Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Antworten auf die COVID-19-Krise in OECD-Ländern
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Präsentation von OECD-Arbeitsmarktökonom Sebastian Königs im Rahmen eines Webinars des OECD Berlin Centre vom 23.04.2020
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Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Antworten auf die COVID-19-Krise in OECD-Ländern
- 1. Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Antworten auf die COVID-19-Krise in OECD Ländern Sebastian Königs Ökonom für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik OECD, Abteilung für Beschäftigung, Arbeit und Soziales
- 2. Die aktuellen Lockdowns haben einen massiven Einfluss auf die wirtschaftliche Aktivität % des BIP bei konstanten Preisen -35 -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 SAU ZAF CHN IND BRA ARG AUS IDN RUS CAN TUR KOR USA FRA ITA GBR ESP DEU MEX Geschätzter direkter Verlust des BIP während der Dauer eines teilweisen oder vollständigen Lockdowns der am stärksten von der Krise betroffenen Sektoren Quelle: OECD (2020). Evaluating the initial impact of COVID-19 containment measures on economic activity 2
- 3. 0 1 000 000 2 000 000 3 000 000 4 000 000 5 000 000 6 000 000 Erstanträge auf Arbeitslosengeld in den USA, April 2007 bis April 2020 3 … mit bereits jetzt dramatischen Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt Source: US Department of Labor In den USA… … wie in anderen Ländern Dänemark: 3x so viele Anträge wie im Schnitt zur gleichen Zeit in 2015-19 Großbritannien: 10x so viele Anträge wie gewöhnlich Kanada: >2 Millionen neue Anträge in der ersten Märzhälfte; ~ so viele wie in 2018/19 Norwegen: 2x so viele Anträge in den ersten 3 Monaten wie im gesamten 2019 Anträge auf Kurzarbeit: Deutschland: 650 000 neue Firmenanträge auf Kurzarbeit im März (20x so viel wie der größte Anstieg während der Finanzkrise) Frankreich: 785 000 Firmenanträge auf chômage partiel für 9.6 Millionen Beschäftigte: ½ aller Beschäftigten im Privatsektor Höhepunkt während der Finanzkrise Erste 4 Wochen des “lockdowns”
- 4. Ein anderer Politikmix ist vonnöten: • Eingrenzung der Pandemie • Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen • Vorbereitung eines Aufschwungs 4 Die Natur dieser Krise ist anders Eine globale Gesundheitskrise Angebots- schock Nachfrage- schock
- 5. Maßnahmen zur Eingrenzung der Pandemie und zur Abfederung ihrer Effekte (1/2) Einkommens- unterstützung für kranke oder unter Quarantäne gestellte Arbeitnehmer Schutz der Arbeitnehmer vor Covid-19 Hilfe bei unerwarteten Pflegebedürfnissen • Lockerung bestehender Vorschriften / Einführung neuer Optionen für die Telearbeit. • Unterstützung von KMU beim Aufbau von Telearbeitskapazitäten. • Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz • Ausweitung der Leistungsdeckung und Bezugsdauer, insb. für atypisch Beschäftigte. • Kostenerstattung für Arbeitgeber der Lohnfortzahlung bei Quarantäne. • Anpassung der Krankschreibungspflicht. • Alternative Betreuungsoptionen • Ausweitung der Regelungen zu (bezahltem) Sonderurlaub. • Subventionen für Arbeitgeber, die Arbeitnehmern bezahlten Urlaub gewähren. 5
- 6. 6 Maßnahmen zur Eingrenzung der Pandemie und zur Abfederung ihrer Effekte (2/2) Abfederung von Einkommensverlusten bei Arbeitslosigkeit Kurzzeitarbeit zur Erhaltung von Arbeitsplätzen Finanzielle Unterstützung für Unternehmen • Einführung von Kurzarbeit oder Ausweitung existierender Angebote • Vereinfachung der Verfahren und bessere Informationen. • Förderung von Online- Fortbildungen • Ausweitung des Arbeitslosengelds, insb. für atypisch Beschäftigte. • Unterstützung bei Wohnkosten und Bereitstellung von Notunterkünften. • Zahlungsaufschub für Steuern und Sozialbeiträge. • Günstige Kredite und Zuschüsse zur Liquiditätssicherung.
- 7. 7 Viele Länder haben weitreichende Maßnahmen ergriffen Source: OECD (2020), “Supporting people and companies to deal with the Covid-19 virus: Options for an immediate employment and social-policy response”, ELS Policy Brief on the Policy Response to the COVID-19 Crisis, OECD, Paris, http://oe.cd/covid19briefsocial 97% 94% 92% 72% 69% 64% 58% 44% 14% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Finanzielle Unterstützung für Unternehmen Einkommensunterstützung bei Jobverlust Kurzarbeit und Anpassung von Arbeitsstunden Schutz der Arbeitnehmer vor Covid-19 Unterstützung bei unerwarteten Plegebedürfnissen Einkommensunterstützung im Krankheitsfall Unterstützung bei Wohnkosten Einkommensunterstützung bei Quarantäne Änderungen im Kündigungsschutz Anteil der OECD Länder, die im Rahmen der Covid-Krise neue Maßnahmen beschlossen oder angekündigt haben
- 8. 8 Maßnahmen zur Ausweitung des Kurzarbeitergelds • Vereinfachter Zugang: Arbeitsausfall bei 10% der Beschäftigten (bisher: 30%) • Volle Erstattung der Sozialversicherungs- beiträge • Ausweitung auf Leiharbeiter • neu: schrittweise Erhöhung der Leistungen (80/87%) • „Corona- Kurzarbeit“ für max. 6 Monate bei 10-90%iger Reduzierung der Arbeitsstunden • Arbeitgeber zahlt 80-90% des Gehalts • Keine Reduzierung der Belegschaft • Zustimmung der Sozialpartner • Großzügigere Leistungen: 85% des Nettolohns; 100% für Mindest- lohnbezieher • Keine Kosten für den Arbeitgeber • Ausweitung auf Hausangestellte • Rückwirkende Zahlung möglich • Verkürzung der Wartezeit • Verlängerung des Genehmigungs- zeitraums (3 6 M.) • Ausweitung auf befristet Beschäftigte / Zeitarbeiter • Abbau von Überstunden nicht mehr nötig
- 9. OECD Policy Briefs zur Gesundheits-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik während der COVID-19 Krise: • Flattening the COVID-19 peak: Containment and mitigation policies (oe.cd/il/covid19briefcontain) • Beyond Containment: Health systems responses to COVID-19 in the OECD (oe.cd/covid19briefhealth) • Testing for COVID-19:: A way to lift confinement restrictions (oe.cd/il/covid19brieftesting) • Supporting people and companies to deal with the COVID-19 virus: Options for an immediate employment and social-policy response (oe.cd/covid19briefsocial) + overview policy table with countries’ policy responses (oe.cd/covid19tablesocial) • Women at the core of the fight against COVID-19 crisis (oe.cd/il/covid19briefgender) Für weitere Informationen, kontaktieren Sie gerne: Sebastian.Koenigs@oecd.org Folgen Sie uns auf Twitter: @OECD_Social www.oecd.org/els und http://www.oecd.org/coronavirus/ 9
Hinweis der Redaktion
- Herzlichen Dank an unser Berliner Büro und das IAB für die gemeinsame Organisation dieses Seminars. Ich freue mich sehr über das rege Interesse Die Covid-19 Krise stellt eine enorme Herausforderung für Beschäftigten, Familien und Unternehmen dar. Priorität war und ist es, die Gesundheit aller zu schützen Aber unterbrochene Angebotsketten und die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben jetzt schon massive Auswirkungen auf unsere Volkswirtschafen und stellen damit eine Risiko für Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Menschen dar. Die Regierungen in OECD Ländern haben daher weitreichende Maßnahmen getroffen, um die Gesundheit der Menschen, ihre Arbeitsplätze und Einkommen zu schützen In der OECD haben wir in den letzten Wochen fieberhaft dran gearbeitet, in der Kürze der Zeit mögliche Handlungsoptionen zu diskutieren und einen Überblick zu verschaffen, mit welchen Maßnahmen OECD Länder bisher auf diese Krise reagiert haben. Das ist durchaus eine Herausforderung wenn man sieht, wie schnell sich die Ereignisse entwickeln. Die Übersicht, die ich Ihnen heute vorstelle, basiert auf einem Policy Brief zu den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen der Krise, das online verfügbar ist. Wir werden diese Arbeit über die nächsten Wochen intensivieren, mit dem Ziel dass unser jährliche Employment Outlook, der Ende Juni / Anfang Juli erscheint, bereits ein Kapitel zum Thema Covid enthält.
- Unsere Kollegen aus der Wirtschaftsabteilung schätzen dass während der Lockdowns etwa ¼ der wirtschaftlichen Aktivität zum erliegen kommt. Muss drauf Hinweisen dass dies bisher nur einfache Schätzungen sind, weil konkrete Daten noch nicht verfügbar sind. Was die Kollegen daher hier gemacht haben ist zunächst einmal nur, sich anzusehen, welche Sektoren am stärksten von der Krise betroffen sind, und was deren Beitrag zum BIP ist. Eine alternativer Ansatz Sichtweise ist, dass jede Monat des lockdowns eine Reduzierung im BIP Wachstum von etwa 2 ppts bedeutet.
- Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt dürften dramatisch sein, sind aber im Detail noch nicht absehbar Initial unemployment insurance claims since the start of the lockdown (non seasonally adjusted): 3 million on 21/3 6 million on 28/3 Another 6 million on 4/4 5 million on 11/4 This makes over 20 million initial claims in the last 4 weeks And official unemployment rate isn’t available yet, but those numbers suggest that it should be somewhere around 17%.
- Diese Krise ist anders, als bisherige: Unterbrochene Angebotsketten mit China Arbeitgeber müssen zu Hause bleiben Die gewohnte Geld- und Fiskalpolitik ist bei so einem Angebotsschock nicht besonders effektiv Firmen reduzieren oder unterbrechen ihre Aktivitäten und können Löhne und Gehälter nicht mehr bezahlen Die Unsicherheit steigt und es wird weniger konsumiert und investiert Nachfrageschock erhöht den Druck auf Firmen weiter
- Finanzielle und logistische Unterstützung bei der Ausbau von Telearbeit: Japan zahlt firmen einen 50%-igen Kostenzuschuss für Equipment Italiens Innovationsministerium hat eine website eingerichtet, die über die diversen verfügbaren tools 2) Einkommensunterstützung für Arbeitnehmer in Quarantäne: Zunächst Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber, dann öffentliches Krankengeld, oft bis zu einem Jahr, häufig länger Viele Länder haben jetzt ausgeweitet (USA); oft auch Selbstständige abgedeckt, die sonst keine Ansprüche hatten Deutschland durch das Infektionsschutzgesetz gut aufgestellt – Selbständige haben Anspruch auf Leistungen 3) Große Herausforderung für Personen, die Kinder beaufsichtigen oder unterrichten müssen Einige Länder halten Einrichtungen für „essenzielle“ Berufsgruppen offen (AUT, FRA, DEU, NLD) Viele Länder haben speziellen Sonderurlaub ermöglicht: ITA, PRT Große Belastung für Arbeitgeber – öffentliche Leistungen nötig
- Kurzarbeit, kommen ich gleich noch kurz darauf zurück, sicherlich auch Herr Fitzenberger Eines der Instrumente, die sich in der Finanzkrise als sehr effektiv erwiesen haben. Die Idee ist, über eine zeitlich befristete Periode Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern, damit – wenn sich das Ende der Krise abzeichnet – die Arbeitnehmer schnell wieder anfangen können zu arbeiten, und den Unternehmen das Knowhow und die Erfahrung der Arbeitnehmer erhalten bleiben Das hat speziell in Deutschland sehr gut geklappt und viele Länder haben deswegen in dieser Krise Kurzarbeitsprogramme eingeführt oder stark ausgeweitet Arbeitslosengeld, zum Beispiel in den USA Erhöhung der Leistungen Ausweitungen der Bezugsdauer Ausweitung auf Selbständige Einmalzahlungen an alle Amerikaner – Ausdehnung auf atypisch Beschäftigte; Verlängerung der Bezugsdauer während der Krise
- Ab dem 4. Monat: 70/77% und ab dem 7. Monat 80/87% Auch: Verlängerung des Arbeitslosengeldes um 3 Monate für diejenigen, deren Ansprüche zwischen Mai und Dezember auslaufen würden