SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 12
MI 06.01.10 20.00 Uhr
DO 07.01.10 20.00 Uhr
Kleiner Saal, Abonnement, 3. Konzert

Akademie für Alte Musik Berlin


Die Kandidaten für das Leipziger Thomaskantorat 1722/23

Johann Friedrich Fasch (1688 – 1758)
Ouvertüre für zwei Oboen, zwei Fagotte, Streicher und Basso continuo
g-Moll
Ouverture – Air – Gavotte – Air – Hornpipe – Aria – Menuet I/II


Georg Philipp Telemann (1681 – 1767)
Konzert für vier Violinen ohne Bass D-Dur
Adagio – Allegro – Grave – Allegro


Johann Christoph Graupner (1683 – 1760)
Ouvertüre für zwei Oboi da selva, Streicher und Basso continuo e-Moll
Ouverture – Rondeau – Menuet – Loure – Air – Gavotte – Gigue


Pause

Georg Philipp Telemann
»Ouverture des Nations anciens et modernes« für Streicher und
Basso continuo G-Dur
Ouverture – Menuet I/II – Les Allemands anciens – Les Allemands modernes/viste – Les Suédois
anciens – Les Suédois modernes/viste – Les Canois anciens – Les Danois modernes/viste –
Les vieilles femmes


Johann Christoph Graupner
Sinfonie für zwei Hörner, Streicher und Basso continuo C-Dur
Molto Allegro – Poco Allegro e piano – Presto – Presto


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
»Concerto nach Italiaenischen Gusto« F-Dur BWV 971, für Violine,
Streicher und Basso continuo bearbeitet von Václav Luks
(Allegro) – Andante – Presto



Handy ausgeschaltet? Vielen Dank!
Neubesetzung eines
renommierten Amtes
                                         Der Leipziger Thomanerchor kann
                                         auf eine fast 800-jährige Geschichte
                                         zurückblicken: Im Jahre 1212 grün-
                                         deten Augustiner-Chorherren das
                                         Stift zu St. Thomas, dem vermutlich
                                         von Beginn an eine Schule ange-
                                         schlossen war. In einer Urkunde
                                         von 1254 findet diese vornehmlich
                                         den Söhnen armer Leipziger Fami-
                                         lien zugängliche Bildungsstätte ihre
                                         erste Erwähnung. Musik spielte im
                                         Schulleben eine große Rolle, zu-
                                         nächst bildeten zwölf, später 24
                                         Knaben den Chor des Stifts. Des-
                                         sen Leitung hatten lange Zeit die
                                         Schulmeister, also Augustiner-Chor-
Thomaskirche und Thomasschule in Leipzig herren, bzw. ihre Gehilfen inne.
Frontinspiz aus der 1723 herausgegeben   Mit zunehmender Aufgabenviel-
Schulordnung
                                         falt des Chores bemühte man sich
jedoch ab Mitte des 15. Jahrhunderts um die Einstellung eines externen
Kantors, der zugleich als Lehrer an der Schule tätig war.
    Eine wichtige Zäsur in der Geschichte des Knabenchores stellte die
Reformation dar, in deren Folge das Chorherrenstift 1543 säkularisiert
wurde und die Schule mitsamt dem Chor in städtische Trägerschaft
überging. Über die Vergabe des Kantorenpostens hatte damit von nun
an der Stadtrat zu entscheiden. Besaß das Kantorat bislang eher den
Charakter einer »Durchgangsstation« für ambitionierte Musiker, so galt
es spätestens seit der langen Amtszeit von Valentin Otto (1564 –1594) für
viele Musiker als die erwünschte Lebensanstellung. Dafür sprechen die
zahlreichen Bewerbungen und die stets hochqualifizierten Kantoren, die
den Chor auch in politisch schwierigen Perioden führten, darunter Johann
Hermann Schein (Amtszeit 1616 –1630), Tobias Michael (1631–1657),
Sebastian Knüpfer (1657–1677) und Johann Schelle (1677–1701).
Neubesetzung eines renommierten Amtes




Nach dem Tod von Johann Schelle im Jahre 1701 wurde Johann Kuhnau
zum Thomaskantor gewählt. Der ehemalige Kruzianer hatte in Leipzig
Jura studiert und danach sehr erfolgreich als Anwalt gearbeitet, sich
aber gleichzeitig ebenso talentiert als Organist, Komponist und Heraus-
geber von Claviermusik betätigt. Mit seinem Amtsantritt als Thomas-
kantor beendete er seine juristische Laufbahn und konzentrierte sich voll
auf seine Lehr- und Kompositionstätigkeit, die der Thomasschule – dem
pädagogischen Flaggschiff der Stadt – weiterhin hohes überregionales
Ansehen einbrachte.
    Regelmäßig kam es im Zuge der Auswahlprozedur für einen neuen
Thomaskantor im Leipziger Stadtrat zu heftigen Diskussionen, gingen
doch die Meinungen darüber, welche Funktion der neue Mann im
Gefüge des städtischen Lebens haben sollte, erheblich auseinander. Die
Traditionalisten im Rat wünschten sich einen Kantor klassischen Stils,
der sich in erster Linie als Schulmitarbeiter versteht und mit Hilfe seiner
akademischen Bildung guten Unterricht erteilt. Die eher fortschrittlich
gesinnten Ratsherren dagegen wünschten sich einen möglichst berühm-
ten, allseits angesehenen Kapellmeister, der alle Gattungen beherrscht
und der Stadt Leipzig einen herausragenden musikalischen Glanz ver-
leihen konnte.

Phase I: Georg Philipp Telemanns Bewerbung und Wahl
Dieser Grundkonflikt sollte auch das langwierige Bewerbungsverfahren
bestimmen, das nach dem Tod Johann Kuhnaus am 5. Juni 1722 begann.
Dabei sah es zunächst nach einer schnellen Entscheidung aus: Kuhnau
war kaum mit allen Ehren zu Grabe getragen worden, da kontaktierte
der Stadtrat bereits den Hamburger Kantor und Musikdirektor Georg
Philipp Telemann und forderte ihn zur Bewerbung auf. Telemann war
den Leipzigern noch in sehr guter Erinnerung, hatte er doch hier rund
zwei Jahrzehnte zuvor als Musikdirektor der Neukirche und beliebter
Opernkomponist für eine gehörige Belebung des musikalischen Alltags
gesorgt. Inzwischen zählte er dank seiner renommierten Positionen
und vielen Veröffentlichungen zu den bekanntesten deutschsprachigen
Komponisten, besaß reiche Erfahrung und genoss hohes Ansehen. Seine
Rückkehr nach Leipzig wäre also einem »großen Coup« gleichgekom-
men, zumal sich Telemanns Weggang 1705 unter sehr unglücklichen
kommunalpolitischen Bedingungen – der Verhaftung des Bürgermeisters
und Telemann-Freundes Romanus – vollzogen hatte. Und nicht zuletzt
Neubesetzung eines renommierten Amtes




wäre sowohl die »Kantoren-« als auch die »Kapellmeister-Fraktion« im
Stadtrat über die Wahl befriedigt gewesen, da Telemann beide Funk-
tion par excellence beherrschte.
    Telemann war der Leipziger Offerte auch ganz und gar nicht abge-
neigt. Nach ersten Verhandlungen wurde er am 14. Juli 1722 als einzi-
ger Kandidat zum obligatorischen Probegottesdienst eingeladen. Andere
Bewerber, darunter der Magdeburger Kantor Christian Friedrich Rolle
und der noch in böhmischen Diensten stehende Kapellmeister Johann
Friedrich Fasch, ignorierte der Rat dagegen.
    Telemanns Kantoratsprobe fand am 9. August 1722 in der Leipziger
Thomaskirche statt und löste unter allen Beteiligten größte Zufrieden-
heit aus. Der Rat fackelte nicht lang und berief den Hamburger Musik-
direktor schon zwei Tage später zum neuen Thomaskantor. Mit dieser
positiven Nachricht reiste Telemann an die Alster zurück – und mag
auf dem Weg in Köthen Station gemacht haben, um dort seinen lang-
jährigen Freund und Kollegen Johann Sebastian Bach und sein achtjäh-
riges Patenkind Carl Philipp Emanuel zu besuchen. Auf diese Weise war
der Köthener Hofkapellmeister Bach exklusiv und gleichzeitig diskret
über die Leipziger Vorgänge informiert.
    Zurück in Hamburg, bat Telemann am 3. September 1722 formal um
seine Entlassung. Dies löste einiges Entsetzen aus – hatte man doch
Telemann gerade erst ein Jahr zuvor mit großen Anstrengungen nach
Hamburg geholt. Sofort machten sich einflussreiche Hamburger Bürger
und der dortige Stadtrat daran, Telemann zum Bleiben zu bewegen. Es
begannen zähe Verhandlungen, in denen es vor allem um Geld und
Amtskompetenzen ging. Die ursprünglich geplante Amtseinführung am
Michaelistag (29. September) konnte nicht stattfinden, immer länger
hielt Telemann den Leipziger Rat hin. Anfang November 1722 schließ-
lich bot der Hamburger Stadtrat seinem Musikdirektor eine Gehalts-
erhöhung um 400 Taler an und übertrug ihm gleichzeitig die Leitung
der Gänsemarktoper sowie des Collegium musicum. Dies gab den letzten
Ausschlag dafür, dass sich Telemann gegen Leipzig entschied – und
sich, nebenbei bemerkt, bis zu seinem Tod 1767 auf keine weitere Stelle
mehr bewarb.
Neubesetzung eines renommierten Amtes




Phase II: Kandidaten nach Telemanns Absage
In Leipzig war die Enttäuschung groß. Der Stadtrat musste das Verfah-
ren neu aufrollen und lud nun Johann Friedrich Fasch als neuen Favo-
riten zum Probespiel ein. Wie Telemann war auch Fasch in Leipzig wohl-
bekannt: Er hatte bei Johann Kuhnau an der Thomasschule gelernt,
danach an der Universität Jura studiert und mit der Gründung eines eige-
nen Collegium musicum auch musikalische Spuren in der Messestadt
hinterlassen. – Doch Fasch sagte den Leipzigern schon vor der öffentli-
chen Probe ab, hatte er doch gerade im September 1722 eine Anstel-
lung als Kapellmeister am Zerbster Hof erhalten, die er nach so kurzer
Zeit nicht wieder verlassen wollte und konnte. Offiziell begründete
Fasch seine Entscheidung allerdings damit, dass er »nicht informiren
könne« – sich also nicht in der Lage sähe, an der Schule zu unterrich-
ten. Erneut also musste der Stadtrat einen Rückschlag hinsichtlich der
Neubesetzung des ehrwürdigen Thomaskantorenamtes hinnehmen.
    Immerhin lagen noch von mindestens sechs weiteren Musikern Bewer-
bungen vor, darunter jene des Musikdirektors der Leipziger Neukirche
Georg Balthasar Schott, des Zwickauer Domkantors Johann Martin
Steindorff und des Merseburger Domorganisten Georg Friedrich Kauff-
mann. Die Ratsherren jedoch konnten sich auf ihrer Sitzung Ende Novem-
ber 1722 auf keine neue Rangliste einigen. Bei der nächsten Zusammen-
kunft des erlesenen Gremiums kurz vor Weihnachten änderte sich die
Lage wiederum, denn zwei neue Bewerbungen hatten das Rathaus er-
reicht: Die eine stammte vom Darmstädter Hofkapellmeister Christoph
Graupner und die zweite von Johann Sebastian Bach aus Köthen.
    Der regierende Bürgermeister Gottfried Lange – ein bekennender
»Kapellmeister-Anhänger« – drängte nun zur Eile und lud die beiden
bekannten Musiker zur Kantoratsprobe ein, Graupner für den 17. Januar,
Bach für den 7. Februar 1723. Beide wurden gebeten, jeweils zwei Kan-
taten für den entsprechenden Sonntagsgottesdienst zu komponieren,
einzustudieren und aufzuführen. Schon zwei Tage vor Graupners Probe-
gottesdienst machten die Ratsherren allerdings keinen Hehl aus ihrer
Parteilichkeit: Christoph Graupner, ehemaliger Thomasschüler und vor
allem auch Absolvent der Leipziger Universität, war ihr eindeutiger Favo-
rit; Bach dagegen sollte nur die »Notvariante« sein, falls Graupner nicht
zusagen würde. Beide Kapellmeister absolvierten ihre Probegottesdienste
mit Bravour, Bach führte dabei seine Kantaten »Jesus nahm zu sich die
Zwölfe« (BWV 22) und »Du wahrer Gott und Davids Sohn« (BWV 23) auf.
Neubesetzung eines renommierten Amtes




Den Zuschlag bekam – wie vorher bereits hinter verschlossenen Rats-
türen festgelegt – Christoph Graupner. Dessen Dienstherr jedoch, Land-
graf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, verweigerte ihm die Entlas-
sung und verwies dabei auf die lebenslang gültige Zusage, die Graupner
bei seinem Dienstantritt 1709 in Darmstadt geleistet hatte. Schweren
Herzens – und ohne Gehaltserhöhung – musste Graupner im März
1723 diese Nachricht nach Leipzig übermitteln. Damit hatte also nach
Telemann und Fasch bereits der dritte »Wunschkandidat« des Leipziger
Rates abgesagt.

Phase III: Die Wahl Johann Sebastian Bachs
Dies bedeutete aber auch, dass der Weg für Johann Sebastian Bach frei
wurde. Er war nun der Favorit des Bürgermeisters Lange, allerdings
mussten noch etliche Bedenken bei den konservativen Ratsmitgliedern
hinsichtlich seiner Eignung als Lehrer zerstreut werden. Um ganz sicher
zu gehen, ließ man Bach Mitte April 1723 nach Leipzig kommen, wo er
einen provisorischen Dienstvertrag unterzeichnete, in dem insbeson-
dere die Verpflichtung zur Lehre betont wurde. Nahezu parallel über-
sandte Fürst Leopold von Anhalt-Köthen, Bachs bisheriger Dienstherr,
ein huldvoll formuliertes Demissionsschreiben. Am 22. April 1723 folgte
                                     dann endlich die entscheidende
                                     Ratssitzung, in der sich die »fort-
                                     schrittliche« Fraktion des Leipzi-
                                     ger Rates durchsetzen konnte und
                                     Johann Sebastian Bach zum Tho-
                                     maskantor berufen wurde.
                                         Am 5. Mai bat man Bach dann
                                     erneut in die Ratsstube, wo er den
                                     Dienstrevers unterschrieb, in dem
                                     seine Aufgaben und Pflichten ge-
                                     nauestens festgeschrieben wurden.




                                     Autograph der Kantate »Jesus nahm zu sich
                                     die Zwölfe« BWV 22, Johann Sebastian
                                     Bachs Probestück für seine Bewerbung um
                                     das Leipziger Thomaskantorat 1723
Die letzte Hürde vor der Amtseinführung folgte sogleich im Anschluss:
Bach hatte sich einer theologischen Prüfung vor einem Universitäts-
professor zu unterziehen. Er bestand dieses in lateinischer Sprache ge-
führte Examen offenbar fehlerfrei, so dass der als streng verrufene Pro-
fessor Johann Schmid nur lakonisch protokollierte: »Herr Jo. Sebastian
Bach beantwortete die von mir gestellten Fragen dergestalt, daß ich ihn
für geeignet erachte, das Amt des Kantors in der Thomasschule zu über-
nehmen.«
    Nun stand dem Amtsantritt nichts mehr im Wege, schon reichlich
zwei Wochen später traf Bach mit seiner Familie und »4 Wagen mit
Haus-Raht beladen« in Leipzig ein und nahm sein Quartier in der »neu
renovierten Wohnung« des Kantors in der Thomasschule. Schon am
30. Mai 1723, dem 1. Sonntag nach Trinitatis, begann für Bach mit einer
Kantatenaufführung in der Leipziger Nikolaikirche der reguläre Dienst-
alltag, zwei Tage später wurde er in Anwesenheit zahlreicher städtischer
und kirchlicher Honoratioren offiziell in das neue Amt eingewiesen. –
Fast ein ganzes Jahr nach dem Tod von Johann Kuhnau konnte damit
das Auswahlverfahren endlich abgeschlossen werden.




»Klingende Visitenkarten«
Johann Friedrich Fasch
Im heutigen Konzert erklingen Instrumentalwerke der erwähnten vier
Protagonisten dieses mit vielen Überraschungen und unerwarteten
Wendungen gespickten Kandidaten-Wettlaufes.
   Der Fürst von Anhalt-Zerbst war den Leipziger Ratsherren also
zuvorgekommen und hatte Johann Friedrich Fasch im Herbst 1722
praktisch im »Eilverfahren« als Kapellmeister angestellt. In diesem
Amt musste Fasch eine Fülle musikalischer Aufgaben bewältigen, die
sowohl die Gestaltung der fürstlichen Gottesdienste als auch die musi-
kalische Umrahmung der Tafeln und höfischen Feste umfassten. Noch
1731 merkte er in einem Brief an, dass er »als Capellmeister wegen der
Kirchen- und anderen Musiquen, mitt beständiger arbeit beladen« sei.
Vollkommene Zufriedenheit mit seiner Kapellmeisterstelle erreichte er
nie, zumal ihn die engstirnigen Verhältnisse im kleinen Zerbst und die
Klingende Visitenkarten




ständige Bevormundung durch den Oberhofprediger bezüglich seiner
Kirchenmusik zunehmend belasteten. Einige Male gelang es ihm, durch
längere Reisen Zerbst zumindest zeitweise verlassen zu können; ein
erhoffter Stellenwechsel war ihm jedoch lebenslang nicht vergönnt.
    Die Instrumentalwerke Johann Friedrich Faschs wurden zwar zu
seinen Lebzeiten nicht gedruckt, kursierten aber in Abschriften an
zahlreichen bedeutenden Musikzentren seiner Zeit. Regelmäßig belie-
ferte er die Hoforchester von Darmstadt und Dresden, darüber hinaus
vollzog sich ein reger Austausch von Musikalien mit den Komponisten
Telemann und Stölzel sowie mit dem Musikhistoriographen Johann
Mattheson. Hinsichtlich seines kompositorischen Stils bemühte sich
Fasch stets um eine Einbeziehung der modernsten Ausdrucksmittel sei-
ner Zeit. Er wird daher als ein wichtiger Wegbereiter der musikalischen
Klassik angesehen. Die Ouvertüre g-Moll folgt formal dem Muster einer
französischen Orchestersuite, wie sie seit Jean-Baptiste Lullys Wirken
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in ganz Europa große Popu-
larität besaß. Sie beginnt mit einer feierlichen, dreiteiligen Ouvertüre,
daran schließen sich einige stilisierte Tanzsätze an.

Georg Philipp Telemann
Einer der Gründe Georg Philipp Telemanns für ein Bleiben in Hamburg
lag zweifellos im dort bereits vorhandenen öffentlichen Konzertleben.
Bereits 1660 hatte der Schütz-Schüler Matthias Weckmann ein Colle-
gium musicum begründet, das wöchentlich im Refektorium des Doms
Konzerte veranstaltete. Telemann übernahm diese Tradition und führte
in öffentlichen Konzertreihen sehr viele Vokal- und Instrumentalwerke
auf.
   Das Concerto für vier Violinen ohne Basso continuo D-Dur stellt
Telemanns überragende Fähigkeiten der Instrumentierung unter Beweis:
Vier gleiche Instrumente entwickeln in dem viersätzigen Werk einen
geradezu orchestralen Klangeindruck – und dies ohne die in der Barock-
zeit sonst obligatorische durchgehende Bassstimme.
   Einen besonderen Stellenwert aber besitzen im Instrumentalschaffen
Telemanns die Ouvertüren-Suiten. Der Komponist vereinte in diesen
Kompositionen die Elemente verschiedenster Nationalstile, die er an sei-
nen bisherigen Wirkungsorten Leipzig, Sorau, Eisenach und Frankfurt
(Main) kennengelernt hatte. An die Ouvertüre schließen sich eine Viel-
zahl von kürzeren Sätzen an, dabei kann es sich um deutsche, französi-
Klingende Visitenkarten




sche, italienische oder spanische Tänze handeln, aber auch Variations-
sätze oder musikalische Charakterschilderungen treten auf. Eine
beträchtliche Anzahl von Sätzen, zuweilen sogar ganze Suiten, stellte
Telemann unter programmatische Titel. Das Spektrum der musikali-
schen Schilderungen reicht dabei von Krankheitsbildern (»Der Hypo-
chonder«) über Naturereignisse (»Ebbe und Fluth«) bis hin zu Völkern
(»Die Moskoviter«).
   Die »Ouverture des Nations anciens et modernes« entstand zwi-
schen 1721 und 1725, also in Telemanns frühen Hamburger Jahren.
Der Eingangssatz entspricht der Ouvertüre zur Oper »Der geduldige
Socrates«, die 1721 – noch vor Telemanns Amtsantritt – in Hamburg
uraufgeführt wurde. Die darauffolgenden Sätze stellen eine humorvolle
musikalische Umsetzung von Nationenbildern in Vergangenheit und
Gegenwart dar.

Christoph Graupner
Das »Karriere-Schicksal« von Christoph Graupner verlief ähnlich wie
jenes von Johann Friedrich Fasch: Einmal angestellt als fürstlicher
Kapellmeister, konnte er diese Aufgabe nicht mehr kündigen. Im Falle
Graupners waren es sogar 51 Jahre, die er am Darmstädter Hof ver-
brachte. Loyal in guten und schlechten Zeiten diente er seinem Herrn
und bereicherte die Hofmusik mit einigen Opern, vor allem aber mit
weit mehr als 1000 geistlichen Kantaten, zahlreichen Cembalowerken,
die er selbst brillant darbot, und Orchester- sowie Kammermusik.
   Zum Orchesterwerk Graupners zählen knapp 100 Ouvertürensuiten,
die ganz ähnlich wie die entsprechenden Werke Telemanns oder Faschs
aufgebaut sind. Erstaunlich ist dabei die große Bandbreite der Solo-
instrumente, die Graupner in diesen Kompositionen einsetzt. Die Ouver-
türe e-Moll weist solistische Stimmen für zwei Oboen da selva (»Wald-
oboen«, tiefer als eine normale Oboe) auf. In fast allen seiner 112
Sinfonien setzt Christoph Graupner Bläser ein, in der Sinfonie C-Dur
sind es zwei Hörner, die exponiert zum Streichersatz hinzutreten.

Johann Sebastian Bach
Auch wenn für einen Thomaskantor naturgemäß die Komposition und
Ausführung von Kirchenmusik im Mittelpunkt stand, fand Johann
Sebastian Bach in Leipzig die Zeit und die Möglichkeit, sich auch der
reinen Instrumentalmusik widmen zu können. So übernahm er 1729
Klingende Visitenkarten




zusätzlich zu seinen zahlreichen Kirchen- und Schuldiensten noch die
Leitung des örtlichen »Collegium musicum« und widmete sich nach-
drücklich der Komposition von Musik für Tasteninstrumente.
    Bachs zweifellos ambitioniertestes Leipziger Kompositionsprojekt
außerhalb der Kirchenmusik bildet die sogenannte »Clavier-Übung«.
Mit dem vierteiligen Werk, das zwischen 1726 und 1741 zumeist im
Selbstverlag erschien, präsentierte sich der Thomaskantor der musikali-
schen Öffentlichkeit als Autor anspruchsvoller und moderner Clavier-
Musik.
    Der erste Band der »Clavier-Übung« enthält sechs Partiten im neu-
artigen »vermischten« Geschmack. Mit dem zweiten Teil dagegen stellte
Bach unter Beweis, dass er die beiden tonangebenden, modernen
Nationalstile auch in Reinkultur hervorragend beherrschte. So stellte er
1735 eine »Ouverture nach Französischer Art« und ein »Concerto nach
Italiaenischem Gusto« zu einem Druck zusammen. Das letztgenannte
Werk (BWV 971) ist ganz in der Standardform eines Vivaldischen Con-
certos aufgebaut: Zwei schnelle Ecksätze, in denen nicht mit spiele-
rischer Virtuosität gespart wird, rahmen einen langsamen, ausdrucks-
starken Mittelsatz ein. Václav Luks fertigte eine Bearbeitung dieses
Clavierwerkes für Solovioline und Streichorchester an.
    Die Leipziger Ratsakten dokumentieren minutiös auch den Akt der
Amtseinweisung Bachs am 1. Juni 1723, der damit endete, dass »der
neue Herr Cantor dem Rathe verbundenst danckte, daß derselbe bey
Vergebung dieses Diensts auf Ihn hochgeneigt reflectiren wolle, mit
versprechen, daß er denselben mit aller treue und Fleis abwarte, denen
ihm vorgesetzen mit schuldigen respect begegnen und sich allendhal-
ben so erweisen werde, daß man seine devoteste bezeigung jederzeit
spüren solle.« Darauf – so berichten die Quellen – »wurde der Actus
mit einer Music beschloßen.«
Porträt
Akademie für Alte Musik Berlin
1982 von Mitgliedern mehrerer Berliner Sinfonieorchester gegründet.
Name in Anlehnung an die »Akademien« im Berliner Musikleben des
18. Jahrhunderts gewählt. Verbindung einer an den historischen Bedin-
gungen orientierten Aufführungspraxis mit Spontanität des Spiels und
Farbigkeit des Ausdrucks als künstlerisches Anliegen. Breitgefächertes
Repertoire vom 17. bis zum 19. Jahrhundert – zahlreiche Wiederauffüh-
rungen vergessener Werke aufgrund eigener Quellenarbeiten. Seit 1984
mit einer eigenen Konzertreihe im Konzerthaus Berlin vertreten. Seit
1992 regelmäßige Zusammenarbeit mit dem RIAS Kammerchor. Zahl-
reiche Rundfunk-, Schallplatten- und CD-Aufnahmen (seit Herbst 1994
exklusiv für harmonia mundi france), häufig mit internationalen Preisen
ausgezeichnet. Gastspielreisen in nahezu alle europäischen Länder und
in den Nahen Osten, nach Südostasien und Japan.
   Unter der Leitung von René Jacobs Mitwirkung bei Opernproduktio-
nen an der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Seit 1995 regelmäßig
Gast der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Außerdem seit eini-
gen Jahren erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Tanzensemble Sasha
Waltz & Guests, die in Berlin seit September 2006 vor allem im Radial-
system V zu erleben ist.
Georg Kallweit Violine
(Konzertmeister)
Erik Dorset Violine
Kerstin Erben Violine
Edburg Forck Violine
Thomas Graewe Violine
Stephan Mai Violine
Uta Peters Violine
Dörte Wetzel Violine
Clemens Nuszbaumer Viola
Anja Graewel Viola
Stephan Sieben Viola
Jan Freiheit Violoncello
Walter Rumer Kontrabass
Xenia Löffler Oboe
Michael Bosch Oboe
Erwin Wieringa Horn
Gijs Laceulle Horn
Christian Beuse Fagott
Eckhard Lenzing Fagott
Beni Araki Cembalo
Vorankündigung
MI 20.01.10 20.00 Uhr
Großer Saal

Kammerorchester International

Il Gardino Armonico
Giovanni Antonini Leitung
Danielle de Niese Sopran
Arien und Concerti grossi von Georg Friedrich Händel,
Pietro Locatelli und Francesco Geminiani


FR 29.01.10 20.00 Uhr
Kleiner Saal

Isabelle Faust Violine
Julia-Maria Kretz Violine
Thomas Riebl Viola
Christoph Richter Violoncello
Janne Saksala Kontrabass
Lorenzo Coppola Klarinette
Teunis van der Zwart Horn
Javier Zafra Fagott

Wolfgang Amadeus Mozart Divertimento für Violine,
Viola und Violoncello Es-Dur KV 563
Franz Schubert Oktett F-Dur op. post. 166 D 803

IMPRESSUM
Herausgeber Konzerthaus Berlin
Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann
Text Dr. Bernhard Schrammek
Redaktion Dr. Dietmar Hiller
Titelfotografie Christian Nielinger
Abbildungen Matthias Heyde, Archiv (2)
Reinzeichnung und Herstellung REIHER Grafikdesign & Druck
2,00 €

Die Intendanz möchte darauf hinweisen, dass das Fotografieren sowie
die Nutzung ton- und videotechnischer Geräte nicht zulässig sind.

Weitere ähnliche Inhalte

Ähnlich wie Programmheft_Akamus_06.-07.01.10.pdf

Programmbuch MaerzMusik
Programmbuch MaerzMusik Programmbuch MaerzMusik
Programmbuch MaerzMusik Clegoldberg
 
Tod Jesu
Tod JesuTod Jesu
Tod Jesufloxoip
 
Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner Vorgänger
Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner VorgängerZur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner Vorgänger
Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner VorgängerJoachim Kemper
 
Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...
Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...
Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...NAXOS Deutschland GmbH
 
музика Німеччини
музика Німеччинимузика Німеччини
музика Німеччиниnfirchuk
 
Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)
Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)
Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)Hugo E Martin
 
Joseph Haydn 10 02 2009
Joseph Haydn      10 02 2009Joseph Haydn      10 02 2009
Joseph Haydn 10 02 2009adam eva
 
Livia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a Roma
Livia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a RomaLivia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a Roma
Livia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a RomaCONTEMPOARS S.R.L.
 
Bečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana Stojanović
Bečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana StojanovićBečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana Stojanović
Bečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana StojanovićNašaŠkola.Net
 
Wolfgang haupt frühes siegerlandorchester
Wolfgang haupt frühes siegerlandorchesterWolfgang haupt frühes siegerlandorchester
Wolfgang haupt frühes siegerlandorchestersiwiarchiv
 
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian BachDas Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian BachEY
 
Barock power point
Barock power pointBarock power point
Barock power point---------
 
Joseph Haydn
Joseph HaydnJoseph Haydn
Joseph Haydnadam eva
 
Erasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to music
Erasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to musicErasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to music
Erasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to musicGisela Kemper
 
Prof. dr.dr.jakob ecker
Prof. dr.dr.jakob eckerProf. dr.dr.jakob ecker
Prof. dr.dr.jakob eckerRudolf Germann
 

Ähnlich wie Programmheft_Akamus_06.-07.01.10.pdf (20)

Programmbuch MaerzMusik
Programmbuch MaerzMusik Programmbuch MaerzMusik
Programmbuch MaerzMusik
 
Tod Jesu
Tod JesuTod Jesu
Tod Jesu
 
Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner Vorgänger
Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner VorgängerZur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner Vorgänger
Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner Vorgänger
 
Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...
Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...
Blu-ray, DVD- und CD-Neuheiten September 2012 Nr. 3 (Im Vertrieb der NAXOS De...
 
музика Німеччини
музика Німеччинимузика Німеччини
музика Німеччини
 
Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)
Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)
Gustav A. Zeitzschel, Opernsänger (*1868 – †1951)
 
Joseph Haydn 10 02 2009
Joseph Haydn      10 02 2009Joseph Haydn      10 02 2009
Joseph Haydn 10 02 2009
 
Livia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a Roma
Livia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a RomaLivia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a Roma
Livia Mazzanti · Francesco Finotti | Mendelssohn a Roma
 
Programmheft_Quintett Chantily_27.12.09.pdf
Programmheft_Quintett Chantily_27.12.09.pdfProgrammheft_Quintett Chantily_27.12.09.pdf
Programmheft_Quintett Chantily_27.12.09.pdf
 
Hardehauser Hof
Hardehauser HofHardehauser Hof
Hardehauser Hof
 
PM 10-11-03_Mailänder Bach, Akamus.pdf
PM 10-11-03_Mailänder Bach, Akamus.pdfPM 10-11-03_Mailänder Bach, Akamus.pdf
PM 10-11-03_Mailänder Bach, Akamus.pdf
 
Bečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana Stojanović
Bečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana StojanovićBečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana Stojanović
Bečki klasičari - Andrijana Petrović - Svetlana Stojanović
 
Wolfgang haupt frühes siegerlandorchester
Wolfgang haupt frühes siegerlandorchesterWolfgang haupt frühes siegerlandorchester
Wolfgang haupt frühes siegerlandorchester
 
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian BachDas Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach
 
Barock power point
Barock power pointBarock power point
Barock power point
 
Joseph Haydn
Joseph HaydnJoseph Haydn
Joseph Haydn
 
Programmheft_08-06-10_Von Gefühlen überwältigt.pdf
Programmheft_08-06-10_Von Gefühlen überwältigt.pdfProgrammheft_08-06-10_Von Gefühlen überwältigt.pdf
Programmheft_08-06-10_Von Gefühlen überwältigt.pdf
 
Programmheft_18.02.10_Kammersymphonie Berlin.pdf
Programmheft_18.02.10_Kammersymphonie Berlin.pdfProgrammheft_18.02.10_Kammersymphonie Berlin.pdf
Programmheft_18.02.10_Kammersymphonie Berlin.pdf
 
Erasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to music
Erasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to musicErasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to music
Erasmus+: A28/ A31 Creating a set of Maths tasks related to music
 
Prof. dr.dr.jakob ecker
Prof. dr.dr.jakob eckerProf. dr.dr.jakob ecker
Prof. dr.dr.jakob ecker
 

Mehr von unn | UNITED NEWS NETWORK GmbH

Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdfPresseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdfunn | UNITED NEWS NETWORK GmbH
 
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdfVerkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdfunn | UNITED NEWS NETWORK GmbH
 
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdfPresseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdfunn | UNITED NEWS NETWORK GmbH
 

Mehr von unn | UNITED NEWS NETWORK GmbH (20)

Über den Valentinstag.pdf
Über den Valentinstag.pdfÜber den Valentinstag.pdf
Über den Valentinstag.pdf
 
PM.pdf
PM.pdfPM.pdf
PM.pdf
 
130124_zoll_weltzolltag.pdf
130124_zoll_weltzolltag.pdf130124_zoll_weltzolltag.pdf
130124_zoll_weltzolltag.pdf
 
AL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdf
AL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdfAL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdf
AL-KO Pressemeldung Vertragsverlaengerung FCA.pdf
 
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdfPresseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
Presseinformation Honda Modelle auf der Motorradwelt Boden….pdf
 
Presseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdf
Presseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdfPresseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdf
Presseinformation MSX125 auf den HMT 23-01-13.pdf
 
130121RettedeinenNächstenRotary.pdf
130121RettedeinenNächstenRotary.pdf130121RettedeinenNächstenRotary.pdf
130121RettedeinenNächstenRotary.pdf
 
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdfVerkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
Verkostungen bei der ProWein 2013 Gemeinschaftsstand Pfalz.pdf
 
ZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdf
ZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdfZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdf
ZLB_PM_IsraellnachderWahl.pdf
 
V.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdfV.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_MINUTE_REPEATER_DE-email.pdf
 
V.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdfV.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdf
V.COM_PIAGET_ALTIPLANO_SIHH_2013_DE-email.pdf
 
4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf
4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf
4549 - Pflanzenroller-Modellreihe.pdf
 
Prinz_Charles_besucht_Halewood.pdf
Prinz_Charles_besucht_Halewood.pdfPrinz_Charles_besucht_Halewood.pdf
Prinz_Charles_besucht_Halewood.pdf
 
PI Daimler Mobility Services.pdf
PI Daimler Mobility Services.pdfPI Daimler Mobility Services.pdf
PI Daimler Mobility Services.pdf
 
PM.pdf
PM.pdfPM.pdf
PM.pdf
 
36_imm cologne_Schlussbericht.pdf
36_imm cologne_Schlussbericht.pdf36_imm cologne_Schlussbericht.pdf
36_imm cologne_Schlussbericht.pdf
 
01-21-AI-Graziano.pdf
01-21-AI-Graziano.pdf01-21-AI-Graziano.pdf
01-21-AI-Graziano.pdf
 
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdfPresseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
Presseinformation Honda Neue Führerscheinregularien 18-01-….pdf
 
Text EÖ-PK 2013 .pdf
Text EÖ-PK 2013 .pdfText EÖ-PK 2013 .pdf
Text EÖ-PK 2013 .pdf
 
PM4 INVENTA Garden.pdf
PM4 INVENTA Garden.pdfPM4 INVENTA Garden.pdf
PM4 INVENTA Garden.pdf
 

Programmheft_Akamus_06.-07.01.10.pdf

  • 1. MI 06.01.10 20.00 Uhr DO 07.01.10 20.00 Uhr Kleiner Saal, Abonnement, 3. Konzert Akademie für Alte Musik Berlin Die Kandidaten für das Leipziger Thomaskantorat 1722/23 Johann Friedrich Fasch (1688 – 1758) Ouvertüre für zwei Oboen, zwei Fagotte, Streicher und Basso continuo g-Moll Ouverture – Air – Gavotte – Air – Hornpipe – Aria – Menuet I/II Georg Philipp Telemann (1681 – 1767) Konzert für vier Violinen ohne Bass D-Dur Adagio – Allegro – Grave – Allegro Johann Christoph Graupner (1683 – 1760) Ouvertüre für zwei Oboi da selva, Streicher und Basso continuo e-Moll Ouverture – Rondeau – Menuet – Loure – Air – Gavotte – Gigue Pause Georg Philipp Telemann »Ouverture des Nations anciens et modernes« für Streicher und Basso continuo G-Dur Ouverture – Menuet I/II – Les Allemands anciens – Les Allemands modernes/viste – Les Suédois anciens – Les Suédois modernes/viste – Les Canois anciens – Les Danois modernes/viste – Les vieilles femmes Johann Christoph Graupner Sinfonie für zwei Hörner, Streicher und Basso continuo C-Dur Molto Allegro – Poco Allegro e piano – Presto – Presto Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) »Concerto nach Italiaenischen Gusto« F-Dur BWV 971, für Violine, Streicher und Basso continuo bearbeitet von Václav Luks (Allegro) – Andante – Presto Handy ausgeschaltet? Vielen Dank!
  • 2. Neubesetzung eines renommierten Amtes Der Leipziger Thomanerchor kann auf eine fast 800-jährige Geschichte zurückblicken: Im Jahre 1212 grün- deten Augustiner-Chorherren das Stift zu St. Thomas, dem vermutlich von Beginn an eine Schule ange- schlossen war. In einer Urkunde von 1254 findet diese vornehmlich den Söhnen armer Leipziger Fami- lien zugängliche Bildungsstätte ihre erste Erwähnung. Musik spielte im Schulleben eine große Rolle, zu- nächst bildeten zwölf, später 24 Knaben den Chor des Stifts. Des- sen Leitung hatten lange Zeit die Schulmeister, also Augustiner-Chor- Thomaskirche und Thomasschule in Leipzig herren, bzw. ihre Gehilfen inne. Frontinspiz aus der 1723 herausgegeben Mit zunehmender Aufgabenviel- Schulordnung falt des Chores bemühte man sich jedoch ab Mitte des 15. Jahrhunderts um die Einstellung eines externen Kantors, der zugleich als Lehrer an der Schule tätig war. Eine wichtige Zäsur in der Geschichte des Knabenchores stellte die Reformation dar, in deren Folge das Chorherrenstift 1543 säkularisiert wurde und die Schule mitsamt dem Chor in städtische Trägerschaft überging. Über die Vergabe des Kantorenpostens hatte damit von nun an der Stadtrat zu entscheiden. Besaß das Kantorat bislang eher den Charakter einer »Durchgangsstation« für ambitionierte Musiker, so galt es spätestens seit der langen Amtszeit von Valentin Otto (1564 –1594) für viele Musiker als die erwünschte Lebensanstellung. Dafür sprechen die zahlreichen Bewerbungen und die stets hochqualifizierten Kantoren, die den Chor auch in politisch schwierigen Perioden führten, darunter Johann Hermann Schein (Amtszeit 1616 –1630), Tobias Michael (1631–1657), Sebastian Knüpfer (1657–1677) und Johann Schelle (1677–1701).
  • 3. Neubesetzung eines renommierten Amtes Nach dem Tod von Johann Schelle im Jahre 1701 wurde Johann Kuhnau zum Thomaskantor gewählt. Der ehemalige Kruzianer hatte in Leipzig Jura studiert und danach sehr erfolgreich als Anwalt gearbeitet, sich aber gleichzeitig ebenso talentiert als Organist, Komponist und Heraus- geber von Claviermusik betätigt. Mit seinem Amtsantritt als Thomas- kantor beendete er seine juristische Laufbahn und konzentrierte sich voll auf seine Lehr- und Kompositionstätigkeit, die der Thomasschule – dem pädagogischen Flaggschiff der Stadt – weiterhin hohes überregionales Ansehen einbrachte. Regelmäßig kam es im Zuge der Auswahlprozedur für einen neuen Thomaskantor im Leipziger Stadtrat zu heftigen Diskussionen, gingen doch die Meinungen darüber, welche Funktion der neue Mann im Gefüge des städtischen Lebens haben sollte, erheblich auseinander. Die Traditionalisten im Rat wünschten sich einen Kantor klassischen Stils, der sich in erster Linie als Schulmitarbeiter versteht und mit Hilfe seiner akademischen Bildung guten Unterricht erteilt. Die eher fortschrittlich gesinnten Ratsherren dagegen wünschten sich einen möglichst berühm- ten, allseits angesehenen Kapellmeister, der alle Gattungen beherrscht und der Stadt Leipzig einen herausragenden musikalischen Glanz ver- leihen konnte. Phase I: Georg Philipp Telemanns Bewerbung und Wahl Dieser Grundkonflikt sollte auch das langwierige Bewerbungsverfahren bestimmen, das nach dem Tod Johann Kuhnaus am 5. Juni 1722 begann. Dabei sah es zunächst nach einer schnellen Entscheidung aus: Kuhnau war kaum mit allen Ehren zu Grabe getragen worden, da kontaktierte der Stadtrat bereits den Hamburger Kantor und Musikdirektor Georg Philipp Telemann und forderte ihn zur Bewerbung auf. Telemann war den Leipzigern noch in sehr guter Erinnerung, hatte er doch hier rund zwei Jahrzehnte zuvor als Musikdirektor der Neukirche und beliebter Opernkomponist für eine gehörige Belebung des musikalischen Alltags gesorgt. Inzwischen zählte er dank seiner renommierten Positionen und vielen Veröffentlichungen zu den bekanntesten deutschsprachigen Komponisten, besaß reiche Erfahrung und genoss hohes Ansehen. Seine Rückkehr nach Leipzig wäre also einem »großen Coup« gleichgekom- men, zumal sich Telemanns Weggang 1705 unter sehr unglücklichen kommunalpolitischen Bedingungen – der Verhaftung des Bürgermeisters und Telemann-Freundes Romanus – vollzogen hatte. Und nicht zuletzt
  • 4. Neubesetzung eines renommierten Amtes wäre sowohl die »Kantoren-« als auch die »Kapellmeister-Fraktion« im Stadtrat über die Wahl befriedigt gewesen, da Telemann beide Funk- tion par excellence beherrschte. Telemann war der Leipziger Offerte auch ganz und gar nicht abge- neigt. Nach ersten Verhandlungen wurde er am 14. Juli 1722 als einzi- ger Kandidat zum obligatorischen Probegottesdienst eingeladen. Andere Bewerber, darunter der Magdeburger Kantor Christian Friedrich Rolle und der noch in böhmischen Diensten stehende Kapellmeister Johann Friedrich Fasch, ignorierte der Rat dagegen. Telemanns Kantoratsprobe fand am 9. August 1722 in der Leipziger Thomaskirche statt und löste unter allen Beteiligten größte Zufrieden- heit aus. Der Rat fackelte nicht lang und berief den Hamburger Musik- direktor schon zwei Tage später zum neuen Thomaskantor. Mit dieser positiven Nachricht reiste Telemann an die Alster zurück – und mag auf dem Weg in Köthen Station gemacht haben, um dort seinen lang- jährigen Freund und Kollegen Johann Sebastian Bach und sein achtjäh- riges Patenkind Carl Philipp Emanuel zu besuchen. Auf diese Weise war der Köthener Hofkapellmeister Bach exklusiv und gleichzeitig diskret über die Leipziger Vorgänge informiert. Zurück in Hamburg, bat Telemann am 3. September 1722 formal um seine Entlassung. Dies löste einiges Entsetzen aus – hatte man doch Telemann gerade erst ein Jahr zuvor mit großen Anstrengungen nach Hamburg geholt. Sofort machten sich einflussreiche Hamburger Bürger und der dortige Stadtrat daran, Telemann zum Bleiben zu bewegen. Es begannen zähe Verhandlungen, in denen es vor allem um Geld und Amtskompetenzen ging. Die ursprünglich geplante Amtseinführung am Michaelistag (29. September) konnte nicht stattfinden, immer länger hielt Telemann den Leipziger Rat hin. Anfang November 1722 schließ- lich bot der Hamburger Stadtrat seinem Musikdirektor eine Gehalts- erhöhung um 400 Taler an und übertrug ihm gleichzeitig die Leitung der Gänsemarktoper sowie des Collegium musicum. Dies gab den letzten Ausschlag dafür, dass sich Telemann gegen Leipzig entschied – und sich, nebenbei bemerkt, bis zu seinem Tod 1767 auf keine weitere Stelle mehr bewarb.
  • 5. Neubesetzung eines renommierten Amtes Phase II: Kandidaten nach Telemanns Absage In Leipzig war die Enttäuschung groß. Der Stadtrat musste das Verfah- ren neu aufrollen und lud nun Johann Friedrich Fasch als neuen Favo- riten zum Probespiel ein. Wie Telemann war auch Fasch in Leipzig wohl- bekannt: Er hatte bei Johann Kuhnau an der Thomasschule gelernt, danach an der Universität Jura studiert und mit der Gründung eines eige- nen Collegium musicum auch musikalische Spuren in der Messestadt hinterlassen. – Doch Fasch sagte den Leipzigern schon vor der öffentli- chen Probe ab, hatte er doch gerade im September 1722 eine Anstel- lung als Kapellmeister am Zerbster Hof erhalten, die er nach so kurzer Zeit nicht wieder verlassen wollte und konnte. Offiziell begründete Fasch seine Entscheidung allerdings damit, dass er »nicht informiren könne« – sich also nicht in der Lage sähe, an der Schule zu unterrich- ten. Erneut also musste der Stadtrat einen Rückschlag hinsichtlich der Neubesetzung des ehrwürdigen Thomaskantorenamtes hinnehmen. Immerhin lagen noch von mindestens sechs weiteren Musikern Bewer- bungen vor, darunter jene des Musikdirektors der Leipziger Neukirche Georg Balthasar Schott, des Zwickauer Domkantors Johann Martin Steindorff und des Merseburger Domorganisten Georg Friedrich Kauff- mann. Die Ratsherren jedoch konnten sich auf ihrer Sitzung Ende Novem- ber 1722 auf keine neue Rangliste einigen. Bei der nächsten Zusammen- kunft des erlesenen Gremiums kurz vor Weihnachten änderte sich die Lage wiederum, denn zwei neue Bewerbungen hatten das Rathaus er- reicht: Die eine stammte vom Darmstädter Hofkapellmeister Christoph Graupner und die zweite von Johann Sebastian Bach aus Köthen. Der regierende Bürgermeister Gottfried Lange – ein bekennender »Kapellmeister-Anhänger« – drängte nun zur Eile und lud die beiden bekannten Musiker zur Kantoratsprobe ein, Graupner für den 17. Januar, Bach für den 7. Februar 1723. Beide wurden gebeten, jeweils zwei Kan- taten für den entsprechenden Sonntagsgottesdienst zu komponieren, einzustudieren und aufzuführen. Schon zwei Tage vor Graupners Probe- gottesdienst machten die Ratsherren allerdings keinen Hehl aus ihrer Parteilichkeit: Christoph Graupner, ehemaliger Thomasschüler und vor allem auch Absolvent der Leipziger Universität, war ihr eindeutiger Favo- rit; Bach dagegen sollte nur die »Notvariante« sein, falls Graupner nicht zusagen würde. Beide Kapellmeister absolvierten ihre Probegottesdienste mit Bravour, Bach führte dabei seine Kantaten »Jesus nahm zu sich die Zwölfe« (BWV 22) und »Du wahrer Gott und Davids Sohn« (BWV 23) auf.
  • 6. Neubesetzung eines renommierten Amtes Den Zuschlag bekam – wie vorher bereits hinter verschlossenen Rats- türen festgelegt – Christoph Graupner. Dessen Dienstherr jedoch, Land- graf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, verweigerte ihm die Entlas- sung und verwies dabei auf die lebenslang gültige Zusage, die Graupner bei seinem Dienstantritt 1709 in Darmstadt geleistet hatte. Schweren Herzens – und ohne Gehaltserhöhung – musste Graupner im März 1723 diese Nachricht nach Leipzig übermitteln. Damit hatte also nach Telemann und Fasch bereits der dritte »Wunschkandidat« des Leipziger Rates abgesagt. Phase III: Die Wahl Johann Sebastian Bachs Dies bedeutete aber auch, dass der Weg für Johann Sebastian Bach frei wurde. Er war nun der Favorit des Bürgermeisters Lange, allerdings mussten noch etliche Bedenken bei den konservativen Ratsmitgliedern hinsichtlich seiner Eignung als Lehrer zerstreut werden. Um ganz sicher zu gehen, ließ man Bach Mitte April 1723 nach Leipzig kommen, wo er einen provisorischen Dienstvertrag unterzeichnete, in dem insbeson- dere die Verpflichtung zur Lehre betont wurde. Nahezu parallel über- sandte Fürst Leopold von Anhalt-Köthen, Bachs bisheriger Dienstherr, ein huldvoll formuliertes Demissionsschreiben. Am 22. April 1723 folgte dann endlich die entscheidende Ratssitzung, in der sich die »fort- schrittliche« Fraktion des Leipzi- ger Rates durchsetzen konnte und Johann Sebastian Bach zum Tho- maskantor berufen wurde. Am 5. Mai bat man Bach dann erneut in die Ratsstube, wo er den Dienstrevers unterschrieb, in dem seine Aufgaben und Pflichten ge- nauestens festgeschrieben wurden. Autograph der Kantate »Jesus nahm zu sich die Zwölfe« BWV 22, Johann Sebastian Bachs Probestück für seine Bewerbung um das Leipziger Thomaskantorat 1723
  • 7. Die letzte Hürde vor der Amtseinführung folgte sogleich im Anschluss: Bach hatte sich einer theologischen Prüfung vor einem Universitäts- professor zu unterziehen. Er bestand dieses in lateinischer Sprache ge- führte Examen offenbar fehlerfrei, so dass der als streng verrufene Pro- fessor Johann Schmid nur lakonisch protokollierte: »Herr Jo. Sebastian Bach beantwortete die von mir gestellten Fragen dergestalt, daß ich ihn für geeignet erachte, das Amt des Kantors in der Thomasschule zu über- nehmen.« Nun stand dem Amtsantritt nichts mehr im Wege, schon reichlich zwei Wochen später traf Bach mit seiner Familie und »4 Wagen mit Haus-Raht beladen« in Leipzig ein und nahm sein Quartier in der »neu renovierten Wohnung« des Kantors in der Thomasschule. Schon am 30. Mai 1723, dem 1. Sonntag nach Trinitatis, begann für Bach mit einer Kantatenaufführung in der Leipziger Nikolaikirche der reguläre Dienst- alltag, zwei Tage später wurde er in Anwesenheit zahlreicher städtischer und kirchlicher Honoratioren offiziell in das neue Amt eingewiesen. – Fast ein ganzes Jahr nach dem Tod von Johann Kuhnau konnte damit das Auswahlverfahren endlich abgeschlossen werden. »Klingende Visitenkarten« Johann Friedrich Fasch Im heutigen Konzert erklingen Instrumentalwerke der erwähnten vier Protagonisten dieses mit vielen Überraschungen und unerwarteten Wendungen gespickten Kandidaten-Wettlaufes. Der Fürst von Anhalt-Zerbst war den Leipziger Ratsherren also zuvorgekommen und hatte Johann Friedrich Fasch im Herbst 1722 praktisch im »Eilverfahren« als Kapellmeister angestellt. In diesem Amt musste Fasch eine Fülle musikalischer Aufgaben bewältigen, die sowohl die Gestaltung der fürstlichen Gottesdienste als auch die musi- kalische Umrahmung der Tafeln und höfischen Feste umfassten. Noch 1731 merkte er in einem Brief an, dass er »als Capellmeister wegen der Kirchen- und anderen Musiquen, mitt beständiger arbeit beladen« sei. Vollkommene Zufriedenheit mit seiner Kapellmeisterstelle erreichte er nie, zumal ihn die engstirnigen Verhältnisse im kleinen Zerbst und die
  • 8. Klingende Visitenkarten ständige Bevormundung durch den Oberhofprediger bezüglich seiner Kirchenmusik zunehmend belasteten. Einige Male gelang es ihm, durch längere Reisen Zerbst zumindest zeitweise verlassen zu können; ein erhoffter Stellenwechsel war ihm jedoch lebenslang nicht vergönnt. Die Instrumentalwerke Johann Friedrich Faschs wurden zwar zu seinen Lebzeiten nicht gedruckt, kursierten aber in Abschriften an zahlreichen bedeutenden Musikzentren seiner Zeit. Regelmäßig belie- ferte er die Hoforchester von Darmstadt und Dresden, darüber hinaus vollzog sich ein reger Austausch von Musikalien mit den Komponisten Telemann und Stölzel sowie mit dem Musikhistoriographen Johann Mattheson. Hinsichtlich seines kompositorischen Stils bemühte sich Fasch stets um eine Einbeziehung der modernsten Ausdrucksmittel sei- ner Zeit. Er wird daher als ein wichtiger Wegbereiter der musikalischen Klassik angesehen. Die Ouvertüre g-Moll folgt formal dem Muster einer französischen Orchestersuite, wie sie seit Jean-Baptiste Lullys Wirken in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in ganz Europa große Popu- larität besaß. Sie beginnt mit einer feierlichen, dreiteiligen Ouvertüre, daran schließen sich einige stilisierte Tanzsätze an. Georg Philipp Telemann Einer der Gründe Georg Philipp Telemanns für ein Bleiben in Hamburg lag zweifellos im dort bereits vorhandenen öffentlichen Konzertleben. Bereits 1660 hatte der Schütz-Schüler Matthias Weckmann ein Colle- gium musicum begründet, das wöchentlich im Refektorium des Doms Konzerte veranstaltete. Telemann übernahm diese Tradition und führte in öffentlichen Konzertreihen sehr viele Vokal- und Instrumentalwerke auf. Das Concerto für vier Violinen ohne Basso continuo D-Dur stellt Telemanns überragende Fähigkeiten der Instrumentierung unter Beweis: Vier gleiche Instrumente entwickeln in dem viersätzigen Werk einen geradezu orchestralen Klangeindruck – und dies ohne die in der Barock- zeit sonst obligatorische durchgehende Bassstimme. Einen besonderen Stellenwert aber besitzen im Instrumentalschaffen Telemanns die Ouvertüren-Suiten. Der Komponist vereinte in diesen Kompositionen die Elemente verschiedenster Nationalstile, die er an sei- nen bisherigen Wirkungsorten Leipzig, Sorau, Eisenach und Frankfurt (Main) kennengelernt hatte. An die Ouvertüre schließen sich eine Viel- zahl von kürzeren Sätzen an, dabei kann es sich um deutsche, französi-
  • 9. Klingende Visitenkarten sche, italienische oder spanische Tänze handeln, aber auch Variations- sätze oder musikalische Charakterschilderungen treten auf. Eine beträchtliche Anzahl von Sätzen, zuweilen sogar ganze Suiten, stellte Telemann unter programmatische Titel. Das Spektrum der musikali- schen Schilderungen reicht dabei von Krankheitsbildern (»Der Hypo- chonder«) über Naturereignisse (»Ebbe und Fluth«) bis hin zu Völkern (»Die Moskoviter«). Die »Ouverture des Nations anciens et modernes« entstand zwi- schen 1721 und 1725, also in Telemanns frühen Hamburger Jahren. Der Eingangssatz entspricht der Ouvertüre zur Oper »Der geduldige Socrates«, die 1721 – noch vor Telemanns Amtsantritt – in Hamburg uraufgeführt wurde. Die darauffolgenden Sätze stellen eine humorvolle musikalische Umsetzung von Nationenbildern in Vergangenheit und Gegenwart dar. Christoph Graupner Das »Karriere-Schicksal« von Christoph Graupner verlief ähnlich wie jenes von Johann Friedrich Fasch: Einmal angestellt als fürstlicher Kapellmeister, konnte er diese Aufgabe nicht mehr kündigen. Im Falle Graupners waren es sogar 51 Jahre, die er am Darmstädter Hof ver- brachte. Loyal in guten und schlechten Zeiten diente er seinem Herrn und bereicherte die Hofmusik mit einigen Opern, vor allem aber mit weit mehr als 1000 geistlichen Kantaten, zahlreichen Cembalowerken, die er selbst brillant darbot, und Orchester- sowie Kammermusik. Zum Orchesterwerk Graupners zählen knapp 100 Ouvertürensuiten, die ganz ähnlich wie die entsprechenden Werke Telemanns oder Faschs aufgebaut sind. Erstaunlich ist dabei die große Bandbreite der Solo- instrumente, die Graupner in diesen Kompositionen einsetzt. Die Ouver- türe e-Moll weist solistische Stimmen für zwei Oboen da selva (»Wald- oboen«, tiefer als eine normale Oboe) auf. In fast allen seiner 112 Sinfonien setzt Christoph Graupner Bläser ein, in der Sinfonie C-Dur sind es zwei Hörner, die exponiert zum Streichersatz hinzutreten. Johann Sebastian Bach Auch wenn für einen Thomaskantor naturgemäß die Komposition und Ausführung von Kirchenmusik im Mittelpunkt stand, fand Johann Sebastian Bach in Leipzig die Zeit und die Möglichkeit, sich auch der reinen Instrumentalmusik widmen zu können. So übernahm er 1729
  • 10. Klingende Visitenkarten zusätzlich zu seinen zahlreichen Kirchen- und Schuldiensten noch die Leitung des örtlichen »Collegium musicum« und widmete sich nach- drücklich der Komposition von Musik für Tasteninstrumente. Bachs zweifellos ambitioniertestes Leipziger Kompositionsprojekt außerhalb der Kirchenmusik bildet die sogenannte »Clavier-Übung«. Mit dem vierteiligen Werk, das zwischen 1726 und 1741 zumeist im Selbstverlag erschien, präsentierte sich der Thomaskantor der musikali- schen Öffentlichkeit als Autor anspruchsvoller und moderner Clavier- Musik. Der erste Band der »Clavier-Übung« enthält sechs Partiten im neu- artigen »vermischten« Geschmack. Mit dem zweiten Teil dagegen stellte Bach unter Beweis, dass er die beiden tonangebenden, modernen Nationalstile auch in Reinkultur hervorragend beherrschte. So stellte er 1735 eine »Ouverture nach Französischer Art« und ein »Concerto nach Italiaenischem Gusto« zu einem Druck zusammen. Das letztgenannte Werk (BWV 971) ist ganz in der Standardform eines Vivaldischen Con- certos aufgebaut: Zwei schnelle Ecksätze, in denen nicht mit spiele- rischer Virtuosität gespart wird, rahmen einen langsamen, ausdrucks- starken Mittelsatz ein. Václav Luks fertigte eine Bearbeitung dieses Clavierwerkes für Solovioline und Streichorchester an. Die Leipziger Ratsakten dokumentieren minutiös auch den Akt der Amtseinweisung Bachs am 1. Juni 1723, der damit endete, dass »der neue Herr Cantor dem Rathe verbundenst danckte, daß derselbe bey Vergebung dieses Diensts auf Ihn hochgeneigt reflectiren wolle, mit versprechen, daß er denselben mit aller treue und Fleis abwarte, denen ihm vorgesetzen mit schuldigen respect begegnen und sich allendhal- ben so erweisen werde, daß man seine devoteste bezeigung jederzeit spüren solle.« Darauf – so berichten die Quellen – »wurde der Actus mit einer Music beschloßen.«
  • 11. Porträt Akademie für Alte Musik Berlin 1982 von Mitgliedern mehrerer Berliner Sinfonieorchester gegründet. Name in Anlehnung an die »Akademien« im Berliner Musikleben des 18. Jahrhunderts gewählt. Verbindung einer an den historischen Bedin- gungen orientierten Aufführungspraxis mit Spontanität des Spiels und Farbigkeit des Ausdrucks als künstlerisches Anliegen. Breitgefächertes Repertoire vom 17. bis zum 19. Jahrhundert – zahlreiche Wiederauffüh- rungen vergessener Werke aufgrund eigener Quellenarbeiten. Seit 1984 mit einer eigenen Konzertreihe im Konzerthaus Berlin vertreten. Seit 1992 regelmäßige Zusammenarbeit mit dem RIAS Kammerchor. Zahl- reiche Rundfunk-, Schallplatten- und CD-Aufnahmen (seit Herbst 1994 exklusiv für harmonia mundi france), häufig mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Gastspielreisen in nahezu alle europäischen Länder und in den Nahen Osten, nach Südostasien und Japan. Unter der Leitung von René Jacobs Mitwirkung bei Opernproduktio- nen an der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Seit 1995 regelmäßig Gast der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Außerdem seit eini- gen Jahren erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Tanzensemble Sasha Waltz & Guests, die in Berlin seit September 2006 vor allem im Radial- system V zu erleben ist. Georg Kallweit Violine (Konzertmeister) Erik Dorset Violine Kerstin Erben Violine Edburg Forck Violine Thomas Graewe Violine Stephan Mai Violine Uta Peters Violine Dörte Wetzel Violine Clemens Nuszbaumer Viola Anja Graewel Viola Stephan Sieben Viola Jan Freiheit Violoncello Walter Rumer Kontrabass Xenia Löffler Oboe Michael Bosch Oboe Erwin Wieringa Horn Gijs Laceulle Horn Christian Beuse Fagott Eckhard Lenzing Fagott Beni Araki Cembalo
  • 12. Vorankündigung MI 20.01.10 20.00 Uhr Großer Saal Kammerorchester International Il Gardino Armonico Giovanni Antonini Leitung Danielle de Niese Sopran Arien und Concerti grossi von Georg Friedrich Händel, Pietro Locatelli und Francesco Geminiani FR 29.01.10 20.00 Uhr Kleiner Saal Isabelle Faust Violine Julia-Maria Kretz Violine Thomas Riebl Viola Christoph Richter Violoncello Janne Saksala Kontrabass Lorenzo Coppola Klarinette Teunis van der Zwart Horn Javier Zafra Fagott Wolfgang Amadeus Mozart Divertimento für Violine, Viola und Violoncello Es-Dur KV 563 Franz Schubert Oktett F-Dur op. post. 166 D 803 IMPRESSUM Herausgeber Konzerthaus Berlin Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann Text Dr. Bernhard Schrammek Redaktion Dr. Dietmar Hiller Titelfotografie Christian Nielinger Abbildungen Matthias Heyde, Archiv (2) Reinzeichnung und Herstellung REIHER Grafikdesign & Druck 2,00 € Die Intendanz möchte darauf hinweisen, dass das Fotografieren sowie die Nutzung ton- und videotechnischer Geräte nicht zulässig sind.