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Friedrich Justin Bertuch
Bilderbuch für Kinder
Historie des Bilderbuchs
•1790 – Erste Ankündigung im „Modejournal“
•Veröffentlichung: Hefte mit jeweils fünf Tafeln und erklärendem Text, Auflage: mehrere hundert
•1792 – Übersetzung ins Französische
•1795 – Erweiterung um eine Nomenklatur nach Linné
•Ab 1798 – Ausführlicher Kommentar
•Ab 1802 – Übersetzungen ins Englische und Italienische
•1810/1826 – Veröffentlichung ausführlicher Register
•1818 – Auflage: 1500 Exemplare
•1830 – Letzte Ausgabe nach 1185 Tafeln mit 9000 Bildern
Historische Einordnung
Comenius: Orbis Sensualium Pictus, 1658 Bilderbuch für Kinder, ab 1790Basedow: Elementarwerk, 1774
Ankündigung
Februar 1790 im Journal der Moden
Kritik an den bestehenden Werken mit Verweis auf die Pädagogik von Locke, Basedow u.a.:
•„Es muss nicht zu viele und zu sehr verschiedene Gegenstände auf Einer Tafel
zusammendrängen.“
•„Die auf einer Tafel zusammengestellten [Gegenstände] müssen richtige Verhältnisse
gegeneinander haben.“
•„Es muss womöglich fremde und seltene, jedoch instructive Gegenstände enthalten, die das
Kind nicht ohnedies schon täglich sieht.“
•„Es muss gut, aber nicht zu kostbar, und so von Preise und Werthe seyn, dass auch mittelmässig
bemittelte Aeltern desselbe nach und nach anschaffen […] können.“
Ankündigung
Andere Erklärungen erscheinen eher verlegerisch als pädagogisch motiviert:
•z.B. das vermeintliche Durcheinander:
„Dass die Kupfer ohne alles anscheinende System und Ordnung mit möglichster Abwechselung
und Mannichfaltigkeit […] aufeinander folgen, ist durchaus nöthig. Ein Kind, das so bald über
einerlei Gegenständen ermüdet […], kann unmöglich eine systematische Folge von so vielen
Platten […] aushalten, ohne zu ermüden und das Vergnügen daran zu verlieren.“
•Oder die Anordnung von Text und Bildtafel:
„Stehen die Kupfer nun linker Hand und der Text auf der Rechten, so werden jene weit mehr
geschont, und das Kind kann sich auch beim Lesen der Erklärung besser helfen, ohne die Figuren
mit dem rechten Arme zu verdecken.“
Aufbau und Inhalt
Einteilung in vierzehn Kategorien:
•Naturgeschichte (insbesondere Zoologie) ist Großteil des Inhalts
•Vermischte Gegenstände werden in späteren Heften immer häufiger
1. Vierfüssige Thiere
2. Vögel
3. Fische
4. Insecten
5. Pflanzen
6. Menschen und Trachten
7. Gewürme
8. Conchylien
9. Corallen
10. Amphibien
11. Mineralien
12. Baukunst
13. Alterthümer
14. Vermischte Gegenstände
Blick ins Buch
• 1186 Tafeln mit insgesamt 9000
Bildern und Begleittext
• 5 Tafeln pro Heft
• Je 20 Hefte in insgesamt 12 Bänden
• Gesamtpreis: 125 Taler
Reaktionen
•Kritik von pädagogischer Seite: „Pot-Pouri“, Vernachlässigung der Sprache, Verzerrung zur
Karikatur
•Dennoch Einsatz an Schulen
•Wirtschaftlich wird das Bilderbuch für Bertuch ein großer Erfolg:
„Du weißt daß mein Bilderbuch das erste, wichtigste und einträglichste Werk unserer Handlung
ist, und schnell gefördert und geliefert werden muß […].“
F. J. Bertuch an seinen Sohn, 07.08.1800
Der Kommentar
•Publikum fordert genauere Beschreibungen
•Erste Ankündigung des Kommentars 1793
•Suche nach einem Autor gestaltet sich schwierig. Schließlich:
Karl Philipp Funke (1753-1807)
•Theologe, Pädagoge am Philanthropinum in Dessau, hoch verschuldet:
„Ich sehe wahrhaft kein anderes Mittel, dem völligen Ruin zu entgehen.“
•Verfasser zahlreicher pädagogischer Werke
•Der Kommentar bleibt wissenschaftsoptimistisch, humanistisch, frei von religiösen Deutungen
Der Kommentar
•Carl Friedrich Funke bis zu seinem Tod 1807 alleiniger Verfasser
•Danach verschiedene Autoren unter Redaktion von Carl Bertuch, später Ludwig von Froriep
•Probleme bereitet die Vielzahl an Themen:
„Sie glauben nicht, wie sehr ich mich an den Paar Zeilen des Textes zu diesen Tafeln geplagt habe
[…]“
Friedrich Sigmund Voigt an Karl Bertuch, 1811
Bis 1833 Veröffentlichung von insgesamt 24 Bänden Kommentar á 700 Seiten
Exkurs: Was kann man denken?
Das Bilderbuch ermöglicht eine „illustre Gesellschaft von Lebewesen und Gegenständen“, die
in der ‚Realität‘ so nicht aufeinandertreffen können.
Ähnlich motiviert sind die Eingangsfragen zu Foucaults Ordnung der Dinge:
„Was ist eigentlich für uns unmöglich zu denken? Um welche Unmöglichkeit handelt es sich?“
Was sagt das Bilderbuch über das ‚Denkbare‘ in der Zeit seiner Entstehung aus?
Das Bilderbuch als Spiegel der Zeit
•Beginn der Wissenschaften vom Menschen (z.B. Vergleichende Anatomie)
•„Bestandsaufnahme der Reichtümer“
•‚Transzendentale‘ Deutungen verschwinden
•Abkehr von Teleologie, Physiko-Theologie, Plan Gottes und Ordnung der Schöpfung
•Aufstellung von (künstlichen) Klassifikationssystemen
•Anthropozentrismus? („junge Hirsche geben leckere Braten“)
•Repräsentationen „hinter die Grenzen des Sichtbaren“
Nachahmungen
Das Bilderbuch wird Ausgangspunkt für ähnliche Werke und direkte Kopien.
Das führt zu polemischen Briefwechseln zwischen Bertuch und dessen Nachahmern:
„Machen sie mich doch künftig nicht mehr
zum Muster Ihrer Nachbildung, lieber Herr
Baumgärtner […].“
„Sie haben einen guten Theil Egoismum, indem sie
glauben, daß ich Sie zum Muster der Nachbildung
genommen. […] Wie können Sie glauben, daß Eltern
gleich 40-50 Thl. für eine Kinder-Schrift anwenden
sollen? Dahero fing ich meines an, damit es Eltern
erleichtert würde, und da zumal in Ihrem Bilderbuch
so viele Mängel sind.“
F. J. Bertuch, 20.08.1800
A. F. G. Baumgärtner, 26.08.1800
Das Bilderbuch im Programm Bertuchs
„Zu diesem Zwecke schien mir ein Vorläufer, ein zwar für sich bestehendes, aber
doch meinen entferntern Hauptplan vorbereitendes Werk wesentlich nöthig zu
seyn, und dazu machte ich vor nunmehr 9 Jahren mein Bilderbuch für Kinder.”
Friedrich Justin Bertuch
Ziele:
•Bestandsaufnahme, Objekte ordnen
•Künstler des Zeichenschule mit Naturgeschichte vertraut machen
•Interessen des Publikums erfahren
Das Bilderbuch im Programm Bertuchs
•Diese Expertise findet Anwendung für folgende Werke:
„In dieser Hinsicht findet nun für unser Wörterbuch der Naturgeschichte ein nicht ungünstiger
Umstand statt, in dem bereits 800 Kupfertafeln und darüber vorräthig sind […].
Froriep, 1825
•Die positive Reaktion des Publikums bietet Anlass für weiter Veröffentlichungen über
Naturgeschichte:
„Glücklicherweise übertraf der Erfolg fast meine Erwartung. Man nahm mein Bilderbuch gut auf.“
Nachahmungen
Diese Auseinandersetzungen bleiben ergebnislos, da Rechtsgrundlagen zum Schutz vor
Nachdrucken nicht existieren:
„Da man in unserem lieben Teutschland […] öffentlich beraubt und bestohlen werden darf, so
kann ich leider nichts thun, als diese Diebe in effigie an meinen Privat-Galgen hängen.“
Bertuch argumentierte 1790 noch ähnlich, als er sich aus dem „Portefeuille des Enfans“ bediente:
„[Dieser Versuch] ,der aber nichts weniger als fehlerfrei ist hat mich auf den Gedanken geleitet,
diese Einrichtung für unsere junge Welt nachzuahmen, und so viel möglich seine Fehler in
meinem Bilderbuch für Kinder zu vermeiden.“
Das Ende des Bilderbuchs
•Neue Drucktechnik: Holzstich
•Ermöglicht „Heller- und Pfennig-Magazine“ mit Auflagen von bis zu 100.000 Exemplaren pro
Woche
•In der Folge finden nur noch 60% der Auflage des Bilderbuchs Absatz:
„Das Bilderbuch hat nicht mehr so viele Subscribenten als zur Kostendeckung nöthig sind und
Neuhinzutretend[e] gibt es nicht […], weil die Pfennigs Magazine so viele Abbildungen solcher
Gegenstände liefern, welche sonst durch das Bilderbuch gleichsam ausschließlich verbreitet
wurden.“ Froriep, 05.05.1837
•Positiv: Die Naturgeschichte wird einem breiteren Publikum zugänglich
Kuriositäten
Text im Bilderbuch:
„Eine seltene und wunderbare Spielart von dem gemeinen
Hasen ist der gehörnte Hase. Man findet zuweilen, obgleich
selten, allerding dergleichen Hasen, jedoch nur einzeln, und
nicht als Gattung. Ihr Gehörn, das wahrscheinlich ein bloßes
Naturspiel ist, ist ohngefähr so groß als das Gehörn von einem
Rehbocke. Man zeigt dergleichen Hasen-Gehörne in
Naturalien-Kabinetten als eine Seltenheit.“
Funke kommentiert später:
„Mir ist wenigstens kein zuverlässiges und durch gültige
Augenzeugen bestätigtes Beispiel aufgestoßen.“

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  • 2. Historie des Bilderbuchs •1790 – Erste Ankündigung im „Modejournal“ •Veröffentlichung: Hefte mit jeweils fünf Tafeln und erklärendem Text, Auflage: mehrere hundert •1792 – Übersetzung ins Französische •1795 – Erweiterung um eine Nomenklatur nach Linné •Ab 1798 – Ausführlicher Kommentar •Ab 1802 – Übersetzungen ins Englische und Italienische •1810/1826 – Veröffentlichung ausführlicher Register •1818 – Auflage: 1500 Exemplare •1830 – Letzte Ausgabe nach 1185 Tafeln mit 9000 Bildern
  • 3. Historische Einordnung Comenius: Orbis Sensualium Pictus, 1658 Bilderbuch für Kinder, ab 1790Basedow: Elementarwerk, 1774
  • 4. Ankündigung Februar 1790 im Journal der Moden Kritik an den bestehenden Werken mit Verweis auf die Pädagogik von Locke, Basedow u.a.: •„Es muss nicht zu viele und zu sehr verschiedene Gegenstände auf Einer Tafel zusammendrängen.“ •„Die auf einer Tafel zusammengestellten [Gegenstände] müssen richtige Verhältnisse gegeneinander haben.“ •„Es muss womöglich fremde und seltene, jedoch instructive Gegenstände enthalten, die das Kind nicht ohnedies schon täglich sieht.“ •„Es muss gut, aber nicht zu kostbar, und so von Preise und Werthe seyn, dass auch mittelmässig bemittelte Aeltern desselbe nach und nach anschaffen […] können.“
  • 5. Ankündigung Andere Erklärungen erscheinen eher verlegerisch als pädagogisch motiviert: •z.B. das vermeintliche Durcheinander: „Dass die Kupfer ohne alles anscheinende System und Ordnung mit möglichster Abwechselung und Mannichfaltigkeit […] aufeinander folgen, ist durchaus nöthig. Ein Kind, das so bald über einerlei Gegenständen ermüdet […], kann unmöglich eine systematische Folge von so vielen Platten […] aushalten, ohne zu ermüden und das Vergnügen daran zu verlieren.“ •Oder die Anordnung von Text und Bildtafel: „Stehen die Kupfer nun linker Hand und der Text auf der Rechten, so werden jene weit mehr geschont, und das Kind kann sich auch beim Lesen der Erklärung besser helfen, ohne die Figuren mit dem rechten Arme zu verdecken.“
  • 6. Aufbau und Inhalt Einteilung in vierzehn Kategorien: •Naturgeschichte (insbesondere Zoologie) ist Großteil des Inhalts •Vermischte Gegenstände werden in späteren Heften immer häufiger 1. Vierfüssige Thiere 2. Vögel 3. Fische 4. Insecten 5. Pflanzen 6. Menschen und Trachten 7. Gewürme 8. Conchylien 9. Corallen 10. Amphibien 11. Mineralien 12. Baukunst 13. Alterthümer 14. Vermischte Gegenstände
  • 7. Blick ins Buch • 1186 Tafeln mit insgesamt 9000 Bildern und Begleittext • 5 Tafeln pro Heft • Je 20 Hefte in insgesamt 12 Bänden • Gesamtpreis: 125 Taler
  • 8. Reaktionen •Kritik von pädagogischer Seite: „Pot-Pouri“, Vernachlässigung der Sprache, Verzerrung zur Karikatur •Dennoch Einsatz an Schulen •Wirtschaftlich wird das Bilderbuch für Bertuch ein großer Erfolg: „Du weißt daß mein Bilderbuch das erste, wichtigste und einträglichste Werk unserer Handlung ist, und schnell gefördert und geliefert werden muß […].“ F. J. Bertuch an seinen Sohn, 07.08.1800
  • 9. Der Kommentar •Publikum fordert genauere Beschreibungen •Erste Ankündigung des Kommentars 1793 •Suche nach einem Autor gestaltet sich schwierig. Schließlich: Karl Philipp Funke (1753-1807) •Theologe, Pädagoge am Philanthropinum in Dessau, hoch verschuldet: „Ich sehe wahrhaft kein anderes Mittel, dem völligen Ruin zu entgehen.“ •Verfasser zahlreicher pädagogischer Werke •Der Kommentar bleibt wissenschaftsoptimistisch, humanistisch, frei von religiösen Deutungen
  • 10. Der Kommentar •Carl Friedrich Funke bis zu seinem Tod 1807 alleiniger Verfasser •Danach verschiedene Autoren unter Redaktion von Carl Bertuch, später Ludwig von Froriep •Probleme bereitet die Vielzahl an Themen: „Sie glauben nicht, wie sehr ich mich an den Paar Zeilen des Textes zu diesen Tafeln geplagt habe […]“ Friedrich Sigmund Voigt an Karl Bertuch, 1811 Bis 1833 Veröffentlichung von insgesamt 24 Bänden Kommentar á 700 Seiten
  • 11. Exkurs: Was kann man denken? Das Bilderbuch ermöglicht eine „illustre Gesellschaft von Lebewesen und Gegenständen“, die in der ‚Realität‘ so nicht aufeinandertreffen können. Ähnlich motiviert sind die Eingangsfragen zu Foucaults Ordnung der Dinge: „Was ist eigentlich für uns unmöglich zu denken? Um welche Unmöglichkeit handelt es sich?“ Was sagt das Bilderbuch über das ‚Denkbare‘ in der Zeit seiner Entstehung aus?
  • 12. Das Bilderbuch als Spiegel der Zeit •Beginn der Wissenschaften vom Menschen (z.B. Vergleichende Anatomie) •„Bestandsaufnahme der Reichtümer“ •‚Transzendentale‘ Deutungen verschwinden •Abkehr von Teleologie, Physiko-Theologie, Plan Gottes und Ordnung der Schöpfung •Aufstellung von (künstlichen) Klassifikationssystemen •Anthropozentrismus? („junge Hirsche geben leckere Braten“) •Repräsentationen „hinter die Grenzen des Sichtbaren“
  • 13. Nachahmungen Das Bilderbuch wird Ausgangspunkt für ähnliche Werke und direkte Kopien. Das führt zu polemischen Briefwechseln zwischen Bertuch und dessen Nachahmern: „Machen sie mich doch künftig nicht mehr zum Muster Ihrer Nachbildung, lieber Herr Baumgärtner […].“ „Sie haben einen guten Theil Egoismum, indem sie glauben, daß ich Sie zum Muster der Nachbildung genommen. […] Wie können Sie glauben, daß Eltern gleich 40-50 Thl. für eine Kinder-Schrift anwenden sollen? Dahero fing ich meines an, damit es Eltern erleichtert würde, und da zumal in Ihrem Bilderbuch so viele Mängel sind.“ F. J. Bertuch, 20.08.1800 A. F. G. Baumgärtner, 26.08.1800
  • 14. Das Bilderbuch im Programm Bertuchs „Zu diesem Zwecke schien mir ein Vorläufer, ein zwar für sich bestehendes, aber doch meinen entferntern Hauptplan vorbereitendes Werk wesentlich nöthig zu seyn, und dazu machte ich vor nunmehr 9 Jahren mein Bilderbuch für Kinder.” Friedrich Justin Bertuch Ziele: •Bestandsaufnahme, Objekte ordnen •Künstler des Zeichenschule mit Naturgeschichte vertraut machen •Interessen des Publikums erfahren
  • 15. Das Bilderbuch im Programm Bertuchs •Diese Expertise findet Anwendung für folgende Werke: „In dieser Hinsicht findet nun für unser Wörterbuch der Naturgeschichte ein nicht ungünstiger Umstand statt, in dem bereits 800 Kupfertafeln und darüber vorräthig sind […]. Froriep, 1825 •Die positive Reaktion des Publikums bietet Anlass für weiter Veröffentlichungen über Naturgeschichte: „Glücklicherweise übertraf der Erfolg fast meine Erwartung. Man nahm mein Bilderbuch gut auf.“
  • 16. Nachahmungen Diese Auseinandersetzungen bleiben ergebnislos, da Rechtsgrundlagen zum Schutz vor Nachdrucken nicht existieren: „Da man in unserem lieben Teutschland […] öffentlich beraubt und bestohlen werden darf, so kann ich leider nichts thun, als diese Diebe in effigie an meinen Privat-Galgen hängen.“ Bertuch argumentierte 1790 noch ähnlich, als er sich aus dem „Portefeuille des Enfans“ bediente: „[Dieser Versuch] ,der aber nichts weniger als fehlerfrei ist hat mich auf den Gedanken geleitet, diese Einrichtung für unsere junge Welt nachzuahmen, und so viel möglich seine Fehler in meinem Bilderbuch für Kinder zu vermeiden.“
  • 17. Das Ende des Bilderbuchs •Neue Drucktechnik: Holzstich •Ermöglicht „Heller- und Pfennig-Magazine“ mit Auflagen von bis zu 100.000 Exemplaren pro Woche •In der Folge finden nur noch 60% der Auflage des Bilderbuchs Absatz: „Das Bilderbuch hat nicht mehr so viele Subscribenten als zur Kostendeckung nöthig sind und Neuhinzutretend[e] gibt es nicht […], weil die Pfennigs Magazine so viele Abbildungen solcher Gegenstände liefern, welche sonst durch das Bilderbuch gleichsam ausschließlich verbreitet wurden.“ Froriep, 05.05.1837 •Positiv: Die Naturgeschichte wird einem breiteren Publikum zugänglich
  • 18. Kuriositäten Text im Bilderbuch: „Eine seltene und wunderbare Spielart von dem gemeinen Hasen ist der gehörnte Hase. Man findet zuweilen, obgleich selten, allerding dergleichen Hasen, jedoch nur einzeln, und nicht als Gattung. Ihr Gehörn, das wahrscheinlich ein bloßes Naturspiel ist, ist ohngefähr so groß als das Gehörn von einem Rehbocke. Man zeigt dergleichen Hasen-Gehörne in Naturalien-Kabinetten als eine Seltenheit.“ Funke kommentiert später: „Mir ist wenigstens kein zuverlässiges und durch gültige Augenzeugen bestätigtes Beispiel aufgestoßen.“