Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Häret: Die Restaurierung von Werken der bildenden Künste
1. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Die Restaurierung von Werken der
bildenden Künste – Rechtsfragen im
Verhältnis zwischen Restaurator,
Eigentümer und Künstler
B
1.22
S. 1
Daniel-Philipp Häret
Der Autor ist Rechtsanwalt in Karben. Zu seinen Tätigkeitsfeldern gehört auch
der Bereich des „Kunstrechts“.
Inhalt Seite
1. Einführung 2
1.1 Das Kunstwerk und der Restaurator 2
1.2 Differenzierung zwischen Maßnahmen der Konservierung und
der Restaurierung 3
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Restaurator und Auftraggeber
der Restaurierung 4
2.1 Das Vertragsverhältnis mit dem Restaurator 4
2.2 Rechte und Pflichten der Vertragsparteien 5
3. Urheberrechtliche Aspekte der Tätigkeit von Restauratoren 6
3.1 Der Schutz des Künstlers durch das Urheberrecht – ein kurzer
Überblick 6
3.2 Maßnahmen des Restaurators im Rahmen des Urheberrechts 7
3.3 Grenzziehungen durch das Urheberrecht 8
3.4 Rechtsfolgen bei Urheberrechtsverletzungen 11
4. Zusammenfassung 11
Der Beitrag beschäftigt sich mit den rechtlichen Aspekten der Restaurierung von
Werken der bildenden Künste.1 Nach einer Einführung in die Hintergründe der
Tätigkeit von Restauratoren wird zunächst das Rechtsverhältnis mit dem Auf-
traggeber der Restaurierung betrachtet. Dabei werden die sich hieraus ergebenden
Rechte und Pflichten beleuchtet. Im Anschluss wird auf die urheberrechtlichen
Aspekte der Restaurierung eingegangen. Hierbei stehen der urheberrechtliche
Schutz des Künstlers, die Rechte des Eigentümers und die Rechtsfolgen von
Urheberrechtsverletzungen im Zentrum der Darstellung.
55 Kultur & Recht Oktober 2011
2. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
1. Einführung
„Vergänglichkeit“ wurde in den Epochen der Kunstgeschichte von vielen Künst-
lern thematisiert. Für Restauratoren hat diese jedoch weniger eine ideelle, son-
dern vor allem eine materielle Bedeutung. Denn alle Kunstwerke unterliegen
selbst dem Verfall. Der jedem Kunstwerk innewohnende Alterungsprozess be-
ginnt schon mit dem Zeitpunkt, zu dem der Künstler das Werk vollendet hat.2
B Dieser Prozess ist im wesentlichen Folge der vom Künstler verwendeten Materia-
1.22 lien und der Einflüsse aus der Umgebung des Kunstwerks. Aber auch physische
Einwirkungen auf das Kunstwerk mit der Folge von Beschädigungen stellen
S. 2
einen bemerkenswerten Faktor dar, der ein Werk in seiner Integrität erheblich und
nachhaltig beeinträchtigen kann. Exemplarisch hierfür ist ein Sachverhalt, der
sich in den Vereinigten Staaten ereignete: Das aus dem Jahr 1932 stammende
Gemälde „Le Rêve“ von Picasso sollte für 139 Millionen Dollar von seinem
Eigentümer veräußert werden. Bei einer Präsentation des Werkes stieß dieser
jedoch versehentlich mit dem Ellenbogen gegen das Gemälde und verursachte so
einen mehrere Zentimeter langen Riss in der Leinwand. Die Kosten für die erfor-
derliche Restaurierung beliefen sich auf etwa 90.000 US-Dollar und hinsichtlich
der Wertminderung soll es schließlich zu einer Einigung zwischen dem Eigentü-
mer und seinem Versicherer bei ca. 40 Millionen US-Dollar gekommen sein.3 Es
lässt sich jedoch konstatieren, dass Kunstwerke in der Regel nur den natürlichen
Alterungsprozessen unterliegen und derart martialische physische Einwirkungen
eher selten vorkommen.
Der natürliche Verfall von Werken der bildenden Künste aufgrund von Alterungs-
prozessen kann Restauratoren allerdings vor besondere Schwierigkeiten stellen,
was sowohl die Konservierung als auch die Restaurierung betrifft. Gerade bei
zeitgenössischer Kunst resultiert dies oft aus der Art der verwendeten Materia-
lien. Man denke hier beispielsweise an Werke von Damien Hirst mit in Formal-
dehyd eingelegten Tierpräparaten oder Werke von Dieter Roth aus Schokolade
und anderen organischen Materialien. Oftmals ist aber gerade der Verfall pro-
grammatisch, als vom Künstler beabsichtigtes Konzept, was beispielsweise für
Werke von Dieter Roth charakteristisch ist. Es ist jedoch von großer Bedeutung,
Kunstwerke auch für spätere Generationen zu erhalten, wofür man sich konser-
vierender und restauratorischer Maßnahmen bedient.4
1.1 Das Kunstwerk und der Restaurator
„Vita brevis, ars longa“ („Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang“), so wird viel-
fach aus den Aphorismen des Hippokrates zitiert. Im Hinblick auf die Tätigkeit
von Restauratoren erhält dieses Zitat eine ganz eigene Bedeutung. Denn die „Ver-
längerung des Lebens eines Kunstwerks“ durch die Sicherung seines Fortbe-
standes ist das wesentliche Ziel der Tätigkeit von Restauratoren. Welche Maß-
nahmen ein Restaurator dabei ergreifen kann, muss am individuellen Kunstwerk
im konkreten Einzelfall entschieden werden. Bei dieser Entscheidung findet auch
55 Kultur & Recht Oktober 2011
3. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
die „ästhetische und historische Bedeutung und die materielle Unversehrt-
heit“ des Kunstwerkes Berücksichtigung, was in Artikel 5 des Standeskodex der
Statuten der Europäischen Vereinigung der Restauratorenverbände (European
Confederation of Conservator-Restorers’ Organisations – E.C.C.O.) Eingang
gefunden hat.5 Restaurierungsethische Gesichtspunkte sind für die Entschei-
dung über das Ob und Wie von Konservierungs- und/oder Restaurierungsmaß-
nahmen von wesentlicher Bedeutung.6
B
1.2 Differenzierung zwischen Maßnahmen der 1.22
Konservierung und der Restaurierung S. 3
Georg Dehio prägte zur Zeit der Jahrhundertwende Ende des 19. und Anfang des
20. Jahrhunderts die weitere Entwicklungen im Umgang mit Kunstwerken und
Denkmälern durch den Ausspruch des Gebots „konservieren, nicht restaurieren“.7
Früher war das Augenmerk bei Restaurierungen gerade in der Denkmalpflege
stark auf eine vollständige Wiederherstellung gerichtet – man denke hier exemp-
larisch an das Wirken von Eugène Viollet-le-Duc, die zum Teil sogar über das
ursprüngliche Werk hinaus ging, wodurch jedoch teilweise in beträchtlichem
Maße historische Substanz verloren ging.8 Nach heutigem Verständnis nehmen
die Bewahrung der Integrität des Objekts und die Erhaltung seiner originalen
Substanz einen zentralen Stellenwert ein.9 Die Begriffe der Konservierung und
der Restaurierung lassen sich wie folgt differenzieren:
Konservierung bedeutet die Sicherung des materiellen Bestands, wobei es um
die Erhaltung des Werks in einem Zustand der Stabilität bei Vermeidung von
weiteren Substanzverlusten geht.10 Man spricht dabei vom „Zustand des einge-
frorenen Verfalls“ („state of frozen decay“).11 Konservierung lässt sich weiter in
präventive bzw. vorbeugende Konservierung und behandelnde Konservie-
rung unterscheiden.12 Mit präventiver Konservierung bezweckt man den Erhalt
des Objekts im gegenwärtigen Zustand.13 Dies geschieht allein etwa durch die
Schaffung idealer Umweltbedingungen (z.B. Temperatur, Lichteinstrahlung,
Luftfeuchtigkeit).14 Demgegenüber steht die behandelnde Konservierung mit
erhaltenden Maßnahmen am Kunstwerk (z.B. Reinigung von Oberflächen,
Schädlingsbekämpfung).15
Restaurierung ist dagegen die Annäherung an einen früheren Zustand durch
Wiederherstellung.16 Diese kann beispielsweise in einer Wiederherstellung von
Werkteilen bestehen oder Ergänzungen17 des Bestandes (z.B. Ausbesserungen,
Ersatz fehlender Partien).18 Dabei geht es auch um Substanzerhaltung, zugleich
aber auch darüber hinaus, mit dem Zweck der Sichtbar- und Erlebbarmachung
von ästhetischen, künstlerischen und historischen Werten.19 Restaurierungen
werden durch das „Prinzip der Reversibilität“ geleitet; die restauratorischen
Maßnahmen sollen ohne Beeinträchtigung der historischen Substanz wieder
rückgängig gemacht werden können.20 Allerdings wird eine Restaurierung nie-
mals den ursprünglichen „Originalzustand“ wiederherstellen können, sondern nur
eine größtmögliche Annäherung an diesen.
55 Kultur & Recht Oktober 2011
4. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Auf die sich im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Restauratoren ergebenden
Rechtsfragen wird nun im Folgenden eingegangen, wobei zunächst das Rechts-
verhältnis zwischen dem Restaurator und dem Auftraggeber der Restaurierung
betrachtet wird, gefolgt von einer Darstellung der urheberrechtlichen Bezüge.
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Restaurator
B und Auftraggeber der Restaurierung
1.22
S. 4 Entscheidet sich der Eigentümer eines Kunstwerks, konservatorische oder restau-
ratorische Maßnahmen durch einen Restaurator durchführen zu lassen, wird er
mit diesem den Sachverhalt eingehend besprechen und schließlich konkrete
Maßnahmen vereinbaren. Die Art des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses
bestimmt sich dabei nach den konkreten Voraussetzungen des Einzelfalls.
2.1 Das Vertragsverhältnis mit dem Restaurator
Im Verhältnis zwischen dem Restaurator und seinem Auftraggeber liegt regelmä-
ßig ein Werkvertrag nach § 631 BGB zugrunde.21 Bei Vorliegen eines Werkver-
trages hat sich der Restaurator (Unternehmer) vertraglich zur Herstellung eines
Werkes verpflichtet, der Auftraggeber (Besteller) zur Entrichtung der vereinbar-
ten Vergütung.22 Der Restaurator schuldet im Rahmen eines Werkvertrages die
Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, siehe § 631 Abs. 2 BGB, beispiels-
weise wenn die Abnahme eines alten vergilbten Firnisses und die Aufbringung
eines neuen Firnisses auf ein Gemälde vereinbart worden ist.
Zwischen dem Restaurator und dem Auftraggeber kann aber auch ein Dienstver-
trag nach § 611 BGB vorliegen.23 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn
die vereinbarte Tätigkeit des Restaurators zunächst nur Untersuchungen des
Kunstwerks im Hinblick auf eine angedachte konservatorische oder restauratori-
sche Maßnahmen betrifft oder der Restaurator nur beratend tätig wird.24
Eine wesentliche Differenzierung zwischen Werk- und Dienstvertrag lässt sich
dahingehend treffen, als im Falle eines Werkvertrages ein konkretes Ergebnis,
also ein bestimmter Erfolg (z.B. Aufbringung neuen Firnisses) seitens des Res-
taurators geschuldet wird, während im Falle eines Dienstvertrages „nur“ die
Tätigkeit als solche geschuldet wird (z.B. Beratung).25 Die Abgrenzung kann im
Einzelfall problematisch sein.26
Auftraggeber und Restaurator können unabhängig von dem zugrundeliegenden
Vertragstyp detaillierte und individuelle vertragliche Vereinbarungen treffen,
die die Art und den Umfang der Tätigkeit des Restaurators im Einzelnen
schriftlich regeln. Hier ließe sich exemplarisch die Vereinbarung einer Pflicht
des Restaurators benennen, unbedingte Rücksprache mit dem Auftraggeber zu
55 Kultur & Recht Oktober 2011