Aspekte aus dem Leben eines der bedeutendsten Autoren der Traditionellen Chinesischen Medizin werden genutzt um ein Bild der kulturellen Bedingungen der späten Ming-Dynastie (um 1600 n. Chr.) zu zeichnen
4. Typ Bezeichnung
Oberbegriff im Bencao Gangmu 豕 (shi)
Allgemeine Bezeichnungen 豬 (zhū), 豚 (tún), 豭 (jiā), 豶 (zhì), 䝕 zhé
Männliche Schweine 豭 (jiā), 牙 (yá)
Weibliche Schweine 彘 (zhì), 豝 (bā), 䝏 (lòu)
Kastrierte Schweine 豶 (fén)
Schweine mit hellen Hufen 豥豬 (gāi zhū)
Schweine die fünf Fuß groß sind (è)
Jungtiere 豬 (zhū), 豚 (tún), 豰 (hù)
Erst-/Zweit-/Dritt-/Letztgeborenes 特 (tè) / 師 (shī) / 豵 (zōng) / 么 (yao)
Im April/Juli geborene Schweine 豯 (xī) / 䝋 (zòng)
Regionale Varianten 豨 (xī) / 䝒 (zhù)
Literarische Namen 剛鬣 (ganglie),參軍 (canjun)
Das Schwein: Bekannt unter
23 verschiedenen Namen.
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5. Fragestellung
Wie wird der kranke, dumme Autor zum „Prinzen der Pharmazie“?
Was sagt die Biographie von Li Shizhen über die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen aus, unter denen medizinische Autoren in der
Ming-Dynastie arbeiteten?
6. Gliederung
Biographie
• Jugend und Ausbildung
• Verfassung des Bencao
Gangmu, Suche nach
Verlegern
• Tod, Publikation,
Nachwirkung
Kontext
• Beamtenprüfung
• Arztberuf im kaiserlichen China
• Stellung der Medizin
• Buchdruck und Publikation
7. Biographische Quellen
• Vorworte zu verschiedenen Auflagen des Bencao Gangmu
(Erste Auflage von 1593)
• Erwähnungen in Textsammlungen, z.B. „Aufzeichnungen der Schilfhalle“
(Mitte 17. Jahrhundert)
• Chroniken der Provinz Qizhou
• Eintrag in der Geschichte der Ming-Dynastie (1739)
Ausschnitt aus der
Geschichte der
Ming-Dynastie
8. Biographie – Teil I
1518: Geburt in Waxiaopa (Qizhou, heute Hubei), Vater und Großvater
sind Ärzte
Seit 1532: Lizentiat (秀才) für Beamtenprüfung
1540er: Endgültige Aufgabe nach dreimaligem Scheitern und
anschließendes Selbststudium der Medizin, Tätigkeit als Arzt
Qizhou
9. Beamtenprüfung
• Verlangt Kenntnis der konfuzianischen Klassiker
• Harte Selektionskriterien wegen Bevölkerungswachstum und Kommerzialisierung des Wissens
• 95% der Teilnehmer bestehen nicht und wenden sich anderen Disziplinen zu
“Eine der unbeabsichtigten Folgen der Prüfung war die Entstehung
von Legionen klassisch gebildeter Männer, die ihre linguistischen
Talente für nicht-offizielle Zwecke einsetzten.“
Benjamin Elman, Civil Service Examinations (2009)
Mit Wachsfiguren nachgestellte Beamtenprüfung
10. Legitimation des Arztes
• Kein verbindliches Curriculum für Mediziner
• Die älteste Bestimmung für die Ausübung des Arztberufs aus dem Buch der Riten:
• Andere Interpretation durch steigendes Interesse an der Medizin:
„Stammt der Arzt nicht aus einer Familie, in der schon seit drei
Generationen (三世) Ärzte tätig sind, soll man seine Medizin nicht
nehmen.“
Buch der Riten (ca. 1. Jhd. v. Chr.)
“Alle [angesehenen Ärzte] der Vergangenheit traten durch eigene
Leistungen hervor. Deshalb wissen wir, dass die Tätigkeit des Arztes auf
dem Studium der drei klassischen Bücher beruht und nicht [auf der
Weitergabe des Wissens] über drei Generationen von Großvater und
Vater.”
Continuing Burning the Flame of the Light of Medicine (1652)
11. Legitimation in der Biographie
„Er studierte die Bücher zehn Jahre lang, ohne das Haus zu verlassen. Es
gab nichts, was er nicht las.“ Aufzeichnungen der Schilfhalle
• Auch Li Shizhen wird so im Vorwort des Bencao Gangmu inszeniert
• Spätere Biographien formulieren ähnlich:
„Ich, Li Shizhen, bin ergebener Diener des Staates Chu. In meiner Jugend
war ich häufig krank und nur von schwachem Verstand. Als ich älter wurde,
studierte ich die Klassiker, die mir so süß wie Honig wurden. Ich jagte dich
Bücher und sammelte [das Wissen] aller Schulen: Alle Meister, Geschichte,
die Klassiker, Biographien, [Phonetik der] Sprache, Landwirtschaft, Medizin
und Weissagung, Astrologie und die Poesie aller Schulen.“
Bencao Gangmu, Vorwort der ersten Auflage (1590)
12. Biographie - Teill II
Um 1549: Tempeldiener im Dienst des Königs von Chu
später durch Empfehlung Sekretär an der Kaiserlichen Medizinischen
Akademie in Peking
Mitte 1550er: Rückkehr in die Heimat,
Verfassung kleinerer Abhandlungen z.B. zu den Meridianen (1565),
Ursprünge des Bencao Gangmu
Ab 1580er: Fertigstellung des ersten Manuskripts
Anstrengungen zu Druck und Publikation
13. Publikationslandschaft
• Technisch fortschrittlich:
Holzschnitte, bewegliche Lettern, mehrfarbige Drucke etc.
Probleme des Bencao Gangmu:
-Werk ohne Auftrag verfasst
-enormer Umfang von 1.9 Millionen Schriftzeichen)
-Medizin weniger angesehene Disziplin
Bewegliche Lettern aus Ton
Seite aus einem
Kinderwörterbuch (1436)
Staatliche Projekte Private Projekte
Großprojekte als Machtdemonstration,
Wissensbasis für administrative Zwecke,
Kanon für die Ausbildung von Beamten
Alltagsenzyklopädien (日用类书)
„Pinselnotizen“-Miszellen (笔记)
Exklusive Beamtenkreise Gebildete Kreise unterhalb der Eliten
Nur auf staatlichen Auftrag Kommerziell
14. Stellung der Medizin
• Neo-Konfuzianismus unterteilt in „große“ und „kleine“ Disziplinen
"Er war ein namhafter Gelehrter der Literatur. Aber da er die Medizin ausübte,
wurde er auf den Rang eines Handwerkers hinabgestuft. Wie bedauerlich!"
Zhu Xi, zitiert nach P. Unschuld, Traditionelle Chinesische Medizin
Chinesischer Wanderarzt
• Medizin erforscht nur irdische, materielle Gegenstände und hat damit geringeren Stellenwert
15. Darstellung als Gelehrter
• Li Shizhen verfolgt die Geschichte der Bencao-Literatur, kompiliert und kommentiert über 800 Quellen
• Systematische, hierarchische Ordnung nach naturphilosophischen Kriterien
• Verfolgung der Etymologie der Begriffe um eindeutige Bezeichnungen zu finden
„Obwohl es für die Ärzte nur Medikamente sind, ist es durch die Untersuchung und
Unterscheidung von Formen und Prinzipien (形理) in Wahrheit das, was wir Gelehrten
die Lehre von der Untersuchung der Dinge (格物) nennen.“
Bencao Gangmu, Vorwort des Verfassers
Japanische Illustrationen eines
chinesischen Gelehrten-Arztes
(15. Jhd.)
16. Inszenierung des Bencao Gangmu
• Verbesserungen werden gezielt hervorgehoben:
"Ein Blick genügt, um zu wissen, suchen ist nicht notwendig.„
Vorwort des Bencao Gangmu
„Das Werk reifte über 30 Jahre, ich untersuchte über 800 Bücher, änderte das gesamte
Manuskript dreimal. Das Überflüssige strich ich, das Fehlende fügte ich hinzu, das
Fehlerhafte brachte ich in Ordnung.“
„Zur Zeit der Tang- und Song-Dynastie gab es Revisionen, Einträge wurden hinzugefügt
oder erweitert, andere wurden entfernt. Die Unterteilung blieb bestehen, doch die alten
Bezeichnungen wurden durcheinandergebracht und ihre wahre Bedeutung ging
verloren. Jetzt habe ich alles in 16 Sektionen und 60 Kategorien geordnet […].“
17. Einflussreiche Freunde
• Wang Shizhen, Schriftsteller und Justizminister in Nanjing
• Herausgeber verschiedener literarischer Werkesammlungen
• Verfasst das Vorwort und unterstützt die Publikation
• 1593: Druckerei in Nanjing übernimmt den Druck
Wang Shizhen (1526-1590)
„Umfangreich doch nicht umständlich, detailliert doch alles Wichtige
enthaltend, ein direkter Blick in die Tiefen der Welt. Wie kann das nur ein
Medizinbuch sein? Es ist Essenz der Naturprinzipien (理), Erforschung der
Dinge (格物), Geheimnis für den Herrscher und Schatz des Volkes.“
Vorwort zur ersten Auflage des Bencao Gangmu (1590)
18. Unterstützung durch die Söhne
• Abbildungen werden hinzugefügt
• Werk wird dem Kaiserhof präsentiert
• Werk wird angenommen, Verbreitung jedoch zunächst begrenzt
Abbildung eines Esels in
der ersten Auflage (1593)
„Zur Begutachtung aufbewahrt, das Ministerium der Riten ist informiert.“
Eintrag im Palastexemplar des Bencao Gangmu
„Hinterlässt der Vater ein Vermächtnis und der Sohn befolgt es nicht, wie
würde er damit dem Willen der Ahnen folgen? Hinterlässt der Vater ein
Buch und der Sohn präsentiert es nicht [dem Kaiserhof], wie würde er
damit den kaiserlichen Erlassen folgen?“
Li Jianyuan, Brief zur Präsentation des Bencao Gangmu am Kaiserhof (1596)
19. Biographie Teil III
1590: Vorwort von Wang Shizhen
1593: Tod Li Shizhen‘s, Beginn des Drucks in Nanjing
1596: Li Jianyuan überbringt das Bencao Gangmu dem kaiserlichen Hof
(Edikt zum Ankauf von Büchern zur Kompilation der Dynastiegeschichte)
1637: Erste Auflage in Japan
1735: Erwähnung durch jesuitische Missionare
1773: Aufnahme in die kaiserliche Enzyklopädie (Siku Quanshu)
20. Zusammenfassung
• Die Geschichte des Bencao Gangmu und seines Autors ist
exemplarisch für:
• Rolle der „Privat-Gelehrten“ in verschiedenen Disziplinen
• Bedeutung der Biographie für die fachliche Legitimation eines Autors
• Bedeutung des Vorworts für die Inszenierung eines Werkes
• Möglichkeiten der Publikation in der Ming-Dynastie