Antrittsvorlesung am 5. Juni 2013 an der Hochschule Karlsruhe
In einer sich immer schneller verändernden Umgebung müssen
Unternehmen vorausschauend agieren, Innovationen in Produkte umsetzen
und ihre Prozesse verbessern und ihre Kompetenz weiterentwickeln. Hierzu
ist ein kontinuierlicher „Wissensfluss“ erforderlich, innerhalb dessen Ideen
weiterentwickelt werden. Das Modell der Wissensreifung beschreibt diesen
Wissensfluss und die damit verbundenen Informationsartefakte wie
Dokumente oder Modelle als kollektiven Lernprozess mit identifizierbaren
Phasen und charakteristischen motivationalen, sozialen oder
organisationalen Barrieren.
Dies eröffnet neue Perspektiven: wann kommt es auf Kreativität, wann auf
Offenheit und Dialog, wann auf Einigung an, wann lohnt sich Formalisierung
– und wann behindert sie nur? Dies betrifft die Ausgestaltung von Software-
Systemen, die Arbeitsorganisation, Führungsprinzipien, aber insbesondere
auch gängige Konzeptionen von Kompetenz-, Prozess- oder
Qualifikationsmanagement. Dies soll anhand typischer Probleme und neuen,
auf sozialen Medien basierenden Ansätzen aufgezeigt werden.
6. … ist tot
Man nennt es nur anders:
Wissen entwickeln und
Wissen teilen sind immer
noch hoch aktuell
Kollaboration
Enterprise 2.0
7. Im Zeitalter von
Enterprise Social Media …
… müssen wir unser Verständnis von Wissen -
und wie man die Entwicklung von Wissen
beeinflussen kann – grundlegend überdenken
9. Wissensmanagement im Zeitalter
von Enterprise Social Media
• Beobachtungen
– Wissensdatenbanken funktionieren nicht, aber Menschen
teilen über Soziale Medien in unvorstellbarem Ausmaß
– Wissen entwickelt sich entlang von Ketten individueller
Lernprozesse
– Wissen und Wissensentwicklung haben unterschiedliche
Eigenschaften, je nach dem „Reifegrad“
– Artefakte sind nicht einfach Wissen, sie repräsentieren nicht
einfach Wissen, aber sie sind ein wichtiger Teil einer
komplexen Interaktion
17. Charakteristische Barrieren
• Ib) – II) Einbringen in die Community
• II – III) Dokumentieren
• III- IVa) Umsetzung
• IVa – IVb) Vom Early Adopter zum Mainstream
19. Wissen und
repräsentierende Artefakte
• Wissen und die jeweils repräsentierenden Artefakte
sind zu unterscheiden.
– Reifes Wissen kann ohne Artefakte auskommen
– Unreifes Wissen kann stark formalisiert sein
(„Überformalisierung“)
• Aber üblicherweise verbindet man mit der Reife von
Wissen eine Formalität der Artefakte
• Problem:
– Was ist wenn die Reife des Wissens und die Formalität der
Artefakte auseinanderfallen?
21. Wissensreifungsaktivitäten
Find relevant digital
resources
Embed information at
individual or organisational
level
Keep up-to-date with
organisation related
knowledge
Familiarise oneself with new
information
Reorganise information at
individual or organisational
level
Reflect on and refine work
practices or processes
Create and co-develop
digital resources
Share and release digital
resources
Restrict access and protect
digital resources
Find people with particular
knowledge or expertise
Communicate with people
Assess, verify and rate
information
Kaschig et al: Organisational Learning from the Perspective of Knowledge Maturing Activities,
IEEE Transactions on Learning Technologies,no. 3, 2013
22. Wissensreifungsindikatoren
• Zweck: Wissensreifung sichtbar machen
• Ziel
– Maßnahmen zur Beeinflussung von Wissensreifung bewerten
(Scorecard)
– Reife von Artefakten bewerten
• Basis
– Automatisiert berechnete Artefaktmetriken
– Analyse von Benutzeraktivitäten in Log-Daten
– Spezielle Evaluationsaktivitäten (Fragebogen, Interviews etc.)
26. Probleme von
Unternehmenssoftware
• Vorgegebene Strukturen/Modelle sind fest und nicht
(einfach) änderbar
– Metadatenstrukturen, Prozessunterstützung,
Taxonomien/Ontologien, Kompetenzkataloge
• Die Modelle sind nicht angemessen
– Ihre Formalität entspricht nicht der Verständnistiefe der
Realität
– Sie orientieren sich nicht an dem (sich verändernden)
Nutzungsverhalten
27. Modellierung als Lernprozess
• Hierzu muss man allerdings die Modellierung als
Lernprozess verstehen:
– Von vagen Ideen zu allgemein akzeptierten,
wohlverstandenen Konzepten
– Von einfachen Aufgaben zu verbindlichen strukturierten
Abläufen
• Und die Lernprozesse laufen nicht während der
Design-Phase, sondern zur Laufzeit ab
Social MediaMashups
28. Graduelle Formalisierung
(am Beispiel von Kompetenzkatalogen)
Braun, Simone, Kunzmann, Christine, Schmidt, Andreas: Semantic People Tagging & Ontology Maturing:
An Enterprise Social Media Approach to Competence Management
International Journal on Knowledge and Learning (IJKL), vol. 8, no. 1/2, 2012, pp. 86-111
30. MATURE
• Entwickelt auf der Basis von Fallstudien von
Unternehmenssituationen
– Ursprünglich Zusammenbringen von E-Learning und
Wissensmanagement
• Projekt MATURE (2008-2012)
– Empirische Studien (ethnographische Studien,
Interviews mit 139 Unternehmen in Europa,
Fallstudien)
– Partizipative Prototypenentwicklung und deren
Evaluation als Design-based research
• Ganzheitliche Sicht:
– Mensch, Organisation und Technik
http://mature-ip.eu
33. Wissensreifung
• Wissensreifung ist eine neue Perspektive auf die
Entwicklung von Wissen
– Kette von Lernprozessen über unterschiedliche Individuen
und soziale Kontexte
– Verläuft nicht kontinuierlich, sondern es existieren typisch
vorkommende Brüche
– Wissen verändert seine Eigenschaften
• Viele Anwendungsmöglichkeiten
– Analyse von Barrieren und Ungleichgewichten
– Werkzeugauswahl und –konfiguration
– Design für graduelle Formalisierung:
Aushandlung zur Laufzeit
33
34. Learning Layers
17 Partner, Laufzeit 11/2012-10/2016
12,5 Mio € Projektbudget
http://learning-layers.eu
Wie findet Wissensreifung
in großen Netzwerken statt?
Wie lässt sie sich skalierbar unterstützen?
38. Knowledge Maturing Process Model (2)
content
maturingcontent
maturing
ontology
maturing
(incl. competencies)
ontology
maturing
(incl. competencies)
process
maturing
process
maturing
39. Ia) Entdecken (exploration)
Eigenschaften des Wissens
– Emergent, schwer greif-,
benenn- und abgrenzbar
– Stark mit dem Individuum
verknüpft, kaum ablösbar,
flüchtig
Aktivitäten und
Lernformen
– Exploratives Suchen
– Kreativitätstechniken
Artefakte
Unspezifisch
Oft auch ohne Artefakte
Unterstützung
Begrenzt, ggf.
• Freiräume schaffen
• Inspirationsquellen
40. Ib) Aneignen (appropriation)
• Eigenschaften des Wissens
– Gegenüber Ia): persönliches
Commitment
– Individuelle
Handlungswirksamkeit
• Aktivitäten und Lernformen
– Merken, Annotieren,
Strukturieren
– Einbetten in den eigenen
Kontext
Artefakte
Notizen i.w.S.
Unterstützung
Strukturierung
41. II) Verbreitung in Communities
• Eigenschaften des Wissens
– Vom einzelnen zur Gruppe
– Gemeinsames Verständnis
innerhalb einer Gruppe
• Aktivitäten & Lernformen
– kooperatives Lernen &
Arbeiten
– Diskurse/Konversationen
– Lernen in Netzwerken
Artefakte
Gemeinsame Dokumente:
Wikis, Mindmaps,
Aufgabenlisten…
Gemeinsame Kollektionen
Gemeinsame Taxonomien/
Folksonomies
Unterstützung
Finden von „Experten“/
Communities/Netzwerken
Einfache Kollaboration
Kollaborationsstrukturen und
-kultur
42. Transformation
• Eigenschaften des Wissens
– Wissen wird dokumentierbar
und kann einem größeren
Kontext weitergegeben werden
• Lernformen
– Gezielte Informationssuche,
„Dokumente durcharbeiten“
– Modellieren
Artefakte
vorgegebene Form bzw.
Formalismus
Dokumente, Prozessmodelle
Metadaten
Unterstützung
Auffinden von Dokumenten
Bewerten & Verbessern
durch Feedback
Modellieren als aktiven
Lernprozess