Arbeitslosigkeit und Armut in Österreich: Von der Vollbeschäftigung zur Prekarisierung. Die Veränderung des Arbeitsmarktes in Zusammenhang mit Armut in Österreich
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Arbeitslosigkeit Und Armut In Oesterreich
1. Arbeitslosigkeit und Armut in
Österreich
Von der Vollbeschäftigung zur
Prekarisierung –
Veränderungen im Arbeitsmarkt und die
Entwicklung der Armut(sgefährdung)
2. Agenda
Ursachen, Folgen und Auswirkungen der
Globalisierung
Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit
Prekäre Beschäftigungsformen
Armutsgefährdete Bevölkerungsgruppen
Fakten zum österreichischen Arbeitsmarkt
Konsequenzen für (Langzeit)arbeitslose
Entwicklung von Erwerbseinkommen
Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdungsquoten
Vermögensbesteuerung- Wiener Tafel
26.01.2009 Monika Leutgeb 2
3. Ursachen der Globalisierung Ende des
20. Jahrhundets
Technische Innovationen bei Produktions-,
Verkehrs- und Kommunikationstechnologien
Ausweitung der Märkte der Industriestaaten
(USA, Europa, Japan) Anfang der 80er Jahre
Globale Lieferketten (Just-in time)
Konsum als Motor der Weltwirtschaft
Liberalisierung des Welthandels
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 3
4. Folgen der Globalisierung
Globaler Standortwettbewerb
Globalisierte Finanzmärkte als Beschleuniger
Das „mobile Kapital“ - Wachstum der
ausländischen Direktinvestitionen
Zunahme globaler Unternehmenskooperationen
und Transnationaler Konzerne (= ca. 2/3 des
Welthandels, davon 1/3 innerhalb der Konzerne)
Liberalisierung und Wachstum des Welthandels
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 4
5. Auswirkungen der Globalisierung
Globale Konkurrenz der ArbeitnehmerInnen
Wirtschaftliche Konkurrenz der Nationalstaaten
Ungleichverteilung globaler Ressourcen
Shareholder Value (1986) und Profit-
maximierung der globalen Finanzmärkte
Zurückdrängen sozialer Aspekte in der
Wirtschaft
Ausbeutung natürlicher Ressourcen
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 5
6. Maßnahmen zur Erhaltung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit
Deregulierung und Liberalisierung der Wirtschaft
Weniger Staat, mehr Privat – „effizientere
Leistungserbringung“
Privatisierung – auch von Infrastruktur
Senkung der Unternehmenssteuern
Senkung der Löhne und Lohnnebenkosten
Abbau von Arbeitnehmerrechten
Kürzung staatlicher Sozialleistungen
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 6
7. Prekäre Beschäftigungsformen
Geringfügige Beschäftigung, freie Dienstverhält-
nisse, neue Selbständigkeit, Zeitarbeit, Teilzeitbe-
schäftigung (60 % Frauenanteil) bedeuten
geringer Arbeitsplatzsicherheit
niedriger Lohn
befristete Verträge
mangelnder Kündigungsschutz
weniger Rechte als in Normalarbeitsverhältnissen
(= 57 % der unselbständig Beschäftigten 2006)
2008 sind 7% = 230.000 Personen „working poor“
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 7
8. Maßnahmen zur Erhaltung der
Wettbewerbsfähigkeit in Österreich
Seit 2000 wurden die Beiträge der Arbeitgebe-
rInnen zur Arbeitslosen-, Unfall- und Insolvenz-
versicherung („Lohnnebenkosten“) gesenkt.
2001 wurde das Arbeitslosengeld, die Bezugs-
dauer für Krankengeld und die Invaliditätspen-
sionen gekürzt und Unfallrenten besteuert.
Seit 2000 wurden Pensionen im wesentlichen
nur mehr unter der Inflationsrate angepasst.
2005: Senkung der Körperschaftssteuer von
35 auf 24 %
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 8
9. Armutsgefährdete Bevölkerungsgruppen
Alleinstehende Pensionistinnen
Allein lebende Personen
Menschen mit geringer formaler Bildung
Arbeitslose
Alleinerziehende Elternteile
Menschen mit Migrationshintergrund
Haushalte mit drei oder mehr Kindern
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 9
11. Inflationsentwicklung 1996 bis 2008
Durchschnitt = 1,85 % pro Jahr = 24,1 %
3,5
3,0
2,5
I f ai ni %
2,0
nl t o n
1,5
1,0
0,5
0,0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Quelle: Statistik Austria
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 11
13. Jahreseinkünfte (vor Steuern) der
ausschließlich selbständig
Erwerbstätigen 2006
25% 50% 75%
Anzahl der Arithmetisches
Personen Mittel
verdienen weniger als ... Euro
283.274 3.623 11.557 27.235 24.864
- € 7.581 Steuer - € 6.672 Steuer
Quelle: Statistik Austria
= €19.654 netto = €18.192 netto
Bis 2007: keine Möglichkeit für eine
Arbeitslosenversicherung!!
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 13
14. Fakten zum österreichischen
Arbeitsmarkt Anfang 2008
Kurier-Artikel vom 2. März 2008: „Niedrigste
Arbeitslosigkeit seit 1992 - laut Bartenstein
herrsche in fast allen Bundesländern
Vollbeschäftigung“
Standard-Artikel vom 5. Mai 2008: „ Lt.
Hauptverband der österreichischen
Sozialversicherungsträger ist die Zahl der
Beschäftigen um 2,49 Prozent (82.333
Betroffene) auf 3,392.982 unselbstständig
Erwerbstätige gestiegen“
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 14
15. Fakten zum österreichischen
Arbeitsmarkt
Dr. Markus Marterbauer, WIFO: „Zwischen 2000 und 2006
ist die Anzahl der Vollzeitäquivalente nicht gestiegen. Die
höhere Anzahl an Beschäftigten ist auf den größeren Anteil
von Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen.“
Lt. einer Statistik der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung
Linz ist Anzahl der „offiziellen“ Arbeitslosen Ende 2007
nicht 222.248 Personen (6,2 %) sondern 326.966
Personen (9,2 %), da folgende Gruppen nicht in die
Statistik einbezogen werden: SchulungsteilnehmerInnen,
PensionsvorschussbezieherInnen, sofort verfügbare
Lehrstellensuchende, Arbeitslose im Krankenstand bzw.
mit Bezugssperre
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 15
16. Fakten zum österreichischen
Arbeitsmarkt
Laut dem Labour Force Konzept der Internationale
Labour Organization in Genf ist eine Person im Alter von
15 bis 74 Jahren erwerbslos, wenn
- sie in der Berichtswoche keiner mit einem Ein-
kommen verbundenen Tätigkeit nachgegangen ist,
- nicht selbständig war,
- in den vergangenen vier Wochen aktiv eine Erwerbs-
tätigkeit gesucht hat,
- innerhalb von zwei Wochen eine Erwerbstätigkeit
aufnehmen kann.
Nach dem Labour Force Konzept suchten Ende 2007
570.666 Personen Arbeit = das ca. 2,5fache der
offiziellen Arbeitslosen. (Quelle: Bischöflichen
Arbeitslosenstiftung Linz)
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 16
17. Konsequenzen für (Langzeit)arbeitslose
Medienberichte und Aussagen von Regierungs-
mitgliedern und offizielle Arbeits- und Beschäfti-
gungsstatistiken zeichnen das Bild, dass jede/r
Arbeitswillige bald wieder Arbeit finden kann.
Bei vielen verstärkt sich der Eindruck, dass
Arbeitslose „Sozialschmarotzer“ sind.
Starker sozialer und gesellschaftlicher Druck auf
Arbeitslose
Großes Erklärungsbedürfnis Arbeitsloser bzgl.
der Entwicklung ihrer Situation
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 17
18. Konsequenzen für (Langzeit)arbeitslose
Niedriges Arbeitslosengeld wird von Politikern als
(notwendiges) Druckmittel zum Annehmen einer
Stelle gesehen.
Nur 55 % Nettoersatzrate (EU-Ø ca. 70%): über
83% aller erwerbsarbeitslosen Menschen
erhalten Bezüge, die unter der Armutsge-
fährdungsschwelle liegen
Finanzielle Probleme sind Auslöser für sozialen
Rückzug
Selbstwertgefühl leidet stark -> Änderung der
Persönlichkeit und des sozialen Verhaltens
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 18
19. Armutsgefährdungsschwelle
lt. EU-SILC 2006
2006 waren in Österreich 12,6% oder 1.027.000 Menschen armutsgefährdet.
Quelle: 2. Armuts- und Reichtumsbericht für Österreich, Dez. 2008, Österreichische
Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 19
20. Armutsgefährdungsschwelle und ALV-
Bezüge pro Monat
€ 893
900
€ 756
800
700
€ 588
600
500
400
300
200
100
0
A r m u ts g e fäh r d u n g s s ch w e lle d u r ch s ch n ittlich e s d u r ch s ch n ittlich e No ts tan d s h ilfe
A r b e its lo s e n g e ld
2008
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 20
21. Höhe und Entwicklung von
Arbeitslosengeld und Notstandshilfe
6 Monate durchschnittliches AL-Geld und 6
Monate durchschnittliche Notstandshilfe ent-
spricht nur 75% der Armutsgefährdungsschwelle.
1 Jahr durchschnittliche Notstandshilfe entspricht
knapp 52% der Armutsgefährdungsschwelle
Die Kaufkraft lt. Verkauferpreisindex des
durchschnittlichen AL-Geld ist seit 2000 um
5,2 % gesunken.
Die Kaufkraft lt. Verkauferpreisindex der durch-
schnittlichen Notstandshilfe ist seit 2000 um
7,7 % gesunken.
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 21
22. Armutsgefährdungsquoten
Ein Arbeitsloser im Haushalt erhöht die Armuts-
gefährdungsquote auf 33 %.
Ein Langzeitarbeitsloser (+ 12 Monate arbeits-
los) im Haushalt erhöht die Armutsgefährdungs-
quote auf 40 %.
Im Jahr 2006 waren 105.000 Haushalte
zumindest zeitweise durch Arbeitslosigkeit
armutsgefährdet.
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 22
23. Armutsgefährdungsquoten
Familien mit 3 Kindern haben eine Armutsge-
fährdungsquote von 21 % = 194.000
Erwachsene und Kinder.
AlleinerzieherInnenhaushalte haben eine
Armutsgefährdungsquote von 27 % = 193.000
Personen und 14 % aller Kinder und
Jugendliche bis 19 Jahre.
Armutsgefährdungsquote bei MigrantInnen aus
dem Nicht-EU-Raum beträgt 28% .
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 23
25. Besteuerung von Vermögen
Ö ist ein Steuerparadies für Reiche und Erben
Ö ist kein Hochsteuerland
Unternehmensgewinne vervierfachen sich mit
12,1 Mrd. Euro zwischen 2004 und 2007
Ö hat die niedrigste effektive Unternehmens-
besteuerung in der EU15
Vermögenseinkommen (Unternehmen und
Private) sind 2006 74.395 Mio. Euro = 29 %
des Bruttoinlandsprodukt
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 25
26. Besteuerung von Vermögen
Ö hat die mit Abstand niedrigste Vermögens-
besteuerung in der OECD (OECD-Ø 5,6 %,
Ö 1,3 %)
Ende 2007: 3.200 Privatstiftungen mit insgesamt
60 Milliarden Euro – Steuerprivilegien europa-
weit attraktiv.
Geld- und Sachvermögen in Österreich von ca.
3.440 Mrd. Euro wird mit nur ca. 0,1% p.a.
besteuert.
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 26
27. Zwei Milliarden Euro, etwa 0,8% des BIP, wären
ausreichend, um die Einkommen aller
Armutsgefährdeten in Österreich auf den
Schwellenwert von 60% des Medianeinkommens
zu heben und damit die strukturelle Armut zu
beenden.
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 27
28. Quelle für den Großteil der Zahlen in der
Präsentation:
2. Armuts- und Reichtumsbericht
für Österreich (Dez. 2008) der Österreichische
Gesellschaft für Politikberatung und
Politikentwicklung
Download unter www.politikberatung.or.at
26.01.2009 Monika Leutgeb - Wiener Tafel 28