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Europäisches Medienrecht
WiSe 2015/16
Europa Universität Viadrina
Dr Matthias Traimer
matthias.traimer@bka.gv.at
Einführung;
Internationale Aspekte des
Medienrechts
Internationale Aspekte des Medienrechts
Medienrecht als Querschnittsmaterie – auf
nationaler, europäischer und internationaler Ebene
Regulierung der Medien als vornehmlich nationale
Angelegenheit angelegt.
Aufgrund der Internationalisierung der
Verbreitungswege (insb Satellit, Internet) und des
Handels mit Kultur- und Medien (als Waren und
Dienstleitungen) – medienrelevante
Rechtsvorschriften in einer Vielzahl von
europäischen und internationalen Übereinkommen.
Verschiedene Zielsetzungen
• Menschenrechtsschutz: insb Kommunikations –
freiheit; Menschenwürde; Privatsphäre;
Eigentum
• Demokratiepolitische Dimension: Schutz der
Medienfreiheit als zentrale Grundlage der
Demokratie und einer freien pluralistischen
Gesellschaft
Verschiedene Zielsetzungen (2)
• Wirtschaftsrechtliche Dimension: Medien als
bedeutender internationaler und europäischer
Wirtschaftsfaktor (zB Dienstleistungs- und
Warenverkehrsfreiheit im EU- Binnenmarkt und
weltweit; Sicherung fairen Wettbewerbs)
• Kulturpolitische Dimension: Pluralismus der
Anbieter, Inhalte und Quellen; nationale und
regionale Identität durch Medien
Medienfreiheit
Im Vordergrund freiheitlich-demokratischer
Systeme:
Freiheit der Medien als Wesensbaustein einer
Demokratie.
„Freie Medien sind Voraussetzung für öffentliche Kommunikation und die
Herausbildung der öffentlichen Meinung, somit unerlässlich dafür, dass der Einzelne
von seinen individuellen Rechten auf Information und zur Information Gebrauch
machen kann.“
„Freie Medien erfüllen eine wichtige, für die Demokratie unverzichtbare Aufgabe,
wenn sie über gemeinschaftswichtige Angelegenheiten informieren und den
gesellschaftlichen Meinungen Raum geben oder als „public watchdog“ demokratische
Kontrollaufgaben erfüllen.“
©Walter Berka
Medienfreiheit und Meinungsfreiheit
• Freie Medien als Multiplikatorfunktion der
öffentlichen Meinungsbildung
• Medienvielfalt als Grundbedingung der
individuellen Meinungsbildung
Grundvoraussetzung: Freiheit der
Meinungsbildung, der Äußerung, des
Informationsempfangs und der
Informationssuche
Medienfreiheit und Meinungsfreiheit
Medienfreiheit auf verfassungsrechtlicher Ebene zum Teil explizit angesprochen im
Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit.
Art 5 GG
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus
allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen
Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue
zur Verfassung.
Art 13 StGG (Österreich)
Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb
der gesetzlichen Schranken frei zu äußern.
Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden.
Administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung.
(Internationale) Garantien der Medienfreiheit?
Medienfreiheit nach Art 10 EMRK
• Medienfreiheit wird zwar in Art 10 EMRK nicht wörtlich
angesprochen…
• Aber unbestritten: Medienfreiheit ist Teil der
Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK.
EGMR, Sunday Times (1979):
„As the Court remarked in its Handyside judgment, freedom of expression
constitutes one of the essential foundations of a democratic society; subject
to paragraph 2 of Article 10, it is applicable not only to information or ideas
that are favourably received or regarded as inoffensive or as a matter of
indifference, but also to those that offend, shock or disturb the State or any
sector of the population.
These principles are of particular importance as far as the press is concerned.
[…]
Europäisches Medienrecht
Europäische Union:
Kein durchgängig harmonisierter Bereich – vielmehr ein Bündel
von Maßnahmen
– Primärrecht: insbesondere Grundfreiheiten (zB Fernsehen =
Dienstleistung); Wettbewerbsrecht (zB öffentl. Rundfunkgebühren =
Beihilfe); Grundrechtecharta (insb Meinungs- und Medienfreiheit;
Datenschutz – Art 11 und Art 8 GRC)
– Sekundärrecht: insb Richtlinien zB für audiovisuelle Medien,
Urheberrecht, Datenschutz, Telekommunikation…;
Entscheidungen der Kommission in Wettbewerbsangelegenheiten
(zB Strafen bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung)…
Dr. Matthias TRAIMER
Europäisches Medienrecht
Aktuelle Diskussionen und
Beispiele aus der Rechtssprechung
Dr. Matthias TRAIMER
Ausweitung der klassischen Medienrecht in Richtung eines
„digitalen“ Kommunikationsrechts mit wettbewerbs-,
telekommunikations-, datenschutz- und urheberrechtlichen
Themen
Aktuell zB
• Netzneutralität – erstmals Regelung in EU-VO
• Vorratsdatenspeicherung (EuGH: grundrechtswidrig);
• „Recht auf Vergessen“ (EuGH: „Google Spain“)
• Datentransfers auf Grund „Safe Harbour“ unzulässig (EuGH: Max Schrems);
• Verantwortlichkeit von ISP´s („Vermittler“) für Inhalte Dritter (EGMR: „Delfi“)
• Urheberrechtliche Vergütung für Nutzung fremder Inhalte (zB Leistungsschutzrecht für
Zeitungsinhaber gg Suchmaschinen?)
• Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Wettbewerb
• Over The Top (OTT) Unternehmen in Europa – Jurisdiktionsgewalt?
Bsp. Netzneutralität:
bezeichnet die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung
im Internet und den diskriminierungsfreien Zugang bei der
Nutzung von Datennetzen. Netzneutrale Internetdienstanbieter
behandeln alle Datenpakete bei der Übertragung gleich,
unabhängig von Sender und Empfänger, dem Inhalt der Pakete
und der Anwendung, die diese Pakete generiert hat
• Netzneutralität – erstmals Regelung in EU:
VO des EP und des Rates „betreffend Maßnahmen zum offenen Internet und
[…] über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union“ (vom
27.10.2015).
Netzneutralität auf nationaler Ebene: § 41a TKG
Netzneutralität
• (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in einer Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates gegenüber Unternehmen, die
Telekommunikationsnetze betreiben, die grundsätzlichen Anforderungen an eine
diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang
zu Inhalten und Anwendungen festzulegen, um eine willkürliche Verschlechterung
von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des
Datenverkehrs in den Netzen zu verhindern; sie berücksichtigt hierbei die
europäischen Vorgaben sowie die Ziele und Grundsätze des § 2.
• (2) Die Bundesnetzagentur kann in einer Technischen Richtlinie Einzelheiten über
die Mindestanforderungen an die Dienstqualität durch Verfügung festlegen. Bevor
die Mindestanforderungen festgelegt werden, sind die Gründe für ein
Tätigwerden, die geplanten Anforderungen und die vorgeschlagene
Vorgehensweise zusammenfassend darzustellen; diese Darstellung ist der
Kommission und dem GEREK rechtzeitig zu übermitteln. Den Kommentaren oder
Empfehlungen der Kommission ist bei der Festlegung der Anforderungen
weitestgehend Rechnung zu tragen.
Bsp. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ungültig
(Verstoß gegen Art 7 und 8 GRC )
EuGH 8 April 2014, Digital Rights; Seitlinger ua, C-293/12 and
C-594/12 :
• VDS grundsätzlich ein Mittel, das dem Gemeinwohl dienlich sein kann, weil
schwere Verbrechen damit bekämpft werden sollen (Absatz 44 und 51). Zudem
taste sie nicht das Grundrecht auf Achtung der Privatlebens an, da sie nicht auf
die "Inhalte elektronischer Kommunikation" zugreife (Absatz 39).
• Der EU-Gesetzgeber habe aber "die Grenzen überschritten hat, die er zur
Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einhalten musste". Die
Vorratsdatenspeicherung könnte bei den Betroffenen das Gefühl erzeugen, dass
"ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist", heißt es in dem
Urteil (Absatz 37). Demnach müsse die verdachtslose Speicherung von
Verbindungsdaten von Telefon, Internet und E-Mail künftig "auf das absolut
Notwendige beschränkt" werden (Absatz 52).
Bsp. „Recht auf Vergessenwerden“
EuGH 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12
Der Betreiber einer Internetsuchmaschine ist bei personenbezogenen Daten,
die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, für die von
ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich.
• Eine Person kann sich daher, wenn bei einer anhand ihres Namens
durchgeführten Suche in der Ergebnisliste ein Link zu einer Internetseite mit
Informationen über sie angezeigt wird, unmittelbar an den
Suchmaschinenbetreiber wenden, um unter bestimmten Voraussetzungen
die Entfernung des Links aus der Ergebnisliste zu erwirken.
• Angemessener Ausgleich ist zu finden zwischen Recht der Internetnutzer auf
Information und der betroffenen Person, insbesondere des Rechts auf
Achtung des Privatlebens und des Rechts auf Schutz personenbezogener
Daten.
Bsp. Safe Harbour Entscheidung ungültig
EuGH 6. Oktober 2015 , Maximilian Schrems v Data Protection
Commissioner; C 362/14
• Eine Regelung, welche generell die Speicherung aller personenbezogenen Daten
sämtlicher Personen, deren Daten aus der Union in die Vereinigten Staaten
übermittelt werden, gestattet, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung
oder Ausnahme anhand des verfolgten Ziels vorzunehmen und ohne objektive
Kriterien vorzusehen, die es ermöglichen, den Zugang der Behörden zu den
Daten und deren spätere Nutzung zu beschränken ist unionsrechtwidrig; verletzt
den den Wesensgehalt des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens.
• Die Entscheidung der Kommission vom 26.7.2000, in der festgestellt wurde,
dass die Vereinigten Staaten von Amerika ein angemessenes Schutzniveau
übermittelter personen-bezogener Daten gewährleisten, ist ungültig.
• Auch wenn Kommission eine „Äquivalenzentscheidung“erlassen hat, müssen die
nationalen Datenschutzbehörden, wenn sie mit einer Beschwerde befasst
werden, in völliger Unabhängigkeit prüfen können, ob bei der Übermittlung der
Daten einer Person in ein Drittland die in der Richtlinie aufgestellten
Anforderungen gewahrt werden.
Bsp. Haftung des Betreibers eines Online News-
Portals für beleidigende Nutzerkommentare
EGMR (GK) 16.06.2015,
Delfi gg Estland, Appl 64569/09
Verantwortung für Kommentare Dritter?
EGMR, Delfi vs Estland
EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland
Artikel über Fährschiffbetreiber auf Newsportal
„Delfi“ veröffentlicht mit Möglichkeit für Postings von
Nutzern; "keine Moderation des Forums, aber „notify
and take down System“ - auf Grund von
Beschwerden anderer Nutzer werden Postings
geprüft und umgehend entfernt. Postings mit
obszönen Worten werden automatisiert enfernt.
EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland
In einzelnen Postings wurden Drohungen und Beleidigungen gegen
Fährschiffbetreiber ausgesprochen.
EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland
Die Kommentare wurden von dem Seitenbetreiber nach
entsprechenden Hinweisen entfernt, dies geschah jedoch erst 6
Wochen nach der Veröffentlichung.
Fährschiffbetreiber klagt Delfi. Delfi wurde zu einer Entschädigung von
360 Euro verurteilt.
Beschwerde von Delfi wegen Verletzung des Art 10 EMRK beim EGMR;
EGMR, 17.10.2013: Entschädigung zu Recht ausgesprochen, keine
Verletzung des Art 10 EMRK. Berufung an GK.
EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland
Aufgrund
(1)der Natur der Kommentare (beleidigend und drohend),
(2)des Umstandes, dass die Kommentare in Reaktion auf einen von der Bf. auf ihrem
professionell gemanagten und auf kommerzieller Basis betriebenen Newsportal
veröffentlichten Artikel gepostet wurden,
(3)der Unzulänglichkeit der von der Bf. gesetzten Maßnahmen, um Schaden für den
guten Ruf Dritter zu vermeiden und eine realistische Möglichkeit sicherzustellen, dass
die Verfasser der Kommentare zur Verantwortung gezogen werden und
(4)der gegen die Bf. verhängte – milde – Sanktion:
KEINE VERLETZUNG VON ART 10 EMRK!
EGMR, Delfi vs Estland
Beachte:
Aus „Delfi“ folgt keine generelle Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern im Internet!
Siehe insbesondere Absatz 116 des Urteils:
“Accordingly, the case does not concern other fora on the Internet where third-party
comments can be disseminated, for example an Internet discussion forum or a bulletin
board where users can freely set out their ideas on any topics without the discussion
being channelled by any input from the forum’s manager; or a social media platform
where the platform provider does not offer any content and where the content provider
may be a private person running the website or a blog as a hobby
EGMR, Delfi vs Estland
Geäußerte Kritik am Delfi Urteil: EGMR lasse EU-Recht außer Betracht.
Gegeneinwand (EGMR): prüft lediglich, ob eine nationale Rechtsordnung/Maßnahme
EMRK verletzt.
E-Commerce RL
Art 14: Keine Haftung von Hostprovidern für Inhalte Dritter. Voraussetzung:
a) Anbieter hat keine Kenntnis von der rechtswidrigen Information, und, in bezug auf
Schadenersatzansprüche, ist sich keiner Tatsachen oder Umstände bewußt, aus denen
die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird,
oder
b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewußtsein erlangt,
unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
Artikel 15 E-Commerce RL
Art 15: Keine allgemeine Überwachungspflicht
(1) Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und
14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten
Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine
rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.(...)
 Staatliche Souveränität im Spannungsfeld
– internationaler freier Informationsfluss
(Meinungs- und Medienfreiheit – Art 19 IPBPR; Art
10 EMRK...)
– internationale Sendefreiheit (ITU-Regime)
– internationale Rechtsverfolgung (geistiges
Eigentum; Cybercrime; Datenschutz)
– Medien als Kulturgut und als Teil des Welthandels
(WTO, GATT, GATS...)
Völkerrechtliche Prinzipien
Ätherfreiheit*, „free flow of information“,
Informationsfreiheit**
versus
„prior consent Prinzip“ ***(Interventionsverbot)
*VGR, Art 33 ITU-Constitution ; **Art 19 IPbpR; ***Art34 ITU-Const.
Recht eines jeden Staates, Fernmeldewesen selbständig zu
organisieren, aber Grenzen durch die ITU-Konstitution.
Recht auf „Jamming“ (VGR), wenn nicht vertraglich
aufgegeben. Nur im domaine réservé!
→Einhaltung und Achtung der Menschenrechte gehört
nicht mehr zu den inneren Angelegenheiten der Staaten!
Internetfreiheit?
Stabilität, Integrität, Funktionalität des Internet als Vorbedingungen
der Ausübung der Kommunikations- und Informationsrechte nach Art
19 IPbpR – Schutz und Gewährleistungspflichten der Staaten.
Weitere völkerrechtliche Prinzipien:
•Rücksichtnahmeprinzip
•Nichteingriffsprinzip
•Vorsorgeprinzip
•Prinzip der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit
→„do no harm – Prinzip“ (Mache im Internet nichts, was einen
unbeabsichtigten Negativeffekt für unbeteiligte dritte Parteien haben
kann).
Komplexe Fragestellungen – insb durch Ubiquität des Internet
 häufig Sachverhalte mit Auslandsbezug.
- Gerichtsstand / Zuständigkeit?
- anwendbares Recht?
 Auf EU-Ebene zT Harmonisierung des Kollisionsrechts, zB
o für Frage der internationalen Zuständigkeit in Zivil- und
Handelssachen + Vollstreckung:
„Brüssel I-Verordnung“
o zur Bestimmung des anzuwendenden materiellen Rechts
(bei außervertraglichem Schadenersatz):
„Rom II- Verordnung“
Internationale Aspekte des Medienrechts
Zuständigkeit bei internationalen Sachverhalten
(Zivilrecht)
EuGVVO („Brüssel I VO) - (EG) Nr. 44/2001
Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats
haben, sind grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats
zu verklagen. Dieses entscheidet über den gesamten Schaden, der
eingetreten ist.
Klage aber auch am Ort des (potentiellen) Schadenserfolges möglich.
Wenn Klage bei Gericht am Ort des Schadenserfolges erfolgt – dann
ist Gericht nur für Entscheidung über den Ersatz der Schäden
zuständig, die in dem Staat verursacht worden sind, in dem sie
ihren Sitz haben („Mosaikbetrachtung“).
(geht zurück auf „Fiona Shevill“ – Urteil des EuGH)
Welches Gericht ist zuständig?
Siehe: EuGH, Rs C-68/93, Fiona Shevill
Betroffener hat bei Ehrverletzungen durch einen in mehreren
Mitgliedstaaten verbreiteten Presseartikel für Schadensersatzklage
gegen den Herausgeber zwei Möglichkeiten:
Klage bei Gerichten des Staates, in dem der Herausgeber ansässig ist
- Entscheidung über den Ersatz sämtlicher durch die Ehrverletzung
entstandener Schäden.
Klage bei Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dem die
Veröffentlichung verbreitet worden ist und in dem das Ansehen des
Betroffenen nach dessen Vorbringen beeinträchtigt worden ist –
Gericht dann nur für Entscheidung über Ersatz der Schäden
zuständig, die in dem Staat verursacht worden sind, in dem es seinen
Sitz hat.
Internationale Aspekte des Medienrechts
Verletzung der Persönlichkeit durch Internetveröffentlichung:
EuGH, 25.10.2011, Rs C-509/09 und C-161/10, eDate/X und
Martinez/MGN
Internationale Aspekte des Medienrechts
EuGH, 25.10.2011, Rs C-509/09 und C-161/10 (eDate/X und
Martinez/MGN)
3 Alternativen zur Klage:
•Bei Gericht jenes Ortes, an dem das Opfer seinen "Mittelpunkt
seiner Interessen" hat. Dieses Gericht ist für die Entscheidung
über den gesamten im EU-Gebiet entstandenen Schaden
zuständig.
(Mittelpunkt der Interessen: im Regelfall der Ort des
gewöhnlichen Aufenthalts des Betroffen)
Internationale Aspekte des Medienrechts
EuGH, 25.10.2011, Rs C-509/09 und C-161/10
eDate/X und Martinez/MGN
• Klage aber auch bei Gericht in jedem EU-Staat möglich, in
dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt
zugänglich ist oder war: Gericht kann aber nur über den im
jeweiligen Land entstandenen Schaden urteilen.
• Klage auch bei Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der
Urheber der im Internet veröffentlichten Inhalte
niedergelassen ist – Gericht zuständig für gesamten im EU-
Gebiet eingetretenen Schaden.
Internationale Aspekte des Medienrechts
Weiterer Problemfall: Anwendbares Recht?
Auch hier zT Lösungsansätze durch Normenkollisionsrecht
auf EU-Ebene.
Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen (zB
Schadenersatz) in Zivil- und Handelssachen: „Rom II –
VO“ legt das anzuwendende Recht fest
zB Recht des Staates in dem Schaden eintritt, oder in dem
haftende und geschädigte Person ihren gewöhnlichen
Aufenthalt haben (aber disponibel zw. Parteien)
Internationale Aspekte des Medienrechts
ABER: Rom II – VO gilt für bestimmte außervertragliche
Schuldverhältnisse nicht!
Rom II – VO gilt nicht bei Haftung der Verletzung der
Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich
der Verleumdung. Anknüpfung daher nach nationalem
Kollisonsrecht.
Zur Anwendung kommt (gemäß deutschem IPR)
Art 40 EGBGB – maßgeblich ist das Recht des Handlungsorts (wo zB
Ehrverletzung getätigt wurde). Verletzter kann aber verlangen, dass
statt dessen das Recht des Staates, in dem der deliktische Erfolg
eingetreten ist, zur Anwendung kommt (maßgeblich: wo wird die
Achtung des Betroffenen in seinem Lebenskreis gestört bzw
gefährdet).
Internationale Aspekte des Medienrechts
Beurteilung im Fall eDate/X und Martinez/MGN
(EuGH 25.10.2011, Rs C-509/09
und in der Folge BGH, 8.5.2012 Vl ZR 217/08)
- Zuständigkeit des deutschen Gerichts bezüglich des in Österreich
niedergelassenen Beklagten (eDate), da Kläger X (Betroffener)
seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat.
- Anwendung deutschen Rechts, da Kläger dies auf Grund des § 40
Abs 1 Satz 2 EGBGB X verlangt hat.
- Der Betreiber der Website (eDate), für den die E-Commerce-RL gilt,
darf jedoch in Deutschland keinen strengeren als den im Recht
seines Sitzmitgliedstaats (Österreich) vorgesehenen Anforderungen
unterworfen werden.
Internationale Aspekte des Medienrechts
Strafrecht/Cybercrime
Strafrechtlichen Anknüpfung bei internationalen Sachverhalten:
Siehe §§3- 9 StGB
Ausgangspunkt:
Territorialitätsprinzip (Tat auf deutschem
Staatsgebiet begangen) - § 3; wenn Handlungs-,
Unterlassungs- oder Erfolgsort in D ist bzw sein soll - § 9)
§§5-7: aktives Personalitätsprinzip (deutscher Staatsbürger
begeht Tat im Ausland)
passives Personalitätsprinzip (Tat gegen deutschen
Staatsbürger im Ausland)
Schutzprinzip (Auslandstaten gefährden Rechtsgüter
Deutschlands)
Weltrechtsprinzip (besonders schwere Taten können von
jedem Staat unabhängig von Tatort und
Staatsangehörigkeitbestraft werden)
Internationale Aspekte des Medienrechts
Bei Internetdelikten: Inwieweit ist eine extensive
Interpretation des § 9 StGB (Territorialitätsprinzip)
völkerrechtlich zulässig?
– Voraussetzung für Anwendung nationalen Rechts
außerhalb des Staatsgebiets: „Genuine link“
(grundsätzlich: Lotus Entscheidung des Int. Gerichtshofs)
– Verschiedene Anknüpfungspunkte denkbar, zB
Inhalt der Website auf anderen Staat
ausgerichtet?
Abrufbarkeit einer Website im Inland?
Geeignetheit zur Verletzung inländischer
Rechtsgüter?
Internationale Aspekte des Medienrechts
BGH, 12.12.2000, „Fall Toben – Auschwitzlüge“
Volksverhetzung (iS § 130 StGB) auf ausländischem Server, der
Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, abrufbar:
Ein zum Tatbestand gehörender Erfolg (§ 9 Abs 1, 3 Alt. StGB) tritt im Inland
ein, wenn die Äußerung konkret zur Friedensstörung im Inland geeignet ist.
Tribunal de Grande Instance de Paris, 20.11.2000 „LICRA vs Yahoo!Inc.“
Französisches Gericht verfügt gegen den in den USA ansässigen
Internetprovider Yahoo! den Zugang zu dessen Angeboten (betreffend
Versteigerung von Nazi-Gedenken) für Nutzer mit einer französischen IP
Adresse zu sperren.
Versuch Vereinheitlichung der Rechtsinstrumente im Zusammenhang mit
Computerkriminalität durch völkerrechtlichen Vertrag zu lösen:
Cyber Crime Convention des Europarats vom 8.11.2001
• Regelt u.a.: illegalen Zugang zu Computersystem; unbefugtes
Abfangen nicht-öffentlicher Computerdatenübermittlung;
Unbefugtes Beschädigen, Löschen, Beeinträchtigen, Verändern
oder Unterdrücken von Computerdaten; Strafbarkeit des
Herstellens, Anbietens, Zugänglichmachen, Beschaffen oder Besitz
von kinderpornographischem Material
• Umgehende „Quick Freeze“ Verpflichtung bei (verdächtigen) Daten
für Mitgliedstaaten.
• Jurisidktion: Anwendung des Territorialitätsprinzips (bzw
Flaggenprinzips) und des aktiven Personalitätsprinzips
• Zusatzprotokoll – Strafbarkeit von Handlungen rassistischer,
fremdenfeindlicher Art mittels Computer
(von Deutschland ratifiziert am 9.3.2009; Zusatzprotokoll
betreffend rassistisches und fremdenfeindliches Material über
Computersysteme, BGBl II Nr 23 v 15.9.2011)
Internationale Aspekte des Medienrechts
Internationale und Europäische Akteure der Medienpolitik und der „Internet
Governance“
Vereinte Nationen
ITU (International Telecommunication Union)
UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization)
WIPO (World Intellectual Property Organization)
Europäische Union
Europarat
OSCE (Organization for Security and Co-operation in Europe)
OECD (Organization for Economic Co-operation and Development)
Regierungen und Regierungsorganisationen
Berufsverbände (zB International Federation of Journalists, European
Broadcasting Union; European Newspaper Publisher Association...)
+ „Multistakeholder“ – Ansatz: unterschiedlichste Akteure aus Industrie,
Wirtschaft, Zivilgesellschaft sind eingebunden
Internationale Aspekte des Medienrechts
o Wirtschaftsrechtliche Dimension: Medien als
bedeutender internationaler und
europäischer Wirtschaftsfaktor (zB
Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit
im Binnenmarkt und weltweit; Sicherung
fairen Wettbewerbs)
o Kulturpolitische Dimension: Pluralismus der
Anbieter, Inhalte und Quellen; nationale und
regionale Identität durch Medien
SPANNUNGSFELD !!!
Internationale Aspekte des Medienrechts
Audiovisueller Bereich und WTO
 GATT (Waren)
 mit TRIPS (Geistiges Eigentum)
 GATS (Dienstleistungen)
– Grundsätzliche Problematik: Audiovisuelle Werke als Ware
(GATT) oder Dienstleistung (GATS)?
– Trägermaterialien (zB DVD´s) verschwinden zunehmend ->
Zuordnung immer schwieriger
– Weiters: Medien = Kultur ? oder: Medien = Wirtschaftsgut ≠
Kultur ? Oder beides ?
Internationale Aspekte des Medienrechts
• GATT Verpflichtungen, insbesondere:
– Meistbegünstigung
– Verbot mengenmäßiger Beschränkungen
– Inländerbehandlung
– Subventionen nur ausnahmsweise (erlaubte,
anfechtbare, verbotene)
– Antidumping
• GATS Verpflichtungen:
– horizontale Verpflichtungen: zB
Meistbegünstigungsprinzip (gelten automatisch) ->
Transparenzverpflichtung
– spezifische Verpflichtungen: zB Marktzugang
(zustimmungspflichtig) -> Inländerbehandlung
• GATS beinhaltet weniger Verpflichtungen als GATT und
enthält mehr Ausnahmemöglichkeiten
Internationale Aspekte des Medienrechts
Audiovisueller Bereich und WTO
• Diskussionen in WTO, Urugay-Runde (1990er Jahre):
– Einbeziehung des audiovisuellen Sektors (auch) in GATS, aber
umstritten
– Positionen:
• Ausnahme vom Dienstleistungsbereich (Kanada),
„exception culturelle“ (Frankreich)
• USA, Japan: audiovisuelle Güter sind Unterhaltung, nicht
Kultur, bedeutender Exportfaktor
• EU: Wunsch nach mehr Liberalisierung, aber
Besonderheiten des audiovisuellen Bereichs behalten
– Ergebnis: Audiovisueller Bereich (zB Herstellung, Bearbeitung,
Verleih, Vorführung) fällt unter GATS, aber Sonderstatus:
Ausnahmen von Meistbegünstigung möglich, keine
Verpflichtung für Marktzugang und Inländerbehandlung
Internationale Aspekte des Medienrechts
Beispiel: Europäische „Quotenregelung“ der AVMD-RL
Art. 16 AVMD-RL
• (1) Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren
und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, dass die Fernsehveranstalter
den Hauptanteil ihrer Sendezeit, die nicht auf Nachrichten, Sportberichten,
Spielshows, Werbeleistungen, Videotextleistungen und Teleshopping
entfallen, der Sendung von europäischen Werken vorbehalten. (…)
Art. 17 AVMD-RL
• Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und
mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, dass Fernsehveranstalter
mindestens 10 % ihrer Sendezeit, die nicht auf Nachrichten, Sportberichten,
Spielshows oder Werbeleistungen, Videotextleistungen und Teleshopping
entfallen, oder alternativ nach Wahl des Mitgliedstaats mindestens 10 %
ihrer Haushaltsmittel für die Programmgestaltung der Sendung
europäischer Werke von Herstellern vorbehalten, die von den
Fernsehveranstaltern unabhängig sind (…).
Art. 13 Abs. 1 AVMD-RL
• (1) Die Mitgliedstaaten sorgen im Rahmen des praktisch Durchführbaren
und mit angemessenen Mitteln dafür, dass audiovisuelle Mediendienste auf
Abruf, die von ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern
bereitgestellt werden, die Produktion europäischer Werke und den Zugang
hierzu fördern ….
Internationale Aspekte des Medienrechts
Europäische Quotenregelung und WTO
• USA: Europäische Quotenregelung in AVMD-RL (früher
„FernsehRL) widerspricht dem GATT
• H. Res. 257:
• In the House of Representatives, U. S., October 23, 1989.
– … such local content requirement violates the General
Agreement on Tariffs and Trade (GATT), specifically
Article I relating to most-favored-nation treatment…
Internationale Aspekte des Medienrechts
Aktuell:
Verhandlungen um Freihandelsabkommen USA/EU
(TTIP)
• Verhandlungsmandat für Europäische
Kommission sieht vor, dass audiovisuelle
Dienstleistungen zum jetzigen Zeitpunkt kein
Bestandteil der Verhandlungen sind. Sollte
Bedarf bestehen, kann die Europäische
Kommission im Laufe der Verhandlungen dem
EU-Handelsministerrat eine entsprechende
Erweiterung des Mandats vorschlagen.
Kommunikationsfreiheiten
Kommunikationsfreiheiten
free flow of information und Informationsfreiheit
 Anspruch der Staaten gegenüber dritten Staaten auf
grenzüberschreitenden Informationsfluss (free flow of information)
 Anspruch des Einzelnen gegenüber dem Staat auf Zugang zu
allgemein zugänglichen Informationen (Äußerungs-/Informations-
freiheit)
Internationale Instrumente mit unterschiedlicher rechtlicher
Qualität und Durchsetzungsmechanismen
• Art 19 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
• Art 19 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische
Rechte
• Art 13 Amerikanische Menschenrechtskonvention
• Art 9 Afrikanische Menschenrechtskonvention
• Art 10 Europäische Menschenrechtskonvention
• Art 11 Grundrechtecharta der EU
Kommunikationsfreiheiten
Global: Art. 19 Intern. Pakt über bürgerliche und politische Rechte
(1) Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit.
(2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht
schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen
und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke
oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und
weiterzugeben.
(3) Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen
Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann
daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen
unterworfen werden, die erforderlich sind
a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer;
b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung
(ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit.
Nach Art 20 IPbpR verboten: Eintreten für Kriegspropaganda, nationalen,
rassischen oder religiösen Hass, wodurch tz Diskriminierung und Feindseligkeit
oder Gewalt aufgestachelt wird
Durchsetzung:= Individualrecht, aktiv/passiv (UN-Menschenrechtsausschuss)
Staatenbeschwerde; Individualbeschwerde (nur fakultativ)
Kaum praktische Bedeutung
Kommunikationsfreiheiten
Europa: Art. 10 EMRK
(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht
schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen
ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu
empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für
Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung
vorzuschreiben.
(2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung
verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen,
Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich
vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für
die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche
Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von
Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des
guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung
vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der
Unparteilichkeit der Rechtsprechung.
Kommunikationsfreiheiten
In Deutschland steht die EMRK im Rang eines einfachen
Bundesgesetzes (vgl Art 59 Abs 2 GG), ist jedoch bei der
Auslegung des Grundgesetzes heranzuziehen.
– BVerfGE 74, 358 [370]: ".... Bei der Auslegung des
Grundgesetzes sind auch Inhalt und Entwicklungsstand
der EMRK in Betracht zu ziehen, sofern dies nicht zu
einer Einschränkung oder Minderung des
Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt,
eine Wirkung, die die Konvention indes selbst
ausgeschlossen wissen will (Art. 60 EMRK). Deshalb
dient insoweit auch die Rechtsprechung des EGMR als
Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und
Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen
Grundsätzen des Grundgesetzes.„
Kommunikationsfreiheiten
 Unzulässigkeit auf EMRK gestützter
Verfassungsbeschwerden:
BVerfGE 64, 135 [157] „…Auf eine behauptete Verletzung der
Europäischen Menschenrechtskonvention kann die
Verfassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Das
Bundesverfassungsgericht entscheidet nicht am Maßstab der in der
Menschenrechtskonvention enthaltenen Garantien [eines fairen
Verfahrens Art 6 MRK].“
 Anrufung des EGMR durch Individualbeschwerde nach Erschöpfung
des innerstaatlichen Instanzenzuges
 BVerfG: Urteile des EGMR feststellend, nicht kassatorisch!
 Aber: § 359 Nr 6 StPO und § 580 Nr 8 ZPO = Wiederaufnahme
wenn Urteil auf Konventionswidrigkeit beruht!
Kommunikationsfreiheiten
EMRK und Europäische Union
Art. 6 EU
• (1) Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in
der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember
2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung
niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind
rechtlich gleichrangig. Durch die Bestimmungen der Charta werden
die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner
Weise erweitert. (…)
• (2) Die Union tritt der Europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten bei. Dieser Beitritt ändert nicht
die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union.
• (3) Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind
und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen
der Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des
Unionsrechts.
EU: Art. 11 Grundrechtecharta
Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit
• (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht
schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und
Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen
zu empfangen und weiterzugeben.
• (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.
 GRC verpflichtet Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen
der Union sowie Mitgliedstaaten bei der „Durchführung des
Rechts der Union.“
Kommunikationsfreiheiten
Kommunikationsfreiheiten
System des Art 10 EMRK
• Schutzbereich
• Schranken
• Schranken Schranken
Kommunikationsfreiheiten
Schutzbereich Art 10 EMRK
• Meinungs(bildungs)freiheit
• Meinungsäußerungsfreiheit
• Informationsfreiheit
• Presse- und Medienfreiheit
Kommunikationsfreiheiten
Schutzbereich Art 10 EMRK:
• Das Recht der Meinungsäußerungsfreiheit ist ein „Grundpfeiler“ einer
demokratischen Gesellschaft, eine der Grundvoraussetzungen für
deren Fortschritt und für die Entfaltung eines jeden Einzelnen (EGMR
7.12.1976, 5493/72, Handyside / UK, § 49).
• Weitestgezogener Schutz von Kommunikationsinhalten – umfasst
Meinungen, Informationen, Nachrichten jeder Art, jeden Inhalts
• Gilt nicht nur für „Informationen“ oder „Ideen“, die Zustimmung
finden oder als harmlos oder unerheblich betrachtet werden,
sondern auch für solche, die verletzend, schockierend oder
beunruhigend wirken. Dies gebieten nämlich der Pluralismus, die
Toleranz und die Aufgeschlossenheit, ohne die es eine
„demokratische Gesellschaft“ nicht geben kann (EGMR, ibid.)
Kommunikationsfreiheiten
EGMR, 7.12.1976, Handyside / UK
Vorbehaltlich der Bestimmung des Art. 10 Abs. 2 gilt [das Recht auf
Meinungsfreiheit] nicht nur für die günstig aufgenommenen oder als
unschädlich oder unwichtig angesehenen „Informationen“ oder „Ideen“,
sondern auch für die, welche den Staat oder irgendeinen Teil der Bevölkerung
verletzen, schockieren oder beunruhigen. So wollen es Pluralismus, Toleranz
und Aufgeschlossenheit, ohne die es eine „demokratische Gesellschaft“ nicht
gibt. Daraus folgt insbesondere, dass jede „Formvorschrift“, „Bedingung“,
„Einschränkung“ oder „Strafdrohung“ in angemessenem Verhältnis zum
verfolgten rechtmäßigen Ziel stehen muss.
Kommunikationsfreiheiten
Meinungsäußerungsfreiheit:
Umfasst Werturteile und Tatsachenaussagen.
„Wert oder Unwert“ einer Äußerung sind
unmaßgeblich für den Schutz.
Schutz bezieht sich nicht nur auf den Inhalt der
Äußerung, sondern auch ihre Form.
Geschützt sind auch die Mittel der Kommunikation.
Vgl auch
„Im Zweifel für die freie Rede“ – BVerfGE 93, 266
Keinen Schutz genießen unwahre Tatsachenbehauptungen, wenn dadurch
das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt wird (dann keine Güter- und
Interessensabwägung. (vgl BVerfGE 61,1,8 ; BGH, 23. 6. 2009 - VI ZR 196/08)
Kommunikationsfreiheiten
EGMR, 8.7.1986, Lingens / Österreich
Unterscheidung „Werturteil/Tatsachenaussage“
Nur Tatsachen können auf Wahrheit – oder den guten Glauben
daran – überprüft werden. Nur für Tatsachen-Aussagen kann
vom Äußernden (Beklagten) die Führung eines Beweises
hierüber verlangt werden (Siehe §§186, 187 StGB – üble
Nachrede).
Wird bei Werturteil Wahrheits-/Gutglaubens-Beweis verlangt,
widerspricht das Art. 10 EMRK.
Aber: Auch Werturteile müssen auf wahrem „Tatsachensubstrat“ beruhen.
Kommunikationsfreiheiten
Informationsfreiheit- Recht auf Zugang zu
Information?
Die Informationsfreiheit gibt als solche kein Recht auf
Information durch den Staat – keine Pflicht für
staatliche Stellen, Informationsquellen einzurichten.
Es ist dem Staat aber untersagt, eine Person am
Empfang von Informationen zu hindern, die ihr
andere zukommen lassen oder beabsichtigen
zukommen zu lassen, wenn nicht die Voraussetzungen
des Art 10 Abs 2 EMRK vorliegen (grundlegend EGMR
26.3.1987, Leander/Schweden).
Kommunikationsfreiheiten
Informationsfreiheit Deutschland:
Art 5 Abs 1 GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort,
Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus
allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
BVerfGE 27, 71: Allgemein zugänglich ist eine
Informationsquelle dann, wenn sie technisch geeignet
und bestimmt ist, der Allgemeinheit, dh einem
individuell nicht bestimmbaren Personenkreis
Informationen zu vermitteln.
Einfachgesetzlicher Ebene:
Informationsfreiheitsgesetz des Bundes
Landespressegesetze
besondere Materien: zB Umweltinformationsgesetze; Stasi-
Unterlagen Gesetz
Kommunikationsfreiheiten
Informationsfreiheit- Recht auf Zugang zu Information?
EGMR 28.11.2013, Österreichische Vereinigung zur Erhaltung,
Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden Land- und
Forstwirtschaftlichen Grundbesitzes/Österreich
Recht einer NGO auf Informationsfreiheit verletzt, weil sich die
nationale Behörde im Anlassfall geweigert hatte, das Recht der
NGO auf Informationszugang nach Art 10 Abs 1 EMRK (trotz
angebotenem Kostenersatz, Möglichkeit der Anonymisierung
etc) anzuerkennen und die begehrten Entscheidungen der
NGO zur Verfügung zu stellen.
Kommunikationsfreiheiten
Medienfreiheit nach Art 10 EMRK
Medienfreiheit nicht ausdrücklich erwähnt
Unbestritten: Medienfreiheit ist Teil der
Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK.
Im Unterschied zu Art 5 GG ist die Presse- und Medienfreiheit
nach Art 10 EMRK individualrechtliche, nicht institutionell,
ausgerichtet.
Berücksichtigung der Medienfreiheit im Rahmen der
Verhältnismäßigkeitsprüfung (strenger Maßstab bei Eingriffen)
Medienfreiheit in der Rspr EGMR
• Aufgabe der Presse ist es einerseits, die Öffentlichkeit über Fragen
von politischem und sonstigem allgemeinem Interesse zu
informieren, zum anderen aber auch als „public watchdog“ zur
offenen geistigen Auseinandersetzung in der Bevölkerung
beizutragen, das politische und gesellschaftliche Geschehen zu
beobachten und zu kommentieren, Missstände aufzudecken und
Kritik zu üben.
• Für die politische und öffentliche Debatte ist in einer
demokratischen Gesellschaft kaum Spielraum für Beschränkungen.
• Eingriffen in die Äußerungsfreiheit von Politikern und Journalisten
sind daher besonders restriktive Grenzen gezogen.
Kommunikationsfreiheiten
Kommunikationsfreiheiten
Rundfunkfreiheit nach der EMRK
Art 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK:
„Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh-
oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.“
EGMR 24.11.1993 Informationsverein Lentia / Österreich
“Z 32: Im Fall Groppera Radio AG (A/173, § 61) hat der Gerichtshof
festgestellt, daß der 3. Satz des Abs. 1 den Staaten das Recht einräumt, die
Organisation des Rundfunks in ihrem Territorium mittels eines
Konzessionssystems zu regulieren, wobei dies insbesondere auf technische
Aspekte abzielt. Ungeachtet dessen kann die Erteilung oder Verweigerung
einer Konzession von weiteren Erwägungen abhängen: Dazu zählen etwa
die Art und die Ziele einer zu errichtenden Rundfunkstation, die
erwarteten Zuschauerkreise auf staatlicher, regionaler und lokaler Ebene,
die Ansprüche und Bedürfnisse eines speziellen Publikums sowie
internationale Verpflichtungen. Dadurch können Eingriffe unter
Umständen durch den 3. Satz des Abs. 1 gerechtfertigt werden, obwohl sie
keinem der legitimen Ziele des Abs. 2 entsprechen. Ein Eingriff in das
Recht auf freie Meinungsäußerung muß ungeachtet dessen im Lichte der
anderen Erfordernisse des Abs. 2 geprüft werden.
Feststellungen im Urteil „Lentia“:
Staaten dürfen bei der Regulierung des Rundfunks
neben technischen auch inhaltliche
Zulassungskriterien vorsehen
 Rundfunkpolitische Zielsetzungen (lokal/regional,
besondere Bedürfnisse des Publikums, Medienvielfalt…)
mit Art. 10 EMRK vereinbar (auch wenn nicht
ausdrücklich in Abs. 2 erwähnt werden)
 Aber immer: Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein
im Sinne des Abs. 2!
Und [Z 38]: Der Staat ist „ultimate guarantor of
pluralism“ = positive Verpflichtung zur Herstellung von
Medienvielfalt?
Kommunikationsfreiheiten
EGMR 17.9.2009, Manole ua gegen Republik Moldau
= Sicherung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als
“positive Verpflichtung” des Staates
„A positive obligation arises under Article 10. The State, as the ultimate
guarantor of pluralism, must ensure, through its law and practice, that the
public has access through television and radio to impartial and accurate
information and a range of opinion and comment, reflecting inter alia the
diversity of political outlook within the country and that journalists and other
professionals working in the audiovisual media are not prevented from
imparting this information and comment.
Where the State decides to create a public broadcasting system, the domestic
law and practice must guarantee that the system provides a pluralistic
audiovisual service.”
Kommunikationsfreiheiten
Kommunikationsfreiheiten
EGMR 7.6.2012, Centro Europa 7 S.R.L. und
DI Stefano / Italien
• 130. [...]“ hält der Gerichtshof fest, dass es zur Gewährleistung wahrer
Vielfalt im audiovisuellen Sektor in einer demokratischen Gesellschaft
nicht ausreicht, für die Existenz mehrerer Kanäle zu sorgen oder für die
theoretische Möglichkeit potentieller Betreiber, den Markt zu betreten.
Zusätzlich ist es notwendig, effektiven Marktzugang zu erlauben, um die
Vielfalt des allgemeinen Programmangebots zu garantieren, die so weit
als möglich die Vielfalt der Meinungen in der Gesellschaft, an die die
Programme gerichtet sind, widerspiegelt.“ [...]
134. „Der Gerichtshof hält fest, dass in einem so empfindlichen Sektor wie
jenem der audiovisuellen Medien der Staat - zusätzlich zu seiner negativen
Pflicht, Eingriffe zu unterlassen - auch eine positive Verpflichtung hat,
einen angemessenen gesetzlichen und administrativen Rahmen zu
schaffen, um effektive Vielfalt zu gewährleisten. Dies ist besonders
wünschenswert, wenn das nationale audiovisuelle System, wie im
vorliegenden Fall, von einem Duopol gekennzeichnet ist.“
Kommunikationsfreiheiten
ART 10 EMRK – „positive obligations“
Neben der abwehrrechtlichen Dimension ist aus Art 10
EMRK auch eine Schutzpflicht des Staates vor Angriffen
Dritter abzuleiten.
 EGMR, 14.10.2010 „Dink“ (2010):
Die positiven Verpflichtungen nach Art. 10 EMRK
erfordern unter anderem die Schaffung eines günstigen
Umfelds zur furchtfreien Teilnahme am politischen
Diskurs. Dies kann auch erfordern, das Leben einer sich
äußernden Person vor Angriffen Dritter zu schützen.
Zu positiven Verpflichtungen (Schutzpflicht des Staates vor Eingriffen in
Meinungsfreiheit durch Private) in Deutschland: BVerfGE 7, 198 „Lüth“
Verhältnismäßigkeit
Bestimmten Personen/Gruppen kann auch Rolle
eines „social watchdog“ zukommen – besondere
Berücksichtigung bei der
Verhältnismäßigkeitsprüfung – (Beitrag zur
öffentlichen Debatte?)
zB „Whistleblower“ (EGMR 12.9.2011, Heinisch/DE).
EGMR 12.9.2011, Heinisch/DE
Kommunikationsfreiheiten
ART 10 EMRK – „positive obligations“
Schutzpflicht des Staates vor ungerechtfertigten
Beschränkungen Dritter (mittelbare Drittwirkung).
EGMR 21.7.2011, Heinisch / Deutschland:
Der Staat unterliegt der Pflicht, die Wahrnehmbarkeit der
Meinungsfreiheit auch im privaten Verhältnis von Arbeitgeber
und Arbeitnehmer zu schützen. Die Loyalitätspflicht des
Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist jedoch auch
hier zu beachten. In Fragen öffentlichen Interesses sind
jedoch nur geringe Einschränkungen der Meinungsfreiheit
hinzunehmen. Der gutgläubig agierende Arbeitnehmer hat
prinzipiell ein Recht, strafbare Handlungen auch seines
Arbeitgebers zur Anzeige zu bringen.
Kommunikationsfreiheiten
Zensurverbot?
Präventive Eingriffe nach EGMR nicht grundsätzlich
ausgeschlossen, verlangen aber Prüfung mit „most scareful
scrutinity“ (EGMR Observer and Guardian/UK, §60)
Vgl Art. 5 Abs 1 S 3 GG („eine Zensur findet nicht statt“).
Verboten: Vorzensur (vor Veröffentlichung Vorlage an staatliche Stelle) –
BVerfGE 33, 52. Nachzensur in Schranken des Abs 2 GG.
Kommunikationsfreiheiten
Eingriffe und Rechtfertigung in die
Meinungsfreiheit
Voraussetzungen:
– Gesetz – muss allgemein zugänglich und bestimmt
sein, Eingriff vorhersehbar
– Legitimer Zweck
– Verhältnismäßig – „notwendig in einer
demokratischen Gesellschaft“ (Schranken Schranke)
Kommunikationsfreiheiten
„Bestimmtheit“ eines Gesetzes
zB EGMR 29.3.2011, RTBF/Belgien
Eine Norm stellt nur dann ein »Gesetz« iSv. Art 10 Abs. 2 EMRK dar,
wenn sie ausreichend bestimmt ist, sodass sie dem Bürger erlaubt,
sein Verhalten danach zu richten: Es muss nach den Umständen des
Einzelfalls in einem vernünftigen Grad möglich sein, die
Konsequenzen eines konkreten Verhaltens vorherzusehen. Dem
steht jedoch nicht entgegen, dass die betroffene Person unter
Umständen angehalten ist, sich angemessen darüber zu
informieren, welche Folgen eine bestimmte Handlung nach sich
ziehen kann. Dies gilt insbesondere für Fachleute, die es gewohnt
sind, bei der Ausübung ihres Berufs mit besonderer Vorsicht
vorgehen zu müssen. Von diesen kann auch erwartet werden, dass
sie die bestehenden Risiken mit spezieller Sorgfalt abwägen.
(erhebliche Diskrepanz in Rechtsprechung der nationalen Gerichte
führte zu Unvorhersehbarkeit des Eingriffs).
Verhältnismäßigkeit
• Um dem Kriterium der Notwendigkeit zu genügen, bedarf
es für jeden Eingriff eines „dringenden sozialen
Bedürfnisses“ (EGMR, Handyside, § 48) das –
insbesondere im Zusammenhang bei Einschränkungen
innerhalb politischer Diskussionen und bei Eingriffen in
die Pressefreiheit - „überzeugend“ nachgewiesen werden
muss (EGMR Sunday Times No 2 / UK, § 50).
Die Gründe für den Eingriff müssen daher nicht nur
„relevant“, sondern auch „ausreichend“ sein, somit durch
eine ausreichenden Faktenbasis belegt sein (zB EGMR
Albert-Engelmann GmbH / Österreich, § 29)
Verhältnismäßigkeit
• Aufgabe der Presse ist es einerseits, die Öffentlichkeit
über Fragen von politischem und sonstigem allgemeinem
Interesse zu informieren, zum anderen aber auch als
„public watchdog“ (Lingens/AT, § 44; Observer and
Guardian/UK, § 59; Editorial Board of Prawoye Delo und
Shtekel/UA, § 64, EGMR5.5.2011) zur offenen geistigen
Auseinandersetzung in der Bevölkerung beizutragen, das
politische und gesellschaftliche Geschehen zu beobachten
und zu kommentieren, Missstände aufzudecken und
Kritik zu üben.
• Beachte: Bestimmten Personen/Gruppen kann auch Rolle
eines „social watchdog“ zukommen (EGMR 14.4.2009,
Társaság a Szabadságjogokért/HU, § 38).
„Whistleblower“ (zB auch am Arbeitsplatz: EGMR
12.9.2011, Heinisch/DE, § 44)
Verhältnismäßigkeit
• Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit –
insbesondere bei Abwägung Meinungsfreiheit und
Persönlichkeitsschutz (zB Beleidigung) ist nach EGMR
relevant:
– Stellung des Adressaten (insbes. ob „public figure“)
– Stellung des Äußernden
– Zusammenhang, in dem Äußerung getätigt wurde
– Öffentliches Informationsinteresse
EGMR, 8.7.1986, Lingens / Österreich
„Die Grenzen der zulässigen Kritik sind
bei Politikern daher weiter gezogen
als bei Privatpersonen. Anders als
diese setzen sich die Politiker
unvermeidlich und wissentlich der
eingehenden Kontrolle aller ihrer
Worte und Taten durch die Presse und
die allgemeine Öffentlichkeit aus und
müssen daher ein größeres Maß an
Toleranz zeigen. Zwar erlaubt Art. 10
Abs. 2 den Schutz des guten Rufs
anderer, d.h. aller Personen, und
dieser Schutz erstreckt sich auch auf
Politiker, sogar wenn sie nicht in
privater Eigenschaft auftreten. Jedoch
muss in solchen Fällen der
Schutzzweck gegen das Interesse an
einer freien Diskussion politischer
Fragen abgewogen werden.“
Freiheit der Kunst als besondere Form der
Meinungsäußerung durch Art. 10 MRK geschützt
EGMR 24.5.1988, Müller / Schweiz
„Wer Kunstwerke schafft, interpretiert, verbreitet oder ausstellt, trägt zum
Austausch von Ideen und Meinungen bei, der für eine demokratische
Gesellschaft wesentlich ist. Deshalb ist es eine Verpflichtung des Staates,
deren Meinungsäußerungsfreiheit nicht unangemessen zu
beeinträchtigen.
Künstler und diejenigen, die ihr Werk fördern, sind von den
Beschränkungen, wie sie in Art. 10 Abs. 2 vorgesehen sind, gewiss nicht
ausgenommen. Wer immer diese Freiheit wahrnimmt, hat in
Übereinstimmung mit der ausdrücklichen Formulierung dieses Absatzes
„Pflichten und Verantwortung; deren Reichweite hängt von seiner Lage
und von den von ihm eingesetzten Mitteln ab.“
 25.1. 2007 Vereinigung bildender Künstler/AT
Auch Künstler leisten durch ihre Werke einen in einer
demokratischen Gesellschaft essentiellen Beitrag zum Ideen- und
Meinungsaustausch. Jeder Eingriff in das Recht eines Künstlers auf
eine solche Meinungsäußerung muss daher mit besonderer
Sorgfalt geprüft werden.
Kunst, Satire und Meinungsfreiheit
 22.2.2007, Nikowitz/AT
Satire/Ironische Beiträge zum aktuellen Zeitgeschehen
genießen weitreichenden Schutz im Hinblick auf Art 10 EMRK.
„Auch Maiers lieber Freund Stefan
Eberharter musste was sagen, und er
entschied sich vermutlich im letzten Moment
gegen: ,Super, jetzt gwinn ich endlich auch
einmal was. Hoffentlich prackt´s dn miesen
Hund mit den Krüken hin, und er bricht sich
den anderen Haxn auch noch.“
EGMR, 22.2.2007, Nikowitz und Verlagsgruppe
News / Österreich GmbH“
„Der GH ist nicht überzeugt vom Argument der Gerichte, wonach
ein Durchschnittsleser den satirischen Charakter des Texts und
insbesondere den humorvollen Gehalt der umstrittenen Passage,
in der gemutmaßt wurde, was Stefan Eberharter gesagt haben
könnte, in Wahrheit aber nicht sagte, nicht hätte erfassen können.
Diese Aussage kann bestenfalls als Werturteil des Autors über
Herrn Eberharters Charakter verstanden werden, das er in Form
eines Witzes zum Ausdruck brachte…
... Er kommt daher zu dem Ergebnis, dass sich die strittige
Passage über Herrn Eberharter innerhalb der Grenzen eines in
einer demokratischen Gesellschaft akzeptablen ironischen
Kommentars bewegte.“
Satire und Meinungsfreiheit
 2.10.2008, Leroy/F
Verurteilung eines Karikaturisten für eine
Karikatur, die politische Reaktionen ausgelöst,
die zu Gewalt hätten führen und sich auf die
öffentliche Ordnung in der Region hätten
auswirken können, ist verhältnismäßiger Eingriff
in Art.10 EMRK.
 „
Satire und Meinungsfreiheit
 19.2.2015, Bohlen u. Ernst August v Hannover /D
Bei Abwägung (satirischer) Werbung mit Recht auf Privatsphäre von
in der Werbung herangezogenen (prominenten) Personen
• Die Werbung muss sich mit einem Thema befassen, an dem ein
öffentliches Informationsinteresse besteht.
• Die Persönlichkeiten, mit deren Identitätsmerkmalen geworben
wird, müssen in hinreichendem Maße im Fokus der öffentlichen
Diskussion stehen.
• Die Werbung muss sich eng auf ein Thema beziehen, mit dem die
beworbene Persönlichkeit ohnehin der Öffentlichkeit durch
entsprechende Presseberichterstattung bekannt ist.
• Schließlich darf mit Blick auf den Inhalt, die Form und die
Bedeutung der Werbung die Persönlichkeit des Prominenten durch
die Werbung nicht herabgewürdigt werden.
Legitime Eingriffsziele: „Schutz des
guten Rufs und der Rechte anderer“
• Bezeichnung eines Politikers als „Trottel“ (EGMR 1.7.1991,
Oberschlick/Österreich: Äußerung als Teil eines
öffentlichen Diskurses)
• Schutz der Meinungsfreiheit ist aber kein Freibrief für
Wertungen, die in persönlichen Beleidigungen oder
Verunglimpfungen ausarten, verleumderische und
böswillige Angriffe beinhalten (EGMR 23.4.1992, Castells /
Spanien)
• Journalistischer Freiheit ist andererseits ein gewisses
Maß an Übertreibung oder sogar Provokation immanent
(EGMR 26.4.1995, Prager und Oberschlick / Österreich)
EGMR, 7.2.2012, Axel Springer / Deutschland
• „Zunächst ist nach dem Beitrag zu fragen, den die Fotos oder Artikel
zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten.
• Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Rolle oder Funktion der
betroffenen Person und die Art der Aktivitäten, über die berichtet
wird. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Privatpersonen und
Personen, die wie Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens in
einem öffentlichen Kontext handeln.
• Das Verhalten der Person vor der Veröffentlichung des Berichts ist ein
weiterer Faktor. Dabei kann jedoch die bloße Tatsache einer
Zusammenarbeit mit der Presse bei früheren Gelegenheiten nicht als
Argument dafür verwendet werden, die betroffene Person jeglichen
Schutzes vor der Veröffentlichung des umstrittenen Artikels oder
Fotos zu berauben.
• Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind die Art und Weise, wie
die Informationen erlangt wurden, sowie ihr Wahrheitsgehalt. Die Art
und Weise, wie der Bericht veröffentlicht und wie die Person darin
dargestellt wird, kann ebenfalls ein relevanter Faktor sein.
• Schließlich ist auch die Art und Schwere der verhängten Sanktionen
bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die
Meinungsäußerungsfreiheit zu berücksichtigen.“
EGMR 16.1.2014, „Tierbefreier gg Deutschland“
Schutzbereich: Kritischer Film über Tierversuche mit verdeckt
aufgenommenem Material
Eingriff: gerichtliche Verfügung gegen Verbreitung (auf Antrag des
Tierlabors) – BVerfG weist Behandlung ohne Begründung ab
Schranken Schranken:
• Gesetzliche Grundlage - § 823 iVm § 1004 BGB, 186 StGB
• Legitimes Ziel – Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer
• Notwendigkeit des Eingriffs – EGMR: die Beschwerdeführer
hatten die Regeln der intellektuellen Schlacht der Meinungen
durch Einsatz unfairer Mittel nicht respektiert... und es war zu
erwarten, dass sie dies durch weitere Nutzung des
Filmmaterials fortsetzen würden; zivilrechliche Sanktion
verhältnismäßig; Kritik bleibt weiter erlaubt...
EGMR 16.1.2014, „Tierbefreier gg Deutschland“
„Im Lichte der sorgfältigen Prüfung des Falls durch die
deutschen Gerichte, welche die Auswirkungen auf das
Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit in einer Debatte
von öffentlichem Interesse eingehend umfasste,kommt
der Gerichtshof zum Schluss, dass die Gerichte einen
fairen Ausgleich zwischen dem Recht der
Beschwerdeführer auf Meinungsfreiheit und dem
Interesse des Unternehmen C. auf Schutz seines guten
Rufes..“
Schutz der Privatsphäre
Art 8 EMRK steht Art 10 MRK gleichwertig gegenüber,
enthält ebenso den Eingriffsvorbehalt „Schutz der Rechte
und Freiheiten anderer“.
Als Kernbereich zählt der höchstpersönlicher Lebensbereich
(zB Gesundheit, Sexualleben, Wohnbereich, ärztliche
Behandlungszimmer, öffentliche Umkleideräume): EGMR
10.5.2011, Mosley/UK.
EGMR 10.5.2011, Mosely gg Vereinigtes Königreich
• Der durch Art 10 MRK gewährte Schutz kann zugunsten von
Art 8 MRK aufgegeben werden, wenn die betreffenden
Informationen privater oder intimer Natur sind und kein
öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung besteht.
• Aber: Das Fehlen einer Verpflichtung für Medien, die von der
Veröffentlichung privater Informationen betroffenen
Personen vor der Veröffentlichung zu verständigen ("pre-
notification requirement"), verletzt den Bf nicht in seinem
Recht auf Schutz der Privatsphäre nach Art 8 EMRK (generelle
pre-notification-Pflicht hätte „chilling effect“ für Medien-
berichterstattung)
Privatsphäre, Medienfreiheit, Recht am eigenen Bild,
(Art 8 und Art 10 EMRK, § 23 KUG; )
• EGMR 24.6.2004, von Hannover/Deutschland
• EGMR GK 7.2.2012, von Hannover Nr 2 / Deutschland
Veröffentlichung von Fotos Prominenter („public figures“):
Keine Trennung zwischen Bildern, die in der Öffentlichkeit
aufgenommen worden sind und von Bildern aus der
Privatsphäre. Vielmehr zu fragen: Leistet Veröffentlichung
von Aufnahmen/Artikeln einen Beitrag zu einer „Debatte
von allgemeinem Interesse“?
• Wird dies verneint: kein legitimes Interesse der
Öffentlichkeit zu erfahren, wie sich prominente Person in
ihrem Privatleben verhält bzw wo sie sich aufhält.
Eingriffsziel „öffentliche Sicherheit“:
zB Geheimnisverrat, Landesverrat)
• Veröffentlichung von als geheim eingestuften staatlichen
Informationen ist nur so lange zum Schutz der nationalen
Sicherheit zu rechtfertigen, wie diese Inhalte nicht auf
andere Weise (zB Veröffentlichungen in anderen Medien)
an die Öffentlichkeit gelangt sind (EGMR 26.11.1991,
Observer and Guardian / UK, „Spycatcher“)
Eingriffsziel „öffentliche Sicherheit“
• Zulässige Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit
im Interesse der nationalen Sicherheit: Verurteilung einer
Heeresangehörigen, die die Soldaten zur Desertion vom
Militärdienst aufrief (EKMR 16.5.1977, Arrowsmith/UK)
• Allgemein kritische Äußerungen gegen die Institution der
Armee müssen aber hingenommen werden (EGMR
25.11.1997, Grigoriades/GR. Vgl demgegenüber EGMR
14.9.2010, Rose/DE, UE).
Wettbewerbsrecht und
Meinungsfreiheit
• EGMR: Staat hat Ermessensspielraum, Unternehmen zum
Schutz vor rufschädigenden Behauptungen zu schützen.
Bei der Abwägung mit der Äußerungsfreiheit sind auch
der Schutz des wirtschaftlichen Erfolgs der Eigentümer,
Arbeitnehmer und des wirtschaftlichen Wohles des
Landes zu berücksichtigen (Heinisch/DE, § 89).
Standesrecht und Meinungsfreiheit
• EGMR 25.3.2005, Barthold/Deutschland:
Ein Werbeverbot für Angehörige freier Berufe (hier Tierärzte)
ist dann unverhältnismäßig, wenn sich ein Angehöriger des
Berufsstandes nicht mehr an der öffentlichen Diskussion in
diesem Bereich beteiligen darf.
• Demgegenüber: EGMR 24.2.1994, Cascado Coca / Spanien:
Werbeverbot für Anwälte zur Wahrung von Standesinteressen
(zB Marktschreierische Werbung) zulässig.
Rassismus und Meinungsfreiheit
 20.4.2010, Le Pen/F
Aufstachelung zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt
gegen eine ethnisch oder religiös bestimmte Gruppe ist nicht
durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10
EMRK geschützt (Missbrauch des Rechts – siehe Art 17
EMRK).
Rassismus und Meinungsfreiheit
 15.10.2015 Perincek/CH (Große Kammer)
Bestrafung eines türkischen Politikers in der Schweiz wegen
Leugnung des Genozids an der armenischen Bevölkerung
verstößt gegen Art 10 EMRK, da es nicht das Ziel des
türkischen Politikers gewesen sei, Hass gegen die Armenier
zu säen. Es sei nicht belegt worden, dass die Würde der in
der Schweiz lebenden Armenier durch die Aussagen dadurch
verletzt worden seien oder die Aussagen eine Gefahr für
diese dargestellt hätten.
Rassismus und Meinungsfreiheit
 15.10.2015 Perincek/CH (Große Kammer) – Forts.
Bedeutung für nationale Verbote der Holocaust-Leugnung?
(zB § 130 StGB)
Nach dem EGMR besteht ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen
der Leugnung des Holocaust, die der Gerichtshof regelmäßig als Ausdruck einer
antidemokratischen Ideologie und von Antisemitismus beurteilte; vor allem
Abstellen auf den historischen und geografischen Kontext:
“Holocaust denial is thus doubly dangerous, especially in States which have
experienced the Nazi horrors, and which may be regarded as having a special moral
responsibility to distance themselves from the mass atrocities that they have
perpetrated or abetted by, among other things, outlawing their denial.“
Medien im Recht der
Europäischen Union
Medien im Recht der EU
Querschnittsmaterie: Sicherung der Medienfreiheit, Schutz
des Medien-Binnenmarktes (vor allem Waren- und
Dienstleistungsfreiheit), Schutz des Eigentums (Inhalte,
Urheber- und Verwertungsrechte), NutzerInnen- und
KonsumentInnenschutz, Kinder- und Jugendschutz,
Sicherung des Zugangs zur Infrastruktur und
Nichtdiskriminierung, Sicherung des Pluralismus ….
• Warenverkehrsfreiheit:
– „physische Contentprodukte“ (zB Bücher, DVD´s…)
• Dienstleistungsfreiheit:
– Rundfunksendungen Internetdienste….
• Kartellverbot:
– zB Buchpreisbindung; Exklusivvereinbarungen bei
Sportfernsehübertragungen…
• Missbrauch bei einer marktbeherrschenden Stellung:
– zB Zugang zu Vertriebssystemen
• Zusammenschlusskontrolle:
– Bewahrung von Vielfaltsaspekten?
• Beihilfenverbot:
– zB Finanzierung öffentlich-rechtlicher
Rundfunkanstalten, Filmförderung….
Sekundärrecht
 „Audiovisuelle Mediendienste-RL“
 E-Commerce RL
 Rechtsrahmen für elektronische Kommunikation
 UrheberrechtsRL
 DatenschutzRL
 Entscheidungen der EK (Wettbewerbsrecht)
 „Soft law“: Entschließungen, Empfehlungen
Telekommunikationsrecht
• Europäische Union: „Richtlinienpaket“ von 2002, revidiert 2009 (RL
2009/140/EG):
– Rahmenrichtlinie
– Zugangsrichtlinie
– Genehmigungsrichtlinie
– Universaldienstrichtlinie
– Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (E-Privacy-
Richtlinie)
– Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 zur Errichtung des neuen Gremiums
Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation
(GEREK)
– Ergänzt durch „Wettbewerbsrichtlinie“ und Frequenzentscheidung von
2002
Zur Zeit umfassende Überarbeitung (ua mit Themen Roaming,
Netzneutralität, Frequenzverwaltung) in Parlament und Rat!
Urheberrecht
• Europäische Union:
– Satelliten-/Kabel-RL (Sendestaatprinzip für Rechteerwerb vom
Urheber)
– RL über Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter
verwandter Schutzrechte
– RL zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts
und der verwandten Schutzrechte in der
Informationsgesellschaft (Urheberrechtsrichtlinie)
– RL zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
– Vorschläge der EK: Rahmenrichtlinie über kollektive
Rechteverwertung; Richtlinie für verwaiste Werke
Grundfreiheiten
Warenverkehrsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit
 EuGH: Rs 155/73 - Sacchi, 30.4.1974,
– In Ermangelung ausdrücklicher entgegenstehender
Vertragsbestimmungen sind Fernsehsendungen ihrer
Natur nach als Dienstleistungen anzusehen …
– … dagegen unterliegt der Handel mit sämtlichen
Materialien, Tonträgern, Filmen und sonstigen
Erzeugnissen, die für die Ausstrahlung von
Fernsehsendungen benutzt werden, den
Bestimmungen über den freien Warenverkehr …
Warenverkehrsfreiheit – Beispiel
EuGH Rs C-405/98, Gourmet, 8.3.2001:
• Ist ein generelles Verbot kommerzieller Werbung für
alkoholische Getränke vereinbar mit Art 34 AEUV?
– Art 34 AEUV verbietet mengenmäßige
Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher
Wirkung.
– Verboten sind Beschränkungen, die geeignet sind, den
innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder
mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern –
EuGH, Rs 8/74, Dassonville, 11.7.1974
– Auch unterschiedslos auf einheimische und
eingeführte Waren anwendbare Regelungen können
Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen – EuGH Rs
120/78, REWE, 20.2.1979 („Cassis de Dijon“)
Warenverkehrsfreiheit – Beispiel
EuGH, Rs C-267 u 268/91, Keck, 24.11.1993
 Maßnahmen, die „vertriebsbezogen“, nicht aber
„produktbezogen“ sind, fallen nicht unter den Begriff der
„Maßnahmen gleicher Wirkung“. Voraussetzung ist aber,
dass die Regelungen
– a) allgemein für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die
ihre Tätigkeit im Inland ausüben und
– b) auf den Absatz inländischer und eingeführter
Erzeugnisse die gleiche Wirkung haben, das heißt sich
nicht überwiegend zu Lasten eingeführter Erzeugnisse
auswirken.
Warenverkehrsfreiheit – Beispiel
EuGH Gourmet EuGH Rs C-405/98, Gourmet, 8.3.2001
• „ … kann festgestellt werden, dass bei Erzeugnissen wie
den alkoholischen Getränken, deren Genuss mit
herkömmlichen gesellschaftlichen Übungen sowie
örtlichen Sitten und Gebräuchen verbunden ist, ein Verbot
jeder an die Verbraucher gerichteten Werbung … geeignet
ist, den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen
Mitgliedstaaten stärker zu behindern, als es dies für
inländische Erzeugnisse tut, mit denen der Verbraucher
unwillkürlich besser vertraut ist.“
(Werbeverbot aber aus Gründen des
Gesundheitsschutzes gerechtfertigt)
Dienstleistungsfreiheit
• Rundfunksendungen (Fernsehen+Hörfunk), Dienste der
Informationsgesellschaft (e-Commerce) und sonstige über
Internet und digitale Medien angebotene Dienste sind
Dienstleistungen iS des Art. 56 AEUV ->
Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot.
• Vgl EuGH Rs155/73 Sacci und Rs 52/79 Debauve,
18.3.1980
• Weiters: EuGH Rs Cotidel I, Kabelregeling, Stichting Collectieve
Antennevoorziening Gouda, Kommission/Niederland, TV 10 SA….
Dienstleistungsfreiheit
 Beschränkungen der DL-Freiheit
 - geschriebene Rechtfertigungsgründe Art 62 iVm Art 52
AEUV (öffentlichen Ordnung, Sicherheit, Gesundheit) +
verhältnismäßig
 - ungeschriebene Rechtfertigungsgründe (EuGH) =
„zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses“, wenn
nicht-diskriminierend + verhältnismäßig
 für Fernsehtätigkeit zB geistiges Eigentum, Lauterkeit der
Handelsverkehrs, Erhaltung eines pluralistischen und
nicht kommerziellen Rundfunkwesens, Schutz der
Zuschauer vor übermäßiger Werbung
Dienstleistungsfreiheit Beispiel
EuGH 4.10.2011, Karen Murphy/Media
Protection Services, Rs C-403/08
Art Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen,
– dass er der Regelung eines Mitgliedstaats
entgegensteht, wonach im Inland die Einfuhr,
der Verkauf und die Verwendung ausländischer
Decodiervorrichtungen, die den Zugang zu
einem kodierten Satellitenrundfunkdienst aus
einem anderen Mitgliedstaat ermöglichen, der
nach der Regelung des erstgenannten Staates
geschützte Gegenstände umfasst, rechtswidrig
sind …
Zur Hintanhaltung von Beschränkungen: Harmonisierung
durch die Audiovisuelle MediendiensteRL (früher
„FernsehRL“)
Erfordernisse, denen durch abschließende Regelung auf
Unionsebene Rechnung getragen wurde (Harmonisierung),
können von den Mitgliedstaaten nicht mehr geltend
gemacht werden:
Art 3 AVMD-RL:
(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang
und behindern nicht die Weiterverbreitung von
audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten
in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die Bereich betreffen,
die durch diese Richtlinie koordiniert sind.
Beschränkungen außerhalb der Harmonisierung
EuGH 9.7.1997, Rs C-34/95 ua) Konsumentombudsmannen/De Agostini
Die Richtlinie führt hinsichtlich der Ausstrahlung und Verbreitung von
Fernsehprogrammen eine Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
über Fernsehwerbung und Sponsoring durch, die jedoch nur eine Teilkoordinierung
ist.
So steht die Richtlinie der Anwendung einer nationalen Regelung grundsätzlich nicht
entgegen, die allgemein dem Verbraucherschutz dient, dabei aber keine zweite
Kontrolle der Fernsehsendungen zusätzlich zu der vom Sendestaat
durchzuführenden Kontrolle einführt.
Daher stellt es keine nach der Richtlinie verbotene Beschränkung dar, wenn
gegenüber Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten eine Regelung eines
Mitgliedstaats … angewendet wird, die mit dem Ziel des Verbraucherschutzes ein
System von Verboten und Anordnungen gegenüber den Werbetreibenden unter
Androhung von Geldbußen vorsieht.
Grundrecht der Medienfreiheit
Art 11 GRC:
•Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit
– (1) Jede Person hat das Recht auf freie
Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die
Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen
und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne
Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und
weiterzugeben.
– (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden
geachtet.
Pflicht zum Filtern und Sperren von Inhalten der Nutzer
durch Internetprovider ?
EuGH 24.11.2011, Rs C-70/10, Scarlet Extended/SABAM,
Das Unionsrecht steht einer Anordnung entgegen, die einem
Anbieter von Internetzugangsdiensten auferlegt, auf dessen
Kosten ein System der Filterung aller seine Dienste einzurichten,
das präventiv und unterschiedslos auf alle seine Kunden zeitlich
unbegrenzt anwendbar ist.
– Begründung (u.a.): Das Filtersystem könnte auch nach der
GRC geschützte Grundrechte der Kunden beeinträchtigen.
Zum einen den Schutz personenbezogener Daten, zum
anderen die Informationsfreiheit (Art 11 GRC), weil das
System möglicherweise nicht hinreichend zwischen einem
unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt
unterscheiden kann.
Ähnlich:
EuGH Rs C 360/10, SABAM/NETLOG, 16.2.2012
Eine Anordnung, mit der der Hosting-Anbieter (zB
Soziales Netzwerk)zur Einrichtung eines
Filtersystems verpflichtet wird, mit dem sich
Dateien ermitteln lassen, die musikalische, filmische
oder audiovisuelle Werke enthalten, um zu
verhindern, dass die genannten Werke unter
Verstoß gegen das Urheberrecht der Öffentlichkeit
zur Verfügung gestellt werden, widerspricht ua Art 8
und Art 11 GRC und Art 15 E-CRL
Haftung von Providern für Inhalte Dritter?
E-Commerce RL
Art 12, 13 und 14: Keine Haftung von Durchleitungs-, Host und
Cacheprovidern für Inhalte Dritter. Ausnahmen: Provider verändert
Inhalte, hat Kenntnis von der Rechtswidrigkeit, entfernt Inhalte nicht
zügig, nachdem er Kenntnis erlangt hat („notice and take down“)
Artikel 15 E-Commerce RL
Keine allgemeine Überwachungspflicht
(1) Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der
Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen
übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder
aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit
hinweisen.(...)
Sperren von urheberrechtswidrig verbreiteten Inhalten
durch Internetprovider im Einzelfall?
RL zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten
Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (2001/29/EG)
Artikel 8
(1) Die Mitgliedstaaten sehen bei Verletzungen der in dieser Richtlinie festgelegten
Rechte und Pflichten angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vor und treffen
alle notwendigen Maßnahmen, um deren Anwendung sicherzustellen. Die
betreffenden Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
(…)
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche
Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem
Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt
werden.
Beachte: gemäß Art 2 Abs 3a der RL über die Durchsetzung der Rechte des geistigen
Eigentums bleiben die Art 12-15 der E-Commerce RL unberührt!
EuGH, 27.3.2014, Rs C-314/12, UPC / Constantin Film Verleih
Auf Antrag von Constantin Film: Österreichische Gerichte
untersagten UPC, ihren Kunden Zugang zur Website von
kino.to zu gewähren, wo Filme ohne Zustimmung der
Rechteinhaber verbreitet und zum Download bereitgestellt
worden waren.
EuGH:
•„die durch das Unionsrecht anerkannten Grundrechte
[stehen] einer gerichtlichen Anordnung nicht [entgegen]…
•….mit der einem Anbieter von Internetzugangsdiensten
verboten wird, seinen Kunden den Zugang zu einer Website
zu ermöglichen, auf der ohne Zustimmung der
Rechtsinhaber Schutzgegenstände online zugänglich
gemacht werden.“
EuGH, UPC/Constantin
Dies gilt auch …
„… wenn die Anordnung keine Angaben dazu enthält,
welche Maßnahmen dieser Anbieter ergreifen muss, und
wenn er Beugestrafen wegen eines Verstoßes gegen die
Anordnung durch den Nachweis abwenden kann, dass er
alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat…“
Es bedarf keiner Spezifizierung der Anordnung,
welche Maßnahme ein Provider zu treffen hat – es
genügt ein generelles „Erfolgsverbot“.
Es genügt, dass Provider nachweist, er habe „alle
zumutbaren Maßnahmen ergriffen“ (selbst wenn nicht
erfolgreich).
EuGH UPC /Constantin
„Die Maßnahmen müssen
„bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die
Schutzgegenstände verhindert oder zumindest
erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die
Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch
nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die
ihnen unter Verletzung des Rechts des geistigen
Eigentums zugänglich gemachten Schutzgegenstände
zuzugreifen…
Auch wenn technische Umgehungen möglich sind,
ist die Sperranordnung nicht ungültig- allerdings muss
„hinreichend“und „zuverlässig“ versucht worden sein,
dass Internetnutzer keinen unerlaubten Zugriff haben.
Sekundärrecht: Rechtsharmonisierung für
„Audiovisuelle Mediendienste“/Fernsehen
„Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie“
• Rl zur Koordinierung bestimmter Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste
(Rl 2010/13/EU)
zur Harmonisierung nationaler Vorschriften über allgemeine
Programmanforderungen, Werbung, Jugendschutz, Europäische
Inhalte, Gegendarstellung, Kurzberichterstattung…
Anwendungsbereich –
Definition „Audiovisueller Mediendienst“
• Dienstleistung
• Hauptzweck
• Bereitstellung von Sendungen (Sendeplan/Katalog)
• Angebot bewegter Bilder mit oder ohne Ton
• zur Information, Unterhaltung oder Bildung
• Redaktionelle Verantwortung
• an die allgemeine Öffentlichkeit
• über elektronische Kommunikationsnetze
„Grundvorschriften“ für alle Dienste
 Lineare Dienste: Diensteanbieter bestimmt über
Zeitpunkt der Sendung und Programmablauf (sog. Push-
Dienste)
= Inhalte mit fester Programmabfolge
 Nicht-linearen Dienste: Zuseher (Nutzer) entscheidet,
zu welcher Zeit welcher Inhalt abgerufen wird (sog. Pull-
Dienste)
= Inhalte, die auf individuellen Abruf aus einem
Programmkatalog zur Auswahl gestellt werden.
-> Konsequenz: Abgestufte Regulierung
Anwendungsbereich – Definition „Audiovisueller
Mediendienst“
EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14
Urteil „New Media Online gg Bundeskommunikationssenat“
Vorlagefragen:
1. Begriff der „Sendung“ (Art 1 Abs 1b AVMD-RL): fällt darunter auch
die Bereitstellung kurzer Videos (Sequenzen aus lokalen Nachrichten,
Sport oder Unterhaltung) in einer Suddomain der Website einer
Zeitung?
2. Definitionselement „Hauptweck“ eines AV-Dienstes:
Kann bei elektronischen Ausgaben von Zeitungen im Zusammenhang
mit der Prüfung des Hauptzwecks eines angebotenen Dienstes auf
einen Teilbereich abgestellt werden, in dem überwiegend kurze Videos
gesammelt bereitgestellt werden, die in anderen bereichen des
Webauftritts dieses elektronischen Mediums nur zur Ergänzung von
Textbeiträgen der Online-Tageszeitung verwendet werden?
Anwendungsbereich – Definition „Audiovisueller Mediendienst“
EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14, Urteil „New Media Online gg
Bundeskommunikationssenat“
EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14
Urteil „New Media Online gg Bundeskommunikationssenat“
1. Begriff der „Sendung“ (Art 1 Abs 1b AVMD-RL): fällt darunter auch die
Bereitstellung kurzer Videos (Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder
Unterhaltung) in einer Suddomain der Website einer Zeitung?
• Vergleichbarkeit der Videosequenzen mit Form und Inhalt von
Fernsehprogrammen
Nicht aber Vergleichbarkeit der kompletten
Kurzvideosammlung mit einem von einem Fernsehveranstalter
erstellten kompletten Sendeplan oder Katalog erforderlich!
• Sendungsbegriff schließt Videos kurzer Dauer nicht aus.
• Auch Kurzvideos richten sich an Massenpublikum und können bei
diesem deutliche Wirkung entfalten.
• AVMD-Rl will fairen Wettbewerb zwischen herkömmlichen
Fernsehen und Mediendiensten auf Abruf. Videos treten in
Konkurrenz zu Informationsdiensten regionaler Fernsehsender.
Antwort: „Sendung“ umfasst auch die Bereitstellung kurzer Videos in
einer Subdomain der Website einer Zeitung.
EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14
Urteil „New Media Online gg Bundeskommunikationssenat“
2. Definitionselement „Hauptweck“ eines AV-Dienstes:
ErwG 22 AVMD-Rl: Kein AV-Dienst wenn „audiovisuelle Inhalte
lediglich eine Nebenerscheinung darstellen und nicht Hauptzweck
des Dienstes sind“.
• AV-Dienst nicht bereits deswegen vom Anwendungsbereich der
AVMD-Rl ausgeschlossen, wenn Dienstebetreiber eine Online-
Zeitung verlegt oder im Rahmen der Website einer Zeitung
zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird (Gefahr der
Umgehung der Richtlinie!)
• Irrelevant, ob AV-Dienst im Hauptbereich oder in einer Subdomaine
der Zeitung präsentiert wird.
Antwort: „Bei Auslegung des „Hauptzwecks“ ist darauf abzustellen,
ob der Video-Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der
journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Website eine
eigenständige und nicht nur eine mit dem Textangebot untrennbar
verbundene ergänzende Tätigkeit ist.
„Sendestaatprinzip“ (Ursprungslandprinzip)
• Jeder MS sorgt dafür, dass alle AVM-Dienste, die von
seiner Rechtshoheit unterworfenen
Mediendiensteanbietern übertragen werden, den
Vorschriften seines Rechtssystems entsprechen.
• Der MS ist verpflichtet, in seinem Rechtssystem die
Anforderungen der AVMD-Rl umzusetzen.
• MS behindern den Empfang von AVM-Diensten aus
anderen MS, die der AVMD-Rl entsprechen, nicht.
• MS können den ihrer Rechtshoheit unterworfenen
Mediendiensteanbietern auch strengere/ausführlichere
Vorschriften als in der Richtlinie auferlegen.
„Abgestufte Regulierung“ in der AVMDRl
• Mindestvorschriften für alle Dienste, zB
– Zugang Minderjähriger zu Inhalten
– Verbot der Aufstachelung zu Hass, Diskriminierung…
– Grundanforderungen an kommerzielle
Kommunikation (Erkennbarkeit, keine
Schleichwerbung oder subliminale Techniken)
– Sponsoring und Product-Placement
– Diskriminierungsverbot (Rasse, Geschlecht;
Religion..), Menschenwürde
– Förderung europäischer Werke (linear:
„Quotenregelungen“)
• Zusätzlich nur für lineare Dienste, zB
– Unterbrecherwerbung, Werbezeiten, Einzelspots…
– Kurzberichterstattung
– Schutz Minderjähriger
– Förderung europäischer Inhalte für nicht-lineare
Dienste
Ausschließliche Rechte an und Kurzberichterstattung in
Fernsehsendungen
Ausschließliche Rechte (Art 14 AVMD-Rl)
 „Listenregelung“ auf nationaler Ebene mit Ereignissen von
„erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“
 Gegenseitige Anerkennung der MS bzgl Listen
 Verpflichtung: bedeutender Teil der Öffentlichkeit muss
Ereignis im Wege direkter oder zeitversetzter
Berichterstattung in einer frei zugänglichen Fernsehen
verfolgen können
Deutschland: § 4 RStV
„Liste“ Deutschland (auch Abl L 180/10):
1. Olympische Sommer- oder Winterspiele;
2. bei Fußball-Europa- und -Weltmeisterschaften alle Spiele mit deutscher
Beteiligung sowie unabhängig von
einer deutschen Beteiligung das Eröffnungsspiel, die Halbfinalspiele und das
Endspiel;
3. die Halbfinalspiele und das Endspiel um den Vereinspokal des Deutschen
Fußballbundes;
4. Heim- und Auswärtsspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft;
5. Endspiele der europäischen Vereinsmeisterschaften im Fußball (Champions
League, UEFA-Cup) bei deutscher Beteiligung.
EuGH, 18.7.2013, Rs C-201/11 P ua UEFA, FIFA/Kommission
(Rechtsmittel gegen Entscheidung d. Gerichts)
• „Zwar werden der freie Dienstleistungsverkehr, die
Niederlassungsfreiheit, der freie Wettbewerb und das
Eigentumsrecht beeinträchtigt, wenn ein Mitgliedstaat bestimmte
Ereignisse als Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher
Bedeutung bezeichnet und ihre Exklusivübertragung verboten wird.
• Solche Beeinträchtigungen sind jedoch durch das Ziel gerechtfertigt,
das Recht auf Informationen zu schützen und der Öffentlichkeit
breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung über derartige
Ereignisse zu verschaffen.
• Wenn ein Mitgliedstaat ein Ereignis regelkonform als Ereignis von
erheblicher Bedeutung bezeichnet hat, hat EK nur deren
Auswirkungen auf die unionsrechtlich anerkannten Freiheiten und
Rechte zu prüfen, die über die Auswirkungen hinausgehen, die an
sich mit dieser Einstufung verbunden sind.
EuGH UEFA, FIFA/Kommission:
• Nicht alle Spiele der Endrunden der Weltmeisterschaft und der EURO
haben die gleiche Bedeutung für die Öffentlichkeit, da deren besondere
Aufmerksamkeit den entscheidenden Spielen der besten Mannschaften –
wie dem Endspiel oder den Halbfinalspielen – und den Spielen mit
Beteiligung der eigenen Nationalmannschaft gilt. Daher sind diese
Turniere als Ereignisse anzusehen, die grundsätzlich in verschiedene Spiele
oder Phasen aufgeteilt werden können…
• Aber im konkreten Fall (in Belgien und UK): alle Spiele der Endrunden der
beiden betroffenen Wettbewerbe haben Interesse hervorrufen, das groß
genug ist, um zu einem Ereignis von erheblicher Bedeutung gehören zu
können. Insoweit ergab sich aus den Akten zum einen, dass diese Turniere
in ihrer Gesamtheit bei der breiten Öffentlichkeit und nicht nur bei
denjenigen, die ohnehin Fußballspiele im Fernsehen verfolgten, immer
sehr populär waren. Zum anderen waren sie in den betreffenden
Mitgliedstaaten bis dahin im frei zugänglichen Fernsehen übertragen
worden.
-> Daher von UEFA und FIFA eingelegte Rechtsmittel zurückgewiesen.
Kurzberichterstattungsrecht (Art 15 AVMD-RL)
• Ereignisse von allgemeinem Informationsinteresse
(Fußball, Konzerte etc) – jedem TV-Veranstalter ist
vom Exklusivrechteinhaber Zugang zum
Sendesignal gewähren
• Zur Herstellung kurzer Ausschnitte für allgemeine
Nachrichtenzwecke
• Kostenerstattung nur für die Kosten des Zugangs
In Deutschland: siehe § 5 RStV (umfasst auch
Zugang zum Veranstaltungsort!)
Kurzberichterstattung/Kosten
EuGH 22.1.2013, C-283/11 (Sky Österreich /
ORF)
Fallen für den Zugang zu einem Sendesignal
keine Kosten an, ist ein Kurzbericht über ein
Ereignis mit großem öffentlichen Interesse
unentgeltlich. Eine auf die technisch bedingten
Aufwendungen beschränkte Kostenerstattung
an den Inhaber von exklusiven Übertragungs-
rechten ist mit der Grundrechtecharta vereinbar.
Kurzberichterstattung/Kosten
EuGH Sky Österreich / ORF
Die Regelung …..
• dient dem Gemeinwohl, da sie bezweckt, das Grundrecht auf
Informationsfreiheit zu wahren und den Pluralismus zu fördern
• ist geeignet und erforderlich. Der Unionsgesetzgeber war zu der Annahme
berechtigt, dass mit einer Regelung, die eine Kostenerstattung vorsieht, die
die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs zum Signal verbundenen
zusätzlichen Kosten übersteigt, dieses Ziel nicht genauso wirksam erreicht
werden könnte.
• ist verhältnismäßig. Dem Unionsgesetzgeber stand es frei, Beschränkungen
der unternehmerischen Freiheit vorzusehen und zugleich im Hinblick auf die
erforderliche Gewichtung der betroffenen Rechte und Interessen den Zugang
der Öffentlichkeit zu Informationen gegenüber der Vertragsfreiheit
privilegieren.“
Europäisches Wettbewerbsrecht
 Kartellverbot
 Missbrauchsverbot
 Fusionskontrolle
 Beihilfenkontrolle
Kartellverbot (Art 101 AEUV)
• Ein Kartell ist
– eine Vereinbarung oder eine abgestimmte
Verhaltensweise zwischen selbständigen
Unternehmen oder einen Beschluss einer
Unternehmensvereinigung,
– die/der geeignet ist, den Handel zwischen den
Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen und eine
spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder
bewirkt
• Kartelle sind verboten,
da sie den freien Wettbewerb im Binnenmarkt der EU
beeinträchtigen (schädigen Konkurrenten,
Konsumenten, Kartell-„Aussteiger“ )
Ausnahmen vom Kartellverbot
• Voraussetzungen (Art 101 Abs 3 AEUV):
– Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, Beitrag
zum wirtschaftlichen oder technischen Fortschritt
– Angemessene Beteiligung der Verbraucher an den daraus
resultierenden Vorteilen
– Keine Wettbewerbsbeschränkungen, die über das
hinausgehen, was zur Erreichung des Vertragszwecks
erforderlich ist
– Funktionierender Wettbewerb auf dem von der Vereinbarung
betroffenen Markt
= müssen kumulativ (dh gleichzeitig) erfüllt sein!
Beispiel Kartellrecht (1)
• Gemeinsame Vermarktung von Sportrechten: zB EUROVISON/EBU/UEFA
– von der EK mit Entscheidung vom 10. Mai 2000 (2000/400/EC)
genehmigt:
– Vereinbarung fällt unter Art 101 AEUV, da sie den Wettbewerb
zwischen den EBU-Sendeanstalten beschränkt, ABER EK erteilte
Freistellung da
• 1.Reduktion von Transferkosten zugunsten kleinerer
Sendeanstalten aus kleineren Staaten
• 2.ermöglicht mehr Sportprogramme besserer Qualität
• 3. grenzüberschreitender Austausch von Fernsehprogrammen
fördert den Binnenmarkt
• EuG, Rs. 8.10.2002 T-185/00 ua
– Gemeinsame Vermarktung mit dem Wettbewerbsrecht unvereinbar,
da durch Erwerb und Austausch von Fernsehrechten über die EBU
• der Wettbewerb unter deren Mitgliedern und
• der Wettbewerb gegenüber den Nichtmitgliedern auf Grund der
Vergabe der Sendelizenzen als Exklusivlizenzen innerhalb der EBU
unzulässig beschränkt ist.
(EuGH bestätigte Urteil, EuGH 27.9.2004 Rs C-470/02 P)
Beispiel Kartellrecht (2)
• Gerichtshof der EU: Rs C-403/08 und C-429/08, Premier
League ua/QC Leisure ua sowie Karen Murphy/Media
Protection Services Ltd
– Ein Lizenzsystem für die Weiterverbreitung von Fußballspielen,
das Rundfunkanstalten eine gebietsabhängige Exklusivität für
einzelne Mitgliedstaaten einräumt und den Fernsehzuschauern
untersagt, diese Sendungen in den anderen Mitgliedstaaten
mittels einer Decoderkarte anzusehen, verstößt gegen den
freien Dienstleistungsverkehr und das Kartellverbot.
Beispiel Kartellrecht (3)
EuGH 4.10.2011, Rs C 403/08, Murphy/Media Protection
Services
Die Klauseln eines Vertrags über eine ausschließliche
Lizenz zwischen einem Inhaber von Rechten des geistigen
Eigentums und einem Sendeunternehmen stellen eine
nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbewerbsbeschränkung
dar, sofern sie dem Sendeunternehmen die Pflicht
auferlegen, keine den Zugang zu den Schutzgegenständen
dieses Rechtsinhabers ermöglichenden
Decodiervorrichtungen zum Zweck ihrer Verwendung
außerhalb des vom Lizenzvertrag erfassten Gebiets zur
Verfügung zu stellen.
Verbot des Missbrauchs einer
marktbeherrschenden Stellung
• Art 102 AEUV verbietet:
– missbräuchliche Ausnutzung
– einer beherrschenden Stellung
• auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem
wesentlichen Teil davon
• durch Unternehmen,
– soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen
den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Wann liegt eine marktbeherrschende Stellung
vor?
• Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der Lage, die
Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zu
verhindern,
– indem es sich seinen Wettbewerbern, seinen Kunden und
Konsumenten gegenüber weitgehend unabhängig verhalten
kann.
• Marktanteil ist wichtiges Indiz
– z.B. 80 % Marktanteil, Monopol/Oligopol > Marktbeherrschung
Wann liegt ein Missbrauch vor?
• Unternehmen diktiert Bedingungen, die es unter
Wettbewerbsbedingungen nicht durchsetzen könnte:
– Behinderungsmissbrauch:
richtet sich gegen Mitbewerber
– Ausbeutungsmissbrauch:
richtet sich gegen Marktgegenseite (Abhängigkeit der Marktpartner)
Missbrauchsverbot
• Beispiel: Microsoft/Europäische Kommission; E vom
24.3.2004, KOM (2004)900 endf (ABl. EU 2007, Nr. L 32,
23)
– Missbräuchliches Verhalten von Microsoft durch unzulässige
Kopplung des marktbeherrschenden Betriebssystems mit dem
Windows Media Player; Verweigerung der Offenlegung des
Quellcodes führt zur Einschränkung der Entwicklung anderer
Marktteilnehmer.
Missbrauchsverbot
• Beispiel: Zugangsverweigerung zu Ressourcen/Infrastrukturen zu
Lasten von Konkurrenten bei Vorliegen einer „essential facility“
– Essential facility: Einrichtungen/Leistungen eines Unternehmens,
• die nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen aufgebaut oder
angeboten werden können,
• die unabdingbar sind, um bestimmte Folgeprodukte oder –Leistungen
anbieten zu können.
– Zugang ist einzuräumen, wenn,
• Vorleistung für Dritte unerlässlich ist
• Verweigerung des Zugangs den Wettbewerb auf dem separaten Markt
verhindert
• keine Rechtfertigung für die Verweigerung des Zugangs
Essential facility
• Verweigerung des Zugangs zu einem Vertriebssystem für Printmedien
EuGH 26.11.1998, Rs C-7/1997, Bronner / Mediaprint
• Keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung,
wenn ein Presseunternehmen, das das einzige bestehende
landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betreibt, sich
weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der
geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter
wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen ein eigenes
Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen
angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.
• Begründung: Es gibt Alternativen (Post, Kioskverkauf); Wettbewerb auf
Tageszeitungsmarkt wird nicht ausgeschaltet
Fusionskontrolle
• Fusionskontrollverordnung (VO 139/2004)
• Ziel der Fusionskontrolle ist zu verhindern, dass
– durch einen Zusammenschluss von Unternehmen wirksamer
Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem
wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird
– und zwar insbesondere infolge der Begründung oder Stärkung
einer marktbeherrschenden Stellung
Fusionskontrolle
 Arten von Unternehmenszusammenschlüssen
– Verschmelzung
– Kontrollerwerb
– Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens
 Zusammenschluss muss von gemeinschaftsweiter
Bedeutung sein.
Schwellenwerte sind zu beachten: Europäische / Nationale
Fusionskontrolle; gemeinschaftsweite Bedeutung wenn die
beteiligten Unternehmen einen weltweiten Gesamtumsatz von
mehr als 5 Mrd EUR + gemeinschaftsweit Gesamtumsatz von mehr
als 250 Mrd EUR erzielen.
Fusionskontrolle
• Keine sektorspezifische Sonderregelung für den Medienbereich
(vgl. demgegenüber im nationalen Recht § 38 Abs. 3 GWB)
• § 21 Fusionskontoll-VO:
– Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts ist gesperrt, wenn es
sich um Fall handelt, der in den Anwendungsbereich der europäischen
Fusionskontrolle fällt (Abs.3)
– Mitgliedstaaten ist es aber möglich, geeignete Maßnahmen zum Schutz
anderer berechtigter Interessen (zb Medienvielfalt) zu treffen (Abs. 4)
-> Zusammenschluss kann aus europäischer Sicht unbedenklich
sein, aber nach nationalem Recht ist Untersagung wegen
Vielfaltsicherung der Medien möglich (vgl. zB
Meinungsmachtkontrolle durch KEK).
Fusionskontrolle, Beispiele
Untersagt
• Bertelsmann/Kirch/Telekom (9.11.1994)
• Bertelsmann/Kirch/Premiere/Telekom/BetaResearch (27.5.1998)
Grund: Schaffung einer marktbeherrschendenStellung im
Pay- TV Bereich.
Genehmigt
• Yahoo!/Microsoft (18.2.2010)
Konkurrenz zu 90% Marktbeherrscher Google
• Bertelsmann/Pearson (8.4.2013)
Weiterhin mehrere große Unternehmen als Mitbewerber am
Rechte- und Verkaufsmarkt vorhanden.
Ist die Finanzierung des ö-r Rundfunks mit dem
Beihilfenverbot vereinbar?
• Art 107 AEUV verbietet:
– Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen,
gleich welcher Art,
– die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder
Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu
verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen den
Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
• Staatliche Beihilfe = jede staatliche Begünstigung ohne
äquivalente Gegenleistung:
– Zuschüsse, günstige Haftungsübernahmen, Steuerbefreiungen,
Quersubventionierungen, etc.
– Allgemeine konjunkturpolitische Maßnahmen sind keine
Beihilfen
Ausnahmen vom Beihilfenverbot
• Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar
sind (Art. 107 Abs 2 AEUV):
– Beihilfen für Katastrophenfälle
– Soz. Beihilfen an einzelne Verbraucher
• Kommission kann staatliche Beihilfen ausnahmsweise
genehmigen (Art. 107 Abs 3 AEUV), z.B.
– Beihilfen zur Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Gebiete
– De-minimis-Beihilfen, etc.
Beschwerdeverfahren Privater Veranstalter bei EK ab
1990iger Jahren gegen öffentliche Finanzierung der ö-r
Rundfunkanstalten wegen angeblicher Martkverzerrung
Liste der Verfahren (abgeschlossen) zum ö-r Rundfunk/DG
Wettbewerb:
http://ec.europa.eu/competition/sectors/media/decisions_psb.pdf
Beispiele :
Kommissionsentscheidung zur Finanzierung der öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, KOM (2007)
1761 end vom 24.4.2007
Kommissionsentscheidung zur Finanzierung des
Österreichischen Rundfunks. vom 29.10.2009
K(2009)8113endg.
Amsterdamer Protokoll von 1997 über den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten:
DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN -
 IN DER ERWÄGUNG, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den
Mitgliedstaaten unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und
kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis
verknüpft ist, den Pluralismus in den Medien zu wahren
 SIND über folgende auslegende Bestimmung ÜBEREINGEKOMMEN, die
dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist:
 Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft berühren nicht die Befugnis der
Mitgliedstaaten, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu
finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten
dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den
Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und
ausgestaltet wird, dient und die Handels- und
Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem
Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse
zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des
öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist.
Handelt es sich bei der Rundfunkgebühr überhaupt
um staatliche Mittel?
Argumente dagegen:
KEF und GEZ sind keine Einrichtungen des Staates und Mittel fließen
nicht (zunächst) in den Staatshaushalt (aus dem sie wieder
umgeschichtet würden) – daher keine staatliche Zahlung
iS EuGH 13.3.2001, Rs C-379/98, Preußen-Elektra
Aber: Letztentscheidungskompetenz bei Landesregierungen und
Landesparlamenten, die Gebührenvorschlag der KEF in einen
Staatsvertrag aufnehmen – doch staatlich?
Für Gebühren spricht:
EuGH, 13.12.2007, C-337/06 – Bayrischer Rundfunk ua/GEWA
-Finanzierung des Rundfunks hat Ursprung im RfStV (kein
Rechtsgeschäft). Gebührenhöhe wird durch KEF festgestellt, welcher
der Staat Hoheitsbefugnisse übertragen habe. Gebühren zwangsweise
vollstreckbar….
-Merkmal „Finanzierung durch den Staat“ funktionell zu betrachten –
öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten sind öffentliche Auftraggeber.
Viadrina_2015_HANDOUT.ppt
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  • 1. Europäisches Medienrecht WiSe 2015/16 Europa Universität Viadrina Dr Matthias Traimer matthias.traimer@bka.gv.at
  • 3. Internationale Aspekte des Medienrechts Medienrecht als Querschnittsmaterie – auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene Regulierung der Medien als vornehmlich nationale Angelegenheit angelegt. Aufgrund der Internationalisierung der Verbreitungswege (insb Satellit, Internet) und des Handels mit Kultur- und Medien (als Waren und Dienstleitungen) – medienrelevante Rechtsvorschriften in einer Vielzahl von europäischen und internationalen Übereinkommen.
  • 4. Verschiedene Zielsetzungen • Menschenrechtsschutz: insb Kommunikations – freiheit; Menschenwürde; Privatsphäre; Eigentum • Demokratiepolitische Dimension: Schutz der Medienfreiheit als zentrale Grundlage der Demokratie und einer freien pluralistischen Gesellschaft
  • 5. Verschiedene Zielsetzungen (2) • Wirtschaftsrechtliche Dimension: Medien als bedeutender internationaler und europäischer Wirtschaftsfaktor (zB Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit im EU- Binnenmarkt und weltweit; Sicherung fairen Wettbewerbs) • Kulturpolitische Dimension: Pluralismus der Anbieter, Inhalte und Quellen; nationale und regionale Identität durch Medien
  • 6. Medienfreiheit Im Vordergrund freiheitlich-demokratischer Systeme: Freiheit der Medien als Wesensbaustein einer Demokratie. „Freie Medien sind Voraussetzung für öffentliche Kommunikation und die Herausbildung der öffentlichen Meinung, somit unerlässlich dafür, dass der Einzelne von seinen individuellen Rechten auf Information und zur Information Gebrauch machen kann.“ „Freie Medien erfüllen eine wichtige, für die Demokratie unverzichtbare Aufgabe, wenn sie über gemeinschaftswichtige Angelegenheiten informieren und den gesellschaftlichen Meinungen Raum geben oder als „public watchdog“ demokratische Kontrollaufgaben erfüllen.“ ©Walter Berka
  • 7. Medienfreiheit und Meinungsfreiheit • Freie Medien als Multiplikatorfunktion der öffentlichen Meinungsbildung • Medienvielfalt als Grundbedingung der individuellen Meinungsbildung Grundvoraussetzung: Freiheit der Meinungsbildung, der Äußerung, des Informationsempfangs und der Informationssuche
  • 8. Medienfreiheit und Meinungsfreiheit Medienfreiheit auf verfassungsrechtlicher Ebene zum Teil explizit angesprochen im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Art 5 GG (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Art 13 StGG (Österreich) Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden. Administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung.
  • 9. (Internationale) Garantien der Medienfreiheit? Medienfreiheit nach Art 10 EMRK • Medienfreiheit wird zwar in Art 10 EMRK nicht wörtlich angesprochen… • Aber unbestritten: Medienfreiheit ist Teil der Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK. EGMR, Sunday Times (1979): „As the Court remarked in its Handyside judgment, freedom of expression constitutes one of the essential foundations of a democratic society; subject to paragraph 2 of Article 10, it is applicable not only to information or ideas that are favourably received or regarded as inoffensive or as a matter of indifference, but also to those that offend, shock or disturb the State or any sector of the population. These principles are of particular importance as far as the press is concerned. […]
  • 10. Europäisches Medienrecht Europäische Union: Kein durchgängig harmonisierter Bereich – vielmehr ein Bündel von Maßnahmen – Primärrecht: insbesondere Grundfreiheiten (zB Fernsehen = Dienstleistung); Wettbewerbsrecht (zB öffentl. Rundfunkgebühren = Beihilfe); Grundrechtecharta (insb Meinungs- und Medienfreiheit; Datenschutz – Art 11 und Art 8 GRC) – Sekundärrecht: insb Richtlinien zB für audiovisuelle Medien, Urheberrecht, Datenschutz, Telekommunikation…; Entscheidungen der Kommission in Wettbewerbsangelegenheiten (zB Strafen bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung)… Dr. Matthias TRAIMER
  • 11. Europäisches Medienrecht Aktuelle Diskussionen und Beispiele aus der Rechtssprechung Dr. Matthias TRAIMER
  • 12. Ausweitung der klassischen Medienrecht in Richtung eines „digitalen“ Kommunikationsrechts mit wettbewerbs-, telekommunikations-, datenschutz- und urheberrechtlichen Themen Aktuell zB • Netzneutralität – erstmals Regelung in EU-VO • Vorratsdatenspeicherung (EuGH: grundrechtswidrig); • „Recht auf Vergessen“ (EuGH: „Google Spain“) • Datentransfers auf Grund „Safe Harbour“ unzulässig (EuGH: Max Schrems); • Verantwortlichkeit von ISP´s („Vermittler“) für Inhalte Dritter (EGMR: „Delfi“) • Urheberrechtliche Vergütung für Nutzung fremder Inhalte (zB Leistungsschutzrecht für Zeitungsinhaber gg Suchmaschinen?) • Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Wettbewerb • Over The Top (OTT) Unternehmen in Europa – Jurisdiktionsgewalt?
  • 13. Bsp. Netzneutralität: bezeichnet die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung im Internet und den diskriminierungsfreien Zugang bei der Nutzung von Datennetzen. Netzneutrale Internetdienstanbieter behandeln alle Datenpakete bei der Übertragung gleich, unabhängig von Sender und Empfänger, dem Inhalt der Pakete und der Anwendung, die diese Pakete generiert hat • Netzneutralität – erstmals Regelung in EU: VO des EP und des Rates „betreffend Maßnahmen zum offenen Internet und […] über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union“ (vom 27.10.2015).
  • 14. Netzneutralität auf nationaler Ebene: § 41a TKG Netzneutralität • (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates gegenüber Unternehmen, die Telekommunikationsnetze betreiben, die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen, um eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Netzen zu verhindern; sie berücksichtigt hierbei die europäischen Vorgaben sowie die Ziele und Grundsätze des § 2. • (2) Die Bundesnetzagentur kann in einer Technischen Richtlinie Einzelheiten über die Mindestanforderungen an die Dienstqualität durch Verfügung festlegen. Bevor die Mindestanforderungen festgelegt werden, sind die Gründe für ein Tätigwerden, die geplanten Anforderungen und die vorgeschlagene Vorgehensweise zusammenfassend darzustellen; diese Darstellung ist der Kommission und dem GEREK rechtzeitig zu übermitteln. Den Kommentaren oder Empfehlungen der Kommission ist bei der Festlegung der Anforderungen weitestgehend Rechnung zu tragen.
  • 15. Bsp. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ungültig (Verstoß gegen Art 7 und 8 GRC ) EuGH 8 April 2014, Digital Rights; Seitlinger ua, C-293/12 and C-594/12 : • VDS grundsätzlich ein Mittel, das dem Gemeinwohl dienlich sein kann, weil schwere Verbrechen damit bekämpft werden sollen (Absatz 44 und 51). Zudem taste sie nicht das Grundrecht auf Achtung der Privatlebens an, da sie nicht auf die "Inhalte elektronischer Kommunikation" zugreife (Absatz 39). • Der EU-Gesetzgeber habe aber "die Grenzen überschritten hat, die er zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einhalten musste". Die Vorratsdatenspeicherung könnte bei den Betroffenen das Gefühl erzeugen, dass "ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist", heißt es in dem Urteil (Absatz 37). Demnach müsse die verdachtslose Speicherung von Verbindungsdaten von Telefon, Internet und E-Mail künftig "auf das absolut Notwendige beschränkt" werden (Absatz 52).
  • 16. Bsp. „Recht auf Vergessenwerden“ EuGH 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12 Der Betreiber einer Internetsuchmaschine ist bei personenbezogenen Daten, die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, für die von ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich. • Eine Person kann sich daher, wenn bei einer anhand ihres Namens durchgeführten Suche in der Ergebnisliste ein Link zu einer Internetseite mit Informationen über sie angezeigt wird, unmittelbar an den Suchmaschinenbetreiber wenden, um unter bestimmten Voraussetzungen die Entfernung des Links aus der Ergebnisliste zu erwirken. • Angemessener Ausgleich ist zu finden zwischen Recht der Internetnutzer auf Information und der betroffenen Person, insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten.
  • 17. Bsp. Safe Harbour Entscheidung ungültig EuGH 6. Oktober 2015 , Maximilian Schrems v Data Protection Commissioner; C 362/14 • Eine Regelung, welche generell die Speicherung aller personenbezogenen Daten sämtlicher Personen, deren Daten aus der Union in die Vereinigten Staaten übermittelt werden, gestattet, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des verfolgten Ziels vorzunehmen und ohne objektive Kriterien vorzusehen, die es ermöglichen, den Zugang der Behörden zu den Daten und deren spätere Nutzung zu beschränken ist unionsrechtwidrig; verletzt den den Wesensgehalt des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens. • Die Entscheidung der Kommission vom 26.7.2000, in der festgestellt wurde, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ein angemessenes Schutzniveau übermittelter personen-bezogener Daten gewährleisten, ist ungültig. • Auch wenn Kommission eine „Äquivalenzentscheidung“erlassen hat, müssen die nationalen Datenschutzbehörden, wenn sie mit einer Beschwerde befasst werden, in völliger Unabhängigkeit prüfen können, ob bei der Übermittlung der Daten einer Person in ein Drittland die in der Richtlinie aufgestellten Anforderungen gewahrt werden.
  • 18. Bsp. Haftung des Betreibers eines Online News- Portals für beleidigende Nutzerkommentare EGMR (GK) 16.06.2015, Delfi gg Estland, Appl 64569/09
  • 19. Verantwortung für Kommentare Dritter? EGMR, Delfi vs Estland EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland Artikel über Fährschiffbetreiber auf Newsportal „Delfi“ veröffentlicht mit Möglichkeit für Postings von Nutzern; "keine Moderation des Forums, aber „notify and take down System“ - auf Grund von Beschwerden anderer Nutzer werden Postings geprüft und umgehend entfernt. Postings mit obszönen Worten werden automatisiert enfernt.
  • 20. EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland In einzelnen Postings wurden Drohungen und Beleidigungen gegen Fährschiffbetreiber ausgesprochen.
  • 21. EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland Die Kommentare wurden von dem Seitenbetreiber nach entsprechenden Hinweisen entfernt, dies geschah jedoch erst 6 Wochen nach der Veröffentlichung. Fährschiffbetreiber klagt Delfi. Delfi wurde zu einer Entschädigung von 360 Euro verurteilt. Beschwerde von Delfi wegen Verletzung des Art 10 EMRK beim EGMR; EGMR, 17.10.2013: Entschädigung zu Recht ausgesprochen, keine Verletzung des Art 10 EMRK. Berufung an GK.
  • 22. EGMR (GK), 16.06.2015, Delfi gg Estland Aufgrund (1)der Natur der Kommentare (beleidigend und drohend), (2)des Umstandes, dass die Kommentare in Reaktion auf einen von der Bf. auf ihrem professionell gemanagten und auf kommerzieller Basis betriebenen Newsportal veröffentlichten Artikel gepostet wurden, (3)der Unzulänglichkeit der von der Bf. gesetzten Maßnahmen, um Schaden für den guten Ruf Dritter zu vermeiden und eine realistische Möglichkeit sicherzustellen, dass die Verfasser der Kommentare zur Verantwortung gezogen werden und (4)der gegen die Bf. verhängte – milde – Sanktion: KEINE VERLETZUNG VON ART 10 EMRK!
  • 23. EGMR, Delfi vs Estland Beachte: Aus „Delfi“ folgt keine generelle Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern im Internet! Siehe insbesondere Absatz 116 des Urteils: “Accordingly, the case does not concern other fora on the Internet where third-party comments can be disseminated, for example an Internet discussion forum or a bulletin board where users can freely set out their ideas on any topics without the discussion being channelled by any input from the forum’s manager; or a social media platform where the platform provider does not offer any content and where the content provider may be a private person running the website or a blog as a hobby
  • 24. EGMR, Delfi vs Estland Geäußerte Kritik am Delfi Urteil: EGMR lasse EU-Recht außer Betracht. Gegeneinwand (EGMR): prüft lediglich, ob eine nationale Rechtsordnung/Maßnahme EMRK verletzt. E-Commerce RL Art 14: Keine Haftung von Hostprovidern für Inhalte Dritter. Voraussetzung: a) Anbieter hat keine Kenntnis von der rechtswidrigen Information, und, in bezug auf Schadenersatzansprüche, ist sich keiner Tatsachen oder Umstände bewußt, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewußtsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Artikel 15 E-Commerce RL Art 15: Keine allgemeine Überwachungspflicht (1) Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.(...)
  • 25.  Staatliche Souveränität im Spannungsfeld – internationaler freier Informationsfluss (Meinungs- und Medienfreiheit – Art 19 IPBPR; Art 10 EMRK...) – internationale Sendefreiheit (ITU-Regime) – internationale Rechtsverfolgung (geistiges Eigentum; Cybercrime; Datenschutz) – Medien als Kulturgut und als Teil des Welthandels (WTO, GATT, GATS...)
  • 26. Völkerrechtliche Prinzipien Ätherfreiheit*, „free flow of information“, Informationsfreiheit** versus „prior consent Prinzip“ ***(Interventionsverbot) *VGR, Art 33 ITU-Constitution ; **Art 19 IPbpR; ***Art34 ITU-Const. Recht eines jeden Staates, Fernmeldewesen selbständig zu organisieren, aber Grenzen durch die ITU-Konstitution. Recht auf „Jamming“ (VGR), wenn nicht vertraglich aufgegeben. Nur im domaine réservé! →Einhaltung und Achtung der Menschenrechte gehört nicht mehr zu den inneren Angelegenheiten der Staaten!
  • 27. Internetfreiheit? Stabilität, Integrität, Funktionalität des Internet als Vorbedingungen der Ausübung der Kommunikations- und Informationsrechte nach Art 19 IPbpR – Schutz und Gewährleistungspflichten der Staaten. Weitere völkerrechtliche Prinzipien: •Rücksichtnahmeprinzip •Nichteingriffsprinzip •Vorsorgeprinzip •Prinzip der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit →„do no harm – Prinzip“ (Mache im Internet nichts, was einen unbeabsichtigten Negativeffekt für unbeteiligte dritte Parteien haben kann).
  • 28. Komplexe Fragestellungen – insb durch Ubiquität des Internet  häufig Sachverhalte mit Auslandsbezug. - Gerichtsstand / Zuständigkeit? - anwendbares Recht?  Auf EU-Ebene zT Harmonisierung des Kollisionsrechts, zB o für Frage der internationalen Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen + Vollstreckung: „Brüssel I-Verordnung“ o zur Bestimmung des anzuwendenden materiellen Rechts (bei außervertraglichem Schadenersatz): „Rom II- Verordnung“
  • 29. Internationale Aspekte des Medienrechts Zuständigkeit bei internationalen Sachverhalten (Zivilrecht) EuGVVO („Brüssel I VO) - (EG) Nr. 44/2001 Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, sind grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Dieses entscheidet über den gesamten Schaden, der eingetreten ist. Klage aber auch am Ort des (potentiellen) Schadenserfolges möglich. Wenn Klage bei Gericht am Ort des Schadenserfolges erfolgt – dann ist Gericht nur für Entscheidung über den Ersatz der Schäden zuständig, die in dem Staat verursacht worden sind, in dem sie ihren Sitz haben („Mosaikbetrachtung“). (geht zurück auf „Fiona Shevill“ – Urteil des EuGH)
  • 30. Welches Gericht ist zuständig? Siehe: EuGH, Rs C-68/93, Fiona Shevill Betroffener hat bei Ehrverletzungen durch einen in mehreren Mitgliedstaaten verbreiteten Presseartikel für Schadensersatzklage gegen den Herausgeber zwei Möglichkeiten: Klage bei Gerichten des Staates, in dem der Herausgeber ansässig ist - Entscheidung über den Ersatz sämtlicher durch die Ehrverletzung entstandener Schäden. Klage bei Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dem die Veröffentlichung verbreitet worden ist und in dem das Ansehen des Betroffenen nach dessen Vorbringen beeinträchtigt worden ist – Gericht dann nur für Entscheidung über Ersatz der Schäden zuständig, die in dem Staat verursacht worden sind, in dem es seinen Sitz hat.
  • 31. Internationale Aspekte des Medienrechts Verletzung der Persönlichkeit durch Internetveröffentlichung: EuGH, 25.10.2011, Rs C-509/09 und C-161/10, eDate/X und Martinez/MGN
  • 32. Internationale Aspekte des Medienrechts EuGH, 25.10.2011, Rs C-509/09 und C-161/10 (eDate/X und Martinez/MGN) 3 Alternativen zur Klage: •Bei Gericht jenes Ortes, an dem das Opfer seinen "Mittelpunkt seiner Interessen" hat. Dieses Gericht ist für die Entscheidung über den gesamten im EU-Gebiet entstandenen Schaden zuständig. (Mittelpunkt der Interessen: im Regelfall der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Betroffen)
  • 33. Internationale Aspekte des Medienrechts EuGH, 25.10.2011, Rs C-509/09 und C-161/10 eDate/X und Martinez/MGN • Klage aber auch bei Gericht in jedem EU-Staat möglich, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war: Gericht kann aber nur über den im jeweiligen Land entstandenen Schaden urteilen. • Klage auch bei Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber der im Internet veröffentlichten Inhalte niedergelassen ist – Gericht zuständig für gesamten im EU- Gebiet eingetretenen Schaden.
  • 34. Internationale Aspekte des Medienrechts Weiterer Problemfall: Anwendbares Recht? Auch hier zT Lösungsansätze durch Normenkollisionsrecht auf EU-Ebene. Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen (zB Schadenersatz) in Zivil- und Handelssachen: „Rom II – VO“ legt das anzuwendende Recht fest zB Recht des Staates in dem Schaden eintritt, oder in dem haftende und geschädigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (aber disponibel zw. Parteien)
  • 35. Internationale Aspekte des Medienrechts ABER: Rom II – VO gilt für bestimmte außervertragliche Schuldverhältnisse nicht! Rom II – VO gilt nicht bei Haftung der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung. Anknüpfung daher nach nationalem Kollisonsrecht. Zur Anwendung kommt (gemäß deutschem IPR) Art 40 EGBGB – maßgeblich ist das Recht des Handlungsorts (wo zB Ehrverletzung getätigt wurde). Verletzter kann aber verlangen, dass statt dessen das Recht des Staates, in dem der deliktische Erfolg eingetreten ist, zur Anwendung kommt (maßgeblich: wo wird die Achtung des Betroffenen in seinem Lebenskreis gestört bzw gefährdet).
  • 36. Internationale Aspekte des Medienrechts Beurteilung im Fall eDate/X und Martinez/MGN (EuGH 25.10.2011, Rs C-509/09 und in der Folge BGH, 8.5.2012 Vl ZR 217/08) - Zuständigkeit des deutschen Gerichts bezüglich des in Österreich niedergelassenen Beklagten (eDate), da Kläger X (Betroffener) seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. - Anwendung deutschen Rechts, da Kläger dies auf Grund des § 40 Abs 1 Satz 2 EGBGB X verlangt hat. - Der Betreiber der Website (eDate), für den die E-Commerce-RL gilt, darf jedoch in Deutschland keinen strengeren als den im Recht seines Sitzmitgliedstaats (Österreich) vorgesehenen Anforderungen unterworfen werden.
  • 37. Internationale Aspekte des Medienrechts Strafrecht/Cybercrime Strafrechtlichen Anknüpfung bei internationalen Sachverhalten: Siehe §§3- 9 StGB Ausgangspunkt: Territorialitätsprinzip (Tat auf deutschem Staatsgebiet begangen) - § 3; wenn Handlungs-, Unterlassungs- oder Erfolgsort in D ist bzw sein soll - § 9) §§5-7: aktives Personalitätsprinzip (deutscher Staatsbürger begeht Tat im Ausland) passives Personalitätsprinzip (Tat gegen deutschen Staatsbürger im Ausland) Schutzprinzip (Auslandstaten gefährden Rechtsgüter Deutschlands) Weltrechtsprinzip (besonders schwere Taten können von jedem Staat unabhängig von Tatort und Staatsangehörigkeitbestraft werden)
  • 38. Internationale Aspekte des Medienrechts Bei Internetdelikten: Inwieweit ist eine extensive Interpretation des § 9 StGB (Territorialitätsprinzip) völkerrechtlich zulässig? – Voraussetzung für Anwendung nationalen Rechts außerhalb des Staatsgebiets: „Genuine link“ (grundsätzlich: Lotus Entscheidung des Int. Gerichtshofs) – Verschiedene Anknüpfungspunkte denkbar, zB Inhalt der Website auf anderen Staat ausgerichtet? Abrufbarkeit einer Website im Inland? Geeignetheit zur Verletzung inländischer Rechtsgüter?
  • 39. Internationale Aspekte des Medienrechts BGH, 12.12.2000, „Fall Toben – Auschwitzlüge“ Volksverhetzung (iS § 130 StGB) auf ausländischem Server, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, abrufbar: Ein zum Tatbestand gehörender Erfolg (§ 9 Abs 1, 3 Alt. StGB) tritt im Inland ein, wenn die Äußerung konkret zur Friedensstörung im Inland geeignet ist. Tribunal de Grande Instance de Paris, 20.11.2000 „LICRA vs Yahoo!Inc.“ Französisches Gericht verfügt gegen den in den USA ansässigen Internetprovider Yahoo! den Zugang zu dessen Angeboten (betreffend Versteigerung von Nazi-Gedenken) für Nutzer mit einer französischen IP Adresse zu sperren.
  • 40. Versuch Vereinheitlichung der Rechtsinstrumente im Zusammenhang mit Computerkriminalität durch völkerrechtlichen Vertrag zu lösen: Cyber Crime Convention des Europarats vom 8.11.2001 • Regelt u.a.: illegalen Zugang zu Computersystem; unbefugtes Abfangen nicht-öffentlicher Computerdatenübermittlung; Unbefugtes Beschädigen, Löschen, Beeinträchtigen, Verändern oder Unterdrücken von Computerdaten; Strafbarkeit des Herstellens, Anbietens, Zugänglichmachen, Beschaffen oder Besitz von kinderpornographischem Material • Umgehende „Quick Freeze“ Verpflichtung bei (verdächtigen) Daten für Mitgliedstaaten. • Jurisidktion: Anwendung des Territorialitätsprinzips (bzw Flaggenprinzips) und des aktiven Personalitätsprinzips • Zusatzprotokoll – Strafbarkeit von Handlungen rassistischer, fremdenfeindlicher Art mittels Computer (von Deutschland ratifiziert am 9.3.2009; Zusatzprotokoll betreffend rassistisches und fremdenfeindliches Material über Computersysteme, BGBl II Nr 23 v 15.9.2011)
  • 41. Internationale Aspekte des Medienrechts Internationale und Europäische Akteure der Medienpolitik und der „Internet Governance“ Vereinte Nationen ITU (International Telecommunication Union) UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) WIPO (World Intellectual Property Organization) Europäische Union Europarat OSCE (Organization for Security and Co-operation in Europe) OECD (Organization for Economic Co-operation and Development) Regierungen und Regierungsorganisationen Berufsverbände (zB International Federation of Journalists, European Broadcasting Union; European Newspaper Publisher Association...) + „Multistakeholder“ – Ansatz: unterschiedlichste Akteure aus Industrie, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sind eingebunden
  • 42. Internationale Aspekte des Medienrechts o Wirtschaftsrechtliche Dimension: Medien als bedeutender internationaler und europäischer Wirtschaftsfaktor (zB Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit im Binnenmarkt und weltweit; Sicherung fairen Wettbewerbs) o Kulturpolitische Dimension: Pluralismus der Anbieter, Inhalte und Quellen; nationale und regionale Identität durch Medien SPANNUNGSFELD !!!
  • 43. Internationale Aspekte des Medienrechts Audiovisueller Bereich und WTO  GATT (Waren)  mit TRIPS (Geistiges Eigentum)  GATS (Dienstleistungen) – Grundsätzliche Problematik: Audiovisuelle Werke als Ware (GATT) oder Dienstleistung (GATS)? – Trägermaterialien (zB DVD´s) verschwinden zunehmend -> Zuordnung immer schwieriger – Weiters: Medien = Kultur ? oder: Medien = Wirtschaftsgut ≠ Kultur ? Oder beides ?
  • 44. Internationale Aspekte des Medienrechts • GATT Verpflichtungen, insbesondere: – Meistbegünstigung – Verbot mengenmäßiger Beschränkungen – Inländerbehandlung – Subventionen nur ausnahmsweise (erlaubte, anfechtbare, verbotene) – Antidumping • GATS Verpflichtungen: – horizontale Verpflichtungen: zB Meistbegünstigungsprinzip (gelten automatisch) -> Transparenzverpflichtung – spezifische Verpflichtungen: zB Marktzugang (zustimmungspflichtig) -> Inländerbehandlung • GATS beinhaltet weniger Verpflichtungen als GATT und enthält mehr Ausnahmemöglichkeiten
  • 45. Internationale Aspekte des Medienrechts Audiovisueller Bereich und WTO • Diskussionen in WTO, Urugay-Runde (1990er Jahre): – Einbeziehung des audiovisuellen Sektors (auch) in GATS, aber umstritten – Positionen: • Ausnahme vom Dienstleistungsbereich (Kanada), „exception culturelle“ (Frankreich) • USA, Japan: audiovisuelle Güter sind Unterhaltung, nicht Kultur, bedeutender Exportfaktor • EU: Wunsch nach mehr Liberalisierung, aber Besonderheiten des audiovisuellen Bereichs behalten – Ergebnis: Audiovisueller Bereich (zB Herstellung, Bearbeitung, Verleih, Vorführung) fällt unter GATS, aber Sonderstatus: Ausnahmen von Meistbegünstigung möglich, keine Verpflichtung für Marktzugang und Inländerbehandlung
  • 46. Internationale Aspekte des Medienrechts Beispiel: Europäische „Quotenregelung“ der AVMD-RL Art. 16 AVMD-RL • (1) Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, dass die Fernsehveranstalter den Hauptanteil ihrer Sendezeit, die nicht auf Nachrichten, Sportberichten, Spielshows, Werbeleistungen, Videotextleistungen und Teleshopping entfallen, der Sendung von europäischen Werken vorbehalten. (…) Art. 17 AVMD-RL • Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, dass Fernsehveranstalter mindestens 10 % ihrer Sendezeit, die nicht auf Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbeleistungen, Videotextleistungen und Teleshopping entfallen, oder alternativ nach Wahl des Mitgliedstaats mindestens 10 % ihrer Haushaltsmittel für die Programmgestaltung der Sendung europäischer Werke von Herstellern vorbehalten, die von den Fernsehveranstaltern unabhängig sind (…). Art. 13 Abs. 1 AVMD-RL • (1) Die Mitgliedstaaten sorgen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf, die von ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt werden, die Produktion europäischer Werke und den Zugang hierzu fördern ….
  • 47. Internationale Aspekte des Medienrechts Europäische Quotenregelung und WTO • USA: Europäische Quotenregelung in AVMD-RL (früher „FernsehRL) widerspricht dem GATT • H. Res. 257: • In the House of Representatives, U. S., October 23, 1989. – … such local content requirement violates the General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), specifically Article I relating to most-favored-nation treatment…
  • 48. Internationale Aspekte des Medienrechts Aktuell: Verhandlungen um Freihandelsabkommen USA/EU (TTIP) • Verhandlungsmandat für Europäische Kommission sieht vor, dass audiovisuelle Dienstleistungen zum jetzigen Zeitpunkt kein Bestandteil der Verhandlungen sind. Sollte Bedarf bestehen, kann die Europäische Kommission im Laufe der Verhandlungen dem EU-Handelsministerrat eine entsprechende Erweiterung des Mandats vorschlagen.
  • 50. Kommunikationsfreiheiten free flow of information und Informationsfreiheit  Anspruch der Staaten gegenüber dritten Staaten auf grenzüberschreitenden Informationsfluss (free flow of information)  Anspruch des Einzelnen gegenüber dem Staat auf Zugang zu allgemein zugänglichen Informationen (Äußerungs-/Informations- freiheit) Internationale Instrumente mit unterschiedlicher rechtlicher Qualität und Durchsetzungsmechanismen • Art 19 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte • Art 19 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte • Art 13 Amerikanische Menschenrechtskonvention • Art 9 Afrikanische Menschenrechtskonvention • Art 10 Europäische Menschenrechtskonvention • Art 11 Grundrechtecharta der EU
  • 51. Kommunikationsfreiheiten Global: Art. 19 Intern. Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1) Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit. (2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. (3) Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer; b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit. Nach Art 20 IPbpR verboten: Eintreten für Kriegspropaganda, nationalen, rassischen oder religiösen Hass, wodurch tz Diskriminierung und Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird Durchsetzung:= Individualrecht, aktiv/passiv (UN-Menschenrechtsausschuss) Staatenbeschwerde; Individualbeschwerde (nur fakultativ) Kaum praktische Bedeutung
  • 52. Kommunikationsfreiheiten Europa: Art. 10 EMRK (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben. (2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.
  • 53. Kommunikationsfreiheiten In Deutschland steht die EMRK im Rang eines einfachen Bundesgesetzes (vgl Art 59 Abs 2 GG), ist jedoch bei der Auslegung des Grundgesetzes heranzuziehen. – BVerfGE 74, 358 [370]: ".... Bei der Auslegung des Grundgesetzes sind auch Inhalt und Entwicklungsstand der EMRK in Betracht zu ziehen, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt, eine Wirkung, die die Konvention indes selbst ausgeschlossen wissen will (Art. 60 EMRK). Deshalb dient insoweit auch die Rechtsprechung des EGMR als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes.„
  • 54. Kommunikationsfreiheiten  Unzulässigkeit auf EMRK gestützter Verfassungsbeschwerden: BVerfGE 64, 135 [157] „…Auf eine behauptete Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention kann die Verfassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet nicht am Maßstab der in der Menschenrechtskonvention enthaltenen Garantien [eines fairen Verfahrens Art 6 MRK].“  Anrufung des EGMR durch Individualbeschwerde nach Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges  BVerfG: Urteile des EGMR feststellend, nicht kassatorisch!  Aber: § 359 Nr 6 StPO und § 580 Nr 8 ZPO = Wiederaufnahme wenn Urteil auf Konventionswidrigkeit beruht!
  • 55. Kommunikationsfreiheiten EMRK und Europäische Union Art. 6 EU • (1) Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig. Durch die Bestimmungen der Charta werden die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert. (…) • (2) Die Union tritt der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei. Dieser Beitritt ändert nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union. • (3) Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts.
  • 56. EU: Art. 11 Grundrechtecharta Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit • (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. • (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.  GRC verpflichtet Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union sowie Mitgliedstaaten bei der „Durchführung des Rechts der Union.“ Kommunikationsfreiheiten
  • 57. Kommunikationsfreiheiten System des Art 10 EMRK • Schutzbereich • Schranken • Schranken Schranken
  • 58. Kommunikationsfreiheiten Schutzbereich Art 10 EMRK • Meinungs(bildungs)freiheit • Meinungsäußerungsfreiheit • Informationsfreiheit • Presse- und Medienfreiheit
  • 59. Kommunikationsfreiheiten Schutzbereich Art 10 EMRK: • Das Recht der Meinungsäußerungsfreiheit ist ein „Grundpfeiler“ einer demokratischen Gesellschaft, eine der Grundvoraussetzungen für deren Fortschritt und für die Entfaltung eines jeden Einzelnen (EGMR 7.12.1976, 5493/72, Handyside / UK, § 49). • Weitestgezogener Schutz von Kommunikationsinhalten – umfasst Meinungen, Informationen, Nachrichten jeder Art, jeden Inhalts • Gilt nicht nur für „Informationen“ oder „Ideen“, die Zustimmung finden oder als harmlos oder unerheblich betrachtet werden, sondern auch für solche, die verletzend, schockierend oder beunruhigend wirken. Dies gebieten nämlich der Pluralismus, die Toleranz und die Aufgeschlossenheit, ohne die es eine „demokratische Gesellschaft“ nicht geben kann (EGMR, ibid.)
  • 60. Kommunikationsfreiheiten EGMR, 7.12.1976, Handyside / UK Vorbehaltlich der Bestimmung des Art. 10 Abs. 2 gilt [das Recht auf Meinungsfreiheit] nicht nur für die günstig aufgenommenen oder als unschädlich oder unwichtig angesehenen „Informationen“ oder „Ideen“, sondern auch für die, welche den Staat oder irgendeinen Teil der Bevölkerung verletzen, schockieren oder beunruhigen. So wollen es Pluralismus, Toleranz und Aufgeschlossenheit, ohne die es eine „demokratische Gesellschaft“ nicht gibt. Daraus folgt insbesondere, dass jede „Formvorschrift“, „Bedingung“, „Einschränkung“ oder „Strafdrohung“ in angemessenem Verhältnis zum verfolgten rechtmäßigen Ziel stehen muss.
  • 61. Kommunikationsfreiheiten Meinungsäußerungsfreiheit: Umfasst Werturteile und Tatsachenaussagen. „Wert oder Unwert“ einer Äußerung sind unmaßgeblich für den Schutz. Schutz bezieht sich nicht nur auf den Inhalt der Äußerung, sondern auch ihre Form. Geschützt sind auch die Mittel der Kommunikation. Vgl auch „Im Zweifel für die freie Rede“ – BVerfGE 93, 266 Keinen Schutz genießen unwahre Tatsachenbehauptungen, wenn dadurch das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt wird (dann keine Güter- und Interessensabwägung. (vgl BVerfGE 61,1,8 ; BGH, 23. 6. 2009 - VI ZR 196/08)
  • 62. Kommunikationsfreiheiten EGMR, 8.7.1986, Lingens / Österreich Unterscheidung „Werturteil/Tatsachenaussage“ Nur Tatsachen können auf Wahrheit – oder den guten Glauben daran – überprüft werden. Nur für Tatsachen-Aussagen kann vom Äußernden (Beklagten) die Führung eines Beweises hierüber verlangt werden (Siehe §§186, 187 StGB – üble Nachrede). Wird bei Werturteil Wahrheits-/Gutglaubens-Beweis verlangt, widerspricht das Art. 10 EMRK. Aber: Auch Werturteile müssen auf wahrem „Tatsachensubstrat“ beruhen.
  • 63. Kommunikationsfreiheiten Informationsfreiheit- Recht auf Zugang zu Information? Die Informationsfreiheit gibt als solche kein Recht auf Information durch den Staat – keine Pflicht für staatliche Stellen, Informationsquellen einzurichten. Es ist dem Staat aber untersagt, eine Person am Empfang von Informationen zu hindern, die ihr andere zukommen lassen oder beabsichtigen zukommen zu lassen, wenn nicht die Voraussetzungen des Art 10 Abs 2 EMRK vorliegen (grundlegend EGMR 26.3.1987, Leander/Schweden).
  • 64. Kommunikationsfreiheiten Informationsfreiheit Deutschland: Art 5 Abs 1 GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. BVerfGE 27, 71: Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle dann, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, dh einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu vermitteln. Einfachgesetzlicher Ebene: Informationsfreiheitsgesetz des Bundes Landespressegesetze besondere Materien: zB Umweltinformationsgesetze; Stasi- Unterlagen Gesetz
  • 65. Kommunikationsfreiheiten Informationsfreiheit- Recht auf Zugang zu Information? EGMR 28.11.2013, Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden Land- und Forstwirtschaftlichen Grundbesitzes/Österreich Recht einer NGO auf Informationsfreiheit verletzt, weil sich die nationale Behörde im Anlassfall geweigert hatte, das Recht der NGO auf Informationszugang nach Art 10 Abs 1 EMRK (trotz angebotenem Kostenersatz, Möglichkeit der Anonymisierung etc) anzuerkennen und die begehrten Entscheidungen der NGO zur Verfügung zu stellen.
  • 66. Kommunikationsfreiheiten Medienfreiheit nach Art 10 EMRK Medienfreiheit nicht ausdrücklich erwähnt Unbestritten: Medienfreiheit ist Teil der Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK. Im Unterschied zu Art 5 GG ist die Presse- und Medienfreiheit nach Art 10 EMRK individualrechtliche, nicht institutionell, ausgerichtet. Berücksichtigung der Medienfreiheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (strenger Maßstab bei Eingriffen)
  • 67. Medienfreiheit in der Rspr EGMR • Aufgabe der Presse ist es einerseits, die Öffentlichkeit über Fragen von politischem und sonstigem allgemeinem Interesse zu informieren, zum anderen aber auch als „public watchdog“ zur offenen geistigen Auseinandersetzung in der Bevölkerung beizutragen, das politische und gesellschaftliche Geschehen zu beobachten und zu kommentieren, Missstände aufzudecken und Kritik zu üben. • Für die politische und öffentliche Debatte ist in einer demokratischen Gesellschaft kaum Spielraum für Beschränkungen. • Eingriffen in die Äußerungsfreiheit von Politikern und Journalisten sind daher besonders restriktive Grenzen gezogen. Kommunikationsfreiheiten
  • 68. Kommunikationsfreiheiten Rundfunkfreiheit nach der EMRK Art 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK: „Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.“ EGMR 24.11.1993 Informationsverein Lentia / Österreich “Z 32: Im Fall Groppera Radio AG (A/173, § 61) hat der Gerichtshof festgestellt, daß der 3. Satz des Abs. 1 den Staaten das Recht einräumt, die Organisation des Rundfunks in ihrem Territorium mittels eines Konzessionssystems zu regulieren, wobei dies insbesondere auf technische Aspekte abzielt. Ungeachtet dessen kann die Erteilung oder Verweigerung einer Konzession von weiteren Erwägungen abhängen: Dazu zählen etwa die Art und die Ziele einer zu errichtenden Rundfunkstation, die erwarteten Zuschauerkreise auf staatlicher, regionaler und lokaler Ebene, die Ansprüche und Bedürfnisse eines speziellen Publikums sowie internationale Verpflichtungen. Dadurch können Eingriffe unter Umständen durch den 3. Satz des Abs. 1 gerechtfertigt werden, obwohl sie keinem der legitimen Ziele des Abs. 2 entsprechen. Ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung muß ungeachtet dessen im Lichte der anderen Erfordernisse des Abs. 2 geprüft werden.
  • 69. Feststellungen im Urteil „Lentia“: Staaten dürfen bei der Regulierung des Rundfunks neben technischen auch inhaltliche Zulassungskriterien vorsehen  Rundfunkpolitische Zielsetzungen (lokal/regional, besondere Bedürfnisse des Publikums, Medienvielfalt…) mit Art. 10 EMRK vereinbar (auch wenn nicht ausdrücklich in Abs. 2 erwähnt werden)  Aber immer: Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein im Sinne des Abs. 2! Und [Z 38]: Der Staat ist „ultimate guarantor of pluralism“ = positive Verpflichtung zur Herstellung von Medienvielfalt? Kommunikationsfreiheiten
  • 70. EGMR 17.9.2009, Manole ua gegen Republik Moldau = Sicherung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als “positive Verpflichtung” des Staates „A positive obligation arises under Article 10. The State, as the ultimate guarantor of pluralism, must ensure, through its law and practice, that the public has access through television and radio to impartial and accurate information and a range of opinion and comment, reflecting inter alia the diversity of political outlook within the country and that journalists and other professionals working in the audiovisual media are not prevented from imparting this information and comment. Where the State decides to create a public broadcasting system, the domestic law and practice must guarantee that the system provides a pluralistic audiovisual service.” Kommunikationsfreiheiten
  • 71. Kommunikationsfreiheiten EGMR 7.6.2012, Centro Europa 7 S.R.L. und DI Stefano / Italien • 130. [...]“ hält der Gerichtshof fest, dass es zur Gewährleistung wahrer Vielfalt im audiovisuellen Sektor in einer demokratischen Gesellschaft nicht ausreicht, für die Existenz mehrerer Kanäle zu sorgen oder für die theoretische Möglichkeit potentieller Betreiber, den Markt zu betreten. Zusätzlich ist es notwendig, effektiven Marktzugang zu erlauben, um die Vielfalt des allgemeinen Programmangebots zu garantieren, die so weit als möglich die Vielfalt der Meinungen in der Gesellschaft, an die die Programme gerichtet sind, widerspiegelt.“ [...] 134. „Der Gerichtshof hält fest, dass in einem so empfindlichen Sektor wie jenem der audiovisuellen Medien der Staat - zusätzlich zu seiner negativen Pflicht, Eingriffe zu unterlassen - auch eine positive Verpflichtung hat, einen angemessenen gesetzlichen und administrativen Rahmen zu schaffen, um effektive Vielfalt zu gewährleisten. Dies ist besonders wünschenswert, wenn das nationale audiovisuelle System, wie im vorliegenden Fall, von einem Duopol gekennzeichnet ist.“
  • 72. Kommunikationsfreiheiten ART 10 EMRK – „positive obligations“ Neben der abwehrrechtlichen Dimension ist aus Art 10 EMRK auch eine Schutzpflicht des Staates vor Angriffen Dritter abzuleiten.  EGMR, 14.10.2010 „Dink“ (2010): Die positiven Verpflichtungen nach Art. 10 EMRK erfordern unter anderem die Schaffung eines günstigen Umfelds zur furchtfreien Teilnahme am politischen Diskurs. Dies kann auch erfordern, das Leben einer sich äußernden Person vor Angriffen Dritter zu schützen. Zu positiven Verpflichtungen (Schutzpflicht des Staates vor Eingriffen in Meinungsfreiheit durch Private) in Deutschland: BVerfGE 7, 198 „Lüth“
  • 73. Verhältnismäßigkeit Bestimmten Personen/Gruppen kann auch Rolle eines „social watchdog“ zukommen – besondere Berücksichtigung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung – (Beitrag zur öffentlichen Debatte?) zB „Whistleblower“ (EGMR 12.9.2011, Heinisch/DE). EGMR 12.9.2011, Heinisch/DE
  • 74. Kommunikationsfreiheiten ART 10 EMRK – „positive obligations“ Schutzpflicht des Staates vor ungerechtfertigten Beschränkungen Dritter (mittelbare Drittwirkung). EGMR 21.7.2011, Heinisch / Deutschland: Der Staat unterliegt der Pflicht, die Wahrnehmbarkeit der Meinungsfreiheit auch im privaten Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schützen. Die Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist jedoch auch hier zu beachten. In Fragen öffentlichen Interesses sind jedoch nur geringe Einschränkungen der Meinungsfreiheit hinzunehmen. Der gutgläubig agierende Arbeitnehmer hat prinzipiell ein Recht, strafbare Handlungen auch seines Arbeitgebers zur Anzeige zu bringen.
  • 75. Kommunikationsfreiheiten Zensurverbot? Präventive Eingriffe nach EGMR nicht grundsätzlich ausgeschlossen, verlangen aber Prüfung mit „most scareful scrutinity“ (EGMR Observer and Guardian/UK, §60) Vgl Art. 5 Abs 1 S 3 GG („eine Zensur findet nicht statt“). Verboten: Vorzensur (vor Veröffentlichung Vorlage an staatliche Stelle) – BVerfGE 33, 52. Nachzensur in Schranken des Abs 2 GG.
  • 76. Kommunikationsfreiheiten Eingriffe und Rechtfertigung in die Meinungsfreiheit Voraussetzungen: – Gesetz – muss allgemein zugänglich und bestimmt sein, Eingriff vorhersehbar – Legitimer Zweck – Verhältnismäßig – „notwendig in einer demokratischen Gesellschaft“ (Schranken Schranke)
  • 77. Kommunikationsfreiheiten „Bestimmtheit“ eines Gesetzes zB EGMR 29.3.2011, RTBF/Belgien Eine Norm stellt nur dann ein »Gesetz« iSv. Art 10 Abs. 2 EMRK dar, wenn sie ausreichend bestimmt ist, sodass sie dem Bürger erlaubt, sein Verhalten danach zu richten: Es muss nach den Umständen des Einzelfalls in einem vernünftigen Grad möglich sein, die Konsequenzen eines konkreten Verhaltens vorherzusehen. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass die betroffene Person unter Umständen angehalten ist, sich angemessen darüber zu informieren, welche Folgen eine bestimmte Handlung nach sich ziehen kann. Dies gilt insbesondere für Fachleute, die es gewohnt sind, bei der Ausübung ihres Berufs mit besonderer Vorsicht vorgehen zu müssen. Von diesen kann auch erwartet werden, dass sie die bestehenden Risiken mit spezieller Sorgfalt abwägen. (erhebliche Diskrepanz in Rechtsprechung der nationalen Gerichte führte zu Unvorhersehbarkeit des Eingriffs).
  • 78. Verhältnismäßigkeit • Um dem Kriterium der Notwendigkeit zu genügen, bedarf es für jeden Eingriff eines „dringenden sozialen Bedürfnisses“ (EGMR, Handyside, § 48) das – insbesondere im Zusammenhang bei Einschränkungen innerhalb politischer Diskussionen und bei Eingriffen in die Pressefreiheit - „überzeugend“ nachgewiesen werden muss (EGMR Sunday Times No 2 / UK, § 50). Die Gründe für den Eingriff müssen daher nicht nur „relevant“, sondern auch „ausreichend“ sein, somit durch eine ausreichenden Faktenbasis belegt sein (zB EGMR Albert-Engelmann GmbH / Österreich, § 29)
  • 79. Verhältnismäßigkeit • Aufgabe der Presse ist es einerseits, die Öffentlichkeit über Fragen von politischem und sonstigem allgemeinem Interesse zu informieren, zum anderen aber auch als „public watchdog“ (Lingens/AT, § 44; Observer and Guardian/UK, § 59; Editorial Board of Prawoye Delo und Shtekel/UA, § 64, EGMR5.5.2011) zur offenen geistigen Auseinandersetzung in der Bevölkerung beizutragen, das politische und gesellschaftliche Geschehen zu beobachten und zu kommentieren, Missstände aufzudecken und Kritik zu üben. • Beachte: Bestimmten Personen/Gruppen kann auch Rolle eines „social watchdog“ zukommen (EGMR 14.4.2009, Társaság a Szabadságjogokért/HU, § 38). „Whistleblower“ (zB auch am Arbeitsplatz: EGMR 12.9.2011, Heinisch/DE, § 44)
  • 80. Verhältnismäßigkeit • Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit – insbesondere bei Abwägung Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz (zB Beleidigung) ist nach EGMR relevant: – Stellung des Adressaten (insbes. ob „public figure“) – Stellung des Äußernden – Zusammenhang, in dem Äußerung getätigt wurde – Öffentliches Informationsinteresse
  • 81. EGMR, 8.7.1986, Lingens / Österreich „Die Grenzen der zulässigen Kritik sind bei Politikern daher weiter gezogen als bei Privatpersonen. Anders als diese setzen sich die Politiker unvermeidlich und wissentlich der eingehenden Kontrolle aller ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aus und müssen daher ein größeres Maß an Toleranz zeigen. Zwar erlaubt Art. 10 Abs. 2 den Schutz des guten Rufs anderer, d.h. aller Personen, und dieser Schutz erstreckt sich auch auf Politiker, sogar wenn sie nicht in privater Eigenschaft auftreten. Jedoch muss in solchen Fällen der Schutzzweck gegen das Interesse an einer freien Diskussion politischer Fragen abgewogen werden.“
  • 82. Freiheit der Kunst als besondere Form der Meinungsäußerung durch Art. 10 MRK geschützt EGMR 24.5.1988, Müller / Schweiz „Wer Kunstwerke schafft, interpretiert, verbreitet oder ausstellt, trägt zum Austausch von Ideen und Meinungen bei, der für eine demokratische Gesellschaft wesentlich ist. Deshalb ist es eine Verpflichtung des Staates, deren Meinungsäußerungsfreiheit nicht unangemessen zu beeinträchtigen. Künstler und diejenigen, die ihr Werk fördern, sind von den Beschränkungen, wie sie in Art. 10 Abs. 2 vorgesehen sind, gewiss nicht ausgenommen. Wer immer diese Freiheit wahrnimmt, hat in Übereinstimmung mit der ausdrücklichen Formulierung dieses Absatzes „Pflichten und Verantwortung; deren Reichweite hängt von seiner Lage und von den von ihm eingesetzten Mitteln ab.“
  • 83.  25.1. 2007 Vereinigung bildender Künstler/AT Auch Künstler leisten durch ihre Werke einen in einer demokratischen Gesellschaft essentiellen Beitrag zum Ideen- und Meinungsaustausch. Jeder Eingriff in das Recht eines Künstlers auf eine solche Meinungsäußerung muss daher mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Kunst, Satire und Meinungsfreiheit
  • 84.  22.2.2007, Nikowitz/AT Satire/Ironische Beiträge zum aktuellen Zeitgeschehen genießen weitreichenden Schutz im Hinblick auf Art 10 EMRK. „Auch Maiers lieber Freund Stefan Eberharter musste was sagen, und er entschied sich vermutlich im letzten Moment gegen: ,Super, jetzt gwinn ich endlich auch einmal was. Hoffentlich prackt´s dn miesen Hund mit den Krüken hin, und er bricht sich den anderen Haxn auch noch.“
  • 85. EGMR, 22.2.2007, Nikowitz und Verlagsgruppe News / Österreich GmbH“ „Der GH ist nicht überzeugt vom Argument der Gerichte, wonach ein Durchschnittsleser den satirischen Charakter des Texts und insbesondere den humorvollen Gehalt der umstrittenen Passage, in der gemutmaßt wurde, was Stefan Eberharter gesagt haben könnte, in Wahrheit aber nicht sagte, nicht hätte erfassen können. Diese Aussage kann bestenfalls als Werturteil des Autors über Herrn Eberharters Charakter verstanden werden, das er in Form eines Witzes zum Ausdruck brachte… ... Er kommt daher zu dem Ergebnis, dass sich die strittige Passage über Herrn Eberharter innerhalb der Grenzen eines in einer demokratischen Gesellschaft akzeptablen ironischen Kommentars bewegte.“
  • 86. Satire und Meinungsfreiheit  2.10.2008, Leroy/F Verurteilung eines Karikaturisten für eine Karikatur, die politische Reaktionen ausgelöst, die zu Gewalt hätten führen und sich auf die öffentliche Ordnung in der Region hätten auswirken können, ist verhältnismäßiger Eingriff in Art.10 EMRK.  „
  • 87. Satire und Meinungsfreiheit  19.2.2015, Bohlen u. Ernst August v Hannover /D Bei Abwägung (satirischer) Werbung mit Recht auf Privatsphäre von in der Werbung herangezogenen (prominenten) Personen • Die Werbung muss sich mit einem Thema befassen, an dem ein öffentliches Informationsinteresse besteht. • Die Persönlichkeiten, mit deren Identitätsmerkmalen geworben wird, müssen in hinreichendem Maße im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen. • Die Werbung muss sich eng auf ein Thema beziehen, mit dem die beworbene Persönlichkeit ohnehin der Öffentlichkeit durch entsprechende Presseberichterstattung bekannt ist. • Schließlich darf mit Blick auf den Inhalt, die Form und die Bedeutung der Werbung die Persönlichkeit des Prominenten durch die Werbung nicht herabgewürdigt werden.
  • 88. Legitime Eingriffsziele: „Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer“ • Bezeichnung eines Politikers als „Trottel“ (EGMR 1.7.1991, Oberschlick/Österreich: Äußerung als Teil eines öffentlichen Diskurses) • Schutz der Meinungsfreiheit ist aber kein Freibrief für Wertungen, die in persönlichen Beleidigungen oder Verunglimpfungen ausarten, verleumderische und böswillige Angriffe beinhalten (EGMR 23.4.1992, Castells / Spanien) • Journalistischer Freiheit ist andererseits ein gewisses Maß an Übertreibung oder sogar Provokation immanent (EGMR 26.4.1995, Prager und Oberschlick / Österreich)
  • 89. EGMR, 7.2.2012, Axel Springer / Deutschland • „Zunächst ist nach dem Beitrag zu fragen, den die Fotos oder Artikel zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten. • Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Rolle oder Funktion der betroffenen Person und die Art der Aktivitäten, über die berichtet wird. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Privatpersonen und Personen, die wie Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens in einem öffentlichen Kontext handeln. • Das Verhalten der Person vor der Veröffentlichung des Berichts ist ein weiterer Faktor. Dabei kann jedoch die bloße Tatsache einer Zusammenarbeit mit der Presse bei früheren Gelegenheiten nicht als Argument dafür verwendet werden, die betroffene Person jeglichen Schutzes vor der Veröffentlichung des umstrittenen Artikels oder Fotos zu berauben. • Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind die Art und Weise, wie die Informationen erlangt wurden, sowie ihr Wahrheitsgehalt. Die Art und Weise, wie der Bericht veröffentlicht und wie die Person darin dargestellt wird, kann ebenfalls ein relevanter Faktor sein. • Schließlich ist auch die Art und Schwere der verhängten Sanktionen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit zu berücksichtigen.“
  • 90. EGMR 16.1.2014, „Tierbefreier gg Deutschland“ Schutzbereich: Kritischer Film über Tierversuche mit verdeckt aufgenommenem Material Eingriff: gerichtliche Verfügung gegen Verbreitung (auf Antrag des Tierlabors) – BVerfG weist Behandlung ohne Begründung ab Schranken Schranken: • Gesetzliche Grundlage - § 823 iVm § 1004 BGB, 186 StGB • Legitimes Ziel – Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer • Notwendigkeit des Eingriffs – EGMR: die Beschwerdeführer hatten die Regeln der intellektuellen Schlacht der Meinungen durch Einsatz unfairer Mittel nicht respektiert... und es war zu erwarten, dass sie dies durch weitere Nutzung des Filmmaterials fortsetzen würden; zivilrechliche Sanktion verhältnismäßig; Kritik bleibt weiter erlaubt...
  • 91. EGMR 16.1.2014, „Tierbefreier gg Deutschland“ „Im Lichte der sorgfältigen Prüfung des Falls durch die deutschen Gerichte, welche die Auswirkungen auf das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit in einer Debatte von öffentlichem Interesse eingehend umfasste,kommt der Gerichtshof zum Schluss, dass die Gerichte einen fairen Ausgleich zwischen dem Recht der Beschwerdeführer auf Meinungsfreiheit und dem Interesse des Unternehmen C. auf Schutz seines guten Rufes..“
  • 92. Schutz der Privatsphäre Art 8 EMRK steht Art 10 MRK gleichwertig gegenüber, enthält ebenso den Eingriffsvorbehalt „Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“. Als Kernbereich zählt der höchstpersönlicher Lebensbereich (zB Gesundheit, Sexualleben, Wohnbereich, ärztliche Behandlungszimmer, öffentliche Umkleideräume): EGMR 10.5.2011, Mosley/UK.
  • 93. EGMR 10.5.2011, Mosely gg Vereinigtes Königreich • Der durch Art 10 MRK gewährte Schutz kann zugunsten von Art 8 MRK aufgegeben werden, wenn die betreffenden Informationen privater oder intimer Natur sind und kein öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung besteht. • Aber: Das Fehlen einer Verpflichtung für Medien, die von der Veröffentlichung privater Informationen betroffenen Personen vor der Veröffentlichung zu verständigen ("pre- notification requirement"), verletzt den Bf nicht in seinem Recht auf Schutz der Privatsphäre nach Art 8 EMRK (generelle pre-notification-Pflicht hätte „chilling effect“ für Medien- berichterstattung)
  • 94. Privatsphäre, Medienfreiheit, Recht am eigenen Bild, (Art 8 und Art 10 EMRK, § 23 KUG; ) • EGMR 24.6.2004, von Hannover/Deutschland • EGMR GK 7.2.2012, von Hannover Nr 2 / Deutschland Veröffentlichung von Fotos Prominenter („public figures“): Keine Trennung zwischen Bildern, die in der Öffentlichkeit aufgenommen worden sind und von Bildern aus der Privatsphäre. Vielmehr zu fragen: Leistet Veröffentlichung von Aufnahmen/Artikeln einen Beitrag zu einer „Debatte von allgemeinem Interesse“? • Wird dies verneint: kein legitimes Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wie sich prominente Person in ihrem Privatleben verhält bzw wo sie sich aufhält.
  • 95. Eingriffsziel „öffentliche Sicherheit“: zB Geheimnisverrat, Landesverrat) • Veröffentlichung von als geheim eingestuften staatlichen Informationen ist nur so lange zum Schutz der nationalen Sicherheit zu rechtfertigen, wie diese Inhalte nicht auf andere Weise (zB Veröffentlichungen in anderen Medien) an die Öffentlichkeit gelangt sind (EGMR 26.11.1991, Observer and Guardian / UK, „Spycatcher“)
  • 96. Eingriffsziel „öffentliche Sicherheit“ • Zulässige Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit im Interesse der nationalen Sicherheit: Verurteilung einer Heeresangehörigen, die die Soldaten zur Desertion vom Militärdienst aufrief (EKMR 16.5.1977, Arrowsmith/UK) • Allgemein kritische Äußerungen gegen die Institution der Armee müssen aber hingenommen werden (EGMR 25.11.1997, Grigoriades/GR. Vgl demgegenüber EGMR 14.9.2010, Rose/DE, UE).
  • 97. Wettbewerbsrecht und Meinungsfreiheit • EGMR: Staat hat Ermessensspielraum, Unternehmen zum Schutz vor rufschädigenden Behauptungen zu schützen. Bei der Abwägung mit der Äußerungsfreiheit sind auch der Schutz des wirtschaftlichen Erfolgs der Eigentümer, Arbeitnehmer und des wirtschaftlichen Wohles des Landes zu berücksichtigen (Heinisch/DE, § 89).
  • 98. Standesrecht und Meinungsfreiheit • EGMR 25.3.2005, Barthold/Deutschland: Ein Werbeverbot für Angehörige freier Berufe (hier Tierärzte) ist dann unverhältnismäßig, wenn sich ein Angehöriger des Berufsstandes nicht mehr an der öffentlichen Diskussion in diesem Bereich beteiligen darf. • Demgegenüber: EGMR 24.2.1994, Cascado Coca / Spanien: Werbeverbot für Anwälte zur Wahrung von Standesinteressen (zB Marktschreierische Werbung) zulässig.
  • 99. Rassismus und Meinungsfreiheit  20.4.2010, Le Pen/F Aufstachelung zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt gegen eine ethnisch oder religiös bestimmte Gruppe ist nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK geschützt (Missbrauch des Rechts – siehe Art 17 EMRK).
  • 100. Rassismus und Meinungsfreiheit  15.10.2015 Perincek/CH (Große Kammer) Bestrafung eines türkischen Politikers in der Schweiz wegen Leugnung des Genozids an der armenischen Bevölkerung verstößt gegen Art 10 EMRK, da es nicht das Ziel des türkischen Politikers gewesen sei, Hass gegen die Armenier zu säen. Es sei nicht belegt worden, dass die Würde der in der Schweiz lebenden Armenier durch die Aussagen dadurch verletzt worden seien oder die Aussagen eine Gefahr für diese dargestellt hätten.
  • 101. Rassismus und Meinungsfreiheit  15.10.2015 Perincek/CH (Große Kammer) – Forts. Bedeutung für nationale Verbote der Holocaust-Leugnung? (zB § 130 StGB) Nach dem EGMR besteht ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen der Leugnung des Holocaust, die der Gerichtshof regelmäßig als Ausdruck einer antidemokratischen Ideologie und von Antisemitismus beurteilte; vor allem Abstellen auf den historischen und geografischen Kontext: “Holocaust denial is thus doubly dangerous, especially in States which have experienced the Nazi horrors, and which may be regarded as having a special moral responsibility to distance themselves from the mass atrocities that they have perpetrated or abetted by, among other things, outlawing their denial.“
  • 102. Medien im Recht der Europäischen Union
  • 103. Medien im Recht der EU Querschnittsmaterie: Sicherung der Medienfreiheit, Schutz des Medien-Binnenmarktes (vor allem Waren- und Dienstleistungsfreiheit), Schutz des Eigentums (Inhalte, Urheber- und Verwertungsrechte), NutzerInnen- und KonsumentInnenschutz, Kinder- und Jugendschutz, Sicherung des Zugangs zur Infrastruktur und Nichtdiskriminierung, Sicherung des Pluralismus ….
  • 104. • Warenverkehrsfreiheit: – „physische Contentprodukte“ (zB Bücher, DVD´s…) • Dienstleistungsfreiheit: – Rundfunksendungen Internetdienste…. • Kartellverbot: – zB Buchpreisbindung; Exklusivvereinbarungen bei Sportfernsehübertragungen… • Missbrauch bei einer marktbeherrschenden Stellung: – zB Zugang zu Vertriebssystemen • Zusammenschlusskontrolle: – Bewahrung von Vielfaltsaspekten? • Beihilfenverbot: – zB Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, Filmförderung….
  • 105. Sekundärrecht  „Audiovisuelle Mediendienste-RL“  E-Commerce RL  Rechtsrahmen für elektronische Kommunikation  UrheberrechtsRL  DatenschutzRL  Entscheidungen der EK (Wettbewerbsrecht)  „Soft law“: Entschließungen, Empfehlungen
  • 106. Telekommunikationsrecht • Europäische Union: „Richtlinienpaket“ von 2002, revidiert 2009 (RL 2009/140/EG): – Rahmenrichtlinie – Zugangsrichtlinie – Genehmigungsrichtlinie – Universaldienstrichtlinie – Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (E-Privacy- Richtlinie) – Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 zur Errichtung des neuen Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) – Ergänzt durch „Wettbewerbsrichtlinie“ und Frequenzentscheidung von 2002 Zur Zeit umfassende Überarbeitung (ua mit Themen Roaming, Netzneutralität, Frequenzverwaltung) in Parlament und Rat!
  • 107. Urheberrecht • Europäische Union: – Satelliten-/Kabel-RL (Sendestaatprinzip für Rechteerwerb vom Urheber) – RL über Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte – RL zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Urheberrechtsrichtlinie) – RL zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums – Vorschläge der EK: Rahmenrichtlinie über kollektive Rechteverwertung; Richtlinie für verwaiste Werke
  • 108. Grundfreiheiten Warenverkehrsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit  EuGH: Rs 155/73 - Sacchi, 30.4.1974, – In Ermangelung ausdrücklicher entgegenstehender Vertragsbestimmungen sind Fernsehsendungen ihrer Natur nach als Dienstleistungen anzusehen … – … dagegen unterliegt der Handel mit sämtlichen Materialien, Tonträgern, Filmen und sonstigen Erzeugnissen, die für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen benutzt werden, den Bestimmungen über den freien Warenverkehr …
  • 109. Warenverkehrsfreiheit – Beispiel EuGH Rs C-405/98, Gourmet, 8.3.2001: • Ist ein generelles Verbot kommerzieller Werbung für alkoholische Getränke vereinbar mit Art 34 AEUV? – Art 34 AEUV verbietet mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung. – Verboten sind Beschränkungen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern – EuGH, Rs 8/74, Dassonville, 11.7.1974 – Auch unterschiedslos auf einheimische und eingeführte Waren anwendbare Regelungen können Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen – EuGH Rs 120/78, REWE, 20.2.1979 („Cassis de Dijon“)
  • 110. Warenverkehrsfreiheit – Beispiel EuGH, Rs C-267 u 268/91, Keck, 24.11.1993  Maßnahmen, die „vertriebsbezogen“, nicht aber „produktbezogen“ sind, fallen nicht unter den Begriff der „Maßnahmen gleicher Wirkung“. Voraussetzung ist aber, dass die Regelungen – a) allgemein für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben und – b) auf den Absatz inländischer und eingeführter Erzeugnisse die gleiche Wirkung haben, das heißt sich nicht überwiegend zu Lasten eingeführter Erzeugnisse auswirken.
  • 111. Warenverkehrsfreiheit – Beispiel EuGH Gourmet EuGH Rs C-405/98, Gourmet, 8.3.2001 • „ … kann festgestellt werden, dass bei Erzeugnissen wie den alkoholischen Getränken, deren Genuss mit herkömmlichen gesellschaftlichen Übungen sowie örtlichen Sitten und Gebräuchen verbunden ist, ein Verbot jeder an die Verbraucher gerichteten Werbung … geeignet ist, den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker zu behindern, als es dies für inländische Erzeugnisse tut, mit denen der Verbraucher unwillkürlich besser vertraut ist.“ (Werbeverbot aber aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt)
  • 112. Dienstleistungsfreiheit • Rundfunksendungen (Fernsehen+Hörfunk), Dienste der Informationsgesellschaft (e-Commerce) und sonstige über Internet und digitale Medien angebotene Dienste sind Dienstleistungen iS des Art. 56 AEUV -> Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot. • Vgl EuGH Rs155/73 Sacci und Rs 52/79 Debauve, 18.3.1980 • Weiters: EuGH Rs Cotidel I, Kabelregeling, Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda, Kommission/Niederland, TV 10 SA….
  • 113. Dienstleistungsfreiheit  Beschränkungen der DL-Freiheit  - geschriebene Rechtfertigungsgründe Art 62 iVm Art 52 AEUV (öffentlichen Ordnung, Sicherheit, Gesundheit) + verhältnismäßig  - ungeschriebene Rechtfertigungsgründe (EuGH) = „zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses“, wenn nicht-diskriminierend + verhältnismäßig  für Fernsehtätigkeit zB geistiges Eigentum, Lauterkeit der Handelsverkehrs, Erhaltung eines pluralistischen und nicht kommerziellen Rundfunkwesens, Schutz der Zuschauer vor übermäßiger Werbung
  • 114. Dienstleistungsfreiheit Beispiel EuGH 4.10.2011, Karen Murphy/Media Protection Services, Rs C-403/08 Art Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, – dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach im Inland die Einfuhr, der Verkauf und die Verwendung ausländischer Decodiervorrichtungen, die den Zugang zu einem kodierten Satellitenrundfunkdienst aus einem anderen Mitgliedstaat ermöglichen, der nach der Regelung des erstgenannten Staates geschützte Gegenstände umfasst, rechtswidrig sind …
  • 115. Zur Hintanhaltung von Beschränkungen: Harmonisierung durch die Audiovisuelle MediendiensteRL (früher „FernsehRL“) Erfordernisse, denen durch abschließende Regelung auf Unionsebene Rechnung getragen wurde (Harmonisierung), können von den Mitgliedstaaten nicht mehr geltend gemacht werden: Art 3 AVMD-RL: (1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die Bereich betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind.
  • 116. Beschränkungen außerhalb der Harmonisierung EuGH 9.7.1997, Rs C-34/95 ua) Konsumentombudsmannen/De Agostini Die Richtlinie führt hinsichtlich der Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehprogrammen eine Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Fernsehwerbung und Sponsoring durch, die jedoch nur eine Teilkoordinierung ist. So steht die Richtlinie der Anwendung einer nationalen Regelung grundsätzlich nicht entgegen, die allgemein dem Verbraucherschutz dient, dabei aber keine zweite Kontrolle der Fernsehsendungen zusätzlich zu der vom Sendestaat durchzuführenden Kontrolle einführt. Daher stellt es keine nach der Richtlinie verbotene Beschränkung dar, wenn gegenüber Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten eine Regelung eines Mitgliedstaats … angewendet wird, die mit dem Ziel des Verbraucherschutzes ein System von Verboten und Anordnungen gegenüber den Werbetreibenden unter Androhung von Geldbußen vorsieht.
  • 117. Grundrecht der Medienfreiheit Art 11 GRC: •Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit – (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. – (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.
  • 118. Pflicht zum Filtern und Sperren von Inhalten der Nutzer durch Internetprovider ? EuGH 24.11.2011, Rs C-70/10, Scarlet Extended/SABAM, Das Unionsrecht steht einer Anordnung entgegen, die einem Anbieter von Internetzugangsdiensten auferlegt, auf dessen Kosten ein System der Filterung aller seine Dienste einzurichten, das präventiv und unterschiedslos auf alle seine Kunden zeitlich unbegrenzt anwendbar ist. – Begründung (u.a.): Das Filtersystem könnte auch nach der GRC geschützte Grundrechte der Kunden beeinträchtigen. Zum einen den Schutz personenbezogener Daten, zum anderen die Informationsfreiheit (Art 11 GRC), weil das System möglicherweise nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann.
  • 119. Ähnlich: EuGH Rs C 360/10, SABAM/NETLOG, 16.2.2012 Eine Anordnung, mit der der Hosting-Anbieter (zB Soziales Netzwerk)zur Einrichtung eines Filtersystems verpflichtet wird, mit dem sich Dateien ermitteln lassen, die musikalische, filmische oder audiovisuelle Werke enthalten, um zu verhindern, dass die genannten Werke unter Verstoß gegen das Urheberrecht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, widerspricht ua Art 8 und Art 11 GRC und Art 15 E-CRL
  • 120. Haftung von Providern für Inhalte Dritter? E-Commerce RL Art 12, 13 und 14: Keine Haftung von Durchleitungs-, Host und Cacheprovidern für Inhalte Dritter. Ausnahmen: Provider verändert Inhalte, hat Kenntnis von der Rechtswidrigkeit, entfernt Inhalte nicht zügig, nachdem er Kenntnis erlangt hat („notice and take down“) Artikel 15 E-Commerce RL Keine allgemeine Überwachungspflicht (1) Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.(...)
  • 121. Sperren von urheberrechtswidrig verbreiteten Inhalten durch Internetprovider im Einzelfall? RL zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (2001/29/EG) Artikel 8 (1) Die Mitgliedstaaten sehen bei Verletzungen der in dieser Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vor und treffen alle notwendigen Maßnahmen, um deren Anwendung sicherzustellen. Die betreffenden Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. (…) (3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Beachte: gemäß Art 2 Abs 3a der RL über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums bleiben die Art 12-15 der E-Commerce RL unberührt!
  • 122. EuGH, 27.3.2014, Rs C-314/12, UPC / Constantin Film Verleih Auf Antrag von Constantin Film: Österreichische Gerichte untersagten UPC, ihren Kunden Zugang zur Website von kino.to zu gewähren, wo Filme ohne Zustimmung der Rechteinhaber verbreitet und zum Download bereitgestellt worden waren. EuGH: •„die durch das Unionsrecht anerkannten Grundrechte [stehen] einer gerichtlichen Anordnung nicht [entgegen]… •….mit der einem Anbieter von Internetzugangsdiensten verboten wird, seinen Kunden den Zugang zu einer Website zu ermöglichen, auf der ohne Zustimmung der Rechtsinhaber Schutzgegenstände online zugänglich gemacht werden.“
  • 123. EuGH, UPC/Constantin Dies gilt auch … „… wenn die Anordnung keine Angaben dazu enthält, welche Maßnahmen dieser Anbieter ergreifen muss, und wenn er Beugestrafen wegen eines Verstoßes gegen die Anordnung durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat…“ Es bedarf keiner Spezifizierung der Anordnung, welche Maßnahme ein Provider zu treffen hat – es genügt ein generelles „Erfolgsverbot“. Es genügt, dass Provider nachweist, er habe „alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen“ (selbst wenn nicht erfolgreich).
  • 124. EuGH UPC /Constantin „Die Maßnahmen müssen „bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen… Auch wenn technische Umgehungen möglich sind, ist die Sperranordnung nicht ungültig- allerdings muss „hinreichend“und „zuverlässig“ versucht worden sein, dass Internetnutzer keinen unerlaubten Zugriff haben.
  • 125. Sekundärrecht: Rechtsharmonisierung für „Audiovisuelle Mediendienste“/Fernsehen „Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie“ • Rl zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Rl 2010/13/EU) zur Harmonisierung nationaler Vorschriften über allgemeine Programmanforderungen, Werbung, Jugendschutz, Europäische Inhalte, Gegendarstellung, Kurzberichterstattung…
  • 126. Anwendungsbereich – Definition „Audiovisueller Mediendienst“ • Dienstleistung • Hauptzweck • Bereitstellung von Sendungen (Sendeplan/Katalog) • Angebot bewegter Bilder mit oder ohne Ton • zur Information, Unterhaltung oder Bildung • Redaktionelle Verantwortung • an die allgemeine Öffentlichkeit • über elektronische Kommunikationsnetze
  • 127. „Grundvorschriften“ für alle Dienste  Lineare Dienste: Diensteanbieter bestimmt über Zeitpunkt der Sendung und Programmablauf (sog. Push- Dienste) = Inhalte mit fester Programmabfolge  Nicht-linearen Dienste: Zuseher (Nutzer) entscheidet, zu welcher Zeit welcher Inhalt abgerufen wird (sog. Pull- Dienste) = Inhalte, die auf individuellen Abruf aus einem Programmkatalog zur Auswahl gestellt werden. -> Konsequenz: Abgestufte Regulierung
  • 128. Anwendungsbereich – Definition „Audiovisueller Mediendienst“ EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14 Urteil „New Media Online gg Bundeskommunikationssenat“ Vorlagefragen: 1. Begriff der „Sendung“ (Art 1 Abs 1b AVMD-RL): fällt darunter auch die Bereitstellung kurzer Videos (Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung) in einer Suddomain der Website einer Zeitung? 2. Definitionselement „Hauptweck“ eines AV-Dienstes: Kann bei elektronischen Ausgaben von Zeitungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Hauptzwecks eines angebotenen Dienstes auf einen Teilbereich abgestellt werden, in dem überwiegend kurze Videos gesammelt bereitgestellt werden, die in anderen bereichen des Webauftritts dieses elektronischen Mediums nur zur Ergänzung von Textbeiträgen der Online-Tageszeitung verwendet werden?
  • 129. Anwendungsbereich – Definition „Audiovisueller Mediendienst“ EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14, Urteil „New Media Online gg Bundeskommunikationssenat“
  • 130. EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14 Urteil „New Media Online gg Bundeskommunikationssenat“ 1. Begriff der „Sendung“ (Art 1 Abs 1b AVMD-RL): fällt darunter auch die Bereitstellung kurzer Videos (Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung) in einer Suddomain der Website einer Zeitung? • Vergleichbarkeit der Videosequenzen mit Form und Inhalt von Fernsehprogrammen Nicht aber Vergleichbarkeit der kompletten Kurzvideosammlung mit einem von einem Fernsehveranstalter erstellten kompletten Sendeplan oder Katalog erforderlich! • Sendungsbegriff schließt Videos kurzer Dauer nicht aus. • Auch Kurzvideos richten sich an Massenpublikum und können bei diesem deutliche Wirkung entfalten. • AVMD-Rl will fairen Wettbewerb zwischen herkömmlichen Fernsehen und Mediendiensten auf Abruf. Videos treten in Konkurrenz zu Informationsdiensten regionaler Fernsehsender. Antwort: „Sendung“ umfasst auch die Bereitstellung kurzer Videos in einer Subdomain der Website einer Zeitung.
  • 131. EuGH 21. Oktober 2015, C-347/14 Urteil „New Media Online gg Bundeskommunikationssenat“ 2. Definitionselement „Hauptweck“ eines AV-Dienstes: ErwG 22 AVMD-Rl: Kein AV-Dienst wenn „audiovisuelle Inhalte lediglich eine Nebenerscheinung darstellen und nicht Hauptzweck des Dienstes sind“. • AV-Dienst nicht bereits deswegen vom Anwendungsbereich der AVMD-Rl ausgeschlossen, wenn Dienstebetreiber eine Online- Zeitung verlegt oder im Rahmen der Website einer Zeitung zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird (Gefahr der Umgehung der Richtlinie!) • Irrelevant, ob AV-Dienst im Hauptbereich oder in einer Subdomaine der Zeitung präsentiert wird. Antwort: „Bei Auslegung des „Hauptzwecks“ ist darauf abzustellen, ob der Video-Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Website eine eigenständige und nicht nur eine mit dem Textangebot untrennbar verbundene ergänzende Tätigkeit ist.
  • 132. „Sendestaatprinzip“ (Ursprungslandprinzip) • Jeder MS sorgt dafür, dass alle AVM-Dienste, die von seiner Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern übertragen werden, den Vorschriften seines Rechtssystems entsprechen. • Der MS ist verpflichtet, in seinem Rechtssystem die Anforderungen der AVMD-Rl umzusetzen. • MS behindern den Empfang von AVM-Diensten aus anderen MS, die der AVMD-Rl entsprechen, nicht. • MS können den ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern auch strengere/ausführlichere Vorschriften als in der Richtlinie auferlegen.
  • 133. „Abgestufte Regulierung“ in der AVMDRl • Mindestvorschriften für alle Dienste, zB – Zugang Minderjähriger zu Inhalten – Verbot der Aufstachelung zu Hass, Diskriminierung… – Grundanforderungen an kommerzielle Kommunikation (Erkennbarkeit, keine Schleichwerbung oder subliminale Techniken) – Sponsoring und Product-Placement – Diskriminierungsverbot (Rasse, Geschlecht; Religion..), Menschenwürde – Förderung europäischer Werke (linear: „Quotenregelungen“) • Zusätzlich nur für lineare Dienste, zB – Unterbrecherwerbung, Werbezeiten, Einzelspots… – Kurzberichterstattung – Schutz Minderjähriger – Förderung europäischer Inhalte für nicht-lineare Dienste
  • 134. Ausschließliche Rechte an und Kurzberichterstattung in Fernsehsendungen Ausschließliche Rechte (Art 14 AVMD-Rl)  „Listenregelung“ auf nationaler Ebene mit Ereignissen von „erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“  Gegenseitige Anerkennung der MS bzgl Listen  Verpflichtung: bedeutender Teil der Öffentlichkeit muss Ereignis im Wege direkter oder zeitversetzter Berichterstattung in einer frei zugänglichen Fernsehen verfolgen können
  • 135. Deutschland: § 4 RStV „Liste“ Deutschland (auch Abl L 180/10): 1. Olympische Sommer- oder Winterspiele; 2. bei Fußball-Europa- und -Weltmeisterschaften alle Spiele mit deutscher Beteiligung sowie unabhängig von einer deutschen Beteiligung das Eröffnungsspiel, die Halbfinalspiele und das Endspiel; 3. die Halbfinalspiele und das Endspiel um den Vereinspokal des Deutschen Fußballbundes; 4. Heim- und Auswärtsspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft; 5. Endspiele der europäischen Vereinsmeisterschaften im Fußball (Champions League, UEFA-Cup) bei deutscher Beteiligung.
  • 136. EuGH, 18.7.2013, Rs C-201/11 P ua UEFA, FIFA/Kommission (Rechtsmittel gegen Entscheidung d. Gerichts) • „Zwar werden der freie Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit, der freie Wettbewerb und das Eigentumsrecht beeinträchtigt, wenn ein Mitgliedstaat bestimmte Ereignisse als Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung bezeichnet und ihre Exklusivübertragung verboten wird. • Solche Beeinträchtigungen sind jedoch durch das Ziel gerechtfertigt, das Recht auf Informationen zu schützen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung über derartige Ereignisse zu verschaffen. • Wenn ein Mitgliedstaat ein Ereignis regelkonform als Ereignis von erheblicher Bedeutung bezeichnet hat, hat EK nur deren Auswirkungen auf die unionsrechtlich anerkannten Freiheiten und Rechte zu prüfen, die über die Auswirkungen hinausgehen, die an sich mit dieser Einstufung verbunden sind.
  • 137. EuGH UEFA, FIFA/Kommission: • Nicht alle Spiele der Endrunden der Weltmeisterschaft und der EURO haben die gleiche Bedeutung für die Öffentlichkeit, da deren besondere Aufmerksamkeit den entscheidenden Spielen der besten Mannschaften – wie dem Endspiel oder den Halbfinalspielen – und den Spielen mit Beteiligung der eigenen Nationalmannschaft gilt. Daher sind diese Turniere als Ereignisse anzusehen, die grundsätzlich in verschiedene Spiele oder Phasen aufgeteilt werden können… • Aber im konkreten Fall (in Belgien und UK): alle Spiele der Endrunden der beiden betroffenen Wettbewerbe haben Interesse hervorrufen, das groß genug ist, um zu einem Ereignis von erheblicher Bedeutung gehören zu können. Insoweit ergab sich aus den Akten zum einen, dass diese Turniere in ihrer Gesamtheit bei der breiten Öffentlichkeit und nicht nur bei denjenigen, die ohnehin Fußballspiele im Fernsehen verfolgten, immer sehr populär waren. Zum anderen waren sie in den betreffenden Mitgliedstaaten bis dahin im frei zugänglichen Fernsehen übertragen worden. -> Daher von UEFA und FIFA eingelegte Rechtsmittel zurückgewiesen.
  • 138. Kurzberichterstattungsrecht (Art 15 AVMD-RL) • Ereignisse von allgemeinem Informationsinteresse (Fußball, Konzerte etc) – jedem TV-Veranstalter ist vom Exklusivrechteinhaber Zugang zum Sendesignal gewähren • Zur Herstellung kurzer Ausschnitte für allgemeine Nachrichtenzwecke • Kostenerstattung nur für die Kosten des Zugangs In Deutschland: siehe § 5 RStV (umfasst auch Zugang zum Veranstaltungsort!)
  • 139. Kurzberichterstattung/Kosten EuGH 22.1.2013, C-283/11 (Sky Österreich / ORF) Fallen für den Zugang zu einem Sendesignal keine Kosten an, ist ein Kurzbericht über ein Ereignis mit großem öffentlichen Interesse unentgeltlich. Eine auf die technisch bedingten Aufwendungen beschränkte Kostenerstattung an den Inhaber von exklusiven Übertragungs- rechten ist mit der Grundrechtecharta vereinbar.
  • 140. Kurzberichterstattung/Kosten EuGH Sky Österreich / ORF Die Regelung ….. • dient dem Gemeinwohl, da sie bezweckt, das Grundrecht auf Informationsfreiheit zu wahren und den Pluralismus zu fördern • ist geeignet und erforderlich. Der Unionsgesetzgeber war zu der Annahme berechtigt, dass mit einer Regelung, die eine Kostenerstattung vorsieht, die die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs zum Signal verbundenen zusätzlichen Kosten übersteigt, dieses Ziel nicht genauso wirksam erreicht werden könnte. • ist verhältnismäßig. Dem Unionsgesetzgeber stand es frei, Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit vorzusehen und zugleich im Hinblick auf die erforderliche Gewichtung der betroffenen Rechte und Interessen den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen gegenüber der Vertragsfreiheit privilegieren.“
  • 141. Europäisches Wettbewerbsrecht  Kartellverbot  Missbrauchsverbot  Fusionskontrolle  Beihilfenkontrolle
  • 142. Kartellverbot (Art 101 AEUV) • Ein Kartell ist – eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise zwischen selbständigen Unternehmen oder einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung, – die/der geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen und eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt • Kartelle sind verboten, da sie den freien Wettbewerb im Binnenmarkt der EU beeinträchtigen (schädigen Konkurrenten, Konsumenten, Kartell-„Aussteiger“ )
  • 143. Ausnahmen vom Kartellverbot • Voraussetzungen (Art 101 Abs 3 AEUV): – Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, Beitrag zum wirtschaftlichen oder technischen Fortschritt – Angemessene Beteiligung der Verbraucher an den daraus resultierenden Vorteilen – Keine Wettbewerbsbeschränkungen, die über das hinausgehen, was zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist – Funktionierender Wettbewerb auf dem von der Vereinbarung betroffenen Markt = müssen kumulativ (dh gleichzeitig) erfüllt sein!
  • 144. Beispiel Kartellrecht (1) • Gemeinsame Vermarktung von Sportrechten: zB EUROVISON/EBU/UEFA – von der EK mit Entscheidung vom 10. Mai 2000 (2000/400/EC) genehmigt: – Vereinbarung fällt unter Art 101 AEUV, da sie den Wettbewerb zwischen den EBU-Sendeanstalten beschränkt, ABER EK erteilte Freistellung da • 1.Reduktion von Transferkosten zugunsten kleinerer Sendeanstalten aus kleineren Staaten • 2.ermöglicht mehr Sportprogramme besserer Qualität • 3. grenzüberschreitender Austausch von Fernsehprogrammen fördert den Binnenmarkt • EuG, Rs. 8.10.2002 T-185/00 ua – Gemeinsame Vermarktung mit dem Wettbewerbsrecht unvereinbar, da durch Erwerb und Austausch von Fernsehrechten über die EBU • der Wettbewerb unter deren Mitgliedern und • der Wettbewerb gegenüber den Nichtmitgliedern auf Grund der Vergabe der Sendelizenzen als Exklusivlizenzen innerhalb der EBU unzulässig beschränkt ist. (EuGH bestätigte Urteil, EuGH 27.9.2004 Rs C-470/02 P)
  • 145. Beispiel Kartellrecht (2) • Gerichtshof der EU: Rs C-403/08 und C-429/08, Premier League ua/QC Leisure ua sowie Karen Murphy/Media Protection Services Ltd – Ein Lizenzsystem für die Weiterverbreitung von Fußballspielen, das Rundfunkanstalten eine gebietsabhängige Exklusivität für einzelne Mitgliedstaaten einräumt und den Fernsehzuschauern untersagt, diese Sendungen in den anderen Mitgliedstaaten mittels einer Decoderkarte anzusehen, verstößt gegen den freien Dienstleistungsverkehr und das Kartellverbot.
  • 146. Beispiel Kartellrecht (3) EuGH 4.10.2011, Rs C 403/08, Murphy/Media Protection Services Die Klauseln eines Vertrags über eine ausschließliche Lizenz zwischen einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums und einem Sendeunternehmen stellen eine nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbewerbsbeschränkung dar, sofern sie dem Sendeunternehmen die Pflicht auferlegen, keine den Zugang zu den Schutzgegenständen dieses Rechtsinhabers ermöglichenden Decodiervorrichtungen zum Zweck ihrer Verwendung außerhalb des vom Lizenzvertrag erfassten Gebiets zur Verfügung zu stellen.
  • 147. Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung • Art 102 AEUV verbietet: – missbräuchliche Ausnutzung – einer beherrschenden Stellung • auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil davon • durch Unternehmen, – soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
  • 148. Wann liegt eine marktbeherrschende Stellung vor? • Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der Lage, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zu verhindern, – indem es sich seinen Wettbewerbern, seinen Kunden und Konsumenten gegenüber weitgehend unabhängig verhalten kann. • Marktanteil ist wichtiges Indiz – z.B. 80 % Marktanteil, Monopol/Oligopol > Marktbeherrschung
  • 149. Wann liegt ein Missbrauch vor? • Unternehmen diktiert Bedingungen, die es unter Wettbewerbsbedingungen nicht durchsetzen könnte: – Behinderungsmissbrauch: richtet sich gegen Mitbewerber – Ausbeutungsmissbrauch: richtet sich gegen Marktgegenseite (Abhängigkeit der Marktpartner)
  • 150. Missbrauchsverbot • Beispiel: Microsoft/Europäische Kommission; E vom 24.3.2004, KOM (2004)900 endf (ABl. EU 2007, Nr. L 32, 23) – Missbräuchliches Verhalten von Microsoft durch unzulässige Kopplung des marktbeherrschenden Betriebssystems mit dem Windows Media Player; Verweigerung der Offenlegung des Quellcodes führt zur Einschränkung der Entwicklung anderer Marktteilnehmer.
  • 151. Missbrauchsverbot • Beispiel: Zugangsverweigerung zu Ressourcen/Infrastrukturen zu Lasten von Konkurrenten bei Vorliegen einer „essential facility“ – Essential facility: Einrichtungen/Leistungen eines Unternehmens, • die nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen aufgebaut oder angeboten werden können, • die unabdingbar sind, um bestimmte Folgeprodukte oder –Leistungen anbieten zu können. – Zugang ist einzuräumen, wenn, • Vorleistung für Dritte unerlässlich ist • Verweigerung des Zugangs den Wettbewerb auf dem separaten Markt verhindert • keine Rechtfertigung für die Verweigerung des Zugangs
  • 152. Essential facility • Verweigerung des Zugangs zu einem Vertriebssystem für Printmedien EuGH 26.11.1998, Rs C-7/1997, Bronner / Mediaprint • Keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung, wenn ein Presseunternehmen, das das einzige bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren. • Begründung: Es gibt Alternativen (Post, Kioskverkauf); Wettbewerb auf Tageszeitungsmarkt wird nicht ausgeschaltet
  • 153. Fusionskontrolle • Fusionskontrollverordnung (VO 139/2004) • Ziel der Fusionskontrolle ist zu verhindern, dass – durch einen Zusammenschluss von Unternehmen wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird – und zwar insbesondere infolge der Begründung oder Stärkung einer marktbeherrschenden Stellung
  • 154. Fusionskontrolle  Arten von Unternehmenszusammenschlüssen – Verschmelzung – Kontrollerwerb – Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens  Zusammenschluss muss von gemeinschaftsweiter Bedeutung sein. Schwellenwerte sind zu beachten: Europäische / Nationale Fusionskontrolle; gemeinschaftsweite Bedeutung wenn die beteiligten Unternehmen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als 5 Mrd EUR + gemeinschaftsweit Gesamtumsatz von mehr als 250 Mrd EUR erzielen.
  • 155. Fusionskontrolle • Keine sektorspezifische Sonderregelung für den Medienbereich (vgl. demgegenüber im nationalen Recht § 38 Abs. 3 GWB) • § 21 Fusionskontoll-VO: – Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts ist gesperrt, wenn es sich um Fall handelt, der in den Anwendungsbereich der europäischen Fusionskontrolle fällt (Abs.3) – Mitgliedstaaten ist es aber möglich, geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen (zb Medienvielfalt) zu treffen (Abs. 4) -> Zusammenschluss kann aus europäischer Sicht unbedenklich sein, aber nach nationalem Recht ist Untersagung wegen Vielfaltsicherung der Medien möglich (vgl. zB Meinungsmachtkontrolle durch KEK).
  • 156. Fusionskontrolle, Beispiele Untersagt • Bertelsmann/Kirch/Telekom (9.11.1994) • Bertelsmann/Kirch/Premiere/Telekom/BetaResearch (27.5.1998) Grund: Schaffung einer marktbeherrschendenStellung im Pay- TV Bereich. Genehmigt • Yahoo!/Microsoft (18.2.2010) Konkurrenz zu 90% Marktbeherrscher Google • Bertelsmann/Pearson (8.4.2013) Weiterhin mehrere große Unternehmen als Mitbewerber am Rechte- und Verkaufsmarkt vorhanden.
  • 157. Ist die Finanzierung des ö-r Rundfunks mit dem Beihilfenverbot vereinbar? • Art 107 AEUV verbietet: – Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, gleich welcher Art, – die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. • Staatliche Beihilfe = jede staatliche Begünstigung ohne äquivalente Gegenleistung: – Zuschüsse, günstige Haftungsübernahmen, Steuerbefreiungen, Quersubventionierungen, etc. – Allgemeine konjunkturpolitische Maßnahmen sind keine Beihilfen
  • 158. Ausnahmen vom Beihilfenverbot • Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind (Art. 107 Abs 2 AEUV): – Beihilfen für Katastrophenfälle – Soz. Beihilfen an einzelne Verbraucher • Kommission kann staatliche Beihilfen ausnahmsweise genehmigen (Art. 107 Abs 3 AEUV), z.B. – Beihilfen zur Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Gebiete – De-minimis-Beihilfen, etc.
  • 159. Beschwerdeverfahren Privater Veranstalter bei EK ab 1990iger Jahren gegen öffentliche Finanzierung der ö-r Rundfunkanstalten wegen angeblicher Martkverzerrung Liste der Verfahren (abgeschlossen) zum ö-r Rundfunk/DG Wettbewerb: http://ec.europa.eu/competition/sectors/media/decisions_psb.pdf Beispiele : Kommissionsentscheidung zur Finanzierung der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, KOM (2007) 1761 end vom 24.4.2007 Kommissionsentscheidung zur Finanzierung des Österreichischen Rundfunks. vom 29.10.2009 K(2009)8113endg.
  • 160. Amsterdamer Protokoll von 1997 über den öffentlich- rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten: DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN -  IN DER ERWÄGUNG, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Mitgliedstaaten unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft ist, den Pluralismus in den Medien zu wahren  SIND über folgende auslegende Bestimmung ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist:  Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft berühren nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist.
  • 161. Handelt es sich bei der Rundfunkgebühr überhaupt um staatliche Mittel? Argumente dagegen: KEF und GEZ sind keine Einrichtungen des Staates und Mittel fließen nicht (zunächst) in den Staatshaushalt (aus dem sie wieder umgeschichtet würden) – daher keine staatliche Zahlung iS EuGH 13.3.2001, Rs C-379/98, Preußen-Elektra Aber: Letztentscheidungskompetenz bei Landesregierungen und Landesparlamenten, die Gebührenvorschlag der KEF in einen Staatsvertrag aufnehmen – doch staatlich? Für Gebühren spricht: EuGH, 13.12.2007, C-337/06 – Bayrischer Rundfunk ua/GEWA -Finanzierung des Rundfunks hat Ursprung im RfStV (kein Rechtsgeschäft). Gebührenhöhe wird durch KEF festgestellt, welcher der Staat Hoheitsbefugnisse übertragen habe. Gebühren zwangsweise vollstreckbar…. -Merkmal „Finanzierung durch den Staat“ funktionell zu betrachten – öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten sind öffentliche Auftraggeber.