Vortrag von Dr. Alexander Dill (Basel Institute of Commons and Economics) zum Thema "Sozialkapital" beim Zürich Behavioral Economics Network (#ZBEN) am 7. Dezember 2015 (Behavioral Economics & Weihnachten - Wie entsteht "soziales Kapital"?)
Dr. Alexander Dill: "Was hat Sozialkapital mit Verhaltensökonomie zu tun?" - Zurich Behavioral Economics Network
1. Was hat Sozialkapital mit Verhaltensökonomie zu tun?
Vortrag von Alexander Dill zum Treffen des Zurich Behavioral Economics Network
am 7.12.2015
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2. Warum verüben „islamistische“ Kämpfer bisher keine Attentate
in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien?
• Weil dort die Sicherheitsvorkehrungen besonders streng sind?
• Weil dort Attentäter besonders hart bestraft werden?
• Weil sie Schutzgeld erhalten?
• Weil diese Länder islamistische Bürgerkriegsparteien unterstützen?
• Weil……?
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3. Sozialkapital handelt nicht von individuellen, sondern von
interpersonalen, kollektiven und intersubjektiven
Einstellungen.
Frage: Wie gelangt der Attentäter zur Entscheidung, ein Attentat zu
verüben?
Auch nicht anders als wir, also indem er eine Handlung wählt, von der
er sich Anerkennung und Zustimmung von seiner Gruppe erhofft.
Dabei wird er – wie wir – schon deshalb keine Alternativen prüfen, weil
er nicht genug Informationen über Alternativen hat.
Ergebnis: Er verübt in diesen Ländern kein Attentat, weil er nicht sicher
ist, dass seine Mitkämpfer dies gut finden.
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4. Kann ein einzelner Mensch eine
fehlerhafte Entscheidung treffen?
Nein, weil er nie den Überblick über alle Folgen und Konsequenzen der
Entscheidung hat. Der Einzelne ist immer asymmetrisch informiert.
5. Aber Gemeinschaften können doch
fehlerhafte Entscheidungen fällen?
Nein, weil sie nie einen Überblick über die Folgen und Konsequenzen
der Entscheidung haben. Die Gemeinschaft ist durch ihre Führer,
Medien und Experten immer asymmetrisch informiert.
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6. Aber Einzelne und Gemeinschaften treffen
doch ständig Entscheidungen?
Nein. Das was als „Entscheidung“ bezeichnet wird, ist nur die
Zustimmung zu einer für mehrheitsfähig gehaltenen interpersonalen
Einstellung.
Bereits deshalb hat Verhaltensökonomie mit Sozialkapital zu tun, denn
die Behavioral Economists diagnostizieren eine Tendenz zu fehlerhaften
Entscheidungen, die sie besser verstehen möchten.
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7. Beispiel VW
Die VW-Manager waren und sind davon überzeugt, dass ihre Kunden
keine Elektro- oder Brennstoffzellen-Autos, sondern PS-starke Diesel-
Boliden wünschen.
„Der Durst des V8-Triebwerks ist auf 100 Stadtkilometer mit elf Litern
als relativ genügsam zu bezeichnen.“ DIE WELT am 17.6.2015 über den
VW Touarag
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8. Beispiel Staatsschulden: Mehrheitsfähige
interpersonale Einstellungen unter Ökonomen
• Je höher die Bonität eines Landes, desto niedriger die Zinsen für
Staatsanleihen
• Die Finanzmärkte bestrafen eine unsolide Haushaltspolitik
• Die Zinshöhe bewertet die Schuldentragfähigkeit von Staaten
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10. Ich versichere Ihnen:
• Weder die spanische Regierung, noch ihre Kreditgeber, noch die
beteiligten Zentralbanken oder der EFSF haben je auch nur im
Entferntesten eine Entscheidung getroffen.
• Ihre Handlungen folgten stets dem opportunistischen Prinzip, nämlich
einer vermuteten Mehrheitsmeinung, in der man stets die größte
Richtigkeit vermutet.
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12. Wenn Sozialkapital aus interpersonalen Einstellungen
besteht, müssten die doch messbar sein?
„Ja. Aber dann müssen wir die Befragten als Soziologen behandeln.“
„Warum das?“
„Weil wir wissen wollen, welche interpersonalen Einstellungen an
einem Ort verbreitet sind.“
„Wir könnten doch jeden Einzelnen fragen, wie er über bestimmte
Einstellungen denkt. So wird‘s doch in der Gallup World Poll (GWP) und
im World Value Survey (GWP) gemacht.“
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13. Making the difference
Im World Value Survey wird gefragt:
„Glauben Sie, dass man den meisten Menschen trauen kann, oder
sollte man eher vorsichtig sein?“ Ja oder Nein.
Im Social Capital Assessment wird gefragt:
„Wie beurteilen Sie das Vertrauen unter den Menschen an Ihrem Ort?“
Skala 10 (hoch) bis 1 (niedrig).
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14. Einstellungen „unter den Menschen an Ihrem Ort“
Das Social Capital Assessment findet inzwischen in 17 Sprachen und etwa 100 Ländern
statt.
Es besteht aus sieben Fragen und einer Kontrollfrage. Auf einer Skala von 10 (hoch) bis 1
(niedrig) werden bewertet:
• Das Vertrauen unter den Menschen
• Die Bereitschaft, persönliche Einschränkungen für das Gemeinwohl zu akzeptieren
• Die Bereitschaft, öffentliche Güter durch Steuern mitzufinanzieren
• Die Bereitschaft, in lokale Genossenschaften zu investieren
• Die Hilfsbereitschaft
• Die Freundlichkeit
• Die Gastfreundschaft
Alles jeweils „unter den Menschen an Ihrem Ort“
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15. Ein Datensatz aus Gaza: Weltmeister in
Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Gastfreundschaft
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17. Zusammenfassung
Sozialkapitalforschung und Behavioral Economics sind sich durchaus ähnlich.
Sie versuchen beide mit empirischen Methoden, Verhalten zu erklären.
Die Ergebnisse des Social Capital Assessment könnten eine wertvolle
Datenquelle für Verhaltensökonomen sein, da aufgrund der Skalierung sehr
gut die Standardabweichung für jede Frage berechnet werden kann und das
Assessment auch lokal stattfindet, man also Orte oder Stadtbezirke
vergleichen könnte.
Umgekehrt könnten die Verhaltensökonomen weitere Fragen zum
Assessment beisteuern.
Liebe Kollegen, danke für die Einladung!
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18. Kontakt
Dr. Alexander Dill
Vorstand
Basel Institute of Commons and Economics AG
Gerbergasse 30
CH 4001 Basel
Tel. 0041 61 261 35 21
Web: www.commons.ch
Social Capital Assessment:
www.trustyourplace.com
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