SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 5
Wissenschaftliches Institut
                                                                         der AOK

                                                        HAUSANSCHRIFT Rosenthaler Str. 31 · D-10178 Berlin
Pressemitteilung                                        POSTANSCHRIFT Postfach 11 02 46 · D-10832 Berlin
                                                               TELEFON +49 30 34646-2393
                                                                   FAX +49 30 34646-2144
                                                              INTERNET www.wido.de
Berlin, 8. Dezember 2010                                        E-MAIL wido@wido.bv.aok.de




Ärzte verkaufen immer mehr Privatleistungen an gesetzlich
Krankenversicherte
Jede si ebte Pri vat- Leistung ohne Rechnung
Berlin. Niedergelassene Ärzte verkaufen immer mehr private Leistungen an gesetzlich
Krankenversicherte. Inzwischen wird mehr als jedem vierten Versicherten (28,3 %)
binnen Jahresfrist eine medizinische Leistung auf Privatrechnung verkauft, die
Zusatzeinnahmen der Ärzte bei der Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten
sind damit auf rd. 1,5 Mrd. Euro im Jahr angewachsen. Die geforderte schriftliche
Vereinbarung von Privatleistungen an gesetzlich Krankenversicherte unterblieb in
54,4 Prozent der Fälle, die Einnahmen für jede siebte Privatleistung entstanden sogar
ohne Rechnung. Dies ist ein Ergebnis des aktuellen WIdOmonitors, einer
repräsentativen bundesweiten Befragung von 2.500 GKV-Versicherten, die das
Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) am Mittwoch in Berlin vorstellte.

Die weitere Analyse ergibt, dass in der Arztpraxis privat zu zahlende Zusatzleistungen, auch
als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) bezeichnet, vor allem Patienten angeboten
werden, die über ein höheres Einkommen verfügen. WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber:
“Ärzte werden offenbar auch als Verkäufer immer besser.“ Nach Aussage der Patienten ging
die Initiative für IGeL meistens vom Arzt aus. Von den Befragten geben rd. drei Viertel an,
nicht von sich aus nach einer solchen Leistung gefragt zu haben. Lediglich 28,9 % der Inter-
viewten bejahen dies.

Während in der unteren Einkommensgruppe (unter 1.000 Euro) nur jeder Sechste (16,9 %)
Privatleistungen angeboten bekam, berichtet bei Einkommen über 4.000 Euro mehr als ein
Drittel (38,8 %) der befragten Versicherten über entsprechende Erfahrungen in der Arztpra-
xis. Die meisten IGeL-Angebote entfallen laut WIdO-Analyse auf Ultraschalluntersuchungen
(Sonografien) (20 %), gefolgt von Glaukomvorsorgeuntersuchungen (16,2 %) und Verord-
nungen von Medikamenten oder Heil- und Hilfsmittel (11,5 %). Auf diese drei Leistungsgrup-
pen entfällt fast die Hälfte aller IGeL-Angebote.

Dabei bietet die Ärzteschaft private Zusatzleistungen mit unterschiedlicher Intensität an. An
der Spitze liegen Augenärzte und Gynäkologen, sie bieten im Mittel 6- bis 7-Mal so häufig
wie Allgemeinmediziner IGeL an. Es folgen Urologen, die fünfmal so häufig private Zusatz-




                                                                                         Seite 1 von 5
W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O )                   Seite 2 von 5

W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0




leistungen anbieten sowie Orthopäden und Hautärzte mit rd. dem vierfachen Angebot im
Vergleich zum Durchschnitt der Allgemeinmediziner.

Besonders kritisch ist diese Entwicklung nach Ansicht von Dr. med. Gerhard Schillinger vom
AOK-Bundesverband auch deshalb zu sehen, weil die Krankenkassen alles bezahlen, was
einen nachgewiesenen Nutzen hat und medizinisch notwendig ist. Ärzte stellen zudem häu-
fig auch Leistungen als „Individuelle Gesundheitsleistungen“ in Rechnung, die eigentlich
Standardleistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind, für die deshalb niemand zusätz-
lich bezahlen muss. Das gilt zum Beispiel für medizinisch notwendige Ultraschalluntersu-
chungen oder das Hautkrebsscreening. Viele angebotene IGe-Leistungen sind nicht nur un-
nötig, sondern können auch problematisch sein. Die AOK bietet daher im Netz ihren IGeL-
Ratgeber und Entscheidungshilfen z.B. bei der Frage, ob man die IGe-Leistung der PSA-
Bestimmung      kaufen     sollte.  http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/ige-leistungen-
2491.php und: http://www.aok.de/bund/psa/content/

Die rechtlichen Vorgaben zur Vereinbarung und Berechnung von Selbstzahlerleistungen für
diese „Individuellen Gesundheitsleistungen“ werden nicht einmal in der Hälfte aller Fälle kor-
rekt eingehalten. So muss der GKV-Versicherte – wenn es rechtlich korrekt zugehen würde -
bei der Inanspruchnahme individueller Gesundheitsleistungen vor Behandlungsbeginn
schriftlich bestätigen, dass er ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden.
Ebenso muss der Patient eine Rechnung über die erbrachte Privatleistung erhalten, die de-
tailliert die Leistungsbestandteile und deren Preis nennt. Die schriftliche Vereinbarung erfolg-
te nach Aussage der Befragten jedoch lediglich in 45,6 % der Fälle, 14,5 % geben an, keine
Rechnung erhalten zu haben.

Die Analysen zeigten auch, dass der IGeL-Markt das Arzt-Patienten-Verhältnis belaste, so
Klaus Zok, Studienleiter im WIdO. Drei Viertel der befragten Patienten (76,9%) befürchten
eine Verschlechterung des Vertrauensverhältnisses zum Arzt, nur 17,9 % erwarten eine Ver-
besserung der Arzt-Patienten-Beziehung.

Mehr Infos im Internet:
Der WIdOmonitor 2/2010 steht unter http://www.wido.de/wido_monitor_2_2010.html mit allen
Ergebnissen zum Download bereit.


Pressekontakt:

Wissenschaftliches Institut der AOK, Klaus Zok

Tel.: 030/34646-2134

Fax: 030/34646-2144
E-Mail: wido@wido.bv.aok.de
W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O )                                Seite 3 von 5

W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0




Der Anteil der GKV-Versicherten mit IGeL-Erfahrung ist im
Zeitverlauf gestiegen.

„Ist Ihnen - im Laufe der letzten 12 Monate - in einer Arztpraxis eine ärztliche
Leistung als Privatleistung angeboten oder in Rechnung gestellt worden?“
       Zustimmung in %
 30

 25                                                                                                    28,3
                                                                                  26,7
                                                                     25,2
 20                                               23,1

 15
                                16,0
 10
             8,9
  5

  0
            2001               2004              2005                2007         2008             2010
                                                           Jahr
Quelle: WIdOmonitor 2/2010                                                                         © WIdO 2010



Versicherte mit höherem Einkommen und überdurch-
schnittlicher Schulbildung bekommen IGeL deutlich häufi-
ger angeboten als andere.

„Ist Ihnen - im Laufe der letzten 12 Monate - in einer Arztpraxis eine ärztliche
Leistung als Privatleistung angeboten oder in Rechnung gestellt worden?“
       Zustimmung in %
 45
 40
 35                                                                   38,8

 30                                                        33,9                                           34,0
                                                 29,9                                          29,3
 25      28,3                          28,3

 20
                                                                                    20,9
 15                          16,9
 10
   5
   0
        insgesamt            < 1.000   1.000 –   2.000 –   3.000 –   4.000 und     einfach    mittel      hoch
                                       <2.000    <3.000    <4.000      mehr

                         monatliches Haushaltsnettoeinkommen in Euro                       Schulbildung

Quelle: WIdOmonitor 2/2010                                                                         © WIdO 2010
W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O )                                     Seite 4 von 5

W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0




Auf die Leistungsgruppen Ultraschall, Glaukomvorsorge-
untersuchungen und zusätzliche Verordnungen für Medi-
kamente bzw. Heil- und Hilfsmittel entfällt fast die Hälfte
der angebotenen IGeL.

Die Verteilung privat angebotener beziehungsweise nachgefragter Leistungen
in der Arztpraxis – „Welche Leistung war das genau?“*

                                                                       Angaben in %
                    Ultraschalluntersuchungen                                                                20,0
                Glaukomvorsorgeuntersuchung                                                           16,2
          Medikament bzw. Heil- und Hilfsmittel                                             11,5
         Blutuntersuchungen / Laborleistungen                                             10,1
            keine vertragsärztlichen Leistungen                                           10,0
    ergänzende Krebsfrüherkennung bei Frauen                                              9,9
                         PSA-Wert-Bestimmung                                      6,2
                            Hautkrebsvorsorge                                  4,4
                        Knochendichtemessung                                  3,8
                                    Akupunktur                               3,2
                       Kosmetische Leistungen                             1,3
                                           EKG                            1,0
                    Nahrungsergänzungsmittel                              0,9
                                      Sonstiges                           1,5
* von insgesamt 791 angebotenen oder nachgefragten Leistungen, ohne zahnärztliche Leistungen

Quelle: WIdOmonitor 2/2010                                                                              © WIdO 2010


Berücksichtigt man die Größe der einzelnen Arztgruppen,
so machen Fachärzte deutlich häufiger IGeL-Angebote als
die größere Gruppe der Allgemeinmediziner.

Modellrechnung zur durchschnittlichen Anzahl der IGeL-Angebote pro Arzt*
und Jahr

                 Augenarzt                                                                                     578
                Frauenarzt                                                                                   544
                   Urologe                                                                      431
                Orthopäde                                                                 387
                  Hautarzt                                                      311
Prakt. Arzt/Allgemeinmed.                           89
                  Internist                    48
 sonstige Fachrichtungen                     27
* ohne Zahnärzte

Quelle: WIdOmonitor 2/2010                                                                              © WIdO 2010
W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O )                        Seite 5 von 5

W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0




Dreiviertel der Versicherten, die durch IGeL eine Beein-
flussung des Vertrauensverhältnisses sehen, befürchten
eine Verschlechterung.

Wird Ihrer Meinung nach das Vertrau-                        Wird das Verhältnis zwischen Arzt und
ensverhältnis zwischen Arzt und Pati-                       Patient durch das zusätzliche Angebot
ent durch das zusätzliche Angebot                           privater Leistungen verschlechtert
privater, individueller Gesundheitsleis-                    oder verbessert?
tungen in irgendeiner Weise beein-
flusst?

                                                                            weiß nicht
                   50,5 %                                                     5,2 %
                                       47,4 %
                                                                                         verbessert
                                                                                           17,9 %




                                                                    verschlechtert
                                                                        76,9 %
   2,1 %

weiß nicht           nein                  ja
647 GKV-Versicherte mit IGeL-Erfahrungen in den vergangenen zwölf Monaten

Quelle: WIdOmonitor 2/2010                                                                © WIdO 2010

Weitere ähnliche Inhalte

Andere mochten auch

Andere mochten auch (9)

Web 2.0
Web 2.0Web 2.0
Web 2.0
 
Pirelli Kalender 2012.pdf
Pirelli Kalender 2012.pdfPirelli Kalender 2012.pdf
Pirelli Kalender 2012.pdf
 
USP-D WP HR Strategie Workshop
USP-D WP HR Strategie WorkshopUSP-D WP HR Strategie Workshop
USP-D WP HR Strategie Workshop
 
Sichere Webarchitekturen in der Cloud
Sichere Webarchitekturen in der CloudSichere Webarchitekturen in der Cloud
Sichere Webarchitekturen in der Cloud
 
Crowd Product Management
Crowd Product ManagementCrowd Product Management
Crowd Product Management
 
Präsentationstraining charts
Präsentationstraining chartsPräsentationstraining charts
Präsentationstraining charts
 
Beschreibung zentaurus rev.1.2
Beschreibung zentaurus rev.1.2Beschreibung zentaurus rev.1.2
Beschreibung zentaurus rev.1.2
 
C1 SetCon Broschüre TAPE
C1 SetCon Broschüre TAPEC1 SetCon Broschüre TAPE
C1 SetCon Broschüre TAPE
 
Sport macht fit!
Sport macht fit!Sport macht fit!
Sport macht fit!
 

Mehr von unn | UNITED NEWS NETWORK GmbH

Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdfPresseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdfunn | UNITED NEWS NETWORK GmbH
 
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdfVerkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdfunn | UNITED NEWS NETWORK GmbH
 
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdfPresseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdfunn | UNITED NEWS NETWORK GmbH
 

Mehr von unn | UNITED NEWS NETWORK GmbH (20)

Über den Valentinstag.pdf
Über den Valentinstag.pdfÜber den Valentinstag.pdf
Über den Valentinstag.pdf
 
PM.pdf
PM.pdfPM.pdf
PM.pdf
 
130124_zoll_weltzolltag.pdf
130124_zoll_weltzolltag.pdf130124_zoll_weltzolltag.pdf
130124_zoll_weltzolltag.pdf
 
AL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdf
AL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdfAL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdf
AL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdf
 
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdfPresseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
 
Presseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdf
Presseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdfPresseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdf
Presseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdf
 
130121RettedeinenNächstenRotary.pdf
130121RettedeinenNächstenRotary.pdf130121RettedeinenNächstenRotary.pdf
130121RettedeinenNächstenRotary.pdf
 
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdfVerkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
 
ZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdf
ZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdfZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdf
ZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdf
 
V.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdfV.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdf
 
V.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdfV.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdf
 
4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf
4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf
4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf
 
Prinz_Charles_besucht_Halewood.pdf
Prinz_Charles_besucht_Halewood.pdfPrinz_Charles_besucht_Halewood.pdf
Prinz_Charles_besucht_Halewood.pdf
 
PI Daimler Mobility Services.pdf
PI Daimler Mobility Services.pdfPI Daimler Mobility Services.pdf
PI Daimler Mobility Services.pdf
 
PM.pdf
PM.pdfPM.pdf
PM.pdf
 
36_imm cologne_Schlussbericht.pdf
36_imm cologne_Schlussbericht.pdf36_imm cologne_Schlussbericht.pdf
36_imm cologne_Schlussbericht.pdf
 
01-21-AI-Graziano.pdf
01-21-AI-Graziano.pdf01-21-AI-Graziano.pdf
01-21-AI-Graziano.pdf
 
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdfPresseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
 
Text EÖ-PK 2013 .pdf
Text EÖ-PK 2013 .pdfText EÖ-PK 2013 .pdf
Text EÖ-PK 2013 .pdf
 
PM4 INVENTA Garden.pdf
PM4 INVENTA Garden.pdfPM4 INVENTA Garden.pdf
PM4 INVENTA Garden.pdf
 

2010-12-08_wido_pm_widomonitor Privatleistungen.pdf

  • 1. Wissenschaftliches Institut der AOK HAUSANSCHRIFT Rosenthaler Str. 31 · D-10178 Berlin Pressemitteilung POSTANSCHRIFT Postfach 11 02 46 · D-10832 Berlin TELEFON +49 30 34646-2393 FAX +49 30 34646-2144 INTERNET www.wido.de Berlin, 8. Dezember 2010 E-MAIL wido@wido.bv.aok.de Ärzte verkaufen immer mehr Privatleistungen an gesetzlich Krankenversicherte Jede si ebte Pri vat- Leistung ohne Rechnung Berlin. Niedergelassene Ärzte verkaufen immer mehr private Leistungen an gesetzlich Krankenversicherte. Inzwischen wird mehr als jedem vierten Versicherten (28,3 %) binnen Jahresfrist eine medizinische Leistung auf Privatrechnung verkauft, die Zusatzeinnahmen der Ärzte bei der Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten sind damit auf rd. 1,5 Mrd. Euro im Jahr angewachsen. Die geforderte schriftliche Vereinbarung von Privatleistungen an gesetzlich Krankenversicherte unterblieb in 54,4 Prozent der Fälle, die Einnahmen für jede siebte Privatleistung entstanden sogar ohne Rechnung. Dies ist ein Ergebnis des aktuellen WIdOmonitors, einer repräsentativen bundesweiten Befragung von 2.500 GKV-Versicherten, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) am Mittwoch in Berlin vorstellte. Die weitere Analyse ergibt, dass in der Arztpraxis privat zu zahlende Zusatzleistungen, auch als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) bezeichnet, vor allem Patienten angeboten werden, die über ein höheres Einkommen verfügen. WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber: “Ärzte werden offenbar auch als Verkäufer immer besser.“ Nach Aussage der Patienten ging die Initiative für IGeL meistens vom Arzt aus. Von den Befragten geben rd. drei Viertel an, nicht von sich aus nach einer solchen Leistung gefragt zu haben. Lediglich 28,9 % der Inter- viewten bejahen dies. Während in der unteren Einkommensgruppe (unter 1.000 Euro) nur jeder Sechste (16,9 %) Privatleistungen angeboten bekam, berichtet bei Einkommen über 4.000 Euro mehr als ein Drittel (38,8 %) der befragten Versicherten über entsprechende Erfahrungen in der Arztpra- xis. Die meisten IGeL-Angebote entfallen laut WIdO-Analyse auf Ultraschalluntersuchungen (Sonografien) (20 %), gefolgt von Glaukomvorsorgeuntersuchungen (16,2 %) und Verord- nungen von Medikamenten oder Heil- und Hilfsmittel (11,5 %). Auf diese drei Leistungsgrup- pen entfällt fast die Hälfte aller IGeL-Angebote. Dabei bietet die Ärzteschaft private Zusatzleistungen mit unterschiedlicher Intensität an. An der Spitze liegen Augenärzte und Gynäkologen, sie bieten im Mittel 6- bis 7-Mal so häufig wie Allgemeinmediziner IGeL an. Es folgen Urologen, die fünfmal so häufig private Zusatz- Seite 1 von 5
  • 2. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 2 von 5 W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0 leistungen anbieten sowie Orthopäden und Hautärzte mit rd. dem vierfachen Angebot im Vergleich zum Durchschnitt der Allgemeinmediziner. Besonders kritisch ist diese Entwicklung nach Ansicht von Dr. med. Gerhard Schillinger vom AOK-Bundesverband auch deshalb zu sehen, weil die Krankenkassen alles bezahlen, was einen nachgewiesenen Nutzen hat und medizinisch notwendig ist. Ärzte stellen zudem häu- fig auch Leistungen als „Individuelle Gesundheitsleistungen“ in Rechnung, die eigentlich Standardleistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind, für die deshalb niemand zusätz- lich bezahlen muss. Das gilt zum Beispiel für medizinisch notwendige Ultraschalluntersu- chungen oder das Hautkrebsscreening. Viele angebotene IGe-Leistungen sind nicht nur un- nötig, sondern können auch problematisch sein. Die AOK bietet daher im Netz ihren IGeL- Ratgeber und Entscheidungshilfen z.B. bei der Frage, ob man die IGe-Leistung der PSA- Bestimmung kaufen sollte. http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/ige-leistungen- 2491.php und: http://www.aok.de/bund/psa/content/ Die rechtlichen Vorgaben zur Vereinbarung und Berechnung von Selbstzahlerleistungen für diese „Individuellen Gesundheitsleistungen“ werden nicht einmal in der Hälfte aller Fälle kor- rekt eingehalten. So muss der GKV-Versicherte – wenn es rechtlich korrekt zugehen würde - bei der Inanspruchnahme individueller Gesundheitsleistungen vor Behandlungsbeginn schriftlich bestätigen, dass er ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden. Ebenso muss der Patient eine Rechnung über die erbrachte Privatleistung erhalten, die de- tailliert die Leistungsbestandteile und deren Preis nennt. Die schriftliche Vereinbarung erfolg- te nach Aussage der Befragten jedoch lediglich in 45,6 % der Fälle, 14,5 % geben an, keine Rechnung erhalten zu haben. Die Analysen zeigten auch, dass der IGeL-Markt das Arzt-Patienten-Verhältnis belaste, so Klaus Zok, Studienleiter im WIdO. Drei Viertel der befragten Patienten (76,9%) befürchten eine Verschlechterung des Vertrauensverhältnisses zum Arzt, nur 17,9 % erwarten eine Ver- besserung der Arzt-Patienten-Beziehung. Mehr Infos im Internet: Der WIdOmonitor 2/2010 steht unter http://www.wido.de/wido_monitor_2_2010.html mit allen Ergebnissen zum Download bereit. Pressekontakt: Wissenschaftliches Institut der AOK, Klaus Zok Tel.: 030/34646-2134 Fax: 030/34646-2144 E-Mail: wido@wido.bv.aok.de
  • 3. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 3 von 5 W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0 Der Anteil der GKV-Versicherten mit IGeL-Erfahrung ist im Zeitverlauf gestiegen. „Ist Ihnen - im Laufe der letzten 12 Monate - in einer Arztpraxis eine ärztliche Leistung als Privatleistung angeboten oder in Rechnung gestellt worden?“ Zustimmung in % 30 25 28,3 26,7 25,2 20 23,1 15 16,0 10 8,9 5 0 2001 2004 2005 2007 2008 2010 Jahr Quelle: WIdOmonitor 2/2010 © WIdO 2010 Versicherte mit höherem Einkommen und überdurch- schnittlicher Schulbildung bekommen IGeL deutlich häufi- ger angeboten als andere. „Ist Ihnen - im Laufe der letzten 12 Monate - in einer Arztpraxis eine ärztliche Leistung als Privatleistung angeboten oder in Rechnung gestellt worden?“ Zustimmung in % 45 40 35 38,8 30 33,9 34,0 29,9 29,3 25 28,3 28,3 20 20,9 15 16,9 10 5 0 insgesamt < 1.000 1.000 – 2.000 – 3.000 – 4.000 und einfach mittel hoch <2.000 <3.000 <4.000 mehr monatliches Haushaltsnettoeinkommen in Euro Schulbildung Quelle: WIdOmonitor 2/2010 © WIdO 2010
  • 4. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 4 von 5 W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0 Auf die Leistungsgruppen Ultraschall, Glaukomvorsorge- untersuchungen und zusätzliche Verordnungen für Medi- kamente bzw. Heil- und Hilfsmittel entfällt fast die Hälfte der angebotenen IGeL. Die Verteilung privat angebotener beziehungsweise nachgefragter Leistungen in der Arztpraxis – „Welche Leistung war das genau?“* Angaben in % Ultraschalluntersuchungen 20,0 Glaukomvorsorgeuntersuchung 16,2 Medikament bzw. Heil- und Hilfsmittel 11,5 Blutuntersuchungen / Laborleistungen 10,1 keine vertragsärztlichen Leistungen 10,0 ergänzende Krebsfrüherkennung bei Frauen 9,9 PSA-Wert-Bestimmung 6,2 Hautkrebsvorsorge 4,4 Knochendichtemessung 3,8 Akupunktur 3,2 Kosmetische Leistungen 1,3 EKG 1,0 Nahrungsergänzungsmittel 0,9 Sonstiges 1,5 * von insgesamt 791 angebotenen oder nachgefragten Leistungen, ohne zahnärztliche Leistungen Quelle: WIdOmonitor 2/2010 © WIdO 2010 Berücksichtigt man die Größe der einzelnen Arztgruppen, so machen Fachärzte deutlich häufiger IGeL-Angebote als die größere Gruppe der Allgemeinmediziner. Modellrechnung zur durchschnittlichen Anzahl der IGeL-Angebote pro Arzt* und Jahr Augenarzt 578 Frauenarzt 544 Urologe 431 Orthopäde 387 Hautarzt 311 Prakt. Arzt/Allgemeinmed. 89 Internist 48 sonstige Fachrichtungen 27 * ohne Zahnärzte Quelle: WIdOmonitor 2/2010 © WIdO 2010
  • 5. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 5 von 5 W Id O m o n it o r – P re s s em it t e il u n g v o m 8 . D ez e mb er 20 1 0 Dreiviertel der Versicherten, die durch IGeL eine Beein- flussung des Vertrauensverhältnisses sehen, befürchten eine Verschlechterung. Wird Ihrer Meinung nach das Vertrau- Wird das Verhältnis zwischen Arzt und ensverhältnis zwischen Arzt und Pati- Patient durch das zusätzliche Angebot ent durch das zusätzliche Angebot privater Leistungen verschlechtert privater, individueller Gesundheitsleis- oder verbessert? tungen in irgendeiner Weise beein- flusst? weiß nicht 50,5 % 5,2 % 47,4 % verbessert 17,9 % verschlechtert 76,9 % 2,1 % weiß nicht nein ja 647 GKV-Versicherte mit IGeL-Erfahrungen in den vergangenen zwölf Monaten Quelle: WIdOmonitor 2/2010 © WIdO 2010