1. s
Worüb
müssen
CHROs sind in der Krise besonders gefragt. In diesen Tagen
und Wochen, in denen die Corona-Pandemie zunehmend nicht
nur die Schlagzeilen, sondern die ganze Wirtschaft und das
gesellschaftliche Leben bestimmt, wird HR regelrecht die Tür
eingerannt: „Wie soll ich meine Arbeit bewältigen, wenn meine
Kinder aufgrund von geschlossenen Kitas und Schulen wochen-
lang zu Hause betreut werden müssen?“, erkundigen sich Mit-
arbeitende und Führungskräfte. „Ist mein Arbeitsplatz gefährdet,
drohen zeitnah Kurzarbeit oder Werkschließungen?“, sorgen sich
Mitarbeitende. „Wie gewährleiste ich denn in meinem Team die
Zusammenarbeit, wenn alle im Homeoffice sind?“, wollen Füh-
rungskräfte wissen. „Wie lange können wir uns noch über Wasser
halten?“, fragt die Geschäftsleitung. „Wir müssen die Gesundheit
unserer Mitarbeitenden schützen und ihr Einkommen sichern,
wenn es zu Produktionsstopps kommt!“, fordert der Betriebsrat.
Und als wäre dies nicht schon Herausforderung genug, treffen
minütlich neue Nachrichten ein – zu behördlichen Verfügungen
genauso wie zur jüngsten Entwicklung der Infektionszahlen. Da
fällt es nicht leicht, den Überblick zu behalten.
Niemand kann absehen, was morgen oder übermorgen passie-
ren wird. Und dennoch kann es sich kein Unternehmen leisten,
einfach abzuwarten. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Personal-
leiter brauchen jetzt Antworten auf die Fragen, die sich morgen
stellen werden. Und selbst wenn sie noch keine passenden
Antworten parat haben, müssen sie kommunizieren. Denn wenn
sich außerhalb des Unternehmens, im Internet, in Zeitungen,
im TV und auf der Straße alle Welt zu Corona äußert, darf das
Unternehmen nicht auf „stumm“ schalten.
Jetzt ist Kommunikation gefragt
Um die externe Kommunikation muss sich ein Personalleiter
auch im Krisenfall wenig Gedanken machen. Sie wird vom Kom-
munikationsbereich verantwortet, sollte aber mit dem internen
Vorgehen abgestimmt sein. In der internen Kommunikation in
Richtung Führungskräfte, Mitarbeitende und Arbeitnehmerver-
tretung ist neben dem Kommunikationsbereich vor allem HR am
Zug. Und gerade die interne Kommunikation spielt im Umgang
Die Wirtschaft rutscht in eine Krise.
Unternehmen bangen um Aufträge,
Mitarbeitende um ihre Zukunft. Die
Unsicherheit ist groß. HR kann einen
wesentlichen Beitrag leisten, dass
aus einer Unternehmenskrise keine
Kommunikationskrise wird. Dabei ist
Empathie ebenso gefragt wie Professio
nalität. Und im besten Fall beschleunigt
die Krise sogar den Wandel der
Kommunikationskultur.
Von Pola Moitroux und Patrick Maloney
Bewährungsprobe
für digtiale
Zusammenarbeit.
Risiken besser
einschätzen,
verhindert Panik.
Kommunikation macht
den Unterschied
36 Schwerpunkt
personalmagazin05.20
2. spre-
wir
über
nmit der Corona-Pandemie eine entscheidende Rolle. Sie be-
stimmt, wie die Mitarbeitenden mit der Situation umgehen. Sie
beeinflusst, ob es gelingt, die Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhal-
ten. Sie ist maßgebend, um den Zusammenhalt der Mannschaft
zu gewährleisten, selbst wenn Mitarbeitende vorübergehend in
ihren eigenen vier Wänden arbeiten müssen.
Die meisten Personaler sind sich grundsätzlich der Bedeutung
von Krisenkommunikation bewusst. Damit wissen sie aber noch
nicht, was jetzt konkret getan werden muss, um für eine wirk-
same interne Kommunikation zur Corona-Pandemie zu sorgen.
Unsere Empfehlung ist es, sich auf drei Handlungsfelder zu
konzentrieren: Inform, Connect und Empower – kurz ICE. Wie
der Hochgeschwindigkeitszug sollen Sie ja auch in diesem Fall
möglichst schnell und sicher ans Ziel gelangen.
Drei zentrale Handlungsfelder der internen
Krisenkommunikation
1. Inform
Setzen Sie auf verständliche Inhalte und Kommunikationskanäle,
mit denen Sie Ihre Mitarbeitenden schnell und regelmäßig über
zentrale Entwicklungen bzw. Entscheidungen zum Coronavirus
und ihre Folgen fürs Unternehmen bzw. die Mitarbeiter infor-
mieren.
Primäre Voraussetzung ist es, einen Krisenstab ins Leben zu
rufen oder ihn zu aktivieren, sollte es im Unternehmen bereits
einen geben. Dieser muss nicht nur wichtige operative Entschei-
dungen treffen, sondern auch ohne langwierige Abstimmungen
kommunizieren beziehungsweise Kommunikation freigeben
dürfen. In einer Krise blicken alle Mitarbeiter auf die Unter-
nehmensleitung. Deshalb ist es wichtig, dass neben dem Krisen-
stab auch die Top-Führungskräfte sichtbar sind. Dies schließt
die Personalleitung mit ein. Nur so gewinnen Mitarbeiter das
Vertrauen, dass sich ihr Arbeitgeber um sie kümmert und die
Situation weitgehend beherrscht.
Innerhalb des Krisenstabs muss die interne Kommunikation
sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden möglichst schnell erreicht
werden. Wenn nicht alle Mitarbeitenden Zugriff auf E-Mails oder
ein Intranet haben, müssen Alternativen gesucht werden. Dafür
eignen sich WhatsApp und vergleichbare mobile Tools, die Mit-
arbeitende im Zweifelsfall auch mit ihren privaten Smartphones
nutzen können, sollten sie über keine Firmenhandys verfügen.
Mindestens ebenso wichtig wie die Wahl der Kommunikations-
kanäle sind die Inhalte. Zentrales Ziel der internen Kommunika-
tion zu Corona sollte es sein, den Mitarbeitenden etwaige Ängste
zu nehmen und aufzuzeigen, welche Regeln ihr Arbeitgeber
erlässt (zum Beispiel zu mobilem Arbeiten und Geschäftsrei-
sen) und was jeder Einzelne tun kann, um die Ausbreitung der
Krankheit zu verlangsamen. Außerhalb des Unternehmens sind
Mitarbeitende vielen unterschiedlichen Informationen ausge-
setzt. Nicht alle erweisen sich als zutreffend. Auch Gerüchte und
Falschinformationen sind darunter. Umso wichtiger ist es, dass
Unternehmen in ihrer Kommunikation an die Mitarbeiter darauf
achten, ausschließlich verlässliche und geprüfte Informationen
zu transportieren und sie entsprechend einzuordnen. Dafür
sollten sie auf Informationen von Regierungsstellen, der WHO
oder dem Robert-Koch-Institut in Deutschland zurückgreifen.
2. Connect
Treten Sie mit Ihren Führungskräften und Mitarbeitenden in den
Dialog und nehmen Sie Ihre Sorgen und Bedürfnisse ernst.
Welches Unternehmen sagt nicht von sich, dass seine Mitarbei-
tenden der wichtigste Erfolgsfaktor sind und deshalb im Mit-
telpunkt stünden? Jetzt ist die Zeit, den Worten Taten folgen
zu lassen. Die Mitarbeitenden stehen derzeit unter besonders
großem Druck: Sie wollen weiterhin ihre Arbeitsleistung er-
bringen, sorgen sich aber um ihre eigene Gesundheit oder die
Regeln
sind keine
Empfehlungen.
Liveticker verunsichern
die Bevölkerung.
In der Krise
zeigt sich die
Solidarität.
37Weltviruskrise
3. ihrer Angehörigen. Sie fragen sich, wie sicher ihr Arbeitsplatz ist
und müssen zudem in vielen Fällen auch noch die ganztägige
Betreuung ihrer Kinder schultern. In solchen Situationen zeigt
sich, wie entgegenkommend ein Arbeitgeber tatsächlich ist. Dies
ist ein „moment that matters“, von denen im Zusammenhang
mit der Employee Experience so häufig die Rede ist.
Personaler sollten jetzt klar kommunizieren, dass außerge-
wöhnliche Zeiten außergewöhnliche Antworten brauchen und
sich für schnelle Entscheidungen das Mandat der Geschäftslei-
tung holen. Auch der Betriebsrat sollte unabhängig von sonsti-
gen Gemengelagen zwischen den Betriebsparteien als Partner
gewonnen werden, um in der Krise schnell und unkompliziert
Regelungen abzuschließen.
Darf ich mich vormittags ganz um meine Kinder kümmern,
wenn ich dafür am Abend arbeite? Wie ist sichergestellt, dass
die Mitarbeitenden von Fremdfirmen, mit denen ich jeden Tag
Kontakt im Werk habe, unsere Hygienevorschriften einhalten?
Darf ich bezahlten Sonderurlaub nehmen, wenn die Aufträge
wegbrechen und nichts zu tun ist? Damit Mitarbeitende all
diese Fragen stellen und ihre Bedürfnisse äußern können, muss
die interne Kommunikation Dialogmöglichkeiten schaffen, bei-
spielsweise über ein Diskussionsforum im Intranet, über einen
Live-Chat oder über Ask-me-Anything-Sessions.
In vielen Fällen werden sich Mitarbeitende mit ihren Anliegen
zunächst an ihre Vorgesetzten wenden. Personaler sollten die
Führungskräfte mit Gesprächsleitfäden, FAQ-Listen und Infor-
mationen zu den geltenden Regelungen unterstützen, sodass
sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden individuelle Lösungen
finden können. Je entgegenkommender sich Unternehmen jetzt
zeigen, desto größer ist die zukünftige Loyalität der Mitarbei-
tenden zu ihrem Arbeitgeber und desto motivierter werden
sie ans Werk gehen, sobald die Krise ausgestanden ist und das
Geschäft wieder anzieht – ein Gewinn für Mitarbeitende und
Unternehmen.
3. Empower
Unterstützen Sie Ihre Führungskräfte und Mitarbeitenden in Ihrer
Arbeit im Homeoffice, sodass Führung und Zusammenarbeit auch
virtuell gelingen.
Um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren und die Ausbreitung
des Virus zu verlangsamen, tun immer mehr Unternehmen das
einzig Richtige: Sie ermöglichen es allen oder weiten Teilen ihrer
Mitarbeitenden, im Homeoffice zu arbeiten. Das stellt nicht nur
die IT auf die Probe. Es fordert auch die Führungskräfte und
Mitarbeitenden, die gewohnt sind, physisch im Büro zusam-
menzuarbeiten und die jetzt genauso erfolgreich rein virtuell
interagieren sollen. Das ist nicht gerade leicht, denn die ohnehin
schon größte Herausforderung in der menschlichen Zusammen-
arbeit – die Kommunikation – wird durch virtuelles Arbeiten
zusätzlich erschwert.
Hier kann HR entscheidend unterstützen. Erstens durch
Auswahl und Bereitstellung geeigneter Collaboration-Tools wie
Yammer, Microsoft Teams oder Zoom. Zweitens durch Ver-
mittlung von Wissen im Umgang mit diesen Tools und ihren
unterschiedlichen Kommunikationsweisen. Und drittens durch
konkrete Hilfestellung beim Remote Leadership, also Führen aus
der Distanz, und mobilen Arbeiten – von Checklisten über Best
Practices bis hin zu Coaching.
Das Investment von HR im Krisenfall lohnt sich gleich doppelt.
Zum einen lassen sich durch gezielte Unterstützungsmaßnah-
men die Moral, das Wohlbefinden und die Produktivität der
Mitarbeitenden während der Krise bewahren. Zum anderen ist
das mobile Arbeiten in großem Maßstab nicht nur eine Bewäh-
rungsprobe, sondern es dient zugleich als Experimentierraum
für digitale Zusammenarbeit, der Führungskräften, Mitarbeiten-
den, ihren Interessenvertretern und nicht zuletzt HR wertvolle
Erkenntnisse beschert, von denen das Unternehmen langfristig
profitieren wird.
PATRICK MALONEY arbeitete viele Jahre als
Personaler, bevor er Kommunikationsbera-
ter wurde. Bei Hering Schuppener berät er
als Managing Director Unternehmen dabei,
ihre interne Kommunikation in Verände-
rungssituationen zu gestalten.
POLA MOITROUX ist Associate Director
bei Hering Schuppener im Team Sonder
situationen. Sie hat schon vielen Firmen
geholfen, aus einer Unternehmenskrise
keine Kommunikationskrise werden zu
lassen.
„Die Krise ist für Unternehmen
nicht nur Bewährungsprobe,
sondern auch Experimentierraum
für die digitale Zusammenarbeit.“
38 Schwerpunkt
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