Pressemitteilung des WIdO vom 28. Juli 2022: WIdOmonitor: Kinder von Alleinerziehenden und Müttern mit niedrigem Einkommen stärker durch die Pandemie belastet
Laut WIdOmonitor zu den "Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern" berichtet mehr als jede dritte Mutter, dass die seelische Gesundheit der Kinder gelitten hat. Vor allem Kinder von Alleinerziehenden und Müttern mit niedrigem Einkommen waren stärker durch die Pandemie belastet. Jede fünfte Mutter findet, dass ihr Nachwuchs während der Pandemie reizbarer und aggressiver geworden ist. Nur 16 Prozent der Befragten haben Verschlechterungen der körperlichen Gesundheit des Nachwuchses bemerkt.
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Pressemitteilung des WIdO vom 28. Juli 2022: WIdOmonitor: Kinder von Alleinerziehenden und Müttern mit niedrigem Einkommen stärker durch die Pandemie belastet
1. Pressemitteilung
Berlin, 28. Juli 2022
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WIdOmonitor: Kinder von Alleinerziehenden und Müttern
mit niedrigem Einkommen stärker durch die Pandemie belastet
Berlin. Homeschooling, Quarantäne, eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten und Kon-
takte: Wie haben sich die pandemiebedingten Belastungen auf die Gesundheit von
Kindern ausgewirkt? Dieser Frage geht der aktuelle WIdOmonitor zu den „Auswir-
kungen der Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern“ nach.
Die Mehrheit der befragten Mütter ist der Meinung, dass ihre Kinder gesundheitlich
relativ gut durch die Pandemie gekommen sind. Während nur 16 Prozent Ver-
schlechterungen der körperlichen Gesundheit des Nachwuchses bemerkt haben,
berichtet aber mehr als jede dritte Mutter, dass die seelische Gesundheit der Kinder
gelitten habe. Überdurchschnittlich häufig betrifft dies Familien mit einem niedri-
gen Haushaltseinkommen. Für den WIdOmonitor des Wissenschaftlichen Instituts
der AOK (WIdO), der in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut durchge-
führt worden ist, wurden im Februar und März dieses Jahres 3.000 Mütter von drei-
bis zwölfjährigen Kindern befragt.
Bei den Antworten auf die Fragen zur seelischen Gesundheit der Heranwachsenden zeigt sich ein deutliches so-
ziales Gefälle: Während der Corona-Pandemie haben vor allem Alleinerziehende und Mütter mit einfacher Bil-
dung und geringem Haushaltseinkommen eine Verschlechterung der seelischen Gesundheit ihrer Kinder be-
merkt. Das sagen deutlich mehr Geringverdienerinnen (51,0 Prozent) und Alleinerziehende (44,1 Prozent) als der
Durchschnitt mit 34,9 Prozent (Tabelle 1). Generell wird die aktuelle seelische Gesundheit des eigenen Kindes im
Vergleich zur körperlichen Gesundheit deutlich schlechter bewertet. 59,4 Prozent schätzen den seelischen Zu-
stand ihrer Kinder als gut oder sehr gut ein. Auch hier fällt die Bewertung der Mütter mit einfacher Bildung
(50,2 Prozent) oder geringem Haushaltseinkommen (40,7 Prozent) sowie von Alleinerziehenden (45,9 Prozent)
deutlich schlechter aus.
„Wie ein roter Faden zieht sich durch fast alle Ergebnisse unserer Untersuchung, dass Kinder aus sozial schwä-
cheren Familien deutlich stärker durch die Pandemie belastet waren“, sagt Klaus Zok, Studienleiter im For-
schungsbereich Gesundheitspolitik und Systemanalysen des WIdO. Die Ergebnisse deckten sich mit denen ande-
rer Studien und Befragungen, wonach bei Kindern von Alleinerziehenden eine niedrigere gesundheitsbezogene
Lebensqualität und mehr psychische Probleme beobachtet wurden.
2. Pressemitteilung vom 28.07.2022
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Viele Kinder konnten seit Beginn der Pandemie die Angebote der (vor)schulischen Bildung, Betreuung und Erzie-
hung nur selten oder unregelmäßig nutzen. „Nun gilt es, die pandemiebedingten Belastungen zu bewältigen und
Versäumtes nach- oder aufzuholen“, so Zok. Die meisten befragten Mütter wünschen sich hierfür Unterstützung
durch Sportvereine (27,8 Prozent), gefolgt von Schulpsychologen und Sozialarbeitern (24,8 Prozent). Mütter mit
niedrigem sozialem Status formulierten überdurchschnittlich häufig Bedarfe hinsichtlich Nachhilfe- und Lern-
gruppen (Tabelle 2). Nur ein knappes Drittel wünscht sich keinerlei Unterstützung. Überdurchschnittlich hoch ist
dieser Anteil in der Gruppe, die mutmaßlich einen höheren Bedarf an Unterstützung hat, also bei Müttern mit
einfacher Bildung (34,9 Prozent) und geringem Haushaltseinkommen (32,8 Prozent). „Das lässt befürchten, dass
bestehende Versorgungsangebote ausgerechnet diejenigen Kinder nicht adäquat erreichen, die ein sehr hohes
Risiko für pandemiebedingte Belastungen und mögliche Folgeerkrankungen haben“, so Klaus Zok. Viele dieser
Angebote seien darauf ausgerichtet, dass Eltern die Initiative ergreifen und Hilfe für ihre Kinder aktiv nachfragen.
Die Mehrheit der befragten Mütter hat sich vor allem durch den während der Pandemie eingeschränkten Kin-
dergarten- und Schulbetrieb stark oder sehr stark belastet gefühlt (65,2 Prozent), insbesondere die Alleinerzie-
henden mit 69,6 Prozent (Tabelle 3). Es zeigen sich auch hier deutliche soziale Unterschiede: So gaben Mütter
mit niedrigem Haushaltseinkommen sowie Alleinerziehende häufiger starke oder sehr starke Belastungen an.
Dies ist offenbar nicht ohne Folgen für das Familienleben geblieben. Fast jede zweite Mutter berichtet von einer
Zunahme familiärer Meinungsverschiedenheiten seit Pandemiebeginn. Das betrifft sowohl kleinere Probleme,
wie nervige Diskussionen (47,6 Prozent) als auch gravierende Vorfälle wie lauten Streit oder Handgreiflichkeiten
(30,9 Prozent). Auch hier zeigten sich jeweils höhere Werte bei Geringverdienerinnen, Alleinerziehenden und bei
Müttern, die mit ihren Kindern auf weniger als 20 Quadratmeter Wohnfläche je Person leben.
Aber die Pandemie hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Familien. So berichten mehr als zwei Drittel der
Mütter (73,1 Prozent), dass das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Familie gewachsen sei. „Die positiven Pan-
demie-Effekte wie der gestärkte familiäre Zusammenhalt oder das Entdecken neuer, gemeinsamer Hobbys wur-
den jedoch in sozial schwächeren Familien deutlich seltener wahrgenommen“, so Zok.
Kinder sind reizbarer und aggressiver geworden
Wie hat sich der Corona-Stress nun ganz konkret im Verhalten der Kinder und Jugendlichen bemerkbar gemacht?
Mehr als jede zweite Mutter (56,3 Prozent) benennt Auffälligkeiten, die mit den pandemiebedingten Kontaktbe-
schränkungen in Verbindung stehen könnten (Tabelle 4). Reizbarkeit und Aggressivität (36,5 Prozent) stehen da-
bei mit Abstand an erster Stelle. Rund ein Viertel der Befragten gibt Antriebsmangel (25,3 Prozent), Ängstlichkeit
(24,5 Prozent), gedrückte Stimmung (23,8 Prozent) sowie starke Unruhe (23,1 Prozent) an. Generell findet jede
fünfte Mutter, dass ihr Nachwuchs seit dem Beginn der Pandemie reizbarer und aggressiver geworden ist. Als
ungünstige Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen auf ihre Kinder geben die Mütter vor allem einen übermä-
ßigen Medienkonsum (74,4 Prozent) und Bewegungsmangel (63,2 Prozent) an. Bei übergewichtigen Kindern ha-
ben sich in vier Fünftel aller Fälle die Gewichtsprobleme während der Pandemie verschärft, bei Kindern aus Fa-
milien mit niedrigem Einkommen sogar in über neun Zehntel der Fälle. Auch hier zeigt sich ein deutlicher Sozial-
gradient: Mütter mit einfacher Schulbildung, geringem Haushaltseinkommen und Alleinerziehende berichten viel
häufiger von gesundheitsgefährdendem Verhalten ihrer Kinder sowie ungünstigen Auswirkungen der Pandemie-
maßnahmen als der Durchschnitt. Rund elf Prozent der befragten Mütter geben an, dass ein Arzt oder Psycho-
therapeut bei ihrem Kind eine psychische Erkrankung diagnostiziert habe (Tabelle 5). Eine Empfehlung für eine
psychotherapeutische Behandlung wurde für Kinder von Alleinerziehenden sowie Müttern mit einfacher Schul-
bildung oder geringem Einkommen häufiger ausgesprochen.
Mehr Infos im Internet: https://www.wido.de/publikationen-produkte/widomonitor/widomonitor-1-2022/