1. Impulse für die Opferhilfe und
Opferprävention
Erkenntnisse aus der Forschung mit Kindern und
Jugendlichen zu sexuellem Missbrauch und
Gewalt in der Paarbeziehung der Eltern
Prof. Dr. Barbara Kavemann
Sozialwissenschaftliches FrauenForschungsInstitut Freiburg
Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
2. Übersicht:
1. Sexueller Missbrauch / sexuelle Übergriffe und
Gewalt bei Jugendlichen
1. Risiko- und Schutzfaktoren
2. Gewalt in der Paarbeziehung von Eltern
1. Gewaltsituationen
2. Belastungen
3. Reviktimisierung
1. Risiken und Auswirkungen
2. Einschätzung von jugendlichen Mädchen
4. Stigmatisierung als Opfer
4. Sexueller Missbrauch wird der Welt der
Erwachsenen eher selten bekannt
tatsächliches Ausmaß
der sexuellen Übergriffe
und Gewalt
Übergriffe und
Gewalt, die von
Kindern und
Jugendlichen
berichtet
werden
Übergriffe und
Gewalt,
die Behörden
bekannt werden
5. Es ist nicht selbstverständlich, dass Kinder
und Jugendliche Erwachsenen von
sexualisierter Gewalt und Übergriffen
erzählen.
Priebe und Svedin (2008) befragten über 1000
Mädchen und über 500 Jungen zu ihren Erlebnissen.
• 81% der Mädchen und 69% der Jungen hatten die
Übergriffe anderen offenbart,
• beide sprachen ganz überwiegend mit
Gleichaltrigen.
→ Primärprävention
6. Sexuelle Übergriffe im Jugendalter
Eine Durchsicht aller Untersuchungen in 27 EU
Ländern seit 2000 fand, dass
• bis zu 83% der weiblichen und
• 66% der männlichen Jugendlichen und jungen
Erwachsenen wenigstens einen unfreiwilligen
Sexualkontakt seit Erreichen des gesetzlichen
Schutzalters berichtet hatten.
Selbst berichtete Täter*innenschaft war bis zu 80%
bei Jungen und 40% bei Mädchen.
(Krahé, Tomaszewska, Kuyper, & Vanwesenbeeck, 2014).
7. Sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen
Risikofaktoren für sexuelle Übergriffe unter
Jugendlichen:(Krahé, Tomaszewska, Kuyper, & Vanwesenbeeck, 2014).
• für Viktimisierung und Reviktimisierung
• sexuelle Unsicherheit auf Seiten der Betroffenen
• Alkoholkonsum in sexuellen Situationen
• für Täter*innenschaft
• sexuelle Unsicherheit aus Seiten der Betroffenen
• Alkoholkonsum in sexuellen Situationen
• Akzeptanz von Gewalt in intimen/sexuellen
Situationen
→ Sexualpädagogik wird dringend benötigt
8. Sexueller Missbrauch in Institutionen
DJI-Studie im Auftrag der UBSKM (2011)
Fälle von sexuellem Missbrauch in der Institution:
• Schulen innerhalb der letzten 3 Jahre: 3% hatten
mindestens 1 Fall
• Internate innerhalb der letzten 3 Jahre: 4% hatten
mindestens 1 Fall
• Heime innerhalb er letzten 3 Jahre: 10% hatten mindestens 1 Fall
Fälle von Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen:
• Schulen innerhalb der letzten 3 Jahre: 16% hatten
mindestens 1 Fall
• Internate innerhalb der letzten 3 Jahre: 29% hatten
mindestens 1 Fall
• Heime innerhalb er letzten 3 Jahre: 39% hatten mindestens 1 Fall
9. Risiken für Übergriffe in Institutionen
(Fegert et al. 2015)
Fehlende Offenheit in der fachlichen Diskussion: Nähe-Distanz-Thema
keine Auseinandersetzung mit Sexualität in der Einrichtung, kein
sexualpädagogisches Konzept, → Täterstrategien
unzureichende Fachkenntnisse, fehlende Fortbildung,
verkrustete Strukturen, ungelöste Teamkonflikte, Fraktionen-Bildung,
→ Täterschutz
schwache Leitung, die in Konfliktsituationen nicht stützt und die
Mitarbeiter*innen mit der Verantwortung alleine lässt,
autoritäre Leitung, die den Mitarbeiter*innen keinen Raum für
Eigeninitiative und Eigenverantwortung lässt und mit Angst operiert,
fehlende Supervision und Intervision,
fehlende Schutzkonzepte, fehlendes Beschwerdemanagement,
→ Täterschutz
Schutzkonzepte, die ohne Beteiligung des Teams und der Kinder bzw.
Jugendlichen entstehen bzw. vom Träger übernommen werden und Papier
bleiben, nicht umgesetztes oder nicht funktionierendes
Beschwerdemanagement.
10. Schutzfaktoren in Institutionen (Bange 2013)
• Klare, an Fachlichkeit orientierte Leitungsstrukturen
• Verhaltenskodex für Mitarbeiter*innen, der sexuelle Übergriffe
ächtet und der auch den Jugendlichen und den Eltern bekannt
gemacht wird
• Ausgeprägte Beteiligungsrechte und aktive Mitbestimmung für
die Mädchen und Jungen
• Unabhängige Beschwerdestelle und Beschwerdemanagement
• Gemeinsam erarbeiteter Konsens über ethisch-pädagogische
Grundhaltung, der regelmäßig reflektiert wird
• Sexualpädagogisches Konzept
• Konzept für den Umgang mit Verdachtsfällen
• Kooperation mit externer Beratungsstelle
• Präventionsangebote für Mädchen und Jungen
• Fortbildungen für die Mitarbeiter*innen
12. Kommunikation und Vertrauen –
Basis von Schutz und Prävention
Beispiel Heimerziehung
„Dass die Erzieher, dass man halt nicht zu denen kommen
kann, weil man genau weiß, die müssen das den andern
Erziehern sagen und das ist halt auch sowas, wo wir dann
halt kein Vertrauen zu denen haben, weil wir genau
wissen, wir können denen nichts erzählen.“
Dieses Misstrauen findet sich häufig generell
gegenüber Professionellen.
Vertraulichkeit und ihre Grenzen müssen
verständlich und verlässlich kommuniziert werden.
13. Kommunikation und Vertrauen –
Basis von Schutz und Prävention
„Wenn es jetzt wirklich SO schlimm ist, dass- weil er damit
nicht leben kann und alles, und ich einfach keine andere
Wahl habe, weil ich kann ja nicht zusehen, wenn… wie er
sich da kaputt macht und so, dann würde ich‘s einfach
erzählen. Dann würde ich aber auch so erzählen, dass
sozusagen… dass die das nicht von MIR haben, nicht dass
er dann weiß, dass ICH es den Erziehern erzählt habe.
Und wenn’s aber jetzt nichts Schlimmes ist, so‘n ganz
normales Geheimnis, dann würde ich das auch nicht
weitererzählen.“
(Jugendlicher in der stationären Jugendhilfe)
15. Wir wissen: auch „nur“ Miterleben kann zu
Schädigungen führen – vor allem, wenn es früh
im Leben beginnt und länger andauert
Angst und Unsicherheit führen zu Stress
andauernder Stress kann die Entwicklung des Gehirns
beeinflussen und damit die intellektuelle Entwicklung
verzögern oder reduzieren
andauernder Stress kann das Immunsystem unterdrücken
(US Department on Health and Human Services 2008)
→ Integration der Thematik in die Frühen Hilfen
16. Zwei „Risikopfade“ für die Entwicklung
der Kinder:
• Lern- und Konzentrationsfähigkeit werden
beeinträchtigt, das bedeutet Defizite in der kognitiven
Entwicklung = Beeinträchtigung des Schulerfolgs
• In Beziehungen zu Gleichaltrigen, in ersten
Liebesbeziehungen und späteren eig. Partnerschaften
stehen weniger konstruktive Konfliktlösungsmuster zur
Verfügung und eine erhöhte Bereitschaft zum Einsatz
oder zum Erdulden von Gewalt = Beeinträchtigung der
Lebensqualität
(Kindler 2006)
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Risiko: Kindesmisshandlung
“Eigentlich habe ich mir das schon im Mai überlegt, da ist er
nämlich auf unseren großen Sohn los und hat ihn echt grob
misshandelt (… Später) habe ich gesagt, ich nehme das nicht
mehr hin, und das hat ihn einfach alles total in Rage gebracht
und dann hat er mich vor sich hergeschoben ins Kinderzimmer
und der Sohn ist natürlich schier ausgerastet und dann wollte er
den wieder schlagen Und dann habe ich mich einfach
dagegengestemmt und dann holt er aus und knallt mir voll eine
ins Gesicht.”
Sie ruft danach die Polizei.
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Risiko: Kinder intervenieren bei Gewalt in der
Paarbeziehung der Eltern
“Ich hab gar keine Chance gehabt. Mein Kleiner stand immer in
der Mitte und hat gesagt: Lass meine Mama in Ruhe, lass sie
jetzt in Ruhe. Der ist elf. Und der hat mich immer verteidigt.
Aber da hat er ihn auf die Seite geschubst und hat mir eine
geknallt. Mein Kleiner, beim letzten Mal, wo er ausgeflippt ist
(…), da ist mein Kleiner mit `nem Küchenmesser kommen. Und
wenn meine Freundin nicht da gewesen wäre, ich glaub, mein
Kleiner hätte ihm das Messer in den Rücken rein.” (Sohn, 11
Jahre)
Die Freundin ruft die Polizei.
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Bedeutung von Unterstützung im sozialen
Nahraum
“Ich wollte mit den Kindern raus, das ist uns nicht ganz
gelungen, mich hat er halt geschnappt und ist voll auf mich
drauf und meine Kinder sind auf den drauf und dann sind wir
irgendwie aus dem Zimmer raus, das Auto war gefroren, sonst
wär’ ich mit dem Auto weggefahren. In der Zeit ist er mir schon
hinterher und die Kinder haben geplärrt auf der Straße wie
wahnsinnig und dann kam mein Nachbar raus und wir sind zu
dem Nachbarn rein. Es war ja kalt, wir hatten ja nichts weiter
an, nur Schlafanzüge.” (3 Kinder 10 bis 14)
Der Nachbar ruft die Polizei.
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Risiko: Manipulation von Kindern
“Ich hab auf dem Boden gelegen im Schlafzimmer und hab bloß
noch geheult und geschrieen, er soll aufhören. Und die Kinder
sind drumrumgehockt und haben gelacht, und dann hat er
angefangen auf mich einzustiefeln mit den Füßen und dann hat
er zu ihr noch gesagt: Da liegt die Mama, komm, stiefel doch
auch mal rein. Und die hat dann auch noch mitgemacht.” (2
Kinder, 2 und 3 Jahre)
Nachbarn rufen die Polizei.
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Geschlechtsspezifische Bedeutung der Kinder
während der Gewaltbeziehung
Insbesondere Söhne: Ihnen kann die Rolle des Retters
übertragen werden: sich selbst zu wehren, die Mutter zu
verteidigen und den Vater zurückzuhalten.
Insbesondere Töchter: Frauen mit alkoholabhängigen,
gewalttätigen Männern gehen Allianzen mit Töchtern ein, um
mit der Unberechenbarkeit der Gewalt besser umgehen zu
können.
→ Geschlechtsspezifische Unterstützung ist im Jugendalter
erforderlich.
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Angesichts der Überlastung ....
… können die Mütter nur schlecht den Bedarf der Kinder
wahrnehmen, sind sie dann doch mit ihren eigenen
Schuldgefühlen konfrontiert, dass sie die Kinder nicht
schützen konnten,
….kann mit einer zunehmenden Stabilisierung und
Sicherheit aus der Distanz die Betroffenheit der Kinder
zugelassen und Unterstützungsbedarf der Kinder gesehen
werden.
→ Parallele Angebote für Töchter, Söhne, Mütter,
Väter sind erforderlich.
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Was hindert Mädchen und Jungen bei Gewalt zwischen
den Eltern Unterstützung zu suchen? (Seith 2007, N=1.302)
„Weil man die Eltern nicht gerne schlecht macht vor anderen
Leuten.“
(Mädchen 16 Jahre)
„Weil sie dann die Eltern fragen, ob das stimmt. Dann wissen
die Eltern, dass das Kind das erzählt hat. Vielleicht wollen
die Eltern nicht, dass das andere wissen.“
(Junge 12 Jahre)
„Weil man dann Angst hat, dass man von den Eltern
weggenommen wird oder was dann mit den Eltern passiert.“
(Mädchen 15 Jahre)
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Was empfehlen Jugendliche ihren Peers?
(Kavemann 2012) (N=89)
22%
35%
28%
10%
5%
mit jemandem reden
Hilfe holen
eingreifen
Gewalt einsetzen
anderes
26. Überschneidung von sexuellem Missbrauch und
Gewalt in Paarbeziehungen (N=42)
26
13%
87%
0
20
40
60
80
100
Das ist nie passiert Gewalt erlebt/ gehört/ im
Nachhinein erfahren
Inwieweit Gewalt zwischen Bezugspersonen erlebt
27. Intergenerationelle Übertragung
• Töchter und Söhne haben ein hohes Risiko, die
Beziehungsmuster ihrer Eltern zu wiederholen,
wenn sie keine Ausreichende Unterstützung
erhalten.
▫ Es gibt gute Konzepte der (therapeutischen)
Gruppenarbeit, der Traumapädagogik und der
Traumatherapie, ABER es fehlt an Ressourcen in
Frauenhäusern und an Therapieplätzen.
• Mädchen, die als Kind Gewalt gegen die Mutter
erlebt haben, haben ein großes Risiko, selbst in
gewaltförmige Beziehungen zu geraten.
▫ Es gibt zu wenig gezielte Prävention von
Reviktimisierung.
30. Risiken für Reviktimisierung (Krahé 2015)
• Multiple Traumatisierung – z.B. sexueller Missbrauch
und Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung –
verstärkt das Risiko der Retraumatisierung.
▫ Schädliche sexuelle Skripte
→ Traumapädagogik und Sexualpädagogik
• Falsche Informationen und „Laien-Theorien“ über
sexuelle Gewalt
▫ Z.B. die Theorie vom Fremdtäter und der eigenen
Provokation
▫ Vergewaltigungsmythen
→ Prävention
• Problematische Reaktionen des sozialen Umfeldes
▫ Z. B. Beschuldigungen, Abwertungen, Stigmatisierung
→ Öffentlichkeitsarbeit
31. Wie erklären jugendliche Mädchen die Reviktimisierung?
• „Naja sie wehrt sich dagegen nicht, also sie bleibt halt
da und so. Zum Beispiel wie ich auch. Ich hatte dieses
rosarote Brille und so. Dann macht man halt nichts
dagegen sondern lässt sich das einfach gefallen und so,
weil man Angst hat den Menschen zu verlieren.“
• „Wenn man sich einmal hat ausnutzen lassen, dann ist
es wahrscheinlicher, dass man sich wieder ausnutzen
lässt. Man ist es oft dann schon gewohnt und wüsste
nicht, wie man da raus kommt.“
• „Man behält diese Einstellung, dass man weniger wert
ist, eben auch oft und lässt sich dann eben ausnutzen
und ich kenne das ja selber, man kann nicht wirklich viel
dagegen tun, gegen dieses Gefühl.“
33. 33
Gewalt in der Familie wird als soziales Stigma erlebt
(Kavemann / Seith 2009) (N=127)
„Sollen Kinder über die Gewalt mit jemandem
reden?“
▫ Wenige waren dafür (18,9%)
▫ Ein Drittel war dagegen (32,6%)
▫ Die Mehrheit machte es von den Umständen abhängig
(48,5%)
Mädchen sind eher bereit, sich mitzuteilen und Hilfe
zu suchen als Jungen
34. 34
Gewalt in der Familie wird als soziales Stigma erlebt:
Warum reden Mädchen und Jungen nicht über Gewalt
in der Familie? (Kavemann / Seith 2009) (N=1.983) in%
0 10 20 30 40 50 60
weil die anderen dann schlecht
über die Familie denken könnten
weil die anderen dann etwas tun,
was man selbst nicht will
Weil die anderen einen dann als
Opfer sehen würden
Weil die anderen einem nicht
glauben würden
35. Opferstigma (Kavemann 2012)
Angst vor Ausgrenzung und Stigmatisierung verhindert
die Offenlegung von Gewaltelreben und behindert die
Hilfesuche:
Es soll nicht weitergesagt / getratscht werden, „weil die anderen
einen dann als Opfer sehen“. Das bedeutet….
• „ausgelacht und gemobbt zu werden“
• „die könnten dann Lügen erzählen“
• „weil die anderen einen dann kaum noch beachten“
• „weil man gehänselt wird“
• „weil sie einen auslachen oder es anderen erzählen, die
sich darüber lustig machen“
• „weil dann vielleicht die Freunde nicht mehr mit einem
spielen“.
35
36. Opferstigma (Kavemann 2012)
Angst vor Stigmatisierung gefährdet intime und sexuelle
Beziehungen der Jugendlichen
„Also die leiden dann richtig und ich glaub die meisten Frauen
sagen das ihrem Partner dann gar nicht, sie verschweigen‘s und
leiden damit. Und ich glaub, also von mir jetzt so gedacht, sie
weinen sich dann in den Schlaf und irgendwann hat der Mann
keine Lust mehr, weil er nicht weiß, was mit ihr ist. Einem
Partner würd ich es nur sagen wenn, man sich dann sicher bei
ihm ist und nicht dann jedem sozusagen.“ (15 Jahre)
→ Jugendliche brauchen Unterstützung, um ein geeignetes
Stigmamanagement zu erwerben.
36
37. Auswirkungen von Gewalterleben auf die Beziehung:
Risiko der Reviktimisierung nach sexuellem
Missbrauch
Das „damaged good“ Argument
„Wenn man einmal die Position in der Beziehung eingenommen
hat, in der man irgendwie weniger wert ist, dann kommt man da
eigentlich nicht raus, weil anscheinend… ja dann… ein Partner
dann damit zufrieden ist dass er die Alphaposition eingenommen
hat.“ (16 Jahre)
→ Die Stärkung des Selbstwertgefühls und die Vermittlung
geeigneter Strategien der Selbstbehauptung müssen im
Zentrum der Unterstützung stehen.
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38. Auswirkungen von Gewalterleben auf die Beziehung:
Risiko der Reviktimisierung nach sexuellem
Missbrauch
Schuldgefühle verändern das Selbstbild
„Wenn man zum Beispiel nie mit jemandem darüber redet
und das alles in sich rein frisst, dann ist das eigentlich
vorprogrammiert, weil man damit alleine ist, und das führt
eben meistens dazu, dass man sich selbst die Schuld gibt,
weil- man nicht wirklich glauben kann, dass man jetzt das
arme Opfer sein soll. Dann ist man natürlich auch wieder
irgendwie arrogant, denn wie kann man es wagen, sich als
Unschuldslamm darzustellen.“ (16 Jahre)
→ Ein Verständnis von Gewaltdynamiken und
Reaktionen kann bei der Bewältigung helfen.
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41. Hilfe muss jederzeit verfügbar sein
„Ich wollt mich nämlich einmal… war ich ganz nah dran… als ich
zwölf war oder so… mich aus‘m Fenster… Und dann hab ich da
angerufen und es war so: >Sie rufen außerhalb unserer
Sprechzeiten an< und ich war so sauer darüber (lachend) dass
ich‘s nicht gemacht habe. Ich dachte, das kann doch jetzt nicht
wahr sein, das hätte mir jetzt richtig den Kick geben können
eigentlich: Nicht mal das Sorgentelefon will mich haben. Und das
geht einfach gar nicht.“ (16 Jahre)
→ Krisen- und Unterstützungseinrichtungen brauchen
ausreichende Ressourcen, um Erreichbarkeit zu
gewährleisten.
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