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MICHAEL ROGNER · ANGELIKA BISCHOFBERGER-LECHMANN 
Möglichkeiten und Grenzen 
vorausschauender Pflege 
Für einen sensiblen Umgang mit der Planbarkeit 
So schmerzhaft der Abschied eines Men-schen 
ist, so unvermeidlich kommt er. 
Manchmal beginnt er schon lange vor 
dem eigentlichen Ableben. Wir wissen, 
dass der Tod nicht plötzlich kommt, son-dern 
unvermeidlich und zu erwarten ist. 
Durch Krankheitsverlaufskurven („illness 
trajectories“) und dem damit verbundenen 
Wissens- und Erfahrungszuwachs wissen 
wir heute zunehmend mehr über zu erwar-tende 
Szenarien auf dem Weg zum Tod. 
Dadurch wird der Bereich der voraus-schauenden 
Kommunikation und Planung, 
vor dem Hintergrund der Autonomie und 
Ökonomie als zentrale Kategorien unserer 
Gesellschaft, zunehmend wichtig. Voraus-schauende 
Kommunikationsprozesse haben 
viele Vorteile. Es besteht jedoch die Gefahr, 
dass Sterben und Tod zu einer effizienten 
und bürokratisch organisierten Planung 
werden. Reimer Gronemeyer und Andreas 
Heller sprechen dabei von einer „Verpro-jektung 
des Sterbens“ (2014, 14). 
Der Tod kommt nicht plötzlich 
Vor allem in westlichen und ökonomisch gut 
entwickelten Ländern mit hoher Lebens-erwartung 
ist es mitunter ein jahrelanger 
Prozess bis hin zum Tod. In unklaren Situ-ationen 
am Lebensende mangelt es oft an 
vorausschauenden Abstimmungen. Vielfach 
liegt es an der mangelnden Kommunikation, 
das Unausweichliche zu thematisieren sowie 
Vorkehrungen zu treffen. 
Die Anforderungen an die Langzeitpfle-ge 
sind durch viele verschiedene Faktoren 
immens gestiegen, die Pflegesettings sind 
zunehmend komplexer. Damit tritt die 
Idee der Minimierung von Ungeplantem 
und Zufälligem ins Zentrum des Interesses. 
Vorausschauende Behandlungs- und Be-treuungsplanung 
(Advance Care Planning 
– ACP) ist bereits jetzt ein wichtiges Hand-lungsfeld 
in Langzeitpflegeorganisationen. 
Auf den ersten Blick ist diese Entwicklung 
sehr sinnvoll. Trotzdem ist eine kritische 
Reflexion sinnvoll. 
Vorausschauende 
Kommunikationsprozesse 
Die vorausschauende Betreuungsplanung 
ist primär ein kommunikativer Prozess, in-dem 
Wünsche für die zukünftige Betreuung 
besprochen werden. Dieser Prozesscharak-ter 
ist insofern wichtig, als das Gespräch 
im Vordergrund stehen muss. Vorausschau-ende 
Kommunikation kann eine sinnvolle 
Alternative zur Patientenverfügung dar-stellen. 
Weltweit kommen verschiedene 
Instrumente und Programme zu Advance 
Care Planning (ACP) zur Anwendung. Ein 
Leitsatz des breit angelegten Programms 
„Respecting Patient Choices“ (den Pati-entenwillen 
respektieren) in Australien 
trägt etwa den Titel „If your choices for 
healthcare are known, they can be respec-ted” 
(Wenn Ihr Wille bekannt ist, kann er 
berücksichtigt werden). Die große Kunst 
liegt also darin, in einem kommunikativen 
Prozess Überlegungen anzustellen, zu dis-kutieren 
und zu dokumentieren. Ergebnisse 
von Studien zeigen, dass sich die Anzahl 
der Spitaleintritte am Lebensende durch 
die Einführung eines ACP-Programms 
deutlich reduzierten (Badger et al. 2009; Hock-ley, 
Watson, Oxenham & Murray 2010). 
Das ACP-Programm führte bei Pfle-gepersonen 
zu einem Wissenszuwachs, 
zu mehr Fähigkeiten und Sicherheit mit 
Themen rund um das Lebensende. Durch 
den Wissenszuwachs konnten die Pflege-personen 
besser mit den Bewohnerinnen 
und Bewohnern über deren Betreuungs-wünsche 
diskutieren (Badger et al. 2009), vo-rausschauender 
pflegen (Newton et al. 2009) 
und erkennen, in welchem Stadium des 
Sterbeprozesses sie sich befinden (Hock-ley 
et al. 2010). Die Kompetenz der Pflege-person 
in den Bereichen Wahrnehmung, 
Kommunikation und Beziehungsfähigkeit 
hat einen großen Einfluss auf den Nutzen 
vorausschauender Kommunikation. 
Rahmenbedingungen für 
vorausschauende Kommunikation 
im Pflegeheim 
Im Organisationssystem Bezugspflege 
(Primary Nursing) setzt die pflegerische 
Bezugsperson ihre Funktion als Kommuni-kationsdrehscheibe 
für die Bewohner ein. 
Durch die Kontinuität der Betreuung kön-nen 
Beziehung und Vertrauen entstehen. 
So können Belastungsfaktoren frühzeitig 
erkannt werden. Pflegerische Bezugsperso-nen 
haben zudem ein größeres Verständnis 
für Bewohner und kommunizieren mehr 
mit der Familie (Sellick et al. 2003). Ein ho-her 
Grad an interdisziplinärer und indivi-dueller 
Kompetenz des Teams ist dabei 
erforderlich. 
Vor dem Hintergrund von Palliative Care 
sind Ärzte, Seelsorger, Hospizmitarbeiter, 
Freiwillige, Therapeuten, Angehörige und 
andere in einem Pflegeheim ein integra-tiver 
Bestandteil des Teams – auch wenn 
sie nicht direkt dort angestellt sind. Durch 
Informationsaustausch können die Qua-lität 
der Zusammenarbeit verbessert und 
Informationsdefizite ausbalanciert werden. 
Zumeist liegt es nicht am Willen oder Wol-len, 
sondern an kommunikativen Proble-men 
und den inhärenten Systemlogiken 
der jeweiligen Berufsgruppe. 
Es ist wichtig, die Wertvorstellungen der 
Bewohner zu kennen, um die würdevolle 
Begleitung bis zuletzt zu ermöglichen. Dazu 
gibt es verschiedene formale Instrumente, 
die unter dem Begriff der „Vorsorgepla-nung“ 
zusammengefasst werden können. 
Die offene, laufende, unabgeschlossene 
Kommunikation hat dabei höchste Prio-rität. 
Wegleitner und Medicus (2012, 224) 
60 Jahresheft | vorsorgen · verfügen · bevollmächtigen
formulieren das treffend als: „Checklisten 
kommunizieren nicht.“ Es kann auch kein 
Dokument die Situation in ihrer Komplexi-tät 
erfassen. „Notfallpläne“ für das Lebens-ende 
sind Instrumente, bei denen bereits 
im Vorfeld konkrete Szenarien thematisiert 
und Vorbereitungen getroffen werden. Zen-trale 
Punkte dabei sind die Behandlung 
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Vermeidung sinnloser Spitaleinweisungen. 
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belastende Symptome, Rooming-in-Mög-lichkeiten 
für Vertrauenspersonen, eine 
enge Zusammenarbeit mit den beteiligten 
beziehungsweise betroffenen Menschen 
und eine sensible Wahrnehmungsfähigkeit 
sind wichtige Aspekte. Ein offener Umgang 
mit Sterben und Tod als Teil des Lebens 
setzt nicht nur die Bereitschaft voraus, sich 
auf diese Fragen einzulassen, sondern auch 
die Bereitschaft, die „Ars moriendi“, die 
Kunst des Sterbens anzuerkennen. 
Vom Entscheiden-Müssen 
zum Entscheiden-Können 
Autonomie ist ein zentraler Wert unseres 
Lebens, sie gewinnt immer mehr an Be-deutung. 
Für Menschen am Lebensende 
bedeutet Entscheiden immer, zwischen Op-tionen 
zu wählen. Diese Optionen müssen 
in einem organisierten Reflexionsprozess 
sichtbar gemacht werden und sind keines-wegs 
trivial. Sie passieren in komplexen 
menschlichen Lebenszusammenhängen 
zwischen den betroffenen Personen. An 
diesem Grat der Lebenszusammenhänge 
bewegen wir uns ständig zwischen Wissen 
und Nichtwissen. 
Schwer kranke Menschen in Pflegehei-men 
sind meist in existenziellen Krisen. Sie 
können – im Gegensatz zu souveränen Kun-den 
– eben nicht die Produktpalette prüfen 
und vergleichen sowie dann das für sie am 
besten Geeignete auswählen. Im Rahmen 
der Autonomiezumutung erscheint gerade 
dieser Aspekt unterbelichtet. Diese Zumu-tung 
überfordert viele Bewohner und ihre 
Vertrauenspersonen in Pflegeheimen. Sie 
möchten vielleicht gar nicht entscheiden, 
können nicht entscheiden, sind mit den Op-tionen 
nicht einverstanden oder es fehlen 
ihnen für die Prüfung der Optionen Informa-tionen. 
Scheinbare Partizipation, Autonomie 
und Entscheidungsfreiheit sind die Folge. 
Demnach ist es höchst bedenklich, von allen 
Bewohnern eines Pflegeheims Patientenver-fügungen 
zu verlangen. 
Alle Dokumente, seien sie auch noch 
so gut und durchdacht, müssen in ihrer 
Begrenztheit wahrgenommen werden. Es 
dürfen keine Entscheidungen gefordert 
werden. Personen, die sich nicht entschei-den 
wollen oder können, dürfen nicht als 
„Systemverweigerer“ verurteilt werden. 
Hinsichtlich ihres Lebensendes haben 
Menschen Ängste und Wünsche, und sie 
lehnen lebensverlängernde medizinische 
Maßnahmen bei Abnahme ihrer kognitiven 
Fähigkeiten und bei zunehmender Pflege-bedürftigkeit 
ab. Manchmal ist die Mitge-staltung 
an Entscheidungen eingeschränkt 
oder nicht mehr möglich. Manchmal auch 
schlicht nicht erwünscht. 
Für einen sensiblen Umgang 
mit der Planbarkeit 
Es ist bewusst darauf zu achten, dass in Palli-ative- 
Care-Kontexten der Zeit für Zuwendung 
Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zuwendung 
und Fürsorge dürfen nicht im Rahmen von 
Rationalisierungszügen jene „Leistungen“ 
sein, auf die man am ehesten verzichten 
kann, da sie schlecht „messbar“ sind. 
Gerade im Umgang mit schwer kran-ken 
und hochvulnerablen Menschen ist es 
nicht ausreichend, den richtigen Prozess 
auszuführen. Es kommt vor allem darauf 
an, in welchem Beziehungsgeschehen dies 
geschieht (Maio, 2011). Vorausschauende 
Kommunikation kann dann hilfreich sein, 
wenn diese im Rahmen eines positiven Be-ziehungsgeschehens 
passiert, Prozesscha-rakter 
hat und laufend reflektiert wird. Ein 
sensibler Umgang bedeutet, den Menschen 
die Möglichkeit offen zu lassen, Teil dieses 
Prozesses zu sein. Wir können erahnen, 
vermuten und hoffen, was uns am Lebens-ende 
erwartet. Der Anfang kennt jedoch 
das Ende nicht.  
LITERATUR 
Austin Health (2012): Respecting Patient Choices for 
Professionals. Abgerufen von http://www.respec-tingpatientchoices. 
org.au/index.php?option=com_ 
content&view=article&id= 37&Itemid=38 (23. 3. 2014) 
Badger, F. J., Clifford, C., Hewison, A. & Thomas, K. 
(2009). An evaluation of the implementation of 
a programme to improve end-of-life care in nur-sing 
homes. Palliative Medicine, 23(6), 502 – 511. 
doi:10.1177/0269216309105893 
Gronemeyer A., Heller A. (2014): In Ruhe sterben. Was 
wir uns wünschen und was die moderne Medizin 
nicht leisten kann. München 
Hockley, J., Watson, J., Oxenham, D. & Murray, S. A. 
(2010). The integrated implementation of two end-of- 
life care tools in nursing care homes in the UK: 
an in-depth evaluation. Palliative Medicine, 24(8), 
p. 8282 – 838 
Heimerl K. (2008): Orte zum Leben – Orte zum Sterben: 
Palliative Care in Organisationen umsetzen. Freiburg 
Maio G. (2011): Heilen als Management? Zum Verlust 
einer Kultur der verstehenden Sorge in Zeiten der 
Ökonomie. Z Allg Med, 87 (12), S. 362 – 41 
Newton, J., Clark, R. & Ahlquist, P. (2009). Evaluation 
of the introduction of an advanced care plan into 
multiple palliative care settings. International journal 
of palliative nursing, 15(11), 554–561. Abgerufen von 
http://search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true 
&db=cin20&AN=2010509755&lang=de&si te=ehost-live 
(20. 3. 2014) 
Sahm S. (2007): Medizinische Entscheidungen am Le-bensende 
– Alternativen zur Patientenverfügung. 
Forschung Frankfurt – das Wissenschaftsmagazin, 
2/2007, S. 482 – 52 
Wegleitner K., Medicus E. (2012): Vorausschauende 
Betreuungsplanung in Palliative Care – Palliativer Be-handlungsplan 
und ethischer Orientierungsrahmen. 
In: Wegleitern K., Heimerl K., Heller A. (Hrsg.). Zu 
Hause sterben – der Tod hält sich nicht an Dienst-pläne. 
Ludwigsburg, S. 2202 – 238 
Jahresheft | vorsorgen · verfügen · bevollmächtigen 
BETREUUNG, BERATUNG UND DER WILLE DES PATIENTEN 
61

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Rahmenbedingungen für vorausschauende Kommunikation im Pflegeheim Im Organisationssystem Bezugspflege (Primary Nursing) setzt die pflegerische Bezugsperson ihre Funktion als Kommuni-kationsdrehscheibe für die Bewohner ein. Durch die Kontinuität der Betreuung kön-nen Beziehung und Vertrauen entstehen. So können Belastungsfaktoren frühzeitig erkannt werden. Pflegerische Bezugsperso-nen haben zudem ein größeres Verständnis für Bewohner und kommunizieren mehr mit der Familie (Sellick et al. 2003). Ein ho-her Grad an interdisziplinärer und indivi-dueller Kompetenz des Teams ist dabei erforderlich. Vor dem Hintergrund von Palliative Care sind Ärzte, Seelsorger, Hospizmitarbeiter, Freiwillige, Therapeuten, Angehörige und andere in einem Pflegeheim ein integra-tiver Bestandteil des Teams – auch wenn sie nicht direkt dort angestellt sind. Durch Informationsaustausch können die Qua-lität der Zusammenarbeit verbessert und Informationsdefizite ausbalanciert werden. Zumeist liegt es nicht am Willen oder Wol-len, sondern an kommunikativen Proble-men und den inhärenten Systemlogiken der jeweiligen Berufsgruppe. Es ist wichtig, die Wertvorstellungen der Bewohner zu kennen, um die würdevolle Begleitung bis zuletzt zu ermöglichen. Dazu gibt es verschiedene formale Instrumente, die unter dem Begriff der „Vorsorgepla-nung“ zusammengefasst werden können. Die offene, laufende, unabgeschlossene Kommunikation hat dabei höchste Prio-rität. Wegleitner und Medicus (2012, 224) 60 Jahresheft | vorsorgen · verfügen · bevollmächtigen
  • 2. formulieren das treffend als: „Checklisten kommunizieren nicht.“ Es kann auch kein Dokument die Situation in ihrer Komplexi-tät erfassen. „Notfallpläne“ für das Lebens-ende sind Instrumente, bei denen bereits im Vorfeld konkrete Szenarien thematisiert und Vorbereitungen getroffen werden. Zen-trale Punkte dabei sind die Behandlung möglicher belastender Symptome und Vermeidung sinnloser Spitaleinweisungen. Die Verfügbarkeit von Medikamenten für belastende Symptome, Rooming-in-Mög-lichkeiten für Vertrauenspersonen, eine enge Zusammenarbeit mit den beteiligten beziehungsweise betroffenen Menschen und eine sensible Wahrnehmungsfähigkeit sind wichtige Aspekte. Ein offener Umgang mit Sterben und Tod als Teil des Lebens setzt nicht nur die Bereitschaft voraus, sich auf diese Fragen einzulassen, sondern auch die Bereitschaft, die „Ars moriendi“, die Kunst des Sterbens anzuerkennen. Vom Entscheiden-Müssen zum Entscheiden-Können Autonomie ist ein zentraler Wert unseres Lebens, sie gewinnt immer mehr an Be-deutung. Für Menschen am Lebensende bedeutet Entscheiden immer, zwischen Op-tionen zu wählen. Diese Optionen müssen in einem organisierten Reflexionsprozess sichtbar gemacht werden und sind keines-wegs trivial. Sie passieren in komplexen menschlichen Lebenszusammenhängen zwischen den betroffenen Personen. An diesem Grat der Lebenszusammenhänge bewegen wir uns ständig zwischen Wissen und Nichtwissen. Schwer kranke Menschen in Pflegehei-men sind meist in existenziellen Krisen. Sie können – im Gegensatz zu souveränen Kun-den – eben nicht die Produktpalette prüfen und vergleichen sowie dann das für sie am besten Geeignete auswählen. Im Rahmen der Autonomiezumutung erscheint gerade dieser Aspekt unterbelichtet. Diese Zumu-tung überfordert viele Bewohner und ihre Vertrauenspersonen in Pflegeheimen. Sie möchten vielleicht gar nicht entscheiden, können nicht entscheiden, sind mit den Op-tionen nicht einverstanden oder es fehlen ihnen für die Prüfung der Optionen Informa-tionen. Scheinbare Partizipation, Autonomie und Entscheidungsfreiheit sind die Folge. Demnach ist es höchst bedenklich, von allen Bewohnern eines Pflegeheims Patientenver-fügungen zu verlangen. Alle Dokumente, seien sie auch noch so gut und durchdacht, müssen in ihrer Begrenztheit wahrgenommen werden. Es dürfen keine Entscheidungen gefordert werden. Personen, die sich nicht entschei-den wollen oder können, dürfen nicht als „Systemverweigerer“ verurteilt werden. Hinsichtlich ihres Lebensendes haben Menschen Ängste und Wünsche, und sie lehnen lebensverlängernde medizinische Maßnahmen bei Abnahme ihrer kognitiven Fähigkeiten und bei zunehmender Pflege-bedürftigkeit ab. Manchmal ist die Mitge-staltung an Entscheidungen eingeschränkt oder nicht mehr möglich. Manchmal auch schlicht nicht erwünscht. Für einen sensiblen Umgang mit der Planbarkeit Es ist bewusst darauf zu achten, dass in Palli-ative- Care-Kontexten der Zeit für Zuwendung Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zuwendung und Fürsorge dürfen nicht im Rahmen von Rationalisierungszügen jene „Leistungen“ sein, auf die man am ehesten verzichten kann, da sie schlecht „messbar“ sind. Gerade im Umgang mit schwer kran-ken und hochvulnerablen Menschen ist es nicht ausreichend, den richtigen Prozess auszuführen. Es kommt vor allem darauf an, in welchem Beziehungsgeschehen dies geschieht (Maio, 2011). Vorausschauende Kommunikation kann dann hilfreich sein, wenn diese im Rahmen eines positiven Be-ziehungsgeschehens passiert, Prozesscha-rakter hat und laufend reflektiert wird. Ein sensibler Umgang bedeutet, den Menschen die Möglichkeit offen zu lassen, Teil dieses Prozesses zu sein. Wir können erahnen, vermuten und hoffen, was uns am Lebens-ende erwartet. Der Anfang kennt jedoch das Ende nicht.  LITERATUR Austin Health (2012): Respecting Patient Choices for Professionals. Abgerufen von http://www.respec-tingpatientchoices. org.au/index.php?option=com_ content&view=article&id= 37&Itemid=38 (23. 3. 2014) Badger, F. J., Clifford, C., Hewison, A. & Thomas, K. (2009). An evaluation of the implementation of a programme to improve end-of-life care in nur-sing homes. Palliative Medicine, 23(6), 502 – 511. doi:10.1177/0269216309105893 Gronemeyer A., Heller A. (2014): In Ruhe sterben. Was wir uns wünschen und was die moderne Medizin nicht leisten kann. München Hockley, J., Watson, J., Oxenham, D. & Murray, S. A. (2010). The integrated implementation of two end-of- life care tools in nursing care homes in the UK: an in-depth evaluation. Palliative Medicine, 24(8), p. 8282 – 838 Heimerl K. (2008): Orte zum Leben – Orte zum Sterben: Palliative Care in Organisationen umsetzen. Freiburg Maio G. (2011): Heilen als Management? 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