Prof. Bradshaw, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und Fritz-Haber-Institut hielt den ersten Vortrag des 3. GDNÄ Tageskongresses: „Keine Energiewende ohne seltene Elemente?“. Er beschäftigte sich mit den Fragen: Warum sind seltene Elemente für die Energiewende wichtig? Was ist Knappheit und wie selten sind seltene Elemente wirklich? Tatsächlich werden viele wichtige und seltene Elemente nicht nur bei der Erzeugung, sondern auch bei der Verteilung, der Speicherung und für den optimierten Verbrauch von Energie benötigt. Beispiele sind Neodym und Dysprosium für Windturbinen, Cadmium, Tellur, Indium und Selen für Solarzellen sowie Lithium und Kobalt für Batterien. Obwohl häufig behauptet wird, dass manche dieser Elemente nicht so selten sind, könnte in den nächsten Jahrzehenten geochemische Knappheit ihre Verfügbarkeit beeinflussen. Da die reichsten Lagerstätten immer zuerst abgebaut werden, sinkt im Laufe der Zeit zwangsläufig die durchschnittliche Konzentration des gewonnenen Erzes. Dadurch steigt der Aufwand, der zur Gewinnung betrieben werden muss, welches aber Recycling attraktiver macht. Pessimisten sehen uns am Anfang eines Zeitalters, in dem nicht mehr genug Ressourcen für alle Anwendungen zur Verfügung stehen. Dagegen sehen Optimisten die Möglichkeiten neuer Technologien in Abbau, Recycling und Substitution, um den Bedarf der Menschheit an seltenen Elementen auch in Zukunft zu decken.
Prof. Bradshaw: Keine Energiewende ohne seltene Elemente?
1. Keine Energiewende ohne seltene
Elemente?
Alex Bradshaw
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik,
Garching/Greifswald und Fritz-Haber-Institut
der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin
Nd
Fotos: Wikimedia Commons
Foto: Alpha Ventus
Foto: AMB
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 1
3. Globaler Verbrauch von Rohstoffen 1900 - 2005
Quelle: Krausmann et al, Ecological Economics 68 (2009) 2696; Graphik: UNEP Report 2011
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 3
4. Anzahl der Elemente für die Erzeugung, Verteilung und
Speicherung von Energie
Graphik: Achzet et al, Materials critical to the energy industry, Universität Augsburg (2011)
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 4
5. Informationstechnologie und Kommunikation
In den letzten Jahren stieg der
Verbrauch seltener Elemente auch
in anderen Sparten, vor allem in der
Informationstechnologie und
Recycling von Elektronik-
Schrott in Agbogbloshie,
Kommunikation : Neben Cu
Ghana.
Quelle: Wikimedia Commons
zusätzlich kleine Mengen an Au,
Ag, Pt, Pd, In, Ta, Li, Sn, etc.
Im UNEP-Bericht Recycling rates of
metals (2011) wird geschätzt, dass
ein Mobiltelefon mindestens 60
verschiedene Elemente beinhaltet!
Arbeiter in einer Elektronik-Werkstatt in
Shantou, Guangdong province, China
Quelle: China Daily, 9. August 2012
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 5
6. Elemente in der Erdkruste
Geochemisch reichlich vorhandene Elemente:
Al, Fe, Mg, Mn, Si, Ti
Konzentration in der Erdkruste höher als 0.1% Gewicht
(1000 ppm)
Geochemisch seltene Elemente (weniger als 1000 ppm):
• Ferrolegierungsmetalle, z.B. Co, Ni, W
• unedle Metalle, z.B. Cu, Pb, Hg
• Edelmetalle, z.B. Au, Ag, Pt
• Sondermetalle, z.B. Li, In, Ta, Seltene Erdelemente
Aber wie selten sind seltene Elemente wirklich?
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 6
7. Geochemische Häufigkeit der Elemente in der kontinentalen
Erdkruste (bezogen auf Silizium)
Quelle: G. B. Haxel, J. B. Hedrick and G. J. Orris,
US Geological Survey, 2005
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 7
8. Beispiel: Kupfer, viele große Lagerstätten
Häufigkeit in der
Erdkruste ca. 50 ppm
Chuquicamata, Chile:
Weltgrößtes Übertage-
Kupferbergwerk.
Tiefe 900 m; Länge 4.5 km
Foto: Wikimedia Commons
Beispiel eines seltenen Elements, das in großen Lagerstätten (hauptsächlich als
CuFeS2 and Cu2S) in Konzentrationen von 0.3 - 0.9% vorkommt.
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 8
9. „Artisanal mining“
Quelle: Manuel Ziegler, IT-Consultant
Foto: REUTERS
Handwerklicher Bergbau
(“artisanal mining”) in
einer chinesischen
Seltene-Erden-Mine
Abbau von Wolframit
Kinderarbeit Beim Abbau von Coltan
[Columbit-Tantalit, (Fe,Mn)(Nb,Ta,Sb)2O6] (FeWO4) im Kongo
im Kongo.
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 9
10. Nebenprodukte
Viele (seltene) Metalle sind “Nebenprodukte” bei der Gewinnung von
Kupfer, Zinn, Zink, Blei, Nickel, Platin und Aluminium.
Tellur wird hauptsächlich aus
dem Anodenschlamm bei der
elektrolytischen Raffination von
Kupfer gewonnen.
1 t Cu produziert 1 g Te.
Graphik: Hagelüken und Meskers, Umicore
Graphik: corrosion-doctors.org
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 10
11. Ein Szenario für Stromerzeugung in der EU 2050
(ohne fossile Brennstoffe und Kernenergie)
Import Erdgas
Geothermie
Biomass
Wind
Solar-CSP
Quelle: The battle of the grids,
Hydro Greenpeace/Energynautics,
2050 HIGH GRID scenario.
Ozean
Solar-PV
1.52 TWe installierte Kapazität (EU27)
(2007: 0.78 TWe, 18% Hydro, 7% Wind)
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 11
12. Materialien für die Energiewende
Trotz starken Rückgangs des fossilen Brennstoffverbrauchs wird es
dennoch weiterhin einen hohen Bedarf an Rohstoffen geben. Viele von
diesen werden für die Erzeugung, Transmission, Speicherung und
Verwendung von Energie aus erneuerbaren Quellen – in manchen
Ländern auch aus der Kernenergie – benötigt.
Beispiele für “Energiematerialien”: TESLA all-electric
• Seltene-Erdelemente für Windturbinen
und Elektroautos
Siemens SWT-6.0
• Kupfer für neue Netze direct drive
• Cadmium und Tellur für
Solarzellen Foto: Wikimedia Commons
• Lithium und Kobalt für
Batterien
• Beryllium, Helium für
die Kernfusion
Foto: Siemens
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 12
13. Beispiele für “Energiematerialien”- CdTe
Cadmium
Selten. Wird für Ni-Cd-Batterien und für CdTe-Dünnschicht-Photovoltaikzellen
(First Solar, 2011: 18% Marktanteil) benötigt. Nebenprodukt beim Abbau von
Zn (0.3% in Sphalerit, ZnS).
Tellur
Sehr selten. Nebenprodukt bei der Gewinnung von Cu und Pb. Jährliche
Produktion ≈ 1 kt.
Foto: Solar Power Plant
Information Center
Waldpolenz Solar Park, Sachsen
CdTe (First Solar)
Quelle: Wikimedia Commons
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 13
14. Beispiele für “Energiematerialien”- CdTe
Cadmium
Selten. Wird für Ni-Cd-Batterien und für CdTe-Dünnschicht-Photovoltaikzellen
(First Solar, 2011: 18% Marktanteil) benötigt. Nebenprodukt beim Abbau von
Zn (0.3% in Sphalerit, ZnS).
Tellur
Sehr selten. Nebenprodukt bei der Gewinnung von Cu und Pb. Jährliche
Produktion ≈ 1 kt.
Indium! Foto: Solar Power Plant
Information Center
Waldpolenz Solar Park, Sachsen
CdTe (First Solar)
Quelle: Wikimedia Commons
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 14
15. Beispiele für “Energiematerialien”- 2
Neodym, Dysprosium
Nd2Fe14B wird als Dauermagnetwerkstoff für synchrone Motoren in
Windgeneratoren (2011: 14% Marktanteil) und in der Elektromobilität vor-
gezogen. Erfahrungswert: ca. 200 kg pro MW!
Seltene Erdelemente: Scandium, Yttrium und die 15 Lanthaniden (La, Ce, Pr, Nd,
[Pm], Sm, Eu, Gd, Tb, Dy, Ho, Er, Tm, Yb, Lu).
Kommen hauptsächlich in den Mineralen Monazit, CeYPO4, und Bastnäsit, CeFCO3
vor. Sind sie wirklich knapp?
The rare earth mine in
Bayan Obo, Inner
Mongolia autonomous
region.
Foto: Wu Changqing
(China Daily)
Quelle: Gareth P. Hatch, Technology Metals Research, LLC
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 15
16. Beispiele für “Energiematerialien”- 3
Lithium
Es gibt zwei Quellen für Lithium: Minerale, z.B. Spodumen, LiAlSi2O4 und
Salzlaugen unter den “Salaren” in den Anden und im Himalaya. Verwendung:
Glas- und Keramikindustrie 29%, Batterien 27%. Jährliche Produktion:
34.000 t (2011). USGS: Reserven = ca. 13 Mio. t. Ressourcen = ca. 30 Mio. t
Salar de Uyuni, Bolivia: 5 Mio. t Lithium
Foto: SGW@raphme
Schematischer Aufbau einer Lithium-Ionen-Batterie (positive Aber Lithium wird man auch
Elektrode: LiCoO2; negative Elektrode: Li-Graphit).
Source: http://www.stromtip.de für die Kernfusion brauchen!
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 16
17. Beispiele für “Energiematerialien”- 3
Lithium
Es gibt zwei Quellen für Lithium: Minerale, z.B. Spodumen, LiAlSi2O4 und
Salzlaugen unter den “Salaren” in den Anden und im Himalaya. Verwendung:
Glas- und Keramikindustrie 29%, Batterien 27%. Jährliche Produktion:
34.000 t (2011). USGS: Reserven = ca. 13 Mio. t. Ressourcen = ca. 30 Mio. t
Salar de Uyuni, Bolivia: 5 Mio. t Lithium
Foto: SGW@raphme
Kobalt!
Schematischer Aufbau einer Lithium-Ionen-Batterie (positive Aber Lithium wird man auch
Elektrode: LiCoO2; negative Elektrode: Li-Graphit).
Source: http://www.stromtip.de für die Kernfusion brauchen!
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 17
18. Rohstoffe für die Kernfusion
Fusionsreaktion:
D + T = 4He + n + Energie
Erbrütung von Tritium:
6Li + n = 4He + T
Dafür wird ein Neutronenvervielfacher
benötigt (Be or Pb), e.g. 9Be + n = 24He + 2n
Beryllium
Nicht sehr selten (ca. 2 ppm in der Erdkruste), aber kaum Lagerstätten
vorhanden. Jährliche Produktion: 240 t (2011). Ressourcen: 80.000 t.
Helium
Gewonnen durch die fraktionierte Destillation von Erdgas (Konzentration
zwischen wenigen 0,01 und 1 %). Benötigt für die Kernfusion (supraleitende
Magnete und Kühlmittel) und in manchen G4-Spaltungsreaktoren.
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 18
19. Abbau von Naturressourcen
W. Schottky, 1929
„Die Zeit des unbedenklichen Wirtschaftens mit
den Energiequellen und Stofflagern, die uns die
Natur zur Verfügung gestellt hat, wird wahr-
scheinlich schon für unsere Kinder nur noch die
Bedeutung einer vergangenen Wirtschafts-
epoche haben. Dass die Optimisten recht
behalten, die auf die Erschließung ungeahnter
neuer Wege zur Energiegewinnung und
Stoffumwandlung hoffen, wollen wir
wünschen....“
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 19
20. Meadows and “The Limits to Growth” 1972
D. Meadows et al, 1972. The Limits
to Growth: A report for the Club of
Rome’s project on the predicament
of mankind
Meadows und seine Koautoren haben für
19 Rohstoffe (einschließlich Kohle, Erdöl
und Erdgas) die “dynamic lifetime”, oder
“dynamische Lebensdauer”, berechnet.
Ihre Schlussfolgerung: “Auf der Basis des
gegenwärtigen Ressourcenverbrauchs und
seiner projektierten Steigerungsrate wird die
überwiegende Mehrheit der jetzt wichtigen
nicht-erneuerbaren Ressourcen in 100
Jahren extrem teuer sein.”
Photo: AMB
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 20
21. Sind die Mineralressourcen in der Erdkruste begrenzt?
Die Optimisten (auch bekannt als “Cornucopians“)
sagen “NEIN”:
1. Die potentiellen Ressourcen der Erdkruste sind enorm hoch, selbst für
die seltensten Elemente, z. B. Tellur 0.001 ppm (= 10-7 %) ≈ 103 Mio. t !
2. Die Elemente in der Erdkruste sind unzerstörbar, sie werden also nicht
“verbraucht”. Recycling ist immer möglich.
3. Substitution, d.h. die Verwendung eines anderen, nicht so seltenen
Elements mit vielleicht weniger optimalen Eigenschaften.
Siehe J. L. Simon, The Ultimate Resource,1980; und Science 298 (1980) 1431
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 21
23. Sind die Mineralressourcen in der Erdkruste begrenzt?
Die Pessimisten sagen JA:
1. Mineralressourcen sind begrenzt. Die ersten Zeichen von geochemisch
bezogener Knappheit ist bereits vorhanden. Beispiele Gold und Kupfer.
Die Skinner-These.
2. Je niedriger die Konzentration eines Elementes im Erz, desto mehr
Energie und Wasser werden für den Abbau benötigt verbunden mit
höheren Umweltschäden.
3. Recycling ist nie 100% effizient.
4. Starke Vergrößerung des verwendeten Bestandes („in-use stock“) bis Ende
des Jahrhunderts. “An American world of 10 billion people” (Ernst, 2002)
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 23
24. Abnahme der Mineralbestände
Cu
Grade of copper Au
ores, USA Metal concentration in
After Norgate (2010)
Australian gold deposits
After Mudd (2007)
In einem Land oder in einer Region
nimmt als Funktion der Zeit die durch-
schnittliche Konzentration des Erzes
ab, da die “besten” Lagerstätten als
erste ausgebeutet werden.
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 24
25. Die Skinner-These
Menge
Verteilungswahrscheinlichkeit
eines seltenen Elements in der
Erdkruste (nach Skinner, Ayres)
gegenwärtige Gewinnung
Konzentration im Erz (%)
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 25
26. Rohstoffpreisentwicklung im 20. Jahrhundert ......
aber was geschah in den letzten 10 Jahren?
Quelle: GMO Quarterly Letter April 2011
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 26
27. Führt der Abbau von Mineralressourcen zu einer Knappheit?
Was ist Knappheit? Kann nur ökonomisch definiert werden:
Die Nachfrage kann nicht vom Angebot gedeckt werden,
was zu höheren Preisen führt.
Mehrere Gründe können dafür verantwortlich sein:
• schnelles wirtschaftliches Wachstum
• neue Anwendungen oder Technologien
• Spekulation, Horten, Monopolsituationen
• geopolitische Faktoren
Wenn aber die inflationsjustierten Preise steigen, und gleichzeitig
die durchschnittliche Konzentration des Metalls im Erz fällt, dann
kann der Abbau (das zur Neige Gehen der Ressourcen), oder
„mineral depletion“, eine wichtige Rolle spielen.
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 27
28. Ressourceneffizienz
Wie können wir Rohstoffe effizienter nutzen?
• Höhere Effizienz beim Abbau, bei der Verarbeitung und Nutzung
• „Re-use“ und Recycling, einschließlich recycling-orientiertes Produktdesign
• Substitution
• Verhaltensänderung
Können und dürfen wir uns ausschließlich auf den Markt verlassen, um
starke Nachhaltigkeit zu erreichen?
Sind Kupfer (und Blei) gute Beispiele für Recycling ohne Gesetzesauflagen?
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 28
29. Schlussbemerkung
Sollten wir uns über zur Neige gehende Mineralressourcen
Sorgen machen? - JA
Eine komplette Mineralerschöpfung wird nie stattfinden. Minerale
in der Erdkruste oder in den Ozeanen wird es immer geben. Jedoch
wird der Zeitpunkt kommen, wenn – auf Grund der Notwendigkeit,
Erze zunehmend niedrigerer Konzentration zu gewinnen – die
benötigte Energie (und möglicherweise auch die Wassermenge) zu
hoch und die damit zusammenhängenden Umweltschäden zu groß
sein werden, so dass die Gewinnung von vielen Rohstoffen zu
einem Ende kommen wird. Dies gilt auch für viele „Energie-
Materialien“.
Dürfen wir eine solche Situation zukünftigen Generationen
hinterlassen?
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 29
31. „Kritikalität“
Ressourcen-Wissenschaftler reden (neuerdings) von „kritischen Mineralen“
und von „Kritikalität“.
Auswirkung von Versorgungslücken
Graphik: Minerals, Critical Minerals,
and the US Economy, National
Research Council, National
Academies Press, Washington,
2008.
Versorgungsrisiko
GdNÄ, Berlin, Oktober 2012 31