und somit eine klare inhaltliche Konkretisierung der
Wirtschaftsförderungsaktivitäten auf vier Stärkefelder
erfolgt. Eine Hebelwirkung und indirekte Erhöhung der
städtischen Mittel kommt durch die effektive Fördermit-
telakquisition für Projekte im jeweiligen Stärkefeld zu-
stande.
5.1.2 Technologieverbund als „Cross-Sektorales-
Dach“ in der ländlich geprägten Industrieregion
Schwarzwald-Baar-Heuberg
Angeregt durch einige innovative Unternehmen und auf
Initiative der IHK wurde 2005 in der Region Schwarz-
wald-Baar-Heuberg ein Verein gegründet mit der Zielset-
zung, die regionalen Schlüsselbranchen Medizintechnik,
Mikrotechnik oder Kunststofftechnik zu fördern. Im Jahr
2011 wurde die MedicalMountains AG gegründet, die
für die Medizintechnik als Leuchtturmbranche der Regi-
on mit internationaler Ausstrahlung tätig ist, sowie das
Kunststoff-Institut Südwest GmbH & Co. KG. Gemein-
sam mit der Hahn-Schickard-Gesellschaft e. V. wurde im
Jahr 2012 der Verein in TechnologyMountains e. V. um-
benannt und neuausgerichtet.
Der gemeinsame Nenner des unternehmensgetriebenen
Technologieverbunds TechnologyMountains e. V. mit sei-
nen drei „Sub-Organisationen“ ist es seither, die Innova-
tion in Feinwerk- und Präzisionstechnik sowie cross-sek-
torale Verbundprojekte durchzuführen. Dabei agiert der
TechnologyMountains e. V. als ein Dach, als zentraler An-
sprechpartner für seine etwa 250 Mitglieder, der auch die
Sichtbarkeit nach außen wahrnimmt und außerdem orga-
nisatorisch sowie koordinierend zwischen den einzelnen
Stärkefeldern tätig ist.
Folgende Punkte sind bei dem Ansatz des Technology-
Mountains e. V. bemerkenswert:
• Regionaler Treiber ist die IHK Schwarzwald-Baar-Heu-
berg, bzw. der von ihr initiierte Technologieverbund
des TechnologyMountains e. V. und damit letztendlich
eine Cluster-Initiative.
• Klare Absprachen zwischen den regionalen Akteuren
sorgen für die kontinuierliche Weiterentwicklung der
Themen und Strukturen. So sind die regionale Wirt-
schaftsförderungsgesellschaft (die auf die Themen
Fachkräfte und Standortmarketing fokussiert ist) und
der Regionalverband (der Regionalplanung im klassi-
schen Sinn betreibt) beide Mitglieder beim Technolo-
gyMountains e. V. und können somit Einfluss nehmen
und ihre Kompetenzen fallbezogen einbringen.
• Bei neuen Aufgaben, die sich weniger auf reines Clus-
termanagment beziehen und mehr in Richtung einer
regionalen Wirtschaftsentwicklung gehen, kommt
dem TechnologyMountains e. V. zugute, dass er auf
ca. 250 engagiert eingebundene Unternehmen zurück-
greifen kann. Diese Unternehmen aus allen Stärkefel-
dern können bei der Entdeckung strukturverändernder
Prozesse und deren Auswirkungen im Sinne eines
unternehmerischen Entdeckungsprozesses (Entre-
preunerial Discovery Process) eine wichtige Rolle ein-
nehmen. Das langjährige Vertrauen untereinander und
zu TechnologyMountains e. V., insbesondere durch
die cross-sektoralen-Verbundprojekte, wird sich auch
Region: Schwarzwald-Baar-Heuberg
Einwohner: 481.000
Stärkefelder / Cluster im Fokus: 3 Cluster: Medizin-
technik, Mikrotechnik und Kunststofftechnik
Rolle der Cluster-Initiativen im Kontext der regio-
nalen Wirtschaftsentwicklung: Die Cluster-Initiative
TechnologyMountains e. V. nimmt als Cross-Sektora-
le-Holding eine Schlüsselfunktion beim Management
der Stärkefelder ein. Erste Projekte der regionalen
Wirtschaftsentwicklung bzw. S3 sind gerade am Ent-
stehen.
25 Siehe hierzu: https://www.mannheim.de/wirtschaft-entwickeln/cluster-medizintechnologie.
28. 26 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
Deutschlands und wird außerdem durch die längste Fuß-
gänger-Hängebrücke der Welt (600 Meter Länge), wel-
che von einem privaten Investor gebaut wird, mit der Alt-
stadt von Rottweil verbunden, was zusätzliche Touristen
und Aufmerksamkeit anziehen soll.
5.2 Freie und Hansestadt Hamburg
Hamburg hat sich das Ziel gesetzt, eine der innovativs-
ten Regionen Europas zu werden. Die Clusterpolitik ist
auch seit langem als Element der regionalen Wirtschafts-
politik verankert. Beides sind Aspekte, die gut vergleich-
bar mit dem Ansatz von Baden-Württemberg sind, auch
wenn hier der Ansatz eines Stadtstaates mit dem eines
Flächenlandes verglichen wird. Gerade der konsequente,
neue Cross-Cluster-Ansatz zeigt ein interessantes Kon-
zept, welche (neuen) Aufgaben Cluster-Initiativen über-
nehmen können.
5.2.1 Hamburg – Cluster-Brücken mit System
Hamburg fördert seit vielen Jahren mit aktiver Cluster-
politik Innovation, Wachstum und Beschäftigung in zu-
kunftsfähigen Wirtschaftsbereichen. Acht erfolgreiche
Cluster werden inzwischen unterstützt. Diese Hambur-
ger Cluster entsprechen den Stärkefeldern Hamburgs.
Die S3 baut direkt auf diesen Clustern und ihren Strategi-
en auf. Sie geben der Region ein klares Kompetenzprofil.
Der Hamburger Senat begreift Cluster als Instrument der
aktiven Wirtschaftspolitik. Das geht weit über klassische
Wirtschaftsförderung hinaus. Die Hamburger Wirtschaft
ist insbesondere in den clusterpolitisch begleiteten Bran-
chen innovationsfähig, wertschöpfungsstark und be-
schäftigungsstabil.
Folgende Punkte sind beim Hamburger Ansatz bemer-
kenswert:
• Der Triple-Helix-Ansatz bestehend aus Wirtschaft,
Wissenschaft und Verwaltung: Die Hamburger Verwal-
tung versteht sich nicht nur als Entscheider und Finan-
zier, sondern auch als dauerhafter Partner, Moderator
und Impulsgeber. Somit wird sichergestellt, dass die
Cluster-Initiativen auch den zukünftigen regionalen He-
rausforderungen gerecht werden und die Politik ihre
Cluster-Initiativen als Instrument zur Implementierung
der S3 nutzen kann. Die Clustermanagements werden
als wichtige Ideen- und Impulsgeber für die Clusterpo-
litik und regionalen Wirtschaftsförderer gesehen.
• Mit Hilfe des Hamburger Benchmarking- und Evalua-
tionssystems wurde im Jahre 2011 ein Instrument
geschaffen, mit dessen Hilfe die Hamburger Behörde
für Wirtschaft, Verkehr und Innovation die Arbeit der
Clustermanagements gut monitoren und Erfolge sicht-
bar machen konnte28
. Mit Hilfe dieses Instruments
gelingt es, eine gute Kongruenz zwischen den Zielen
der Hamburger S3 und der Arbeit der Cluster-Initiati-
ven sicherzustellen.
• Im Sinne des Smart Specialisation-Ansatzes sollen vor
allem an den Schnittstellen zwischen den acht Clus-
tern (Stärkefeldern) Innovationen identifiziert werden.
Dies soll aber nicht ad hoc wie in vielen anderen Fällen
erfolgen, sondern in strategischer Art und Weise, ähn-
lich dem Entrepreneurial Discovery Process. Es sollen
vor allem dort cross-sektorale Innovationen initiiert
werden, wo die betreffende Industrie und Wissen-
schaft im Besonderen profitiert. Das Innovations- und
Wertschöpfungspotenzial am Standort Hamburg soll in
den Überschneidungsfeldern zwischen den Clustern
noch besser erschlossen werden. Die Entwicklung
dieser Clusterbrücken („cross-clustering“) ist Teil der
von der Europäischen Kommission Ende des Jahres
2014 als „Cluster Model Demonstrator Regions“ aus-
gewählten Clusterstrategie der Freie und Hansestadt
Region: Stadtstaat Hamburg
Einwohner: 1.700.000 (Stadt), 5,3 Mio. (Metropol
region Hamburg)
Stärkefelder / Cluster im Fokus: 8 Cluster (Erneuer-
bare Energien, I Medien/IT, Kreativwirtschaft, Life
Science, Logistik, Luftfahrt, Maritime Wirtschaft, Ge-
sundheitswirtschaft)
Rolle der Cluster-Initiativen im Kontext der regio-
nalen Wirtschaftsentwicklung: Cluster-Initiativen re-
präsentieren die Stärkefelder Hamburgs und setzen
die Inhalte der S3 in enger Abstimmung mit der Ham-
burger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovati-
on konsequent um.
28 Nähere Informationen unter: http://www.dsn-online.de/fileadmin/user_upload/references-pdf/Eva_BMS_HH_Gutachten.pdf.
29. 27Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
Hamburg (FFH). In der Umsetzung wird die FHH durch
das European Cluster Observatory unterstützt und
beraten, um zukunftsweisende, branchenübergrei-
fende Konzepte zu entwickeln und in der regionalen
Clusterpolitik zu verankern. Im Ergebnis konnten 2016
bislang drei vielversprechende Clusterbrückenprojekte
begonnen werden. Dies sind die Projekte eHealth,
HIHeal – Hygiene, Infection und Health und Co-Lear-
ning Space.
Das Clusterbrückenprojekt „Hygiene, Infection & Health
(HIHeal)“ stellt ein gutes Beispiel für die Umsetzung des
Cluster-Brücken-Ansatzes durch zwei Hamburger Clus-
ter-Initiativen dar. Ziel der clusterübergreifenden Zusam-
menarbeit ist es, gemeinsame Wertschöpfungsketten
zwischen den Cluster-Initiativen Gesundheitswirtschaft
Hamburg GmbH und Life Science Nord Management
GmbH zu etablieren. HIHeal vernetzt am Standort Ham-
burg verschiedene Akteure in diesem Bereich, darunter
Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen, Kliniken
und Kostenträger. Neben den sog. neuen „emerging
deseases“ wie Ebola, EHEC und MERS umfasst das
Themenspektrum auch nosokomiale Infektionen (Kran-
kenhausinfektionen) mit Herausforderungen wie Antibio-
tika-Resistenzen und Hygienemaßnahmen.
Übergeordnetes Ziel der beiden Cluster-Initiativen, die
gemeinsam die beiden Themengebiete „Hygiene, Infec-
tion & Health“ und „eHealth“ unter einem Dach bearbei-
ten, ist es, die Innovationskraft nachhaltig zu stärken und
die Wertschöpfung clusterübergreifend zu steigern. Die
Initiative geht über mehrere Jahre und wird eng durch die
Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation begleitet.
Mit dem Cluster-Brücken-Ansatz wird die Idee des EDW
bzw. des Synergie Diamanten (vgl. Kap. 4.4) umgesetzt.
Dort, wo zwischen den bestehenden Clustern durch
strukturverändernde Prozesse neue Stärkefelder entste-
hen, werden diese zu neuen Netzwerken geführt. Un-
ter einem Dach der InnovationsAllianz Hamburg sollen
in den Stärkefeldern Forschungs- und Innovationsparks
(F&I-Parks) etabliert werden. Dabei handelt es sich um
großflächige Einrichtungen und Gewerbeflächen für den
Technologie- und Wissenstransfer, in denen Wirtschaft
und Wissenschaft anwendungsorientiert forschen und
entwickeln sollen. Mit den F&I-Parks verfolgt Hamburg
auch eine klare Orientierung zur Standortentwicklung
(vgl. Kap. 4.2 Dashboard Cluster-Services)29
.
29 Weitere Informationen unter: http://www.hamburg.de/bwvi/innovationsallianz/4612422/innovationsallianz-erfolge/.
Abbildung 18: Skyline Hamburg
30. 28 Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
Abbildung 19: Ecosystems und Stärkefelder in Südtirol30
Stärkefeld
Alpine
Technologies
Stärkefeld
Natural Treat-
ments an Medical
Technologies
Stärkefeld
Green
Technologies
Stärkefeld
Creative Industries
Stärkefeld
ICT and
Automation
Stärkefeld
Food
Technologies
Total:
950 Unternehmen
IM AUFBAU
Ecosystem
Health & Wellness
188 Unternehmen
Ecosystem
Civil Protection &
Alpine Safety
100 Unternehmen
Ecosystem
Constructions
198 Unternehmen
Ecosystem
Wood
79 Unternehmen
Ecosystem
Sports & Winter
Technologies
40 Unternehmen
Ecosystem
Food
132 Unternehmen
Ecosystem
Energy & Envionment
55 Unternehmen
Ecosystem
Automotive
22 Unternehmen
Ecosystem
ICT & Automation
136 Unternehmen
5.3 Europäische Regionen
Im Folgenden werden zwei Beispiele von leistungsfä-
higen europäischen Nachbarregionen dargestellt. Auch
diese unterscheiden sich bewusst untereinander, zeigen
aber auch wieder interessante Ansätze.
5.3.1 IDM Südtirol – vom Cluster zum regionalen
Ecosystem-Ansatz
Die autonome Region Südtirol hat die Entwicklung ih-
rer S3 genutzt, um sich noch stärker als bisher auf ihre
sechs Stärkefelder zu fokussieren. Konsequenter Weise
beschreibt die S3 diese Stärkefelder (Cluster) und deren
Aufgaben vergleichsweise konkret. Dies ermöglicht es
den Ecosystem-Managern (Clustermanagements), diese
Region: Autonome Region Südtirol
Einwohner: 520.000
Stärkefelder / Cluster im Fokus: 6 Stärkefelder (Al-
pine Sicherheit, Bauwesen, Gesundheit, Health &
Wellness, Lebensmittelproduktion, Sport & Winter-
technologie)
Rolle der Cluster-Initiativen im Kontext der regio-
nalen Wirtschaftsentwicklung: Die S3 beruht auf
6 Stärkefeldern (Clustern). Zu jedem Stärkefeld gibt
es ein bis vier Ecosysteme (Cluster-Initiativen), die
die Verbindung von der strategischen zur operativen
Umsetzung der S3 bilden.
30 Zur RIS3-Strategie unter: https://www.idm-suedtirol.com/de/innovationsfoerderung/ecosystems.html.
31. 29Cluster und Innovationen: Cluster-Initiativen als Innovationstreiber
Erfolgversprechende Ansätze zur Nutzung von Cluster-Initiativen im Kontext regionaler Innovationsstrategien
Region: Süddänemark / Syddanmark
Einwohner: 1.200.000
Stärkefelder / Cluster im Fokus: 4 Cluster (Cleantech,
Design, Gesundheitstechnologien und Windenergie)
Rolle der Cluster-Initiativen im Kontext der regiona-
len Wirtschaftsentwicklung: Cluster-Initiativen agie-
ren als Koordinator regionaler Kooperationsmodelle
für Innovation zur Umsetzung der S3
konkret gefassten Inhalte und Ziele der S3 direkt im Ta-
gesgeschäft umzusetzen.
Die Ecosystem-Managements sind unmittelbar in die re-
gionale Wirtschaftsförderung IDM Südtirol integriert und
elementarer Bestandteil der internen Aufbauorganisati-
on. Somit steuert die regionale Wirtschaftsförderung die
Arbeit der Initiativen direkt und stellt sicher, dass die Ar-
beitsinhalte der Umsetzung der regionalen Innovations-
strategie dienen. Gleichzeitig hat die IDM Südtirol seitens
der Regionalregierung erhebliche Freiheitsgrade bei der
Implementierung und Weiterentwicklung der regionalen
Innovationsstrategie. Folgerichtig sieht sich IDM Südtirol
daher als wesentlicher Think Tank im Kontext der Regi-
onalentwicklung. Durch die integrierten Clustermanage-
ments besitzt IDM Südtirol hervorragende Zugänge zur
regionalen Wirtschaft und Wissenschaft31
.
Folgende Punkte sind bei diesem Ansatz bemerkens-
wert:
• IDM Südtirol hat eine konkrete regionale wirtschafts-
und innovationspolitische Strategie in Form der regio-
nalen Innovationsstrategie entwickelt, die konsequent
umgesetzt wird.
• Aufgrund der Nähe zu Politik, Wissenschaft und
Wirtschaft koordinieren die Ecosysteme von der IDM
Südtirol die signifikanten innovationsrelevanten Aktivi-
täten und Initiativen.
• Es existiert eine klare Fokussierung auf wenige, aber
bereits existierende Stärkefelder (Cluster), die durch
die Ecosysteme unterstützt und soweit möglich
gesteuert werden. Die Ecosysteme haben wiederum
einen starken cross-sektoralen Charakter bzw. beset-
zen neue Themen im Sinne der strukturverändernden
Prozesse zur Bildung strategischer Schwerpunkte.
• Die Ecosysteme legen viel Wert auf transregionale
Kooperationen, um Zugang zu Wissen und Know-how
zu erhalten, welches nicht in den entsprechenden
Initiativen vorhanden ist.
Mit dem regionalen Ecosystem-Ansatz dürfte es der IDM
Südtirol gelingen, eine Kooperationsplattform für alle Ak-
teure der Region zu etablieren. Für die Unternehmen, die
sich dem Thema „Innovation und Kooperation“ etwas
unverbindlicher nähern wollen, ist der offene Ecosys-
tem-Ansatz, der mehr auf Information, Networking, Com-
munity Building, Vermittlung von Fach- und Branchenwis-
sen setzt, sicherlich ein interessanter Ansatz.
5.3.2 Süddänemark – Cluster-Initiativen als
Koordinator regionaler Kooperationsmodelle
Im Kontext der Entwicklung und Implementierung der
S3 wurde seitens des Regional Council of Southern Den-
mark32
großer Wert darauf gelegt, dass sich die Strategi-
en der vier Cluster-Initiativen direkt von der S3 ableiten.
Im Rahmen der Jahresplanung definieren die Clusterma-
nagements und der Council die Arbeitsschwerpunkte.
Somit kann gewährleistet werden, dass die Arbeit der
Clustermanagements mit den Zielen und Inhalten der S3
übereinstimmt. Durch einen intensiven Dialog zwischen
allen Akteuren sowie ein angepasstes Evaluations- und
Monitoringsystem wird auch unterjährig sichergestellt,
dass die Ziele erreicht werden.
Folgende Punkte sind bei diesem Ansatz bemerkens-
wert:
• Die besondere Position des Regional Council of
Southern Denmark gibt diesem eine zentrale Rolle bei
der Entwicklung und Implementierung der S3.
• Die S3 wird in sehr enger Kooperation zwischen dem
Regional Council und den vier Cluster-Initiativen umge-
setzt. Gleichzeitig können die Cluster-Initiativen recht
unabhängig vom Regional Council agieren, da diese
organisatorisch getrennt sind und nur eine bestimmte
Kofinanzierung erhalten.
31 Weitere Informationen auf der IDM Südtirol Webseite unter: http://www.idm-suedtirol.com/de/home.html.
32 Der Regional Council of Southern Denmark vertritt die regionale Regierung und den regionalen Wirtschaftsförderer in einer Institution.