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Text: Stephanie Baltes
shitstorm als Mittel zum zweck?
Nahezu jeder ist im Social Web aktiv. Man unterhält sich über Alltägliches, diskutiert über Politik und Gesell-
schaft, über Unternehmen und Marken. Weder konnten zuvor Unternehmen über so kurze Wege eine persönliche
Beziehung zu ihren Kunden aufbauen und pflegen, noch konnten Kunden so einfach Teil einer Gemeinschaft rund
um ihre „Love Brand” werden. Doch wie sollten Sie als Unternehmen mit negativem Feedback umgehen? Darf
bei böswilliger Kritik und Beleidigung zurückgepöbelt werden?
A schreibt einen böswilligen
Kommentar. Bester Freund von
Kunde A gibt wissend seinen
Senf hinzu und zack, traut sich
Kunde B dann mal so richtig
Dampf abzulassen. Und siehe
da, die Redaktionen reagieren.
Meist sogar recht zügig, denn
schließlich gibt es hier etliche
„Zuhörer”, die von dem Unmut
des Kunden B Wind bekommen,
wodurch unter Umständen
weitere Beschwerden folgen.
Inzwischen gehen die meisten
Unternehmen mit negativem
Feedback im Netz sehr gut um:
Sie reagieren zeitnah, nehmen
die Belange des Kunden ernst
Mit Social Media öffnen Sie
nicht nur Fürsprechern die Tür,
sondern laden damit auch Per-
sonen ein, die ihren Frust oder
gesellschaftlichen Standpunkt
loswerden möchten. Selbst
die beliebtesten Unterneh-
men und Marken haben gele-
gentlich unzufriedene Kun-
den – oder die Unternehmen
machen gar selbst Fehler, die
in irgendeiner Form negativ
aufstoßen. Im Gegensatz zur
Kundenhotline oder dem guten
alten Postweg scheint der Weg
über Facebook, Twitter & Co.
auch recht praktisch und effek-
tiv zu sein: Enttäuschter Kunde
„Unser Rezept: Aufmerksamkeit,
gute Recherche, viel Empathie,
eine Prise Humor und Mut zur
Kommunikation auf Augenhöhe.“
oder reagieren angemessen
und mit einer guten Dosis
Humor, wie beispielsweise
die Berliner Verkehrsbetriebe
GmbH. Seit Anfang 2015 sam-
melt die BVG im Rahmen ihrer
Kampagne „Weil wir dich lie-
ben” die Meinungen ihrer (Ex-)
Kunden. Wie bei Unternehmen
des ÖPNV üblich, beruhen die
Beziehungen nicht allein auf
Liebe und Zuneigung. Aus dem
gut gemeinten Hashtag #Weil-
WirDichLieben wurde kurzer-
hand ein Bashtag, wie es Spie-
gel Online in einem Artikel im
Januar auf den Punkt brachte
[goo.gl/MEzlbN].
BVG erntet digitalen
applaus
Die BVG erweist sich als sehr
geschickt im Umgang mit
Kundenmeinungen, die zum
Teil ordentlich unter die Gür-
tellinie gehen. Sie reagiert
statt zu ignorieren – und das
mit einer beachtlichen Portion
Selbstironie (Abb. 1). Zu Recht
bezeichnet Christian Brandes,
besser bekannt als  „Schlecky
Silberstein”, in einem Artikel
die Reaktionen der BVG als
sehr erfrischende Kundenan-
sprache, und auch von Kun-
denseite erhält die BVG viel
Zuspruch [goo.gl/Fzduhk].
Ähnlich humorvoll geht
Mobilcom-Debitel mit dem
Feedback ihrer Kunden um.
So schilderte ein Kunde in
einem recht flapsigen Ton sei-
nen gleichgültigen Umgang
mit Rechnungen, von dem
letztendlich auch der Mobil-
funkanbieter betroffen sei.
Statt jedoch mit erhobenem
Zeigefinger und vertraglichen
Paragrafen zu antworten, wies
die Redaktion den Kunden im
ebenso spaßigen Ton auf die
Konsequenzen hin und bekam
hierfür ordentlich Zuspruch
(Abb. 2).
„Gerade bei Mobilfunkanbie-
tern ist das Social Web oft
Entladestelle für Emotionen,
wenn sich ein Kunde missver-
standen fühlt oder schnelle
Hilfe benötigt. Wir setzen alles
daran, gut zuzuhören, beson-
ders zügig zu reagieren, die
Kommunikation schnell von
einer emotionalen auf eine
sachliche Ebene zurückzuho-
len und das Anliegen unseres
Kunden zu lösen”, so Martin
Theinert, Head of Social Media
bei mobilcom-debitel. Auf Be-
schwerden korrekt reagieren
oder Fehler eingestehen ist
in jedem Fall wichtig für die
Erhaltung der eigenen Repu-
tation. Weder kann Ignoranz
noch heftiges Zurückpöbeln
die Lösung sein.
Das Unternehmen True Fruits
sieht das etwas anders: Ende
März brachte True Fruits
eine limitierte Sorte eines
Smoothies auf den Markt. Wie
alle anderen Fläschchen war
auch die Black Edition mit ei-
nem Spruch versehen, der in
einem für das Unternehmen
gewohnt frechen Stil der Kun-
denansprache daherkam (Abb.
3). True Fruits nutzte dieses
Markenzeichen zum Launch
des neuen Getränks und veröf-
fentlichte Fotos des Produkts
samt Spruch über diverse so-
ziale Netzwerke, woraufhin
das Bonner Start-up nicht
nur Lorbeeren erntete. Vie-
lerorts wurde dieser Spruch
als beleidigend, sexistisch,
diskriminierend und als wei-
teres negatives Beispiel für
den grassierenden Lookismus
in der Werbung aufgenom-
men und kritisiert (Abb. 4),
woraufhin True Fruits unent-
spannt und pöbelnd reagierte
(Abb. 5). Um dem Ganzen noch
ein Krönchen aufzusetzen,
holte sich das Social-Media-
Team die Unterstützung der
Geschäftsführung und veröf-
fentlichte ein Video mit einer
offiziellen Stellungnahme des
Mitgründers Nicolas Lecloux.
Hiermit teilten sie der Öffent-
lichkeit ausdrücklich mit, dass
sie gut und gerne auf jene
Menschen verzichten, die sich
mit ihrem Kommunikations-
stil nicht anfreunden können
[goo.gl/FMCBcQ].
Der Ton macht die
musik
Natürlich spricht die Tita-
nic anders mit ihren Lesern
als Aktion Mensch mit ihren
Spendern. Ganz klar ist der
Ton abhängig vom Unterneh-
men und von der Marke. Und
wenn gepöbelt wird, können
Sie natürlich auch mal zurück-
pöbeln. Allerdings mit Augen-
maß, feiner Ironie und ohne
Peinlichkeiten. Leider sehen
viele die Kundenansprache
von True Fruits als gelungene
Werbeaktion. Generell scheint
der provozierte Shitstorm der-
zeit ein beliebtes Mittel zum
Zweck zu sein. Eine gewisse
Arroganz mag ja ganz gesund
sein. Kritiker als Jammerlap-
pen und ihre Äußerungen als
Geseier und hirnrissigen Bull­
shit abzustempeln, ist jedoch
unangemessen und hat mit
Satire oder Ironie und einem
Dialog auf Augenhöhe nichts
gemein.  Mögen die Reaktio-
nen der Nutzer in Sachen Se-
xismus und Lookismus auch
noch so überzogen sein und
der Kommunikationsstil auch
noch so gut zum Image der
Marke passen. Eine Sache ist
den Machern von True Fruits
mit ihrem selbstbewussten
Auftreten jedoch gelungen:
Lauten Kritikern, die vermut-
lich nie zur Kundengruppe des
Smoothie-Herstellers zählen
werden, wurde kurzerhand
der Wind aus den Segeln ge-
nommen, und viele poten-
zielle Kunden, die durch die
öffentliche Diskussion auf das
Produkt aufmerksam wurden,
stellten sich zugleich auf die
Seite des Unternehmens.
Welches verhalten
ist korrekt?
Grundsätzlich sollten Sie eine
verärgerte Person nicht all-
zu lange mit ihrer negativen
Äußerung alleine lassen. Je
mehr Zeit verstreicht, desto
größer die Gefahr, dass sich
der Ärger anstaut – sei es
durch weitere Äußerungen
der Person oder die Betei-
ligung anderer. Im Grunde
bringt jede Beschwerde et-
was Positives mit sich: Mit
Abb. 1: Reaktion der BVG auf Twitter
Abb. 2: Dialog zwischen Mobilcom-Debitel und einem Kunden auf Facebook
Tipp: Solange sich Unternehmen mit ihren
Äußerungen im Rahmen der Meinungs-
freiheit halten, sind auch entsprechend
deutliche Reaktionen auf Kritik der Kun-
den zunächst grundsätzlich zulässig.
23Social Media | e-Business || SCREENGUIDE
einer angemessenen Reak-
tion zeigen Sie, wie ernst Ih-
nen das Anliegen des Kunden
ist, und durch eine zufrieden-
stellende Lösung gewinnen
Sie möglicherweise sogar
einen Fürsprecher für das
Unternehmen. Weiter ergibt
sich hieraus eine Chance, Pro-
zesse im Unternehmen zu
optimieren, denn mit jedem
Kundenfeedback erhalten Sie
wichtige Informationen über
Probleme und Schwachstellen
im eigenen Unternehmen, die
Sie beheben können und die
bei der Bearbeitung zukünfti-
ger Beschwerden weiterhelfen.
Zügeln statt prügeln: Bei mas-
siver Kritik, die Sie gar persön-
lich trifft, heißt es: Ruhe be-
wahren! Also Finger weg von
der Tastatur, aufstehen und
kurz durchatmen, bevor Sie
unüberlegt reagieren. Auch
wäre eine standardisierte Ant-
wort völlig unangebracht („Oh,
das tut uns leid. Bitte melden
sie sich bei unserer Kunden-
Hotline.”). Sie trägt nicht zur
Besänftigung bei, sondern
verstärkt vielmehr das Gefühl,
nicht ernst genommen zu wer-
den. Dauert es mit der finalen
Antwort mal etwas länger, soll-
ten Sie den verärgerten Kun-
den zumindest mit einer indi-
viduell formulierten Antwort
über den Bearbeitungsstand
informieren. So wird signali-
siert, dass sein Anliegen ernst
genommen wird. Folgen hier-
auf weitere verbale Attacken,
heißt es weiterhin Ruhe zu
bewahren. Ein Hinweis auf die
allgemeinen Höflichkeitsstan-
dards oder auf die Netiquette
der Facebook-Seite kann in
solchen Fällen weiterhelfen.  
Sortieren und analysieren:
Der nächste Schritt im Um-
gang mit negativem Feedback
ist die Analyse, denn negatives
Feedback kann unterschied-
licher Natur sein. Um ange-
messen antworten zu können,
stellt sich daher zunächst die
Frage, um welche Art von Be-
schwerde es sich hierbei ei-
gentlich handelt. Worum geht
es der Person konkret? Manch
einer nörgelt am Service, ein
anderer hat unrealistische
Erwartungen an das Produkt
oder die Leistungen. Begeg-
nen Sie dem Kunden mit Em-
pathie. Zeigen Sie Verständnis
für sein Problem, und stellen
Sie gegebenenfalls Rückfra-
gen. Signalisieren Sie der
Person, dass Sie ihr Problem
verstanden haben und dass es
mit Priorität behandelt wird.
Bitten Sie gleichzeitig um et-
was Geduld, sollte die inter-
ne Klärung des Problems aus
organisatorischen Gründen
absehbar etwas mehr Zeit be-
anspruchen.
Formulieren und kommuni-
zieren: Nachdem das Anlie-
gen des Kunden eingeordnet
wurde, fällt das Antworten
wesentlich leichter. Nun ist zu
überlegen, wie Sie auf diese
Kritik reagieren können: Ist
Humor an dieser Stelle an-
gebracht, oder muss sich das
Unternehmen einen Fehler
eingestehen? Als Nächstes gilt
es, eine passende Antwort zu
verfassen, zu der Sie sich noch
mit Kollegen austauschen soll-
ten, um einen weiteren Blick
auf die Problematik zu erhal-
ten. Beim Verfassen der Ant-
wort gilt es insgesamt höflich
zu bleiben und Verständnis
zu zeigen. Um das Image der
Marke oder des Unternehmens
nicht unnötig zu verwässern,
sollten Sie jedoch die eigene
Position nicht aus den Augen
verlieren und selbstbewusst
gegen Kritik vorgehen.
Stephanie Baltes bewegt sich seit
mehr als zehn Jahren beruflich im
Web. Nach fünfjähriger Tätigkeit im
E-Commerce und Community-Ma-
nagement hat sie sich zunehmend
mit Social Media beschäftigt und
ist seit 2011 in diesem Gebiet tätig.
Derzeit arbeitet sie für die probono
Fernsehproduktion GmbH in Köln.
Als Teil der Redaktion ist sie für die
Vernetzung und die Kommunikation
mit den Nutzern sowie für die strate-
gische und operative Betreuung der
Social-Media-Kanäle verantwortlich.
Twitter-Account: @DieSteph
Kommentieren: screengui.de/27/
socialmedia
Abb. 3: Zwischen frech, sexistisch und diskriminierend
Abb. 4: Reaktion eines empörten Kunden auf Twitter
Abb. 5: Reaktion der True-Fruits-Redaktion auf Facebook
SCREENGUIDE || e-Business | Social Media24
blick auf die rechtliche Situation
Je nach Konstellation und Schärfe der Reaktion des Unter-
nehmens können unter Umständen auch rechtliche Probleme
drohen. Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht zeigt mögliche
Probleme auf:
Ansprüche der „beteiligten” Kritiker: Fraglich ist zunächst, in-
wieweit Angriffe oder Beleidigungen von Unternehmen bzw.
deren Vertretern möglicherweise rechtliche Ansprüche der
betroffenen Kunden oder Kritiker begründen können. Tatsäch-
lich müssen sich diese natürlich nicht alles gefallen lassen. So
gilt für vorgenannte Beispiele, sprich für die konkreten Äuße-
rungen bzw. Reaktionen von Unternehmen, zunächst einmal
die von Artikel 5 Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit.
Rechtlich bedenklich wird es jedoch, wenn gegenüber Kunden
sogenannte Formalbeleidigungen ausgesprochen oder eine un-
zulässige Schmähkritik geübt wird. Dies ist natürlich stets eine
Frage des Einzelfalles, also wer hat was in welchem Zusammen-
hang geäußert. Eine Beleidigung wird nach der Rechtsprechung
angenommen, wenn der jeweilige Unternehmensvertreter im
Rahmen einer gewollten Kundgabe der Missachtung, Gering-
schätzung oder Nichtachtung den Kunden rechtswidrig in sei-
ner Ehre angreift. Von einer Schmähkritik wird ausgegangen,
wenn eine Herabsetzung einer Person ohne jeglichen Tatsa-
chenbezug vorliegt. Eine überzogene Kritik macht eine Äuße-
rung für sich genommen allerdings noch nicht zur Schmähung.
Hinzukommen muss vielmehr, dass die Diffamierung der Person
in Form einer „Prangerwirkung” im Vordergrund steht. Die Äu-
ßerung muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik
in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wann eine solche
rechtswidrige „Kundgabe der Mißachtung” oder Schmähkritik
vorliegt, ist gegebenenfalls am Maßstab bereits ergangener
Rechtsprechung zu beurteilen. Die Meinungsfreiheit muss stets
dann zurücktreten, wenn die Äußerung die Menschenwürde ei-
nes anderen antastet, regelmäßig aber auch dann, wenn sich
eine herabsetzende Äußerung lediglich als Formalbeleidigung
oder Schmähkritik darstellt. Unternehmen, die bewusst die
Strategie des „Zurückschießens” verfolgen, sollten sich ge-
nauer mit den Grenzen dessen, was gerade noch zulässig ist,
auseinandersetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dass die Rechtsprechung im Rahmen der Beurteilung des Ein-
zelfalles auch berücksichtigt, inwieweit eine etwaige unterneh-
mensseitige Beleidigung oder Schmähkritik vorher von Kunden
provoziert worden ist. Unter bestimmten Voraussetzungen lässt
die Rechtsprechung es nämlich zu, unter dem Gesichtspunkt
des sogenannten „Gegenschlags” auch etwas deftigere Worte
zu gebrauchen. Wenn aber tatsächlich Rechtsverletzungen vor-
liegen, so können die betroffenen Kritiker des Unternehmens
Beseitigungs- und Unterlassungs-, in ganz krassen Fällen viel-
leicht sogar Schadenersatzansprüche geltend machen.
Strafrechtliche Folgen für die beleidigenden Unternehmens-
vertreter: Sollten die Reaktionen des Unternehmens sich nicht
mehr im zulässigen Rahmen bewegen, so kann sich ein betrof-
fener Kunde rechtlich wehren, indem er Unterlassungs- bzw.
unter bestimmten Umständen sogar Schadenersatzansprüche
gegenüber dem Unternehmen und unter Umständen sogar
gegenüber dem jeweiligen Unternehmensvertreter geltend
macht. Theoretisch denkbar, faktisch aber eher unwahrschein-
lich, sind sogar strafrechtliche Folgen, wenn etwa eine Belei-
digung (§ 185 StGB), eine üble Nachrede (§ 186 StGB) oder
Verleumdung (§ 187 StGB) vorliegt.
Ansprüche von Wettbewerbern des Unternehmens: Das Ge-
setz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) regelt die Zu-
lässigkeit von Werbung. Äußerungen von Unternehmen, die
auf eigenen Präsenzen geäußert werden, fallen in jedem Fall
in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Denkbar, in den
meisten Fällen der oben genannten Art aber sehr unwahr-
scheinlich, sind in diesen Fällen also auch Ansprüche der
Wettbewerber des Unternehmens auf Grundlage des UWG.
So regeln die § 4 UWG (Beispiele unlauterer geschäftlicher
Handlungen), § 5 UWG (Irreführende geschäftliche Hand-
lungen) und § 6 UWG die Zulässigkeit werblicher Aussagen.
Damit sollten entsprechend negative bzw. beleidigende Äuße-
rungen sich stets im Rahmen der vorgenannten gesetzlichen
Vorschriften halten.
(Arbeits-)rechtliche Risiken für den Unternehmensvertreter:
Neben den obenstehenden Ausführungen, die das rechtliche
Verhältnis zwischen dem betroffenen Kunden bzw. Internet-
nutzer und dem Unternehmen bzw. dem jeweiligen Unterneh-
mensvertreter (z.B. dem Community Manager) regeln, sind bei
den Fragestellungen stets auch arbeitsrechtliche Implikatio-
nen zu berücksichtigen. So stellt sich die Frage, ob dem jewei-
ligen Unternehmensvertreter Ungemach drohen kann, wenn
er gegenüber den Kunden „zurückschießt”. So gibt es bereits
zahlreiche Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Frage aus-
einandersetzen, unter welchen Umständen ein Unternehmen
arbeitsrechtliche Maßnahmen (z.B. Abmahnung oder Kündi-
gung) treffen darf, wenn ein Mitarbeiter eines Unternehmens
die Kunden beleidigt hat. Bei dem vorliegenden Sachverhalt
ist also von entscheidender Bedeutung, inwieweit der jeweili-
ge Community Manager bzw. Betreuer des jeweiligen Internet-
kanals die „Rückendeckung” seines Arbeitgebers hat. Ist nicht
ausdrücklich geklärt, wie deutlich der jeweilige Community
Manager auf solche „Angriffe” im Netz reagieren darf bzw. wie
weit er mit seinen Reaktionen gehen darf, so ist nicht auszu-
schließen, dass die Äußerungen zwar im Außenverhältnis viel-
leicht gerade noch rechtmäßig sind, dennoch aber aufgrund
ihrer deutlichen und deftigen Sprache zu arbeitsrechtlichen
Folgen für den Community Manager führen. Gerade bei For-
malbeleidigungen seitens des Unternehmensvertreters ge-
genüber den Kunden können ohne entsprechende „Rückende-
ckung” des Unternehmens arbeitsrechtliche Maßnahmen nicht
ausgeschlossen werden. Insoweit ist im Zusammenhang mit
den Reaktionsmöglichkeiten für betreuende Unternehmens-
vertreter der Social-Media-Kanäle dringend zu empfehlen, im
Rahmen einer Vereinbarung (z. B. Zusatzvereinbarung zum Ar-
beitsvertrag) ausdrücklich zu regeln, welche Kompetenzen der
jeweilige Mitarbeiter hat bzw. wie er auf solche Anfeindungen
im Netz reagieren darf bzw. soll. Ist in einer entsprechenden
Zusatzvereinbarung geregelt, dass der Mitarbeiter auch einmal
deutlicher reagieren darf bzw. soll, so dürfte er in der Regel
vor arbeitsrechtlichen Maßnahmen gefeit sein.
Dr. Carsten Ulbricht ist auf das Internet und die digitale Transformation
spezialisierter Rechtsanwalt bei der Kanzlei Bartsch Rechtsanwälte mit
den Schwerpunkten IT-Recht, Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht
sowie Datenschutz. Dr. Ulbricht berät nationale und internationale Man-
danten in allen Rechtsfragen des E- und Mobile Commerce, Big Data so-
wie zu allen Themen im Bereich Social Web. Seine Schwerpunkte liegen
dabei auf der rechtlichen Prüfung internetbasierter Geschäftsmodelle,
datenschutzrechtlichen Themen und dem Umgang mit nutzergenerierten
Inhalten.

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  • 1. Text: Stephanie Baltes shitstorm als Mittel zum zweck? Nahezu jeder ist im Social Web aktiv. Man unterhält sich über Alltägliches, diskutiert über Politik und Gesell- schaft, über Unternehmen und Marken. Weder konnten zuvor Unternehmen über so kurze Wege eine persönliche Beziehung zu ihren Kunden aufbauen und pflegen, noch konnten Kunden so einfach Teil einer Gemeinschaft rund um ihre „Love Brand” werden. Doch wie sollten Sie als Unternehmen mit negativem Feedback umgehen? Darf bei böswilliger Kritik und Beleidigung zurückgepöbelt werden? A schreibt einen böswilligen Kommentar. Bester Freund von Kunde A gibt wissend seinen Senf hinzu und zack, traut sich Kunde B dann mal so richtig Dampf abzulassen. Und siehe da, die Redaktionen reagieren. Meist sogar recht zügig, denn schließlich gibt es hier etliche „Zuhörer”, die von dem Unmut des Kunden B Wind bekommen, wodurch unter Umständen weitere Beschwerden folgen. Inzwischen gehen die meisten Unternehmen mit negativem Feedback im Netz sehr gut um: Sie reagieren zeitnah, nehmen die Belange des Kunden ernst Mit Social Media öffnen Sie nicht nur Fürsprechern die Tür, sondern laden damit auch Per- sonen ein, die ihren Frust oder gesellschaftlichen Standpunkt loswerden möchten. Selbst die beliebtesten Unterneh- men und Marken haben gele- gentlich unzufriedene Kun- den – oder die Unternehmen machen gar selbst Fehler, die in irgendeiner Form negativ aufstoßen. Im Gegensatz zur Kundenhotline oder dem guten alten Postweg scheint der Weg über Facebook, Twitter & Co. auch recht praktisch und effek- tiv zu sein: Enttäuschter Kunde „Unser Rezept: Aufmerksamkeit, gute Recherche, viel Empathie, eine Prise Humor und Mut zur Kommunikation auf Augenhöhe.“ oder reagieren angemessen und mit einer guten Dosis Humor, wie beispielsweise die Berliner Verkehrsbetriebe GmbH. Seit Anfang 2015 sam- melt die BVG im Rahmen ihrer Kampagne „Weil wir dich lie- ben” die Meinungen ihrer (Ex-) Kunden. Wie bei Unternehmen des ÖPNV üblich, beruhen die Beziehungen nicht allein auf Liebe und Zuneigung. Aus dem gut gemeinten Hashtag #Weil- WirDichLieben wurde kurzer- hand ein Bashtag, wie es Spie- gel Online in einem Artikel im Januar auf den Punkt brachte [goo.gl/MEzlbN]. BVG erntet digitalen applaus Die BVG erweist sich als sehr geschickt im Umgang mit Kundenmeinungen, die zum Teil ordentlich unter die Gür- tellinie gehen. Sie reagiert statt zu ignorieren – und das mit einer beachtlichen Portion Selbstironie (Abb. 1). Zu Recht bezeichnet Christian Brandes, besser bekannt als  „Schlecky Silberstein”, in einem Artikel die Reaktionen der BVG als sehr erfrischende Kundenan- sprache, und auch von Kun- denseite erhält die BVG viel Zuspruch [goo.gl/Fzduhk].
  • 2. Ähnlich humorvoll geht Mobilcom-Debitel mit dem Feedback ihrer Kunden um. So schilderte ein Kunde in einem recht flapsigen Ton sei- nen gleichgültigen Umgang mit Rechnungen, von dem letztendlich auch der Mobil- funkanbieter betroffen sei. Statt jedoch mit erhobenem Zeigefinger und vertraglichen Paragrafen zu antworten, wies die Redaktion den Kunden im ebenso spaßigen Ton auf die Konsequenzen hin und bekam hierfür ordentlich Zuspruch (Abb. 2). „Gerade bei Mobilfunkanbie- tern ist das Social Web oft Entladestelle für Emotionen, wenn sich ein Kunde missver- standen fühlt oder schnelle Hilfe benötigt. Wir setzen alles daran, gut zuzuhören, beson- ders zügig zu reagieren, die Kommunikation schnell von einer emotionalen auf eine sachliche Ebene zurückzuho- len und das Anliegen unseres Kunden zu lösen”, so Martin Theinert, Head of Social Media bei mobilcom-debitel. Auf Be- schwerden korrekt reagieren oder Fehler eingestehen ist in jedem Fall wichtig für die Erhaltung der eigenen Repu- tation. Weder kann Ignoranz noch heftiges Zurückpöbeln die Lösung sein. Das Unternehmen True Fruits sieht das etwas anders: Ende März brachte True Fruits eine limitierte Sorte eines Smoothies auf den Markt. Wie alle anderen Fläschchen war auch die Black Edition mit ei- nem Spruch versehen, der in einem für das Unternehmen gewohnt frechen Stil der Kun- denansprache daherkam (Abb. 3). True Fruits nutzte dieses Markenzeichen zum Launch des neuen Getränks und veröf- fentlichte Fotos des Produkts samt Spruch über diverse so- ziale Netzwerke, woraufhin das Bonner Start-up nicht nur Lorbeeren erntete. Vie- lerorts wurde dieser Spruch als beleidigend, sexistisch, diskriminierend und als wei- teres negatives Beispiel für den grassierenden Lookismus in der Werbung aufgenom- men und kritisiert (Abb. 4), woraufhin True Fruits unent- spannt und pöbelnd reagierte (Abb. 5). Um dem Ganzen noch ein Krönchen aufzusetzen, holte sich das Social-Media- Team die Unterstützung der Geschäftsführung und veröf- fentlichte ein Video mit einer offiziellen Stellungnahme des Mitgründers Nicolas Lecloux. Hiermit teilten sie der Öffent- lichkeit ausdrücklich mit, dass sie gut und gerne auf jene Menschen verzichten, die sich mit ihrem Kommunikations- stil nicht anfreunden können [goo.gl/FMCBcQ]. Der Ton macht die musik Natürlich spricht die Tita- nic anders mit ihren Lesern als Aktion Mensch mit ihren Spendern. Ganz klar ist der Ton abhängig vom Unterneh- men und von der Marke. Und wenn gepöbelt wird, können Sie natürlich auch mal zurück- pöbeln. Allerdings mit Augen- maß, feiner Ironie und ohne Peinlichkeiten. Leider sehen viele die Kundenansprache von True Fruits als gelungene Werbeaktion. Generell scheint der provozierte Shitstorm der- zeit ein beliebtes Mittel zum Zweck zu sein. Eine gewisse Arroganz mag ja ganz gesund sein. Kritiker als Jammerlap- pen und ihre Äußerungen als Geseier und hirnrissigen Bull­ shit abzustempeln, ist jedoch unangemessen und hat mit Satire oder Ironie und einem Dialog auf Augenhöhe nichts gemein.  Mögen die Reaktio- nen der Nutzer in Sachen Se- xismus und Lookismus auch noch so überzogen sein und der Kommunikationsstil auch noch so gut zum Image der Marke passen. Eine Sache ist den Machern von True Fruits mit ihrem selbstbewussten Auftreten jedoch gelungen: Lauten Kritikern, die vermut- lich nie zur Kundengruppe des Smoothie-Herstellers zählen werden, wurde kurzerhand der Wind aus den Segeln ge- nommen, und viele poten- zielle Kunden, die durch die öffentliche Diskussion auf das Produkt aufmerksam wurden, stellten sich zugleich auf die Seite des Unternehmens. Welches verhalten ist korrekt? Grundsätzlich sollten Sie eine verärgerte Person nicht all- zu lange mit ihrer negativen Äußerung alleine lassen. Je mehr Zeit verstreicht, desto größer die Gefahr, dass sich der Ärger anstaut – sei es durch weitere Äußerungen der Person oder die Betei- ligung anderer. Im Grunde bringt jede Beschwerde et- was Positives mit sich: Mit Abb. 1: Reaktion der BVG auf Twitter Abb. 2: Dialog zwischen Mobilcom-Debitel und einem Kunden auf Facebook Tipp: Solange sich Unternehmen mit ihren Äußerungen im Rahmen der Meinungs- freiheit halten, sind auch entsprechend deutliche Reaktionen auf Kritik der Kun- den zunächst grundsätzlich zulässig. 23Social Media | e-Business || SCREENGUIDE
  • 3. einer angemessenen Reak- tion zeigen Sie, wie ernst Ih- nen das Anliegen des Kunden ist, und durch eine zufrieden- stellende Lösung gewinnen Sie möglicherweise sogar einen Fürsprecher für das Unternehmen. Weiter ergibt sich hieraus eine Chance, Pro- zesse im Unternehmen zu optimieren, denn mit jedem Kundenfeedback erhalten Sie wichtige Informationen über Probleme und Schwachstellen im eigenen Unternehmen, die Sie beheben können und die bei der Bearbeitung zukünfti- ger Beschwerden weiterhelfen. Zügeln statt prügeln: Bei mas- siver Kritik, die Sie gar persön- lich trifft, heißt es: Ruhe be- wahren! Also Finger weg von der Tastatur, aufstehen und kurz durchatmen, bevor Sie unüberlegt reagieren. Auch wäre eine standardisierte Ant- wort völlig unangebracht („Oh, das tut uns leid. Bitte melden sie sich bei unserer Kunden- Hotline.”). Sie trägt nicht zur Besänftigung bei, sondern verstärkt vielmehr das Gefühl, nicht ernst genommen zu wer- den. Dauert es mit der finalen Antwort mal etwas länger, soll- ten Sie den verärgerten Kun- den zumindest mit einer indi- viduell formulierten Antwort über den Bearbeitungsstand informieren. So wird signali- siert, dass sein Anliegen ernst genommen wird. Folgen hier- auf weitere verbale Attacken, heißt es weiterhin Ruhe zu bewahren. Ein Hinweis auf die allgemeinen Höflichkeitsstan- dards oder auf die Netiquette der Facebook-Seite kann in solchen Fällen weiterhelfen.   Sortieren und analysieren: Der nächste Schritt im Um- gang mit negativem Feedback ist die Analyse, denn negatives Feedback kann unterschied- licher Natur sein. Um ange- messen antworten zu können, stellt sich daher zunächst die Frage, um welche Art von Be- schwerde es sich hierbei ei- gentlich handelt. Worum geht es der Person konkret? Manch einer nörgelt am Service, ein anderer hat unrealistische Erwartungen an das Produkt oder die Leistungen. Begeg- nen Sie dem Kunden mit Em- pathie. Zeigen Sie Verständnis für sein Problem, und stellen Sie gegebenenfalls Rückfra- gen. Signalisieren Sie der Person, dass Sie ihr Problem verstanden haben und dass es mit Priorität behandelt wird. Bitten Sie gleichzeitig um et- was Geduld, sollte die inter- ne Klärung des Problems aus organisatorischen Gründen absehbar etwas mehr Zeit be- anspruchen. Formulieren und kommuni- zieren: Nachdem das Anlie- gen des Kunden eingeordnet wurde, fällt das Antworten wesentlich leichter. Nun ist zu überlegen, wie Sie auf diese Kritik reagieren können: Ist Humor an dieser Stelle an- gebracht, oder muss sich das Unternehmen einen Fehler eingestehen? Als Nächstes gilt es, eine passende Antwort zu verfassen, zu der Sie sich noch mit Kollegen austauschen soll- ten, um einen weiteren Blick auf die Problematik zu erhal- ten. Beim Verfassen der Ant- wort gilt es insgesamt höflich zu bleiben und Verständnis zu zeigen. Um das Image der Marke oder des Unternehmens nicht unnötig zu verwässern, sollten Sie jedoch die eigene Position nicht aus den Augen verlieren und selbstbewusst gegen Kritik vorgehen. Stephanie Baltes bewegt sich seit mehr als zehn Jahren beruflich im Web. Nach fünfjähriger Tätigkeit im E-Commerce und Community-Ma- nagement hat sie sich zunehmend mit Social Media beschäftigt und ist seit 2011 in diesem Gebiet tätig. Derzeit arbeitet sie für die probono Fernsehproduktion GmbH in Köln. Als Teil der Redaktion ist sie für die Vernetzung und die Kommunikation mit den Nutzern sowie für die strate- gische und operative Betreuung der Social-Media-Kanäle verantwortlich. Twitter-Account: @DieSteph Kommentieren: screengui.de/27/ socialmedia Abb. 3: Zwischen frech, sexistisch und diskriminierend Abb. 4: Reaktion eines empörten Kunden auf Twitter Abb. 5: Reaktion der True-Fruits-Redaktion auf Facebook SCREENGUIDE || e-Business | Social Media24
  • 4. blick auf die rechtliche Situation Je nach Konstellation und Schärfe der Reaktion des Unter- nehmens können unter Umständen auch rechtliche Probleme drohen. Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht zeigt mögliche Probleme auf: Ansprüche der „beteiligten” Kritiker: Fraglich ist zunächst, in- wieweit Angriffe oder Beleidigungen von Unternehmen bzw. deren Vertretern möglicherweise rechtliche Ansprüche der betroffenen Kunden oder Kritiker begründen können. Tatsäch- lich müssen sich diese natürlich nicht alles gefallen lassen. So gilt für vorgenannte Beispiele, sprich für die konkreten Äuße- rungen bzw. Reaktionen von Unternehmen, zunächst einmal die von Artikel 5 Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit. Rechtlich bedenklich wird es jedoch, wenn gegenüber Kunden sogenannte Formalbeleidigungen ausgesprochen oder eine un- zulässige Schmähkritik geübt wird. Dies ist natürlich stets eine Frage des Einzelfalles, also wer hat was in welchem Zusammen- hang geäußert. Eine Beleidigung wird nach der Rechtsprechung angenommen, wenn der jeweilige Unternehmensvertreter im Rahmen einer gewollten Kundgabe der Missachtung, Gering- schätzung oder Nichtachtung den Kunden rechtswidrig in sei- ner Ehre angreift. Von einer Schmähkritik wird ausgegangen, wenn eine Herabsetzung einer Person ohne jeglichen Tatsa- chenbezug vorliegt. Eine überzogene Kritik macht eine Äuße- rung für sich genommen allerdings noch nicht zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Diffamierung der Person in Form einer „Prangerwirkung” im Vordergrund steht. Die Äu- ßerung muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wann eine solche rechtswidrige „Kundgabe der Mißachtung” oder Schmähkritik vorliegt, ist gegebenenfalls am Maßstab bereits ergangener Rechtsprechung zu beurteilen. Die Meinungsfreiheit muss stets dann zurücktreten, wenn die Äußerung die Menschenwürde ei- nes anderen antastet, regelmäßig aber auch dann, wenn sich eine herabsetzende Äußerung lediglich als Formalbeleidigung oder Schmähkritik darstellt. Unternehmen, die bewusst die Strategie des „Zurückschießens” verfolgen, sollten sich ge- nauer mit den Grenzen dessen, was gerade noch zulässig ist, auseinandersetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung im Rahmen der Beurteilung des Ein- zelfalles auch berücksichtigt, inwieweit eine etwaige unterneh- mensseitige Beleidigung oder Schmähkritik vorher von Kunden provoziert worden ist. Unter bestimmten Voraussetzungen lässt die Rechtsprechung es nämlich zu, unter dem Gesichtspunkt des sogenannten „Gegenschlags” auch etwas deftigere Worte zu gebrauchen. Wenn aber tatsächlich Rechtsverletzungen vor- liegen, so können die betroffenen Kritiker des Unternehmens Beseitigungs- und Unterlassungs-, in ganz krassen Fällen viel- leicht sogar Schadenersatzansprüche geltend machen. Strafrechtliche Folgen für die beleidigenden Unternehmens- vertreter: Sollten die Reaktionen des Unternehmens sich nicht mehr im zulässigen Rahmen bewegen, so kann sich ein betrof- fener Kunde rechtlich wehren, indem er Unterlassungs- bzw. unter bestimmten Umständen sogar Schadenersatzansprüche gegenüber dem Unternehmen und unter Umständen sogar gegenüber dem jeweiligen Unternehmensvertreter geltend macht. Theoretisch denkbar, faktisch aber eher unwahrschein- lich, sind sogar strafrechtliche Folgen, wenn etwa eine Belei- digung (§ 185 StGB), eine üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) vorliegt. Ansprüche von Wettbewerbern des Unternehmens: Das Ge- setz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) regelt die Zu- lässigkeit von Werbung. Äußerungen von Unternehmen, die auf eigenen Präsenzen geäußert werden, fallen in jedem Fall in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Denkbar, in den meisten Fällen der oben genannten Art aber sehr unwahr- scheinlich, sind in diesen Fällen also auch Ansprüche der Wettbewerber des Unternehmens auf Grundlage des UWG. So regeln die § 4 UWG (Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen), § 5 UWG (Irreführende geschäftliche Hand- lungen) und § 6 UWG die Zulässigkeit werblicher Aussagen. Damit sollten entsprechend negative bzw. beleidigende Äuße- rungen sich stets im Rahmen der vorgenannten gesetzlichen Vorschriften halten. (Arbeits-)rechtliche Risiken für den Unternehmensvertreter: Neben den obenstehenden Ausführungen, die das rechtliche Verhältnis zwischen dem betroffenen Kunden bzw. Internet- nutzer und dem Unternehmen bzw. dem jeweiligen Unterneh- mensvertreter (z.B. dem Community Manager) regeln, sind bei den Fragestellungen stets auch arbeitsrechtliche Implikatio- nen zu berücksichtigen. So stellt sich die Frage, ob dem jewei- ligen Unternehmensvertreter Ungemach drohen kann, wenn er gegenüber den Kunden „zurückschießt”. So gibt es bereits zahlreiche Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Frage aus- einandersetzen, unter welchen Umständen ein Unternehmen arbeitsrechtliche Maßnahmen (z.B. Abmahnung oder Kündi- gung) treffen darf, wenn ein Mitarbeiter eines Unternehmens die Kunden beleidigt hat. Bei dem vorliegenden Sachverhalt ist also von entscheidender Bedeutung, inwieweit der jeweili- ge Community Manager bzw. Betreuer des jeweiligen Internet- kanals die „Rückendeckung” seines Arbeitgebers hat. Ist nicht ausdrücklich geklärt, wie deutlich der jeweilige Community Manager auf solche „Angriffe” im Netz reagieren darf bzw. wie weit er mit seinen Reaktionen gehen darf, so ist nicht auszu- schließen, dass die Äußerungen zwar im Außenverhältnis viel- leicht gerade noch rechtmäßig sind, dennoch aber aufgrund ihrer deutlichen und deftigen Sprache zu arbeitsrechtlichen Folgen für den Community Manager führen. Gerade bei For- malbeleidigungen seitens des Unternehmensvertreters ge- genüber den Kunden können ohne entsprechende „Rückende- ckung” des Unternehmens arbeitsrechtliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Insoweit ist im Zusammenhang mit den Reaktionsmöglichkeiten für betreuende Unternehmens- vertreter der Social-Media-Kanäle dringend zu empfehlen, im Rahmen einer Vereinbarung (z. B. Zusatzvereinbarung zum Ar- beitsvertrag) ausdrücklich zu regeln, welche Kompetenzen der jeweilige Mitarbeiter hat bzw. wie er auf solche Anfeindungen im Netz reagieren darf bzw. soll. Ist in einer entsprechenden Zusatzvereinbarung geregelt, dass der Mitarbeiter auch einmal deutlicher reagieren darf bzw. soll, so dürfte er in der Regel vor arbeitsrechtlichen Maßnahmen gefeit sein. Dr. Carsten Ulbricht ist auf das Internet und die digitale Transformation spezialisierter Rechtsanwalt bei der Kanzlei Bartsch Rechtsanwälte mit den Schwerpunkten IT-Recht, Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht sowie Datenschutz. Dr. Ulbricht berät nationale und internationale Man- danten in allen Rechtsfragen des E- und Mobile Commerce, Big Data so- wie zu allen Themen im Bereich Social Web. Seine Schwerpunkte liegen dabei auf der rechtlichen Prüfung internetbasierter Geschäftsmodelle, datenschutzrechtlichen Themen und dem Umgang mit nutzergenerierten Inhalten.