Der Treasurer: Evolutionstheorie des Cash Management
1. 8 | Cash Management Der Treasurer
FINANCE-Sonderbeilage | April 2007
die üblicherweise eher anlagelastig
Evolutionstheorie an den Banken- und Kapitalmärkten
agieren. Die Zusammenführung der
des Cash gegensätzlichen Liquiditätspositionen
wirkt sich wegen der Marge zwischen
Management Anlage- und Aufnahmezins sofort auf
das Zinsergebnis der gesamten Grup-
pe aus, auch wenn ein Teil der Ge-
sellschaften – im genannten
Beispiel die Vertriebsein-
Von lokalen Strukturen bis zum Outsourcing heit – zunächst ein ten-
denziell schlechteres
Zinsergebnis erwarten
Das Cash Management ist häufig einer langjährigen muss. Dieser Effekt
Evolution unterworfen. Angefangen bei lokal gewachsenen kann ausgeglichen wer-
Strukturen, geht es über viele Schritte zu einer immer den, indem z.B. das Trea-
sury Center durch die
stärkeren Zentralisierung. Kosteneinsparungen Mengenallokation bei
winken auf jeder neu erklommenen Stufe. den Banken bessere
Zinskonditionen erzielt
Von Dirk Braun und diese im Rahmen einer
internen Verrechnung an die Kon-
B ei international agierenden Corpo-
rates besteht häufig eine Vielzahl
von Bankverbindungen mit komple-
sprüchen international
agierender Unterneh-
men nicht genügen. Ei-
zerngesellschaften weitergibt. Diesen
internen Verzinsungen müssen
entsprechende Prozesse und
xen Kontenstrukturen zur Abwicklung ne weitere, nicht nur unternehmensinterne
von lokalen Gut- und Lastschriften, die von lokalen Bedürfnis- Vereinbarungen – im
je nach Bedarf aufgebaut werden. Die- sen getriebene, sondern Rahmen der jeweils gül-
ser Aufbau erfolgt in der Regel un- zentral gesteuerte Entwick- tigen landesspezifischen
strukturiert, ohne Abstimmung mit lung ist unumgänglich. Dabei Steuer- und Rechtsgege-
zentralen Corporate-Treasury- oder darf jedoch die emotionale Kompo- benheiten – zugrunde
Cash-Management-Einheiten und nente der Veränderungen liegen. Banken und Un-
ohne Rücksicht auf Instrumente zur nicht unterschätzt werden: ternehmensberatungen
Optimierung der Gruppenliquidität. Lokale Gesellschaften können hierbei unter-
Die Gründe dafür liegen oft in einer werden gezwungen, ihre stützen.
schnellen Expansion oder in geringen teilweise über Jahrzehn-
Umsätzen in neuen Märkten. Ein sol- te liebgewonnenen Ent- Die nächste Stufe
ches Cash Management befindet sich scheidungsspielräume Wird dieses zentrale Modell der Li-
auf der ersten „evolutionären Stufe“ im Finanzbereich zum quiditätsoptimierung auch um die Ab-
der Zahlungsverkehrsabwicklung. Wohle des Gesamtkon- wicklung des Zahlungsverkehrs
zerns aufzugeben. ergänzt, erfolgt eine weitere
Ungenügende Steuerung Die nächste Stufe der Fortentwicklung. Man
Im Rahmen einer „natürlichen Evolu- zentral gesteuerten Evo- spricht dann von einer
tion“ wird diese erste Stufe in vielen lution des Cash Manage- Payment Factory. Das
Fällen durch lokale Instrumente des ments stellt das Treasury Treasury Center führt in-
Liquiditätsmanagements ergänzt, um Center dar. Durch dieses können terne Verrechnungskon-
zumindest eine Liquiditätsposition für Liquiditäts- und Zinseffekte ver- ten für die Konzernge-
die lokale Konzerngesellschaft zu er- gleichsweise einfach und nachhaltig sellschaften und agiert
reichen. Eine Steuerung der Gruppen- verbessert werden. Zum Beispiel er- damit als Inhouse-Bank
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liquidität und des Zinsergebnisses ist möglicht es einen Abgleich zwischen iStoc des Konzerns. Für die
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allerdings damit nicht möglich. Auch Produktionsgesellschaften, die ten- Abwicklung des Zah-
dieser erste Entwicklungssprung auf denziell in der Liquidität unterdeckt lungsverkehrs mit Debito-
nationaler Ebene kann daher den An- sind, und Vertriebsgesellschaften, ren und Kreditoren übersenden
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die Konzerngesellschaften die für ihre Zahlungsverkehr zentralisieren, um-
jeweiligen Konten geltenden Zah- fassen SSC auch die eingehenden Dirk Braun ist
lungsläufe, die von der Payment Facto- Zahlungsströme. Hierbei ordnet das Spezialist für
ry in externe Zahlungsläufe übersetzt SSC die Zahlungseingänge auf lokale Cash Manage-
werden. Die Transaktionen werden bzw. zentrale Konten durch eine zen- ment Advisory
dann entweder auf den Bankkonten trale Bearbeitung den offenen Posten im Head Office
der Payment Factory im Auftrag der und Debitoren-Zahlungsavisen der der Dresdner
Konzerngesellschaften oder auf einem Konzerngesellschaften zu (Reconcila- Bank.
bereits vorhandenen Konto der Unter- tion). Weitere Services können für die
nehmensgruppe (z.B. einer Konzern- lokalen Gesellschaften übernommen dirk.braun@dresdner-bank.com
gesellschaft) im Zielland der Zahlung werden, z.B. das Debitoren- und Kre-
ausgeführt. Je nach Auftragswährung ditorenmanagement.
und Zielland sind verschiedene Ein weiterer Ansatz ergibt sich im Ge-
Mischformen der genannten Möglich- Bank als Sammelstelle samtkontext durch Netting-Projekte,
keiten üblich. Durch dieses Konzept Die technische Infrastruktur in Pay- in denen konzerninterne Leistungs-
können grenzüberschreitende Aufträ- ment Factories oder SSC sollte sorgfäl- verrechnungen nicht länger über
ge in lokale Zahlungen verwandelt tig geplant werden – z.B. im Kontext Bankkonten bzw. externe Bank-Trans-
und damit Transaktionskosten einge- der Bankenkommunikation aus die- fers ausgeglichen werden. Im Rah-
spart werden. Zudem lässt sich durch sen zentralen Einheiten heraus. Man- men des Nettings werden konzernin-
eine Payment Factory die externe Ban- gels internationaler Standards bieten terne Verrechnungen periodisch zu-
ken- und Kontenstruktur des Kon- sich zwei Strategien an: Für Unterneh- sammengefasst und ausschließlich
zerns zusammenfassen und vereinfa- men mit kleinen bis mittleren Stück- die Spitzenbeträge ausgeglichen – im
chen. Für die Realisierung solch kom- zahlen im Zahlungsverkehr kann die idealen Fall nicht über externe Bank-
plexer Projekte sind in der Regel eini- Nutzung einer sogenannten „Single konten, sondern über die genannten
ge Monate für die Konzeption, Ab- Entry Bank“ sinnvoll sein. Dabei agiert Inhouse-Verrechnungskonten. In der
stimmung mit den beteiligten Kon- eine Bank als Sammelstelle und leitet Regel werden im Rahmen dieser Mo-
zerngesellschaften und IT-Anpassun- die Nachrichten an das Unternehmen delle unterschiedliche Währungen
gen einzuplanen. Die Definition der (Kontoauszüge) bzw. die Banken (Zah- durch das Netting-Center in die Kon-
Prozesse und Schnittstellen kann in lungsverkehr) weiter. Hierdurch müs- zernwährung umgerechnet, hierdurch
der Regel einfacher und schneller er- sen mit nur einer Bank die elektroni- kann das Fremdwährungsrisiko in der
folgen, wenn im Konzern ein einheitli- schen Kommunikations- und Autori- zentralen Einheit gebündelt und opti-
ches und integriertes ERP-System (En- sierungssysteme abgestimmt werden. miert gesteuert werden.
terprise Resource Planning) eingesetzt Für Unternehmen mit hohen Stück-
wird. zahlen im elektronischen Zahlungs- Warum nicht outsourcen?
Die letzte Stufe des Entwicklungs- verkehr, insbesondere Unternehmen, Die im Schaubild „höchste“ Stufe –
prozesses, die eine Zentralisierung im die eine weltweite Multibankenfähig- das Outsourcing des Zahlungsver-
eigentlichen Sinne darstellt, bildet das keit benötigen, bietet sich dagegen ei- kehrs – mag den einen oder anderen
Shared Service Center (SSC). Während ne Anbindung an das SWIFT-Netz als Verantwortlichen im Cash- und Trea-
Payment Factories den ausgehenden Lösung an. sury-Management misstrauisch stim-
men. Schließlich werden dort wichtige
Daten verwaltet, die nicht in falsche
Evolutionsstufen des Cash Management
Hände gelangen dürfen. Doch warum
sollte die operative Bearbeitung von
Komplexität Outsourcing Treasury Management
Insourcing/Kooperationen mit anderen Unternehmen Zahlungseingängen, -avisen oder Zah-
? oder Banken
lungsausgängen eigentlich nicht von
Shared Service Center mit kompletter Zahlungseingangs-,
Zahlungsausgangs-, Debitoren- und Kreditorenabwicklung
externen Dienstleistern oder von Joint
Inhouse Bank mit zentralisierter Zahlungsgenerierung Ventures übernommen werden? Auch
(Payment Factory) und Netting Center Banken, denen man sicherlich eine
Zentralisiertes internationales Liquiditäts- und ggf. Finanzierungsmanage-
ment (Treasury Center) Kernkompetenz rund um die Abwick-
Lokales Liquiditätsmanagement (Single Bank)
lung des Zahlungsverkehrs zuspre-
Lokale Zahlungen und Gutschriften (Multi-Bank)
chen kann, könnten zukünftig ver-
Zeit
mehrt Teile der beschriebenen Pro-
Quelle: Dresdner Bank ➜
zesskette abwickeln.