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Können Maschinen denken?
STARKE UND SCHWACHE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
Inhalt
• Historische Positionen – Das Leib-Seele-Problem
• Was ist eine Maschine?
• Was ist Denken?
• Moderne Positionen – Physikalismus und Qualia
Anfänge – Mythen der menschenähnlichen Automaten
„[…] und Jungfraun stützten den Herrscher [Hephaistos],
Goldene, Lebenden gleich, mit jugendlich reizender Bildung;
Diese haben Verstand in der Brust und redende Stimme,
Haben Kraft und lernten auch Kunstarbeit von den Göttern.“
Homer, Ilias, Kapitel 18, ca. 8. Jhd. v. Chr.
Descartes – Beginn des Maschinenzeitalters
Wenn es unsern Körpern ähnliche Maschinen gäbe, die sogar, soweit es
moralisch möglich wäre, unsere Handlungen nachahmten, so würden
wir doch stets zwei ganz sichere Mittel haben, um zu erkennen, dass sie
deshalb nicht wirkliche Menschen seien. Das erste ist, dass sie niemals
Worte oder andere von ihnen gemachte Zeichen würden brauchen
können, wie wir tun, um anderen unsere Gedanken mitzuteilen. […]
[Zweitens:] Denn während die Vernunft ein Universalinstrument ist, das
in allen möglichen Fällen dient, müssen diese Organe für jede
besondere Handlung eine besondere Disposition haben, und deshalb ist
es moralisch unmöglich, dass in einer Maschine verschiedene Organe
genug sind, um sie in allen Lebensfällen so handeln zu lassen, wie
unsere Vernunft uns zu handeln befähigt.
Rene Descartes, Discours de la Methode, 1673
Mechanischer Mönch
Gianello Torriano, um 1560
Leibniz – Das Mühlengleichnis
„Man stelle sich vor, dass es eine Maschine gäbe, die aufgrund ihrer Bauart denken,
fühlen und wahrnehmen könnte. Diese Maschine kann man sich dann vergrößert so
vorstellen, dass man in sie wie in eine Mühle eintreten könnte. Dann würde man in ihr nur
Teile finden, die einander stoßen, und nichts, was die Leistung einer ,Wahrnehmung‘ zu
erklären vermöchte.“
Nach Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie §17, 1714
Bildgebende Verfahren ermöglichen heute Blicke ins Gehirn auf zellularer Ebene. Aber wo ist der Geist?
„[…]denn das Gehirn hat seine Muskeln um zu denken,
wie die Beine die ihrigen um zu gehen.“
„[…]und folglich ist die Seele nur ein Bewegungsprincip, oder
ein empfindlicher materieller Theil des Gehirns, den man,
ohne einen Irrthum zu fürchten, von dem Gesichtspunkte
betrachten darf, daß er eine Haupttriebfeder des ganzen
Maschinenwerks ist.“
Julien Offray de La Mettrie, Der Mensch als Maschine, 1748
Ausschnitt aus „Der Mensch als Industriepalast“
Fritz Kahn um 1920
La Mettrie – Radikaler Materialismus
Kernfragen der klassischen Philosophie
Das metaphysische Verhältnis zwischen Geist und Materie bestimmt
auch das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine.
Was noch fehlt:
Was genau ist eine Maschine?
Was sind Merkmale von ‚Geist‘?
Ist die Maschinendefinition dann mit den Merkmalen vereinbar?
Charles Babbage – Von der Rechenmaschine zum Computer
„Die Maschine kann [nur] das tun, was wir ihr zu befehlen vermögen,
sie kann der Analyse folgen. Sie hat jedoch keine Fähigkeit zur
Erkenntnis analytischer Verhältnisse oder Wahrheiten.“
Ada Lovelace an Charles Babbage, 1843
Auch bekannt als „Lady-Lovelace-Objection“
Die Grenzen der Arithmetik wurden in dem Augenblick überschritten, in dem die
Idee zur Verwendung der Karten entstand, und die Analytical Engine hat keine
Gemeinsamkeit mit schlichten Rechenmaschinen. Sie ist einmalig, und die
Möglichkeiten, die sie andeutet, sind höchst interessant.
1837-1871: Entwurf der „Analytical Engine“ als universelle mechanische Rechenmaschine
Programmierbarkeit ermöglicht große Flexibilität:
Aber kann die Maschine „kreativ“ sein oder „erkennen“?
Turingmaschine (1936)
Halteproblem (1936)
Entschlüsselung des Enigma-Codes
(Musterbildung in der Biologie)
Können Maschinen denken? (1950)
Alan Turing
1912-1954
Mathematische Formalisierung und philosophischer Anstoß
Daraus ergeben sich die Eigenschaften der Maschine:
Schreiben, Lesen
Interner Zustand – „state of mind“
“A man provided with paper, pencil, and rubber, and subject to strict discipline, is in effect
a universal machine.”
Alan Turing, Intelligent Machinery, 1948
Turing ermöglicht die Bedeutungsverschiebung des Wortes „Computer“ vom Menschen zur Maschine!
Turings Ausgangspunkt ist das Vorgehen eines menschlichen Rechners:
Was ist eine Maschine?
Universalität der Turing-Maschine
Turing-Church-Hypothese:
Die Klasse der Turing-berechenbaren Funktionen ist identisch mit der Klasse der intuitiv berechenbaren Funktionen.
"A digital computer is a universal machine in the sense that it can be made to replace any machine of
a certain very wide class. It will not replace a bulldozer or a steam-engine or a telescope, but it will
replace any rival design of calculating machine.”
Alan Turing, Can digital computers think?, 1951
Universalität bedeutet nicht, dass die Maschine alles können muss:
Insbesondere ist auch eine Funktion möglich, die Inputs (Wahrnehmungen) mit Outputs (Handlungen) verknüpft
und damit im Sinne des Funktionalismus einen Geist realisiert.
Erweiterungen der Turing-Maschine
• Orakel-Maschinen -> Kreativität, Originalität und Intuition
• Pain-Pleasure-Maschinen -> Lernfähigkeit
The unexpected element in human behaviour he proposed, half seriously, to imitate by
a random element, or roulette-wheel, in the machine. This, he said, would enable
proud owners to say 'My machine' (instead of 'My little boy') 'said such a funny thing
this morning'.“
A. Newman im Nachruf auf Turing, 1954
d.h. der „Charakter“ einer Maschine kann durch Belohnung und Bestrafung verändert werden.
Aber ist ein „Zufallselement“ ausreichend, um spontanes menschliches Verhalten zu simulieren?
Ist diese Form der Konditionierung hinreichend um den Lernprozess zu beschreiben?
Grenzen der Turing-Maschine
• Unvollständigkeitssatz ->Halteproblem -> Lucas-Penrose-Argument
• Diskrete Arbeitsweise
Das Gehirn ist wahrscheinliche keine diskrete Maschine.
Kontinuierliche Maschinen können von der Turing-Maschine allerdings nur approximiert werden.
Ist Intelligenz nur in kontinuierlichen Maschinen möglich?
There are certain things that [any digital computer] cannot do. If it is rigged up to
give answers to questions as in the imitation game, there will be some questions
to which it will either give a wrong answer, or fail to give an answer at all
however much time is allowed for a reply.
Alan Turing, 1950
Unterliegen Menschen den selben logischen Beschränkungen?
Turings Verständnis von Intelligenz – Das Imitation Game
Ein Mensch kommuniziert schriftlich mit einem
Computer und einem Menschen. Der Computer soll
sich dabei als Mensch ausgeben.
Abschließend muss der Fragesteller beurteilen, wer
Mensch und wer Maschine ist.
Eine Maschine, die den Turing-Test besteht, ist
intelligent.
Turings Prognose:
I believe that in about fifty years' time it will be possible
to programme computers, with a storage capacity of
about 109, to make them play the imitation game so well
that an average interrogator will not have more than 70
percent chance of making the right identification after
five minutes of questioning. (1950)
Was ist Intelligenz?
Schwache Intelligenz Starke Intelligenz
Spracherkennung
Expertensysteme
Zeichenerkennung
Navigationssysteme
Korrekturvorschläge bei Suchen
Lernen
Bewusstsein
Kommunikation natürlicher Sprache
Intentionalität
Selbsterkenntnis/Eigenwahrnehmung
Empfindungsvermögen
Weisheit
Nach: http://www.informatik.uni-oldenburg.de/~iug08/ki/
In der Diskussion werden häufig zwei „Arten“ von Intelligenz unterschieden:
Mit den Fortschritten der Neurophysiologie und Informatik rückt vor allem
der Begriff des „Bewusstseins“ ins Zentrum der Philosophie.
Das Chinese-Room-Experiment
Searles Argument gegen die starke KI
John Searle *1932
Syntax reicht für Semantik nicht aus.
Computerprogramme sind durch ihre Syntax
vollständig definiert.
Geist hat semantische Inhalte.
-> Kein Computerprogramm kann aus eigener Kraft
einem System einen Geist geben.
Weiterhin: Hirnfunktionen können Geist nicht
ausschließlich dadurch verursachen, dass sie ein
Computerprogramm realisieren.
Das Luminous-Room-Argument
Paul Churchland
*1942
Patricia Churchland
*1943
Electricity and magnetism are forces.
The essential property of light is luminance.
Forces by themselves are neither constitutive of nor
sufficient for luminance.
-> Electricity and magnetism are neither constitutive of
nor suficient for light.
Dies ist offensichtlich ein Fehlschluss.
Ebenso kann „Kognition“ bei hinreichender Komplexität/Parallelität
auch von künstlichen Systemen hervorgebracht werden.
Das Chinese-Nation-Experiment
Statt eines einzelnen Raumes werden alle Menschen in China
(1.3x109) kommunikativ Verbunden und als System betrachtet.
Ausgehend von der Luminous-Room-Argumentation besitzt
dieses System mentale Zustände.
Ned Block *1942
Eliminativer Materialismus
Daniel Dennett *1942
“So contrary to what seems obvious at first blush, there
simply are no qualia at all.”
Daniel Dennett, Quining Qualia, 1988
Die mentalen Zustände der Alltagspsychologie sind
widersprüchlich und sollten wie Phlogiston, Vitalismus und
Hexenglaube nicht mehr verwendet werden.
Zusammenfassung – Mögliche Positionen
Chinese Room Chinese Nation
Turing ✔ ✔
Searle ✘ ✘
Churchland ✘ ✔
Kann man in den Gedankenexperimenten von Intelligenz sprechen?
Die ‚starken‘ Merkmale des menschlichen Geistes (Bewusstsein, Semantik etc.)…
1)…sind nur durch das menschliche Gehirn realisierbar.
2)…sind reduzierbar auf physikalische Phänomene und können durch
hinreichend komplexe Maschinen realisiert werden.
3)…existieren nicht und müssen deshalb von der KI-Forschung nicht in
Betracht gezogen werden.
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Alan Turing - Artificial Intelligence - Können Maschinen denken?

  • 1. Können Maschinen denken? STARKE UND SCHWACHE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
  • 2. Inhalt • Historische Positionen – Das Leib-Seele-Problem • Was ist eine Maschine? • Was ist Denken? • Moderne Positionen – Physikalismus und Qualia
  • 3. Anfänge – Mythen der menschenähnlichen Automaten „[…] und Jungfraun stützten den Herrscher [Hephaistos], Goldene, Lebenden gleich, mit jugendlich reizender Bildung; Diese haben Verstand in der Brust und redende Stimme, Haben Kraft und lernten auch Kunstarbeit von den Göttern.“ Homer, Ilias, Kapitel 18, ca. 8. Jhd. v. Chr.
  • 4. Descartes – Beginn des Maschinenzeitalters Wenn es unsern Körpern ähnliche Maschinen gäbe, die sogar, soweit es moralisch möglich wäre, unsere Handlungen nachahmten, so würden wir doch stets zwei ganz sichere Mittel haben, um zu erkennen, dass sie deshalb nicht wirkliche Menschen seien. Das erste ist, dass sie niemals Worte oder andere von ihnen gemachte Zeichen würden brauchen können, wie wir tun, um anderen unsere Gedanken mitzuteilen. […] [Zweitens:] Denn während die Vernunft ein Universalinstrument ist, das in allen möglichen Fällen dient, müssen diese Organe für jede besondere Handlung eine besondere Disposition haben, und deshalb ist es moralisch unmöglich, dass in einer Maschine verschiedene Organe genug sind, um sie in allen Lebensfällen so handeln zu lassen, wie unsere Vernunft uns zu handeln befähigt. Rene Descartes, Discours de la Methode, 1673 Mechanischer Mönch Gianello Torriano, um 1560
  • 5. Leibniz – Das Mühlengleichnis „Man stelle sich vor, dass es eine Maschine gäbe, die aufgrund ihrer Bauart denken, fühlen und wahrnehmen könnte. Diese Maschine kann man sich dann vergrößert so vorstellen, dass man in sie wie in eine Mühle eintreten könnte. Dann würde man in ihr nur Teile finden, die einander stoßen, und nichts, was die Leistung einer ,Wahrnehmung‘ zu erklären vermöchte.“ Nach Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie §17, 1714 Bildgebende Verfahren ermöglichen heute Blicke ins Gehirn auf zellularer Ebene. Aber wo ist der Geist?
  • 6. „[…]denn das Gehirn hat seine Muskeln um zu denken, wie die Beine die ihrigen um zu gehen.“ „[…]und folglich ist die Seele nur ein Bewegungsprincip, oder ein empfindlicher materieller Theil des Gehirns, den man, ohne einen Irrthum zu fürchten, von dem Gesichtspunkte betrachten darf, daß er eine Haupttriebfeder des ganzen Maschinenwerks ist.“ Julien Offray de La Mettrie, Der Mensch als Maschine, 1748 Ausschnitt aus „Der Mensch als Industriepalast“ Fritz Kahn um 1920 La Mettrie – Radikaler Materialismus
  • 7. Kernfragen der klassischen Philosophie Das metaphysische Verhältnis zwischen Geist und Materie bestimmt auch das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine. Was noch fehlt: Was genau ist eine Maschine? Was sind Merkmale von ‚Geist‘? Ist die Maschinendefinition dann mit den Merkmalen vereinbar?
  • 8. Charles Babbage – Von der Rechenmaschine zum Computer „Die Maschine kann [nur] das tun, was wir ihr zu befehlen vermögen, sie kann der Analyse folgen. Sie hat jedoch keine Fähigkeit zur Erkenntnis analytischer Verhältnisse oder Wahrheiten.“ Ada Lovelace an Charles Babbage, 1843 Auch bekannt als „Lady-Lovelace-Objection“ Die Grenzen der Arithmetik wurden in dem Augenblick überschritten, in dem die Idee zur Verwendung der Karten entstand, und die Analytical Engine hat keine Gemeinsamkeit mit schlichten Rechenmaschinen. Sie ist einmalig, und die Möglichkeiten, die sie andeutet, sind höchst interessant. 1837-1871: Entwurf der „Analytical Engine“ als universelle mechanische Rechenmaschine Programmierbarkeit ermöglicht große Flexibilität: Aber kann die Maschine „kreativ“ sein oder „erkennen“?
  • 9. Turingmaschine (1936) Halteproblem (1936) Entschlüsselung des Enigma-Codes (Musterbildung in der Biologie) Können Maschinen denken? (1950) Alan Turing 1912-1954 Mathematische Formalisierung und philosophischer Anstoß
  • 10. Daraus ergeben sich die Eigenschaften der Maschine: Schreiben, Lesen Interner Zustand – „state of mind“ “A man provided with paper, pencil, and rubber, and subject to strict discipline, is in effect a universal machine.” Alan Turing, Intelligent Machinery, 1948 Turing ermöglicht die Bedeutungsverschiebung des Wortes „Computer“ vom Menschen zur Maschine! Turings Ausgangspunkt ist das Vorgehen eines menschlichen Rechners: Was ist eine Maschine?
  • 11. Universalität der Turing-Maschine Turing-Church-Hypothese: Die Klasse der Turing-berechenbaren Funktionen ist identisch mit der Klasse der intuitiv berechenbaren Funktionen. "A digital computer is a universal machine in the sense that it can be made to replace any machine of a certain very wide class. It will not replace a bulldozer or a steam-engine or a telescope, but it will replace any rival design of calculating machine.” Alan Turing, Can digital computers think?, 1951 Universalität bedeutet nicht, dass die Maschine alles können muss: Insbesondere ist auch eine Funktion möglich, die Inputs (Wahrnehmungen) mit Outputs (Handlungen) verknüpft und damit im Sinne des Funktionalismus einen Geist realisiert.
  • 12. Erweiterungen der Turing-Maschine • Orakel-Maschinen -> Kreativität, Originalität und Intuition • Pain-Pleasure-Maschinen -> Lernfähigkeit The unexpected element in human behaviour he proposed, half seriously, to imitate by a random element, or roulette-wheel, in the machine. This, he said, would enable proud owners to say 'My machine' (instead of 'My little boy') 'said such a funny thing this morning'.“ A. Newman im Nachruf auf Turing, 1954 d.h. der „Charakter“ einer Maschine kann durch Belohnung und Bestrafung verändert werden. Aber ist ein „Zufallselement“ ausreichend, um spontanes menschliches Verhalten zu simulieren? Ist diese Form der Konditionierung hinreichend um den Lernprozess zu beschreiben?
  • 13. Grenzen der Turing-Maschine • Unvollständigkeitssatz ->Halteproblem -> Lucas-Penrose-Argument • Diskrete Arbeitsweise Das Gehirn ist wahrscheinliche keine diskrete Maschine. Kontinuierliche Maschinen können von der Turing-Maschine allerdings nur approximiert werden. Ist Intelligenz nur in kontinuierlichen Maschinen möglich? There are certain things that [any digital computer] cannot do. If it is rigged up to give answers to questions as in the imitation game, there will be some questions to which it will either give a wrong answer, or fail to give an answer at all however much time is allowed for a reply. Alan Turing, 1950 Unterliegen Menschen den selben logischen Beschränkungen?
  • 14. Turings Verständnis von Intelligenz – Das Imitation Game Ein Mensch kommuniziert schriftlich mit einem Computer und einem Menschen. Der Computer soll sich dabei als Mensch ausgeben. Abschließend muss der Fragesteller beurteilen, wer Mensch und wer Maschine ist. Eine Maschine, die den Turing-Test besteht, ist intelligent. Turings Prognose: I believe that in about fifty years' time it will be possible to programme computers, with a storage capacity of about 109, to make them play the imitation game so well that an average interrogator will not have more than 70 percent chance of making the right identification after five minutes of questioning. (1950)
  • 15. Was ist Intelligenz? Schwache Intelligenz Starke Intelligenz Spracherkennung Expertensysteme Zeichenerkennung Navigationssysteme Korrekturvorschläge bei Suchen Lernen Bewusstsein Kommunikation natürlicher Sprache Intentionalität Selbsterkenntnis/Eigenwahrnehmung Empfindungsvermögen Weisheit Nach: http://www.informatik.uni-oldenburg.de/~iug08/ki/ In der Diskussion werden häufig zwei „Arten“ von Intelligenz unterschieden: Mit den Fortschritten der Neurophysiologie und Informatik rückt vor allem der Begriff des „Bewusstseins“ ins Zentrum der Philosophie.
  • 17. Searles Argument gegen die starke KI John Searle *1932 Syntax reicht für Semantik nicht aus. Computerprogramme sind durch ihre Syntax vollständig definiert. Geist hat semantische Inhalte. -> Kein Computerprogramm kann aus eigener Kraft einem System einen Geist geben. Weiterhin: Hirnfunktionen können Geist nicht ausschließlich dadurch verursachen, dass sie ein Computerprogramm realisieren.
  • 18. Das Luminous-Room-Argument Paul Churchland *1942 Patricia Churchland *1943 Electricity and magnetism are forces. The essential property of light is luminance. Forces by themselves are neither constitutive of nor sufficient for luminance. -> Electricity and magnetism are neither constitutive of nor suficient for light. Dies ist offensichtlich ein Fehlschluss. Ebenso kann „Kognition“ bei hinreichender Komplexität/Parallelität auch von künstlichen Systemen hervorgebracht werden.
  • 19. Das Chinese-Nation-Experiment Statt eines einzelnen Raumes werden alle Menschen in China (1.3x109) kommunikativ Verbunden und als System betrachtet. Ausgehend von der Luminous-Room-Argumentation besitzt dieses System mentale Zustände. Ned Block *1942
  • 20. Eliminativer Materialismus Daniel Dennett *1942 “So contrary to what seems obvious at first blush, there simply are no qualia at all.” Daniel Dennett, Quining Qualia, 1988 Die mentalen Zustände der Alltagspsychologie sind widersprüchlich und sollten wie Phlogiston, Vitalismus und Hexenglaube nicht mehr verwendet werden.
  • 21. Zusammenfassung – Mögliche Positionen Chinese Room Chinese Nation Turing ✔ ✔ Searle ✘ ✘ Churchland ✘ ✔ Kann man in den Gedankenexperimenten von Intelligenz sprechen? Die ‚starken‘ Merkmale des menschlichen Geistes (Bewusstsein, Semantik etc.)… 1)…sind nur durch das menschliche Gehirn realisierbar. 2)…sind reduzierbar auf physikalische Phänomene und können durch hinreichend komplexe Maschinen realisiert werden. 3)…existieren nicht und müssen deshalb von der KI-Forschung nicht in Betracht gezogen werden.