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Vorwort
Sehr geehrte Zuschauer,
ich freue mich, dass Sie heute wieder zahlreich eingeschaltet haben bei „Meiers’
Diskussionsrunde“ und uns im Voraus tatkräftig mit Wünschen und Fragen zur
heutigen Sendung versorgt haben.
Europa ist reich an Geschichte und Denkmälern, denn sie machen die
Vergangenheit greifbar. Um dieses kulturelle Erbe in unser Gedächtnis zu rufen und
wieder zum Leben zu erwecken, steht 2018 unter dem Stern des Europäischen
Kulturerbejahres. „Sharing Heritage“ soll das Motto sein, was so viel wie
„gemeinsames Erbe“ bedeutet.
Die Menschen verändern und entwickeln sich seit Jahrhunderten weiter und somit
auch ihre Kultur. Wir leben in einem Medienzeitalter, wir sind technisch weit voraus
und unsere Kultur ist von Selbstinszenierung geprägt. Aber was hinterlassen wir
unserer Nachwelt und wie hat sich die Selbstdarstellung der Menschheit über
Jahrhunderte weg verändert?
Das soll auch das Thema unseres heutigen Interviews werden: Von der Hofmalerei
bis zum beliebten Selfie! Wir werden uns über die verschiedensten Formen der
Selbstdarstellung in Vergangenheit und Gegenwart unterhalten und dabei
untersuchen, ob sich die heutige europäische Kultur der Selbstinszenierung stark
verändert hat. 1
Natürlich haben wir für dieses Interview wieder umwerfende Gäste eingeladen, die
sich auf dieses Thema spezialisiert haben und gerne ihren Beitrag und ihre
Erfahrungen mit uns teilen wollen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei unserer heutigen Diskussionsrunde!
1 65. Europäischer Wettbewerb.Aus:Europäischer Wettbewerb;unter: http://www.europaeischer-
wettbewerb.de/teilnahme/thema-des-65-ew/(eingesehen am:29.09.2017)
2
Vom Hofmaler zum „Selfie“ – Teil I
Moderator: Einen schönen guten Abend! Ich bin Jan Meier, der Moderator und Leiter
der Interviews des heutigen Abends. Unser Thema für heute soll „Vom Hofmaler zum
Selfie“ sein. Als erstes werden wir uns mit dem Kunsthistoriker Herrn Müller über die
verschiedenen Formen der Selbstdarstellung in der Vergangenheit unterhalten und
uns später der Gegenwart zuwenden.
Herzlich willkommen Herr Müller! Zum Einstieg in unsere Diskussionsrunde, bitte ich
Sie, den Zuschauern den Begriff Selbstdarstellung kurz zu erläutern.
Herr Müller: Guten Abend! Ja, sehr gerne.
Selbstdarstellung setzt sich zusammen aus den Wort Selbst, was so viel wie „seiner
selbst bewusste Ich“ bedeutet und dem Wort Darstellung, welches der Begriff für die
„Gestaltung einer Rolle auf der Bühne“ ist. Es ist die Art und Weise, wie eine Person
oder Gruppe sich gegenüber anderen darstellt. Die Körpersprache, die Sprachform
und das unmittelbare oder durch Medien vermittelte Erscheinungsbild sind typische
Ausdrucksmittel. Ziel ist es, sein bestmögliches Selbst und seine Fähigkeiten zu
präsentieren, um ein bestimmtes Ansehen bei anderen herzustellen. Der Begriff
findet seine Anwendung auf vielen Gebieten, wie der Soziologie, der Kunst, Biologie
und natürlich dem Marketing. Geprägt wurde das Wort durch den einflussreichsten
Soziologen des 20. Jahrhunderts, Erving Goffman.2
Moderator: Danke sehr! Stimmt es, dass Sie sich seit Jahren mit den Selbstportraits
der berühmtesten Künstler, wie Rembrandt, befassen?
Herr Müller: Ja, mein Gebiet sind die Selbstbildnisse von Rembrandt, Albrecht Dürer
und van Gogh. Jedoch sind sie nicht die einzigen. Fast jeder große oder kleine
Herrscher oder Adlige, der etwas auf sich hielt, ließ Skulpturen, Statuen oder
Gemälde von sich anfertigen, um sich bestmöglich zu präsentieren.
Rembrandt, der einer der bedeutendsten niederländischen Künstler ist, hat während
seiner Lebenszeit 80 Selbstportraits angefertigt, denn er war sich selbst das liebste
Modell. Er porträtierte sich in den verschiedensten Gesten und Rollen, wie beim
Malen, als Fürst oder Apostel Paulus (Abb. 1). Auch sein Gesichtsausdruck
2 Selbstdarstellung.Aus:Wikipedia (letzte Überarbeitung:02.09.2017);unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstdarstellung (eingesehen am:30.09.2017)
3
wechselte jedes Mal. Mit seinen Selbstbildnissen hielt er sichtbar seinen
Alterungsprozess fest und zeichnete sich somit öfter, als jeder Künstler vor ihm.
Wie viele seiner Werke, waren auch sie sehr beliebt bei den Käufern.3 4
Circa 250 Jahre später tat es ihm sein Landsmann Vincent van Gogh gleich. Er
fertigte 35 Selbstportraits während seiner Lebzeit an, verkaufte jedoch nur eins
seiner gesamten Bilder. Jedoch steckten alle seiner Bilder voller Zweifel an sich
selbst. Van Gogh trägt denselben Namen wie sein verstorbener Bruder und stellte
sich somit oft die Frage: „Wer bin ich?“.
Noch vor vielen Jahren und vor unseren beiden niederländischen Künstlern,
bezauberte der deutsche Grafiker und Maler Albrecht Dürer mit seinen
Selbstdarstellungen auf der Leinwand. Sie gehören zu den bekanntesten Bildern der
Kunstgeschichte. Eines seiner berühmtesten Bilder ist um 1500 entstanden, indem er
sich als Sohn Gottes präsentiert. Hinter uns, auf der Leinwand können sie das
Kunstwerk erkennen. Dürer mit lockigem langen Haar, Pelzrock und einem starren
Blick (Abb. 2). Solche Posen -der Künstler als Schöpfer- waren zur damaligen Zeit
nur Königen und Christus vorbehalten.5
All diese großartigen Selbstportraits unserer Künstler konservieren die Zeit und sind
somit für die Ewigkeit gemacht.
Moderator: Ich danke Ihnen Herr Müller. Wir können festhalten, dass die
Selbstdarstellung ein sehr wesentliches Element des menschlichen Daseins ist. Die
Menschheit ist eitel, wir versuchen stets, uns von unserer besten Seite zu
präsentieren. Wir tun es den Künstlern der vergangenen Zeit gleich.
Jedoch wollen wir heute auch auf die Formen der Selbstinszenierung in der
Gegenwart eingehen und wie sich dadurch unsere europäische Kultur verändert.
3 Oelze, Sabine:Das Ich als Kunstwerk:vom Selbstporträtzum Selfie. Aus: dw (vom 06.11.2015) unter:
http://www.dw.com/de/das-ich-als-kunstwerk-vom-selbstportr%C3%A4t-zum-selfie/a-18812939 (eingesehen am:
20.09.2017)
4 Rembrandtvan Rijn.Aus: Wikipedia (letzte Überarbeitung:28.09.2017);unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rembrandt_van_Rijn (eingesehen am:03.10.2017)
5 Dürers Selbstbildnisse.Aus:Wikipedia (letzte Überarbeitung:24.09.2017);unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%BCrers_Selbstbildnisse (eingesehen am:03.10.2017)
4
Nach einer kurzen Werbeunterbrechung werden wir mit Frau Schmidt reden. Sie ist
eine dänische Medienwissenschaftlerin, deren Hauptforschungen auf dem Gebiet der
Online-Medien erfolgen.
Dabei hat sie sich mit dem Phänomen „Selfie“ und der immer größer werdenden
Beliebtheit der sozialen Netzwerke und ihrer Gefahren, befasst.
Pause
Vom Hofmaler zum „Selfie“ – Teil II
Moderator: Herzlich willkommen zurück! Und begrüßen Sie mit mir Frau Schmidt!
Frau Schmidt: Dankeschön, dass ich hier sein darf!
Moderator: Frau Schmidt, was würden sie sagen, woher der Trend zur
Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken kommt? Und was steckt hinter dem
Hype? Welche Gefahren bringt er mit sich?
Frau Schmidt: Die Menschen präsentieren sich gerne. Und wenn wir das tun, dann
natürlich nur von unserer besten Seite. Das ist gesund, denn ein bisschen
Selbstverliebtheit schadet ja nicht. Doch hauptsächlich sind wir auf der Suche nach
Anerkennung, welche abhängig machen kann. Denn die Selbstinszenierung kennt in
den sozialen Netzwerken keine Grenzen. Jedoch hat ein Mensch, der süchtig nach
der Bewunderung von anderen ist, kein gesundes Selbstwertgefühl. Auch die
amerikanische Selfie-Queen Kim Kardashian West gab zu, nach Selfies süchtig zu
sein. Oversharing wird das ständige Teilen von Selfies im Internet genannt. Es ist ein
Bilderrausch. Wie weit diese Online-Sucht gehen kann, zeigt Danny Bowman. Es fing
an, als er 15 war und er als Männermodel abgelehnt wurde. Danny verbrachte 10
Stunden am Tag damit, über 200 Fotos von sich selbst zu schießen. Um das perfekte
Foto zu finden, brach er die Schule ab, verlor seine Freunde und seine Gesundheit.
Als es seiner Meinung nach nicht möglich war, das perfekte Bild zu erzielen, wollte er
auch nicht mehr leben. Jetzt trägt er seine Geschichte an die Öffentlichkeit und will
5
damit andere Jugendliche warnen.6 Jedoch ist so eine Online- oder Selfie-Sucht nicht
die Regel.
Früher waren Fotos noch etwas Intimes und wurden für das Fotoalbum gemacht.
Dabei stand man in Gruppen oder die Landschaft wurde abgelichtet. Mittlerweile gibt
es nur noch ein Modell - und das sind wir selbst. Das Selfie-Schießen ist schon ein
Bestandteil der digitalen Alltagskultur geworden. Die sozialen Netzwerke wie
Instagram, Facebook und Co. bieten uns dafür eine geeignete Fläche. Den Ursprung
der heutigen Selbstinszenierung findet man in den alten Hollywoodfilmen und
Hochglanzmagazinen. Denn damals besaßen nur sie eine teure Ausrüstung, um
hochwertige Bilder und Filme zu produzieren. Doch durch die aktuellen Smartphone
und Digitalkameras macht es uns die Technik leicht. Wir sind überall in der Lage,
Fotos zu machen und die zu bearbeiten. 7 8 9
Moderator: „Wir sind Schauspieler und Instagram ist die Bühne, die Follower sind
unsere Zuschauer, sie applaudieren, wenn ihnen etwas gefällt, mit einem Like, denn
online muss sich jeder vermarkten.“ (Jawid, Sumbal: Selfie-Hype – Im Rausch einer
Selbstinszenierung. Aus: Milieu (vom: 01.03.2015); unter:
http://www.dasmili.eu/art/selfie-hype-im-rausch-einer-selbstinszenierung/
(eingesehen am: 09.10.2017))
Wie würden Sie dieses Zitat interpretieren?
Frau Schmidt: Das ist ein wirklich sehr treffendes Zitat. Erving Goffman prägte ja
den Begriff der Selbstdarstellung in seinem Werk „Wir alle spielen Theater“.2 Denn
die Menschen spielen auch im Alltag ihre Rolle. Bei einem Vorstellungsgespräch zum
Beispiel. Der erste Eindruck zählt, sag ich so gerne, also schlüpft die sich
vorzustellende Person in die bestmögliche Rolle von sich selbst. Jedoch ist es
schwer, diese Rolle aufrecht zu erhalten, denn die Illusion muss perfekt sein.
6 Molloy, Antonia: ‘selfie obsessed’ teenager DannyBowman suicidal after failing to capture 'the perfect selfie'.
Aus: Independent(vom 24.03.2014);unter: http://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/selfie-obsession-
made-teenager-danny-bowman-suicidal-9212421.html (eingesehen am:14.10.2017)
7
Selbstdarstellung im Netz: Die Psychologie hinter der Inszenierung (vom: 26.07.2016);unter:
https://iq.intel.de/selbstdarstellung-im-netz-die-psychologie-hinter-der-inszenierung/ (eingesehen am:09.10.2017)
8Jawid,Sumbal:Selfie-Hype – Im Rausch einer Selbstinszenierung.Aus:Milieu (vom: 01.03.2015);unter:
http://www.dasmili.eu/art/selfie-hype-im-rausch-einer-selbstinszenierung/ (eingesehen am:09.10.2017)
9 Weber, Silvia: Get a Life! Social-Media-Junkies und die Suchtnach dem nächsten Like.Aus: wired (vom:
13.03.2015);unter: https://www.wired.de/collection/life/wie-social-media-sucht-die-lebensqualitat-verringert
(eingesehen am:09.10.2017)
6
Im Internet haben wir im Gegensatz zum richtigen Leben die Kontrolle über unsere
Selbstdarstellung. Denn die aufnehmende Person bestimmt den Blickwinkel, kann
die Aufnahmen beliebig oft wiederholen und bearbeiten. Es entsteht ein idealisiertes
Abbild unserer selbst, welches nicht die Realität darstellt. Anschließend landen diese
Bilder in den sozialen Netzwerken, wo wir uns von Personen bewerten lassen, die wir
kaum kennen. Dabei stellt sich immer die Frage, was wir damit erreichen wollen. Ist
ein echtes Kompliment nicht schöner, als ein nichtssagender Like? Durch das
ständige Verbreiten von Fotos stehen wir unter Beobachtung und das beschränkt
unsere Freiheiten.
Die Gefahren des Selfie-Trends habe ich gerade schon einmal am Beispiel Danny
Bowman erläutert. Studien zeigen aber auch, dass viele Menschen für das perfekte
Selfie ihre eigene Sicherheit riskieren. Wie wir hier auf der Statistik (Abb. 3) sehen
können, starben im Jahr 2015 mehr Menschen beim Aufnehmen eines Fotos als
durch Haiattacken.10 Denn je waghalsiger, desto besser. Gleichzeitig geben drei von
vier Menschen zu, die Gesellschaft mit ihren Freunden nicht geschätzt zu haben und
unaufmerksam waren. Es entsteht eine Frustration bei übertriebener Nutzung.
Wir achten viel zu sehr auf das Bild, was wir im Internet abgeben und sind ständig
auf der Jagd nach dem nächsten tollen Schnappschuss. Dabei verlieren wir das
wichtigste. Nämlich unsere kostbare Zeit.
Moderator: Ich danke Ihnen für diesen interessanten Einblick. Wir können sagen,
dass der Selfie-Trend aus unseren Leben kaum noch wegzudenken ist. Jeder macht
ihn mit, ob jung oder alt. Denn es ist nichts falsch daran, sich gelegentlich mal
abzulichten. Es sollte nur stets klar sein, dass das echte Leben nicht im Internet
stattfindet.
Nach unserer kleinen Pause empfangen wir unseren letzten Gast für diesen Abend.
Interviewen werden wir Laura. Sie kommt aus Österreich und hat sich dort einen
Namen als YouTuberin und Bloggerin gemacht. Auf ihren Kanälen hält sie ihre
Community mit Lifestyle- und Beauty-Videos auf dem Laufenden und postet täglich
Bilder von sich auf Instagram. Vor einem halben Jahr beendete sie ihre Karriere.
Pause
10 Mehr Tote bei Selfies als durch Haiattacken.Aus: derstandard.at(vom:22.09.2015);unter:
http://derstandard.at/2000022624347/Mehr-Tote-bei-Selfies-als-durch-Hai-Attacken (eingesehen am:14.10.2017)
7
Vom Hofmaler zum „Selfie“ – Teil III
Moderator: Hallo Laura! Ich freue mich, dass Sie es zu uns geschafft haben! Danke,
dass Sie ihre Erfahrungen im Bereich Social-Media mit uns teilen wollen. Sie haben
sich einen Namen gemacht und sind ziemlich bekannt durch ihre Videos auf
YouTube und Posts auf Instagram und Twitter geworden. Wieso treten sie jetzt
davon zurück und geben alles auf, wofür sie so lange gearbeitet haben?
Laura: Danke Herr Meier für die Einladung! Mir ist es wichtig, meine Geschichte an
die Öffentlichkeit zu tragen, in der ich jahrelang gelebt habe und damit auch andere
junge Leute zu warnen.
Ich hatte eine gute Freundin, die mit YouTube angefangen hat. Um ihre Videos zu
vermarkten, fing sie an, auf Instagram regelmäßig Bilder von sich und ihren
Aktivitäten hochzuladen. Ich habe sie schon immer bewundert und mir hat es
gefallen zu sehen, wie viele Likes und nette Kommentare sie bekommt. Also fing ich
an, mein Instagram-Profil aufzupeppen und einen YouTube-Kanal einzurichten. Denn
wenn man solche Personen in seinem Freundes- und Bekanntenkreis hat, fällt es
einem leichter, zu phantasieren und sich vorzustellen, genauso erfolgreich wie sie zu
werden. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ihre Fotos der Wirklichkeit entsprechen.
Natürlich bewunderte ich auch noch viele andere Prominente und Social-Media-
Stars. Die Vorstellung, einmal so bekannt wie Bianca Heineke von
„BibisBeautyPalace“ zu werden, war toll. Sie verdient ihr Geld nur durch Videos,
Werbung auf ihren Kanälen und ihren eigenen Produkten. Ich war durch die
Selbstdarstellung der Menschen im Internet stark beeinflusst.
Jede Woche habe ich ein neues Video und täglich ein Foto auf Instagram
hochgeladen. Dabei lernte ich durch positive Reaktionen, welche Bilder am besten
ankommen. Mit der Zeit perfektionierte ich meine Bilder und sie waren mit viel
Aufwand verbunden. Zusätzlich verdiente ich noch etwas nebenbei, wenn mich ein
Unternehmen für einen Auftrag bezahlt hat. Ich präsentierte mich auf Instagram mit
ihrem Produkt und brachte es meinen Followern näher. Auf meinen Bildern zeigte
ich mich nur von meiner Schokoladenseite, denn wer will schon sehen, wie ich mit
einer Erkältung im Bett liege?
Ich war suchthaft auf der Suche nach mehr Likes und neuen Followern und
betrachtete mein eigenes Leben nur noch durch die Augen anderer.
8
Egal wo ich war, jede Aktivität musste ich festhalten. Beim Baden im Meer,
Frühstücken im Luxushotel oder der Sonnenuntergang im Urlaub. Bei jeder
Gelegenheit musste mich mein Freund in bestimmten Posen fotografieren. Da es
natürlich dauert, bis man das perfekte Bild gefunden hat, ist der Sonnenuntergang
auch mal schnell vorbei. Statt die Zweisamkeit zu genießen, vermiest man sich die
schönen Augenblicke.
Für mein Leben in Social-Media baute ich mir eine neue Identität auf. Alle meine
Fotos und Videos waren bearbeitet, ich war perfekt geschminkt und trug nur gute
Klamotten. Ich selbst und meine 60.000 Follower bekamen es nicht mit, dass ich
mich realitätsfern darstellte und das Gezeigte wohl eher nicht so passiert ist. Ich blieb
in meiner Eigenkreation gefangen.
Als bekannt wurde, dass man im Internet auch eine gewisse Selbstzensur betreiben
sollte, fing ich an, alte Partyfotos von mir und meinen Freunden zu löschen. Allein
aus der Angst, dass sie von zukünftigen Arbeitgebern gesehen und negativ beurteilt
werden. Ich vermied es, Fotos oder in Videos hochzuladen, in denen ich etwas tat
oder sagte, was der vorherrschenden Meinung im Internet abweicht. Immerhin
musste ich mein perfektes Bild nach außen hin wahren. 7 8 9
Moderator: Wow! Das klingt nach ziemlich harter Arbeit. Was war der Auslöser, der
dich zum Nachdenken über deinen Lebensstil gebracht hat?
Laura: Aufmerksam auf meine übertriebene Selbstdarstellung im Internet machte
mich eine junge Nutzerin und begeisterte Abonnentin meines Profils und Kanals. Sie
schrieb mir eine Nachricht, in der sie mich fragte, wie sie auch so bekannt und
gutaussehend wie ich werden könne. Das brachte mich zum Grübeln. Gab es
wirklich so viele Menschen, die das dachten? Ich fing an, Abstand zu den sozialen
Netzwerken zu nehmen. Dadurch bemerkte ich, unter welchem Druck ich immer
stand. Es war psychologisch belastend, ständig perfekt sein zu wollen und mit
anderen verglichen zu werden. Ich brauchte eine Pause.
Ich fing an mich zu informieren. Es gab schon viele bekannte Social-Media-Stars, die
einen Schlussstrich unter dieses Leben gezogen haben. Jetzt widmen sie sich ihrem
richtigen Leben. Genau das mache ich jetzt auch, denn es gibt viele junge
Nutzerinnen mit einem Drang nach Aufmerksamkeit und diese lassen sich dann von
der vorherrschenden, sexualisierten Darstellungsweise im Internet beeinflussen.
9
Davor möchte ich warnen. Nicht alles, was ihr im Internet seht oder hört, entspricht
der Wahrheit. Lasst euch nicht von perfekt inszenierten und bearbeiteten Bildern
täuschen. Im ersten Moment wirkt alles echt, denn durch Erfahrung weiß man, wie
man am besten auf einem Foto ankommt. Viele Nutzer von sozialen Netzwerken
machen jetzt darauf aufmerksam, wie wir hier auf diesem Bild sehen können. (Abb.
4). 7 8 9
Moderator: Laura, das ist wirklich eine sehr bewegende Geschichte.
Dank Laura können wir jetzt nachvollziehen, welche Anstrengungen es braucht und
welche Schattenseiten ein Leben in der Öffentlichkeit hat. Natürlich gibt es immer
Social-Media-Stars, die es vormachen und bei denen es ganz leicht und nach Spaß
aussieht, doch es ist nicht alles Gold was glänzt.
Was können wir von unseren Künstlern aus der Vergangenheit lernen? Es ist klar,
dass ihre Kunstwerke mit einer Menge Arbeit und Zeit verbunden waren. Ein Selfie
dauert nur wenige Sekunden und ist im Gegensatz dazu lächerlich. Sie halten nur
einen flüchtigen Moment fest und verschwinden dann unter den zahlreichen anderen
Fotos, während ein Gemälde für ewig bleibt.
Liebe Zuschauer, ich bedanke mich bei Ihnen. Sie waren ein wunderbares Publikum!
Ich hoffe, dass das Interview informativ war und Ihre Fragen beantwortet hat.
Vielleicht regt es sie auch zum Nachdenken an und es gibt Themen, über die wir in
unserer nächsten Show diskutieren können.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend! Und ein großes Dankeschön geht an
unsere Gäste!

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Juliane Schulz

  • 1. 1 Vorwort Sehr geehrte Zuschauer, ich freue mich, dass Sie heute wieder zahlreich eingeschaltet haben bei „Meiers’ Diskussionsrunde“ und uns im Voraus tatkräftig mit Wünschen und Fragen zur heutigen Sendung versorgt haben. Europa ist reich an Geschichte und Denkmälern, denn sie machen die Vergangenheit greifbar. Um dieses kulturelle Erbe in unser Gedächtnis zu rufen und wieder zum Leben zu erwecken, steht 2018 unter dem Stern des Europäischen Kulturerbejahres. „Sharing Heritage“ soll das Motto sein, was so viel wie „gemeinsames Erbe“ bedeutet. Die Menschen verändern und entwickeln sich seit Jahrhunderten weiter und somit auch ihre Kultur. Wir leben in einem Medienzeitalter, wir sind technisch weit voraus und unsere Kultur ist von Selbstinszenierung geprägt. Aber was hinterlassen wir unserer Nachwelt und wie hat sich die Selbstdarstellung der Menschheit über Jahrhunderte weg verändert? Das soll auch das Thema unseres heutigen Interviews werden: Von der Hofmalerei bis zum beliebten Selfie! Wir werden uns über die verschiedensten Formen der Selbstdarstellung in Vergangenheit und Gegenwart unterhalten und dabei untersuchen, ob sich die heutige europäische Kultur der Selbstinszenierung stark verändert hat. 1 Natürlich haben wir für dieses Interview wieder umwerfende Gäste eingeladen, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben und gerne ihren Beitrag und ihre Erfahrungen mit uns teilen wollen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei unserer heutigen Diskussionsrunde! 1 65. Europäischer Wettbewerb.Aus:Europäischer Wettbewerb;unter: http://www.europaeischer- wettbewerb.de/teilnahme/thema-des-65-ew/(eingesehen am:29.09.2017)
  • 2. 2 Vom Hofmaler zum „Selfie“ – Teil I Moderator: Einen schönen guten Abend! Ich bin Jan Meier, der Moderator und Leiter der Interviews des heutigen Abends. Unser Thema für heute soll „Vom Hofmaler zum Selfie“ sein. Als erstes werden wir uns mit dem Kunsthistoriker Herrn Müller über die verschiedenen Formen der Selbstdarstellung in der Vergangenheit unterhalten und uns später der Gegenwart zuwenden. Herzlich willkommen Herr Müller! Zum Einstieg in unsere Diskussionsrunde, bitte ich Sie, den Zuschauern den Begriff Selbstdarstellung kurz zu erläutern. Herr Müller: Guten Abend! Ja, sehr gerne. Selbstdarstellung setzt sich zusammen aus den Wort Selbst, was so viel wie „seiner selbst bewusste Ich“ bedeutet und dem Wort Darstellung, welches der Begriff für die „Gestaltung einer Rolle auf der Bühne“ ist. Es ist die Art und Weise, wie eine Person oder Gruppe sich gegenüber anderen darstellt. Die Körpersprache, die Sprachform und das unmittelbare oder durch Medien vermittelte Erscheinungsbild sind typische Ausdrucksmittel. Ziel ist es, sein bestmögliches Selbst und seine Fähigkeiten zu präsentieren, um ein bestimmtes Ansehen bei anderen herzustellen. Der Begriff findet seine Anwendung auf vielen Gebieten, wie der Soziologie, der Kunst, Biologie und natürlich dem Marketing. Geprägt wurde das Wort durch den einflussreichsten Soziologen des 20. Jahrhunderts, Erving Goffman.2 Moderator: Danke sehr! Stimmt es, dass Sie sich seit Jahren mit den Selbstportraits der berühmtesten Künstler, wie Rembrandt, befassen? Herr Müller: Ja, mein Gebiet sind die Selbstbildnisse von Rembrandt, Albrecht Dürer und van Gogh. Jedoch sind sie nicht die einzigen. Fast jeder große oder kleine Herrscher oder Adlige, der etwas auf sich hielt, ließ Skulpturen, Statuen oder Gemälde von sich anfertigen, um sich bestmöglich zu präsentieren. Rembrandt, der einer der bedeutendsten niederländischen Künstler ist, hat während seiner Lebenszeit 80 Selbstportraits angefertigt, denn er war sich selbst das liebste Modell. Er porträtierte sich in den verschiedensten Gesten und Rollen, wie beim Malen, als Fürst oder Apostel Paulus (Abb. 1). Auch sein Gesichtsausdruck 2 Selbstdarstellung.Aus:Wikipedia (letzte Überarbeitung:02.09.2017);unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstdarstellung (eingesehen am:30.09.2017)
  • 3. 3 wechselte jedes Mal. Mit seinen Selbstbildnissen hielt er sichtbar seinen Alterungsprozess fest und zeichnete sich somit öfter, als jeder Künstler vor ihm. Wie viele seiner Werke, waren auch sie sehr beliebt bei den Käufern.3 4 Circa 250 Jahre später tat es ihm sein Landsmann Vincent van Gogh gleich. Er fertigte 35 Selbstportraits während seiner Lebzeit an, verkaufte jedoch nur eins seiner gesamten Bilder. Jedoch steckten alle seiner Bilder voller Zweifel an sich selbst. Van Gogh trägt denselben Namen wie sein verstorbener Bruder und stellte sich somit oft die Frage: „Wer bin ich?“. Noch vor vielen Jahren und vor unseren beiden niederländischen Künstlern, bezauberte der deutsche Grafiker und Maler Albrecht Dürer mit seinen Selbstdarstellungen auf der Leinwand. Sie gehören zu den bekanntesten Bildern der Kunstgeschichte. Eines seiner berühmtesten Bilder ist um 1500 entstanden, indem er sich als Sohn Gottes präsentiert. Hinter uns, auf der Leinwand können sie das Kunstwerk erkennen. Dürer mit lockigem langen Haar, Pelzrock und einem starren Blick (Abb. 2). Solche Posen -der Künstler als Schöpfer- waren zur damaligen Zeit nur Königen und Christus vorbehalten.5 All diese großartigen Selbstportraits unserer Künstler konservieren die Zeit und sind somit für die Ewigkeit gemacht. Moderator: Ich danke Ihnen Herr Müller. Wir können festhalten, dass die Selbstdarstellung ein sehr wesentliches Element des menschlichen Daseins ist. Die Menschheit ist eitel, wir versuchen stets, uns von unserer besten Seite zu präsentieren. Wir tun es den Künstlern der vergangenen Zeit gleich. Jedoch wollen wir heute auch auf die Formen der Selbstinszenierung in der Gegenwart eingehen und wie sich dadurch unsere europäische Kultur verändert. 3 Oelze, Sabine:Das Ich als Kunstwerk:vom Selbstporträtzum Selfie. Aus: dw (vom 06.11.2015) unter: http://www.dw.com/de/das-ich-als-kunstwerk-vom-selbstportr%C3%A4t-zum-selfie/a-18812939 (eingesehen am: 20.09.2017) 4 Rembrandtvan Rijn.Aus: Wikipedia (letzte Überarbeitung:28.09.2017);unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Rembrandt_van_Rijn (eingesehen am:03.10.2017) 5 Dürers Selbstbildnisse.Aus:Wikipedia (letzte Überarbeitung:24.09.2017);unter: https://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%BCrers_Selbstbildnisse (eingesehen am:03.10.2017)
  • 4. 4 Nach einer kurzen Werbeunterbrechung werden wir mit Frau Schmidt reden. Sie ist eine dänische Medienwissenschaftlerin, deren Hauptforschungen auf dem Gebiet der Online-Medien erfolgen. Dabei hat sie sich mit dem Phänomen „Selfie“ und der immer größer werdenden Beliebtheit der sozialen Netzwerke und ihrer Gefahren, befasst. Pause Vom Hofmaler zum „Selfie“ – Teil II Moderator: Herzlich willkommen zurück! Und begrüßen Sie mit mir Frau Schmidt! Frau Schmidt: Dankeschön, dass ich hier sein darf! Moderator: Frau Schmidt, was würden sie sagen, woher der Trend zur Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken kommt? Und was steckt hinter dem Hype? Welche Gefahren bringt er mit sich? Frau Schmidt: Die Menschen präsentieren sich gerne. Und wenn wir das tun, dann natürlich nur von unserer besten Seite. Das ist gesund, denn ein bisschen Selbstverliebtheit schadet ja nicht. Doch hauptsächlich sind wir auf der Suche nach Anerkennung, welche abhängig machen kann. Denn die Selbstinszenierung kennt in den sozialen Netzwerken keine Grenzen. Jedoch hat ein Mensch, der süchtig nach der Bewunderung von anderen ist, kein gesundes Selbstwertgefühl. Auch die amerikanische Selfie-Queen Kim Kardashian West gab zu, nach Selfies süchtig zu sein. Oversharing wird das ständige Teilen von Selfies im Internet genannt. Es ist ein Bilderrausch. Wie weit diese Online-Sucht gehen kann, zeigt Danny Bowman. Es fing an, als er 15 war und er als Männermodel abgelehnt wurde. Danny verbrachte 10 Stunden am Tag damit, über 200 Fotos von sich selbst zu schießen. Um das perfekte Foto zu finden, brach er die Schule ab, verlor seine Freunde und seine Gesundheit. Als es seiner Meinung nach nicht möglich war, das perfekte Bild zu erzielen, wollte er auch nicht mehr leben. Jetzt trägt er seine Geschichte an die Öffentlichkeit und will
  • 5. 5 damit andere Jugendliche warnen.6 Jedoch ist so eine Online- oder Selfie-Sucht nicht die Regel. Früher waren Fotos noch etwas Intimes und wurden für das Fotoalbum gemacht. Dabei stand man in Gruppen oder die Landschaft wurde abgelichtet. Mittlerweile gibt es nur noch ein Modell - und das sind wir selbst. Das Selfie-Schießen ist schon ein Bestandteil der digitalen Alltagskultur geworden. Die sozialen Netzwerke wie Instagram, Facebook und Co. bieten uns dafür eine geeignete Fläche. Den Ursprung der heutigen Selbstinszenierung findet man in den alten Hollywoodfilmen und Hochglanzmagazinen. Denn damals besaßen nur sie eine teure Ausrüstung, um hochwertige Bilder und Filme zu produzieren. Doch durch die aktuellen Smartphone und Digitalkameras macht es uns die Technik leicht. Wir sind überall in der Lage, Fotos zu machen und die zu bearbeiten. 7 8 9 Moderator: „Wir sind Schauspieler und Instagram ist die Bühne, die Follower sind unsere Zuschauer, sie applaudieren, wenn ihnen etwas gefällt, mit einem Like, denn online muss sich jeder vermarkten.“ (Jawid, Sumbal: Selfie-Hype – Im Rausch einer Selbstinszenierung. Aus: Milieu (vom: 01.03.2015); unter: http://www.dasmili.eu/art/selfie-hype-im-rausch-einer-selbstinszenierung/ (eingesehen am: 09.10.2017)) Wie würden Sie dieses Zitat interpretieren? Frau Schmidt: Das ist ein wirklich sehr treffendes Zitat. Erving Goffman prägte ja den Begriff der Selbstdarstellung in seinem Werk „Wir alle spielen Theater“.2 Denn die Menschen spielen auch im Alltag ihre Rolle. Bei einem Vorstellungsgespräch zum Beispiel. Der erste Eindruck zählt, sag ich so gerne, also schlüpft die sich vorzustellende Person in die bestmögliche Rolle von sich selbst. Jedoch ist es schwer, diese Rolle aufrecht zu erhalten, denn die Illusion muss perfekt sein. 6 Molloy, Antonia: ‘selfie obsessed’ teenager DannyBowman suicidal after failing to capture 'the perfect selfie'. Aus: Independent(vom 24.03.2014);unter: http://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/selfie-obsession- made-teenager-danny-bowman-suicidal-9212421.html (eingesehen am:14.10.2017) 7 Selbstdarstellung im Netz: Die Psychologie hinter der Inszenierung (vom: 26.07.2016);unter: https://iq.intel.de/selbstdarstellung-im-netz-die-psychologie-hinter-der-inszenierung/ (eingesehen am:09.10.2017) 8Jawid,Sumbal:Selfie-Hype – Im Rausch einer Selbstinszenierung.Aus:Milieu (vom: 01.03.2015);unter: http://www.dasmili.eu/art/selfie-hype-im-rausch-einer-selbstinszenierung/ (eingesehen am:09.10.2017) 9 Weber, Silvia: Get a Life! Social-Media-Junkies und die Suchtnach dem nächsten Like.Aus: wired (vom: 13.03.2015);unter: https://www.wired.de/collection/life/wie-social-media-sucht-die-lebensqualitat-verringert (eingesehen am:09.10.2017)
  • 6. 6 Im Internet haben wir im Gegensatz zum richtigen Leben die Kontrolle über unsere Selbstdarstellung. Denn die aufnehmende Person bestimmt den Blickwinkel, kann die Aufnahmen beliebig oft wiederholen und bearbeiten. Es entsteht ein idealisiertes Abbild unserer selbst, welches nicht die Realität darstellt. Anschließend landen diese Bilder in den sozialen Netzwerken, wo wir uns von Personen bewerten lassen, die wir kaum kennen. Dabei stellt sich immer die Frage, was wir damit erreichen wollen. Ist ein echtes Kompliment nicht schöner, als ein nichtssagender Like? Durch das ständige Verbreiten von Fotos stehen wir unter Beobachtung und das beschränkt unsere Freiheiten. Die Gefahren des Selfie-Trends habe ich gerade schon einmal am Beispiel Danny Bowman erläutert. Studien zeigen aber auch, dass viele Menschen für das perfekte Selfie ihre eigene Sicherheit riskieren. Wie wir hier auf der Statistik (Abb. 3) sehen können, starben im Jahr 2015 mehr Menschen beim Aufnehmen eines Fotos als durch Haiattacken.10 Denn je waghalsiger, desto besser. Gleichzeitig geben drei von vier Menschen zu, die Gesellschaft mit ihren Freunden nicht geschätzt zu haben und unaufmerksam waren. Es entsteht eine Frustration bei übertriebener Nutzung. Wir achten viel zu sehr auf das Bild, was wir im Internet abgeben und sind ständig auf der Jagd nach dem nächsten tollen Schnappschuss. Dabei verlieren wir das wichtigste. Nämlich unsere kostbare Zeit. Moderator: Ich danke Ihnen für diesen interessanten Einblick. Wir können sagen, dass der Selfie-Trend aus unseren Leben kaum noch wegzudenken ist. Jeder macht ihn mit, ob jung oder alt. Denn es ist nichts falsch daran, sich gelegentlich mal abzulichten. Es sollte nur stets klar sein, dass das echte Leben nicht im Internet stattfindet. Nach unserer kleinen Pause empfangen wir unseren letzten Gast für diesen Abend. Interviewen werden wir Laura. Sie kommt aus Österreich und hat sich dort einen Namen als YouTuberin und Bloggerin gemacht. Auf ihren Kanälen hält sie ihre Community mit Lifestyle- und Beauty-Videos auf dem Laufenden und postet täglich Bilder von sich auf Instagram. Vor einem halben Jahr beendete sie ihre Karriere. Pause 10 Mehr Tote bei Selfies als durch Haiattacken.Aus: derstandard.at(vom:22.09.2015);unter: http://derstandard.at/2000022624347/Mehr-Tote-bei-Selfies-als-durch-Hai-Attacken (eingesehen am:14.10.2017)
  • 7. 7 Vom Hofmaler zum „Selfie“ – Teil III Moderator: Hallo Laura! Ich freue mich, dass Sie es zu uns geschafft haben! Danke, dass Sie ihre Erfahrungen im Bereich Social-Media mit uns teilen wollen. Sie haben sich einen Namen gemacht und sind ziemlich bekannt durch ihre Videos auf YouTube und Posts auf Instagram und Twitter geworden. Wieso treten sie jetzt davon zurück und geben alles auf, wofür sie so lange gearbeitet haben? Laura: Danke Herr Meier für die Einladung! Mir ist es wichtig, meine Geschichte an die Öffentlichkeit zu tragen, in der ich jahrelang gelebt habe und damit auch andere junge Leute zu warnen. Ich hatte eine gute Freundin, die mit YouTube angefangen hat. Um ihre Videos zu vermarkten, fing sie an, auf Instagram regelmäßig Bilder von sich und ihren Aktivitäten hochzuladen. Ich habe sie schon immer bewundert und mir hat es gefallen zu sehen, wie viele Likes und nette Kommentare sie bekommt. Also fing ich an, mein Instagram-Profil aufzupeppen und einen YouTube-Kanal einzurichten. Denn wenn man solche Personen in seinem Freundes- und Bekanntenkreis hat, fällt es einem leichter, zu phantasieren und sich vorzustellen, genauso erfolgreich wie sie zu werden. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ihre Fotos der Wirklichkeit entsprechen. Natürlich bewunderte ich auch noch viele andere Prominente und Social-Media- Stars. Die Vorstellung, einmal so bekannt wie Bianca Heineke von „BibisBeautyPalace“ zu werden, war toll. Sie verdient ihr Geld nur durch Videos, Werbung auf ihren Kanälen und ihren eigenen Produkten. Ich war durch die Selbstdarstellung der Menschen im Internet stark beeinflusst. Jede Woche habe ich ein neues Video und täglich ein Foto auf Instagram hochgeladen. Dabei lernte ich durch positive Reaktionen, welche Bilder am besten ankommen. Mit der Zeit perfektionierte ich meine Bilder und sie waren mit viel Aufwand verbunden. Zusätzlich verdiente ich noch etwas nebenbei, wenn mich ein Unternehmen für einen Auftrag bezahlt hat. Ich präsentierte mich auf Instagram mit ihrem Produkt und brachte es meinen Followern näher. Auf meinen Bildern zeigte ich mich nur von meiner Schokoladenseite, denn wer will schon sehen, wie ich mit einer Erkältung im Bett liege? Ich war suchthaft auf der Suche nach mehr Likes und neuen Followern und betrachtete mein eigenes Leben nur noch durch die Augen anderer.
  • 8. 8 Egal wo ich war, jede Aktivität musste ich festhalten. Beim Baden im Meer, Frühstücken im Luxushotel oder der Sonnenuntergang im Urlaub. Bei jeder Gelegenheit musste mich mein Freund in bestimmten Posen fotografieren. Da es natürlich dauert, bis man das perfekte Bild gefunden hat, ist der Sonnenuntergang auch mal schnell vorbei. Statt die Zweisamkeit zu genießen, vermiest man sich die schönen Augenblicke. Für mein Leben in Social-Media baute ich mir eine neue Identität auf. Alle meine Fotos und Videos waren bearbeitet, ich war perfekt geschminkt und trug nur gute Klamotten. Ich selbst und meine 60.000 Follower bekamen es nicht mit, dass ich mich realitätsfern darstellte und das Gezeigte wohl eher nicht so passiert ist. Ich blieb in meiner Eigenkreation gefangen. Als bekannt wurde, dass man im Internet auch eine gewisse Selbstzensur betreiben sollte, fing ich an, alte Partyfotos von mir und meinen Freunden zu löschen. Allein aus der Angst, dass sie von zukünftigen Arbeitgebern gesehen und negativ beurteilt werden. Ich vermied es, Fotos oder in Videos hochzuladen, in denen ich etwas tat oder sagte, was der vorherrschenden Meinung im Internet abweicht. Immerhin musste ich mein perfektes Bild nach außen hin wahren. 7 8 9 Moderator: Wow! Das klingt nach ziemlich harter Arbeit. Was war der Auslöser, der dich zum Nachdenken über deinen Lebensstil gebracht hat? Laura: Aufmerksam auf meine übertriebene Selbstdarstellung im Internet machte mich eine junge Nutzerin und begeisterte Abonnentin meines Profils und Kanals. Sie schrieb mir eine Nachricht, in der sie mich fragte, wie sie auch so bekannt und gutaussehend wie ich werden könne. Das brachte mich zum Grübeln. Gab es wirklich so viele Menschen, die das dachten? Ich fing an, Abstand zu den sozialen Netzwerken zu nehmen. Dadurch bemerkte ich, unter welchem Druck ich immer stand. Es war psychologisch belastend, ständig perfekt sein zu wollen und mit anderen verglichen zu werden. Ich brauchte eine Pause. Ich fing an mich zu informieren. Es gab schon viele bekannte Social-Media-Stars, die einen Schlussstrich unter dieses Leben gezogen haben. Jetzt widmen sie sich ihrem richtigen Leben. Genau das mache ich jetzt auch, denn es gibt viele junge Nutzerinnen mit einem Drang nach Aufmerksamkeit und diese lassen sich dann von der vorherrschenden, sexualisierten Darstellungsweise im Internet beeinflussen.
  • 9. 9 Davor möchte ich warnen. Nicht alles, was ihr im Internet seht oder hört, entspricht der Wahrheit. Lasst euch nicht von perfekt inszenierten und bearbeiteten Bildern täuschen. Im ersten Moment wirkt alles echt, denn durch Erfahrung weiß man, wie man am besten auf einem Foto ankommt. Viele Nutzer von sozialen Netzwerken machen jetzt darauf aufmerksam, wie wir hier auf diesem Bild sehen können. (Abb. 4). 7 8 9 Moderator: Laura, das ist wirklich eine sehr bewegende Geschichte. Dank Laura können wir jetzt nachvollziehen, welche Anstrengungen es braucht und welche Schattenseiten ein Leben in der Öffentlichkeit hat. Natürlich gibt es immer Social-Media-Stars, die es vormachen und bei denen es ganz leicht und nach Spaß aussieht, doch es ist nicht alles Gold was glänzt. Was können wir von unseren Künstlern aus der Vergangenheit lernen? Es ist klar, dass ihre Kunstwerke mit einer Menge Arbeit und Zeit verbunden waren. Ein Selfie dauert nur wenige Sekunden und ist im Gegensatz dazu lächerlich. Sie halten nur einen flüchtigen Moment fest und verschwinden dann unter den zahlreichen anderen Fotos, während ein Gemälde für ewig bleibt. Liebe Zuschauer, ich bedanke mich bei Ihnen. Sie waren ein wunderbares Publikum! Ich hoffe, dass das Interview informativ war und Ihre Fragen beantwortet hat. Vielleicht regt es sie auch zum Nachdenken an und es gibt Themen, über die wir in unserer nächsten Show diskutieren können. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend! Und ein großes Dankeschön geht an unsere Gäste!