2. 02
Die Energie- und Klimaschutzpolitik steht an einem Inhalt
Scheideweg. In nächster Zeit werden Weichen gestellt,
die darüber bestimmen, ob Deutschland die von der 03 Vorwort
Wissenschaft geforderten Emissionssenkungen bis Mitte 04 Zielsetzung der Studie
des Jahrhunderts erreichen kann – oder ob wir beim
Klimaschutz scheitern. 06 Die Klimaschutzpolitik
der Regierung Merkel
Greenpeace und das Aachener Ingenieur- und Beratungs-
unternehmen EUtech zeigen mit diesem Energiekonzept, 07 Zukunftsfähige Energie
für Deutschland
wie bis 2050 die deutschen Treibhausgas-Emissionen
um rund 90 Prozent gesenkt werden können. Vorausset- 08 Energie sparen und
Effizienz steigern
zung für den Erfolg ist der konsequente Ausbau der
Erneuerbaren Energien, eine zielstrebige Verbesserung 10 Erneuerbare ausbauen
und Brennstoffe optimal
der Energieeffizienz sowie eine optimale Brennstoff- nutzen
ausnutzung in einer Übergangszeit, in der auf fossile 12 Keine Utopie –
Energieträger noch nicht vollständig verzichtet werden ökologisch und ökono-
kann. misch notwendig
Der Ausstieg aus der riskanten Atomkraft wirkt als Motor 14 Fazit
für den Umbau des Kraftwerksparks. Er kann beschleu- 15 Klimaschutz-Programm
nigt und bis 2015 abgeschlossen werden, ohne dass für Deutschland
dies die Versorgungssicherheit gefährdet. Darüber hinaus
wird bis 2040 schrittweise die besonders klimaschäd-
liche Kohleverstromung beendet. Erdgaskraftwerke und Hinweis von EUtech: Dieser Bericht wurde von EU-
tech mit der gebotenen Sorgfalt und Gründlichkeit
Kraft-Wärme-Kopplung dienen als Brückentechnologien, im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
für den Kunden und für seine Zwecke erstellt.
um die schwankende Einspeisung von Wind- und Son- EUtech gewährleistet die vertrauliche Behandlung
der Daten.
nenstrom abzufedern. Bis 2050 werden die Erneuer- EUtech übernimmt keine Haftung für die Anwendun-
gen, die über die im Auftrag beschriebene Aufga-
baren Energien schließlich den gesamten Strombedarf benstellung hinausgehen. EUtech übernimmt ferner
gegenüber Dritten, die über diesen Bericht oder
decken. Teile davon Kenntnis erhalten, keine Haftung. Es
können insbesondere von dritten Parteien ge-
genüber EUtech keine Verpflichtungen abgeleitet
werden.
Impressum Herausgeber Greenpeace e.V. Große Elbstr. 39, 22767 Hamburg, Tel. 040/306 18-0, Fax 040/306 18-100, mail@greenpeace.de, www.greenpeace.de
Politische Vertretung Berlin Marienstr. 19–20, 10117 Berlin, Tel. 030/30 88 99-0 Autoren Sigrid Achner (EUtech), Dr. Katja Barzantny (EUtech), Sebastian Vomberg (EUtech),
Dr. Helmuth-M. Groscurth (arrhenius Institut für Energie- und Klimapolitik), Wolfgang Hassenstein (Kurzfassung), Andree Böhling, Thomas Breuer V.i.S.d.P.: Andree Böhling Redaktion Anja Oeck
Produktion Birgit Matyssek Gestaltung Zimmermann und Spiegel Titelfoto Paul Langrock/Zenit/Greenpeace Fotos S. 3: Holde Schneider/Greenpeace, S. 5: Nick Cobbing/Greenpeace
Grafiken Carsten Raffel Litho ORC, Kohlhöfen 18, 20355 Hamburg Druck EDP, Virchowstraße 12, 22767 Hamburg Aufl age 10.000
Zur Deckung unserer Herstellungskosten bitten wir um eine Spende : Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20, KTO 97 338 - 207
Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier Stand 8 / 2009
3. Greenpeace Studie 03
Vorwort
Kaum ein Thema wird im Wahljahr 2009 Allerdings trifft dieser Umbau auf mächti-
in Deutschland so kontrovers diskutiert wie gen Widerstand. Mit allen Mitteln versuchen
die Energiepolitik. Spätestens seit den die großen Stromkonzerne, Fortschritte
spektakulären Pannen beim versuchten Wie- beim Klimaschutz zu verhindern. Der rasan-
deranfahren des Atomkraftwerks Krümmel te Zuwachs bei den Erneuerbaren Energien,
bei Hamburg beobachten weite Teile der die bereits rund 17 Prozent des Strombedarfs
Bevölkerung genau, wie sich die Parteien in decken, ist bisher fast vollständig an ihnen
der Energiefrage positionieren. Die Unter- vorbeigegangen – er wurde von mittelstän-
schiede sind deutlicher als in jedem anderen dischen Unternehmen getragen, in denen
Politikbereich: CDU und FDP möchten im bereits hunderttausende Jobs entstanden
Fall eines Wahlsiegs den Atomausstieg rück- sind. RWE, Eon, Vattenfall und EnBW
gängig machen und verlängerte Laufzeiten fürchten zunehmend um ihre Marktanteile
auch für die ältesten und störanfälligsten und leiten dennoch bis jetzt nur Bruchteile Andree Böhling
Energie-Kampaigner
Meiler durchsetzen. Die SPD bleibt ihrer ihrer Investitionen in die Erneuerbaren
Tradition treu und unterstützt trotz galop- Energien. Sie halten an ihren Dinosaurier-
pierendem Klimawandel noch immer den Kraftwerken fest, weil sich mit billiger Kohle
Bau von Kohlekraftwerken mit gigantischen und abgeschriebenen Altreaktoren noch
CO2-Emissionen. Dadurch droht eine der immer die größten Gewinne erzielen lassen.
größten Erfolgsgeschichten des Umwelt- und Gleichzeitig stellen sich die Energieriesen
Klimaschutzes erstickt zu werden: der bei- in millionenschweren Imagekampagnen
spiellose Boom der Erneuerbaren Energien als sympathische Klimaschützer dar – und
in Deutschland. sichern sich durch Lobbyarbeit die Unter-
stützung einflussreicher Politiker. Bleibt zu
Denn es wird immer deutlicher: Ineffiziente, hoffen, dass immer mehr Menschen diesen
starre Großkraftwerke sind mit effektivem Schwindel durchschauen.
Klimaschutz grundsätzlich nicht vereinbar.
Schon aus technischen Gründen kann es Die neuesten Befunde der Klimaforschung
nicht klappen, die Erneuerbaren Energien sind dramatisch: Der globale Treibhausgas-
auf das bestehende Energieversorgungssys- Ausstoß steigt weiter und liegt derzeit am
tem einfach aufzusatteln. Vielmehr kommt oberen Rand der Emissionsszenarien, die
es in den nächsten Jahren darauf an, ein den Berechnungen des Weltklimarats IPCC
dezentrales Netz flexibler Kraftwerke auf- für den Temperaturanstieg zugrunde liegen.
zubauen, welche die Schwankungen von Und es zeigt sich, dass die Auswirkungen
Wind- und Sonnenstrom ausgleichen kön- der Erwärmung bisher unterschätzt wur-
nen. Notwendig ist also das genaue Gegenteil den und die gefürchteten Kipp-Punkte im
von Atomreaktoren oder riesigen Braun- Klimasystem der Erde offenbar schneller
kohlekraftwerken, die sich nicht schnell und erreicht werden als bisher angenommen.
gefahrlos regulieren lassen. Notwendig ist Die Klimaschutz-Bemühungen müssen
eine rasche, konsequente Umstrukturierung also drastisch verschärft werden – in allen
des gesamten Kraftwerksparks: eine Energie- Bereichen. Das Ziel heißt: eine weitgehend
Revolution für Deutschland! emissionsfreie Wirtschaft bis Mitte des
Jahrhunderts.
Andree Böhling, Greenpeace
4. 04 Klimaschutz: Plan B 2050
Zielsetzung der Studie
100 %
90
Enquête:
minus 80% 80
70
60
Greenpeace und EUtech haben im
Juni 2007 mit dem Energiekonzept 50
„Klimaschutz: Plan B“1 einen Weg
40
beschrieben, wie Deutschland seine
CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 30
um 40 Prozent senken und zugleich
20
einen beschleunigten Atomausstieg
bis 2015 umsetzen kann. Greenpeace-Energiekonzept:
minus 90% 10
Seitdem hat sich in der Klimaschutz-
politik und in der Energiewirtschaft 0
viel getan. Im August 2007 beschloss 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050
die Bundesregierung während ihrer
Kabinettsklausur in Meseberg ein am- Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2050
bitioniertes Klimaschutzprogramm, Empfehlungen der Enquête-Kommission für nachhaltige Energieversorgung (2002)
das jedoch in der Folge völlig unzu- und Greenpeace-Energiekonzept (Basisjahr 1990: 100 Prozent / bis 2007 reale Werte)
reichend in Gesetzesform gegossen
wurde: Viele der vorgesehenen, be-
grüßenswerten Maßnahmen wurden Ein solcher Blick in die Zukunft ist trotz vie- Seit dem Erscheinen des Stern-Reports2 über
auf Druck von Lobbyverbänden stark ler Unsicherheiten notwendig. Heute gebaute die ökonomischen Folgen von Klimawandel
verwässert oder ganz fallen gelassen. Kohlekraftwerke sind auf eine Betriebsdauer und Klimaschutz im Oktober 2006 ist aber
Unabhängig davon hat der Ausbau von 40 bis 50 Jahren ausgelegt, und auch in klar: Je länger die notwendigen Maßnah-
der Erneuerbaren Energien noch ein- modernen Anlagen verursacht jeder einzel- men gegen die Erderwärmung hinausgezö-
mal an Dynamik gewonnen und alle ne Kraftwerksblock CO2-Emissionen von gert werden, desto radikalere und teurere
Erwartungen übertroffen. Parallel mehreren Millionen Tonnen pro Jahr. Beson- Umbrüche kommen auf die Wirtschaft zu.
wurde allerdings – unterstützt von den ders klimaschädlich sind Braunkohlekraft- Im Umkehrschluss bedeutet das: Je schneller
Regierungsparteien – auch der Bau werke, wie sie derzeit noch im Rheinischen wir handeln, desto größer die Chance, das
mehrerer Kohlekraftwerke begonnen, und im Lausitzer Braunkohlerevier gebaut Reduktionsziel zu vertretbaren Kosten zu
dutzende weitere sind geplant. werden. Eine Nachrüstung heute gebauter erreichen. Aber nicht nur die ökonomische,
Kohlekraftwerke mit Anlagen zur Abschei- sondern auch die naturwissenschaftliche
In dieser Studie wird das Greenpeace- dung und Speicherung von Kohlendioxid Logik zwingt zu schnellstmöglichem Han-
Energiekonzept den neuen Rahmen- (CCS) ist sehr unwahrscheinlich: Sie würden deln: Je früher die Emissionen gesenkt
bedingungen angepasst und zugleich die ohnehin niedrigen Wirkungsgrade der werden, desto weniger Schäden richten die
der Zeitrahmen bis zum Jahr 2050 Kraftwerke noch einmal verschlechtern und Treibhausgase in der Atmosphäre an.
erweitert. die Stromerzeugung drastisch verteuern.
Darüber hinaus ist die unterirdische Spei-
cherung mit unwägbaren Risiken verbunden
und wird von Greenpeace abgelehnt.
5. Greenpeace Studie 05
Auf den ersten Blick suggeriert das Bild ein faszi-
nierendes Abenteuer in eisiger Landschaft. Doch
bei dem Wasserlauf handelt es sich um einen
mit Schmelzwasser gefüllten Riss im Petermann-glet-
scher Grönlands – ein alarmierender Beweis
für den Klimawandel. In den Kajaks sitzen Mitarbeiter
von Greenpeace sowie Wissenschaftler, die
auf einer dreimonatigen Forschungsreise mit dem
Greenpeace-Schiff „Arctic Sunrise“ Daten zur
Klimaerwärmung sammeln.
Aus der Klimaforschung kommen neue Inzwischen wird befürchtet, dass schon bei Deutschland, so das Ergebnis dieser Studie,
alarmierende Befunde.3 Das Meereis der einem Anstieg der globalen Durchschnitts- kann seine Emissionen bis 2050 um rund
Arktis ist in den vergangenen zwei Jahren temperatur um 1,5 Grad Celsius gegenüber 90 Prozent reduzieren. Um dieses Ziel zu
so rasant geschmolzen, dass erste eisfreie dem vorindustriellen Niveau irreversible erreichen, ist auch eine Verschärfung des
Sommer im Nordpolarmeer in weniger Schäden an den Ökosystemen auftreten kurzfristigen Klimaschutzziels notwendig:
als zehn Jahren möglich erscheinen. Weil würden. Ein Anstieg um 2 Grad – bisher Bis 2020 müssen die Emissionen um 46 Pro-
auch auf Grönland und an den Rändern die Zielmarke internationaler Klimaschutz- zent gegenüber dem Basisjahr 1990 sinken.
der Antarktis die Gletscher immer schnel- bemühungen – sollte dringend vermieden
ler tauen, befürchten Experten nun einen werden, weil dann katastrophale Ketten- 1 Greenpeace, EUtech: Klimaschutz: Plan B – Nationales
Energiekonzept bis 2020 (2007)
Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 1,4 reaktionen im globalen Klimasystem nicht 2 Stern: Review on the Economics of Climate Change (2006)
Meter allein in diesem Jahrhundert. Ebenso mehr ausgeschlossen werden können. 3 Greenpeace International: Racing Over the Edge – New
schmelzen die Gebirgsgletscher schneller Science on climate change (2009)
als vorhergesehen, wodurch zum Beispiel in Für den Klimaschutz heißt das: Die bisher
weiten Teilen Asiens die Wasserversorgung angestrebte Emissionsminderung um 50
gefährdet ist. Infolge der globalen Erwär- Prozent weltweit und um 80 Prozent in den
mung schrumpfen bereits die Ernteerträge Industrieländern bis zum Jahr 2050 wäre
bei Weizen, Mais und Gerste. Milliarden unzureichend. Ziel muss vielmehr sein, die
Menschen sind aufgrund der Klimaerwär- Emissionen in den Industriestaaten bis
mung zunehmend von Hunger und Trink- Mitte des Jahrhunderts auf „null“ zu senken
wasserknappheit, Dürren, Überschwemmun- oder diesem Wert zumindest so weit wie
gen und Wirbelstürmen bedroht. möglich anzunähern. Der Trend des welt-
weiten Anstiegs der Emissionen muss bis
2015 gestoppt und umgekehrt werden.
6. 06 Klimaschutz: Plan B 2050
Die Klimaschutzpolitik
der Regierung Merkel
85,9
42,9
Deutschland wird oft als Klimaschutz-
Champion bezeichnet, weil der Ausstoß
an Treibhausgasen bereits um 22 Pro- 151,9 841,2 385,5
zent niedriger ist als im Basisjahr 1990, gesamt
auf das sich die Emissionsbilanzen be- Energiewirtschaft
ziehen. Allerdings sind die Emissionen Industrie
bereits nach der Wiedervereinigung (energie- u. prozessbedingt)
zwischen 1990 und 1993 infolge des Verkehr
Zusammenbruchs der Schwerindustrie 174,9 Gewerbe, Handel,
der ehemaligen DDR um knapp 100 Dienstleistungen (GHD)
Millionen Tonnen zurückgegangen – Haushalte
und sanken in den folgenden 14 Jahren
lediglich um weitere 100 Millionen
Tonnen.
CO2-Emissionen in Deutschland nach Sektoren
in Millionen Tonnen (2007)
Das Tempo der Reduktion hat also stark
nachgelassen. Schon um das Regierungs-
ziel zu erreichen – minus 40 Prozent
Emissionen bis 2020 – muss es wieder deut- ten Klimaschutz- und Energieprogramm Größte Sorgen bereitet die Energiewirt-
lich anziehen. (IKEP) ausgeklammert oder auf Druck von schaft, deren Emissionen in den letzten
Lobbyverbänden stark verwässert. Bei- Jahren deutlich auf 385,5 Millionen Tonnen
Die von der Großen Koalition in Meseberg spiele hierfür sind die völlig unzureichende gestiegen sind. Sie verursacht inzwischen
beschlossenen Klimaschutz-Eckpunkte Reform der Kfz-Steuer, die zu großzügige 46 Prozent der CO2-Emissionen (2007).
weisen in die richtige Richtung. Doch viele Auslegung der Sanierungspflicht bei Alt- Dieser Anstieg erscheint zunächst paradox,
der vorgesehenen Maßnahmen wurden an- bauten oder Ausnahmeregelungen beim haben doch im gleichen Zeitraum die Er-
schließend bei der Umsetzung im Integrier- Ersatz von Nachtspeicherheizungen. EU- neuerbaren Energien exponentiell zugelegt.
tech bezifferte im November 2007 für Allerdings hat auch die klimaschädliche
Greenpeace die mögliche CO2-Minderung Kohleverstromung zugenommen, was zu
durch das IKEP auf maximal 160 Millionen deutlich erhöhten Exportüberschüssen
Tonnen pro Jahr bis 2020. Nach heutigem führte – 2007 wurden 19,1 Terawattstun-
Stand sind 15 bis 30 Millionen Tonnen den exportiert, so viel wie zwei Atom- oder
weniger zu erwarten. Mit den beschlosse- große Kohlekraftwerke produzieren. Diese
nen Maßnahmen würde demnach nur eine Probleme werden sich weiter verschärfen,
Emissionssenkung um knapp 30 Prozent weil derzeit mehrere Kohlekraftwerke
bis 2020 erreicht. gebaut werden und Dutzende geplant sind.
7. Greenpeace Studie 07
Zukunftsfähige Energie
für Deutschland
90
Fotovoltaik
Windkraft
80
Biomasse
Wasserkraft 70
60
Das „Greenpeace-Energiekonzept bis
50
2050“ zeigt – so weit das aus heutiger
Sicht möglich ist –, wie die Treibhaus-
40
gas-Emissionen in den nächsten
Jahrzehnten unter technisch und wirt-
30
schaftlich realistischen Annahmen
reduziert werden können. Es bezieht
20
dabei alle Treibhausgas emittierenden
Wirtschaftsbereiche ein – also neben
10
der Energiewirtschaft auch Industrie,
Haushalte, Verkehr und Landwirtschaft.
0
Betrachtet werden die Einsparpotenziale 1990 1995 2000 2005
in den verschiedenen Sektoren und die
Ausbaupotenziale einer klimaverträglichen Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland (Endenergie)
in Terawattstunden (TWh)
Energiewirtschaft. Aufgrund der umwelt-
und klimapolitischen Vorgaben von Green-
peace wurden für die Berechnungen der
Energie- und Emissionsszenarien folgende Verzicht auf den Bau neuer Bei neuen Pkws: Reduzierung des
Grundannahmen getroffen: Braunkohlekraftwerke Durchschnittsverbrauchs auf 3 Liter/100
Kilometer bis 2020 und 1,5 Liter (Kraft-
Nationales Klimaschutzziel: Senkung der Kompletter Ausstieg aus der Kohle- stoffäquivalent) bis 2050; Einleitung eines
Treibhausgas-Emissionen auf annähernd verstromung bis 2040 Technologiewechsels zu CO2-neutralen
null bis 2050 Antrieben
Errichtung ausschließlich hocheffizienter
Vorgezogener und vollständiger Ausstieg Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD) Forcierte Ausschöpfung der Effizienz-
aus der Atomkraft bis 2015 oder Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung potenziale in allen Sektoren
(KWK) mit einem Gesamtwirkungsgrad
Verzicht auf den Bau neuer von mindestens 80 Prozent
Steinkohlekraftwerke
Keine Anlagen zur Abscheidung und
Speicherung von Kohlendioxid (CCS)
Forcierter Ausbau der Erneuerbaren
Energien, wobei insbesondere beim
Energiepflanzenanbau Nachhaltigkeits-
kriterien zu berücksichtigen sind
8. 08 Klimaschutz: Plan B 2050
Energie sparen und Effizienz
Verkehr
Haushalte
Gewerbe, Handel,
Dienstleistungen (GHD)
Industrie
Die nötigen Emissionsminderungen 600
lassen sich nur erreichen, wenn die
Energieeffizienz in allen Bereichen
deutlich steigt. Die Bundesregierung
400
hat sich im Rahmen der Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel
gesetzt, die gesamtwirtschaftliche
„Energieproduktivität“ (Verhältnis 200
vom Bruttoinlandsprodukt zum
Energieeinsatz) von 1990 bis 2020 zu
verdoppeln. Bis heute ist dieser Wert
0
nur um 40 Prozent gestiegen. Die 2007 2020 2030 2040 2050
Effizienzgewinne müssen sich in den
nächsten Jahren also klar verbessern.
Strombedarf nach Sektoren bis 2050
in Terawattstunden pro Jahr (TWh/a)
Greenpeace und EUtech haben im „Klima-
schutz: Plan B“ mit einem Maßnahmen-
katalog dargelegt, wie die notwendigen
Verbesserungen erreicht werden können. Haushalte und Gewerbe, Gebäude: Wärmebedarf
Dieser Katalog wurde hier den neuen Handel, Dienstleistungen: senken
Rahmenbedingungen angepasst und Strom sparen In den privaten Haushalten werden derzeit
erweitert. In den vergangenen Jahren ist der Strom- noch zwei Drittel der Endenergie für Raum-
verbrauch der privaten Haushalte sowie des wärme verbraucht. Deshalb schlummert
Industrie: Effiziente Sektors „Gewerbe, Handel, Dienstleitungen“ in verbesserter Wärmedämmung und mo-
Technologien nutzen weiter gestiegen. Mit der Ökodesign-Richt- dernen Heizungsanlagen auch das größte
Trotz bereits vorhandener ausgereifter, sehr linie der EU und entsprechenden nationa- Einsparpotenzial. Gebäude, die vor 1985
effizienter Anlagen ist die in der Industrie len Gesetzen wurden die Grundlagen für errichtet wurden – das sind drei Viertel
eingesetzte Technik oft veraltet. Viele Spar- eine Trendumkehr geschaffen. Dennoch des aktuellen Bestandes – sind aus heutiger
potenziale werden aus Unkenntnis nicht muss nachgebessert werden, wenn die an- Sicht völlig unzureichend isoliert, sofern sie
genutzt. Noch immer wird oft die zunächst visierten Einsparungsziele erreicht werden nicht bereits saniert wurden. Letztendlich
billigere Anlage angeschafft, obwohl die im sollen. müssen aber schrittweise alle Wohngebäu-
Einkauf teurere, hocheffiziente Alternative Notwendige Maßnahmen: de, die vor der Energieeinsparverordnung
langfristig durch niedrigere Betriebskosten Verabschiedung des seit langem ge- von 2002 gebaut wurden, saniert werden.
deutlich Kosten einsparen würde. planten nationalen Energieeffizienz- Notwendige Maßnahmen:
Notwendige Maßnahmen: gesetzes (EnEfG) Steigerung der Sanierungsquote durch
Energieeffizienz-Benchmarks für Schaffung einer verbindlichen und verbesserte Förderung von Wärmedäm-
elektrische Antriebe, Kompressoren, aussagekräftigen Energieeffizienz- mung und verschärfte Kontrollen
Beleuchtungsanlagen etc., die in einer Kennzeichnung (Haushaltsgeräte, Deutlich kürzere Fristenregelung für
festgelegten Übergangszeit nachprüfbar Unterhaltungselektronik, Computer etc.), die Außerbetriebnahme von Nacht-
erreicht werden müssen die alle zwei Jahre angepasst wird speicherheizungen
Einführung von Effizienzklassen für Verstärkter Einsatz Erneuerbarer
neue Anlagen und ein Verkaufsverbot Energien zur Wärmeerzeugung auch
für Anlagen, die nicht in die höchsten in Bestandsgebäuden (Förderung über
Effizienzklassen fallen (Top-Runner- ein Bonusmodell im Rahmen des
Prinzip) Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes)
Einführung moderner Energie-
managementsysteme, gefördert durch
Steuererleichterungen
9. Greenpeace Studie 09
steigern
2000
Verkehr (Kraftstoffe)
Haushalte 1800
Gewerbe, Handel,
Dienstleistungen (GHD) 1600
Industrie
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
2007 2020 2030 2040 2050
Wärme- bzw. Kraftstoffbedarf nach Sektoren bis 2050
in Terawattstunden pro Jahr (TWh/a)
Verkehr: Verbrauch senken, Ab einer bestimmten Entfernung ver-
Technologiewechsel einleiten pflichtender Gütertransport auf der
Um die CO2-Emissionen des Verkehrs so Schiene (Vorbild: Schweiz); Pilotphasen
weit wie möglich zu senken, ist eine Dop- für alternative Konzepte zur Verlage-
pelstrategie erforderlich: ein konsequenter rung von Lkw-Verkehr
Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel
und eine deutliche Senkung des Kraftstoff- Andere Treibhausgase
verbrauchs der Autos. Steuerliche Anreize Rund ein Achtel der Emissionen stellen die
sollten den Wechsel zu „CO2-freien“ Fahr- Nicht-CO2-Treibhausgase CH4 (Methan),
zeugen forcieren. Welche Technologie N2O (Lachgas) sowie SF6, FKW, H-FKW
sich langfristig durchsetzt, ist noch nicht (fluorierte Treibhausgase). Ihre Treibhaus-
sicher. In diesem Energiekonzept wurde wirksamkeit ist hier auf CO2-Äquivalente
ein Wechsel zu Elektrofahrzeugen ange- umgerechnet. Bei ihnen lässt sich durch
nommen. Als Folge steigt der Gesamtstrom- Maßnahmen in den Bereichen Industrie,
verbrauch ab 2030 trotz sinkendem Bedarf Landwirtschaft, Verkehr, Energiewirt-
in den anderen Sektoren wieder leicht an. schaft und Abfallbeseitigung ebenfalls
Notwendige Maßnahmen: viel einsparen.
Umfangreiche Infrastrukturmaßnah-
men zur Verlagerung von Autoverkehr Greenpeace fordert die komplette Umstel-
auf öffentliche Verkehrsmittel lung auf ökologische Landwirtschaft bis
Fahrbeschränkungen, Innenstadt- 2050. Damit verbundene kleinere Viehbe-
Maut, autofreies Wohnen etc. mit dem stände, eine effizientere Düngernutzung
Ziel „emissionsfreie Städte“ und die verstärkte Nutzung von Gülle zur
Gesetzliche Obergrenzen für den Biogaserzeugung führen zu deutlich niedri-
CO2-Ausstoß sowie für das Gewicht geren Methan- und Lachgasemissionen.
von Neufahrzeugen
10. 10 Klimaschutz: Plan B 2050
Erneuerbare ausbauen und
Brennstoffe optimal nutzen
Geothermie 450
Fotovoltaik
Wind Offshore 400
Wind Onshore
350
Biomasse
Wasserkraft* 300
Der Umbau des Kraftwerksparks ist
für den Klimaschutz von überragender 250
Bedeutung. Das hat zwei Gründe: Auf-
grund der zahlreichen Kohlekraftwerke 200
erzeugt der Energiesektor derzeit
noch mit Abstand die meisten Treib- 150
hausgas-Emissionen (46 Prozent).
100
Zugleich stehen in diesem Bereich mit
den Erneuerbaren Energien sichere,
50
weitgehend CO2-freie Alternativen
zur Verfügung, die die Stromversor-
0
gung langfristig komplett übernehmen 2007 2020 2030 2040 2050
können.
Weil der Kraftwerkspark ein hohes Durch- Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien bis 2050
in Terawattstunden pro Jahr (TWh/a)
schnittsalter hat, müssen Erzeugungs-
kapazitäten in den nächsten Jahren sowieso * erneuerbar (ohne Pumpspeicherkraftwerke)
sukzessive ersetzt werden. Die jetzt getrof-
fenen Investitionsentscheidungen legen die
Struktur der Stromerzeugung auf Jahrzehn- Erneuerbare Energien: Das größte Potenzial hat die Wind-
te fest. Für den Erfolg beim Klimaschutz den Boom fördern energie. Allein 2007 entsprachen die
ist also entscheidend, dass diese Investitio- Die Entwicklung der Erneuerbaren Energi- neu errichteten Kapazitäten der Leistung
nen in die richtigen Technologien gelenkt en übertrifft alle Prognosen. 2008 trugen von zwei großen Steinkohlekraftwerken.
werden. sie zur Stromerzeugung nach Hochrech- In den nächsten Jahren können an den
nungen bereits 17,2 Prozent bei. Durch bereits genutzten Landstandorten
sinkende Anlagenpreise bei den Erneuer- zahlreiche Windräder durch leistungs-
baren und zugleich steigende Kosten für stärkere Nachfolger ersetzt werden
fossile Brennstoffe nähern sich die Kosten (Repowering). Weitere Flächen sollten
der „neuen“ und „alten“ Energien einander ausgewiesen sowie pauschale Abstands-
immer mehr an, sodass auch in Zukunft und Höhenregelungen abgeschafft wer-
ein kräftiges Wachstum zu erwarten ist. den. Der landseitige Netzausbau muss
Wichtigstes Instrument zur Förderung des insgesamt beschleunigt werden. Bei
Booms bleibt das Erneuerbare-Energien- der Offshore-Windenergie wird eine
Gesetz (EEG), das den sich verändernden ähnlich steile Entwicklung erwartet.
Bedingungen angepasst werden muss. Im
Greenpeace-Energiekonzept decken die Die Geothermie, die bisher noch in den
Erneuerbaren Energien im Jahr 2020 etwa Anfängen steckt, spielt in der zukünf-
37 Prozent des Strombedarfs und über- tigen Strom- und Wärmeversorgung
nehmen bis 2050 die gesamte Stromver- aufgrund ihres großen Potenzials und
sorgung. ihrer kontinuierlichen Verfügbarkeit
eine zunehmend wichtige Rolle. Um den
Durchbruch der Technologie zu be-
schleunigen, ist ein Anschubprogramm
notwendig.
11. Greenpeace Studie 11
Geothermie Strom
Biomasse Wärme
fossil
300
200
100
0
2007 2020 2030 2040 2050
Kraft-Wärme-Kopplung bis 2050
Die Stromerzeugung durch Foto- Kraft-Wärme-Kopplung: Die Bundesregierung möchte laut Mese-
voltaik hat sich von einem niedrigen hohe Wirkungsgrade erzielen berg-Programm den KWK-Anteil an der
Ausgangswert zwischen 2005 und 2007 Weil in einer Übergangszeit auf fossile Stromerzeugung bis 2020 auf 25 Prozent
verdoppelt. Technische Fortschritte Brennstoffe nicht vollständig verzichtet verdoppeln. Die konkret beschlossenen
und sinkende Erzeugungspreise werden werden kann, ist es entscheidend, dass Fördermaßnahmen werden allerdings
in den nächsten Jahrzehnten zu einem diese zukünftig optimal genutzt werden. voraussichtlich nur die Hälfte der vorgese-
kontinuierlichen Wachstum führen. Die zweite Säule der Energieversorgung im henen CO2-Einsparung von 20 Millionen
Auch die Solarthermie wächst auf- Greenpeace-Energiekonzept ist deshalb der Tonnen pro Jahr bringen. Das Greenpeace-
grund der Einführung des Erneuerbare- Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, bei Energiekonzept sieht ein deutlich schnel-
Energien-Wärmegesetzes in den nächs- der in dezentralen Anlagen mit Wirkungs- leres Wachstum vor: Dies kann durch
ten Jahren deutlich weiter. graden von mindestens 80 Prozent zugleich entschiedene Förderung und den Abbau
Strom und Wärme erzeugt wird. KWK- von Investitionshemmnissen erreicht
Die Nutzung der Biomasse hat sich Anlagen können mit fossilen Brennstof- werden.
rasant entwickelt. Dem Wachstum sind fen (vor allem Erdgas) sowie mit Biogas
aus Gründen der Nachhaltigkeit und und -masse betrieben werden, in Zukunft
begrenzter Ackerflächen allerdings Gren- wird die Geothermie eine immer größere
zen gesetzt. Biomasse sollte in Zukunft Rolle spielen. Erdgas-KWK dient also als
vor allem in hocheffizienten KWK- „Brückentechnologie“ auf dem Weg zur
Anlagen eingesetzt werden. Vollversorgung durch die Erneuerbaren.
Die Wasserkraft wird bis 2020 durch
die im EEG besonders geförderte „kleine
Wasserkraft“ noch um rund 16 Prozent
wachsen. Danach ist unter den derzeiti-
gen Bedingungen kein nennenswerter
Zuwachs mehr zu erwarten.
12. 12 Klimaschutz: Plan B 2050
Keine Utopie – ökologisch
und ökonomisch notwendig
100
installierte Leistung
im Kraftwerkspark
90
Gas
Heizöl 80
Braunkohle
Steinkohle 70
Das Greenpeace-Energiekonzept bis Atomkraft
2050 beruht zwangsläufig auf vielen 60
Annahmen. Der Umbau der Energie-
versorgungssysteme über mehrere 50
Jahrzehnte wird sicherlich nicht exakt
so verlaufen wie hier dargestellt. 40
Dennoch ist ein solcher Ausblick
hilfreich und notwendig: Das Konzept 30
beweist, dass ein schneller Atom-
ausstieg bis 2015 sowie ein schritt- 20
weiser Kohleausstieg bis spätestens
10
2040 machbar sind. Es zeigt, welche
Schritte für das Erreichen der Klima-
0
schutzziele jetzt unternommen wer-
2007 2020 2030 2040 2050
den müssen. Und es verdeutlicht
die Konsequenzen heute getroffener
Fehlentscheidungen. Genutzte Großkraftwerke (fossil und nuklear) Leistung in Gigawatt
Eine Leistungslücke droht nicht
Die halbstaatliche Deutsche Energie-Agentur
Erneuerbare Energien
(Dena) prognostizierte Anfang 2008 eine
fossile Kraft-Wärme-Kopplung
Leistungslücke bei der Stromversorgung ab
etwa Mitte des nächsten Jahrzehnts.1 Um fossile Großkraftwerke 600
Engpässe zu vermeiden, empfahl sie eine
Laufzeitverlängerung für Atomreaktoren 500
3 3
und den verstärkten Ausbau der Kohlekraft.
Die These von der drohenden „Stromlücke“ 1
400
löste ein erhebliches Medienecho aus.
2
Inzwischen wurde von mehreren Institu- 300
ten und einem Gutachten der Bundesregie-
rung zur Sicherheit der Stromversorgung 200
Entwarnung gegeben.2 Auch eine durch
EUtech im Auftrag von Greenpeace durch-
100
geführte Analyse3 zeigt, dass mit deutlich
mehr KWK-Anlagen, Erneuerbaren Energi-
en und Effizienzgewinnen gerechnet werden 0
kann als von der Dena angenommen. Mit- 2007 2020 2030 2040 2050
telfristig können außerdem Stromimporte
aus Sonnenkraftwerken in Wüstengebieten Deckung des Strombedarfs bis 2050 in Terawattstunden pro Jahr (TWh/a)
einen maßgeblichen Beitrag zur Energie-
1) Schätzung, 2) als verbleibender Wert errechnet, 3) leichtes Überangebot an Erneuerbarem und KWK-Strom ab 2040
versorgung leisten. Sie wurden in diesem
Szenario noch nicht berücksichtigt.
13. Greenpeace Studie 13
Die Volkswirtschaft und Mehr Sicherheit, mehr Jobs Erneuerbare Energien wird diese Abhängig-
die Haushalte gewinnen Der im Oktober 2006 erschienene „Stern- keit deutlich reduzieren – von derzeit
Anders als von den Atom- und Kohlekon- Report“ hat die ökonomischen Dimensionen 71 Prozent auf nur noch 11 Prozent im Jahr
zernen suggeriert, wird der Ausstieg aus der des Klimaproblems auf beeindruckende 2050. Auch der Erdgasbedarf nimmt
Stromerzeugung in zentralen Großkraft- Weise deutlich gemacht. Je länger entschie- trotz höheren Einsatzes im Stromsektor
werken keine steigenden Stromkosten mit dene Schritte gegen die Erderwärmung bis 2020 absolut um 7,5 Prozent und bis
sich bringen. Während die Brennstoffkosten hinausgezögert werden, desto höher werden 2030 um 26 Prozent ab. Die Umsetzung des
immer weiter klettern und der Emissions- auch die Kosten für Klimaschutz- und An- Greenpeace-Energiekonzepts verringert
handel die Kohleverstromung in Zukunft passungsmaßnahmen. Im Sinne des Vorsor- die Abhängigkeit von Erdgasimporten.
deutlich verteuern wird, sinken die Kosten geprinzips gibt es deshalb keine Alternative
1 Deutsche Energie-Agentur (Dena): Kurzanalyse der
der Erneuerbaren stetig. So liegen beim zu einem möglichst schnellen und radikalen
Kraftwerks- und Netzplanung in Deutschland bis 2020 (2008)
Greenpeace-Konzept die absoluten jährlichen Umbau der Energieversorgungssysteme. 2 Monitoring-Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft
Stromgestehungskosten im Jahr 2020 um und Technologie nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit
im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit
zehn Prozent unter denen eines Referenz- Dabei zeigt sich, dass dieser Umbau schon
Elektrizität (2008)
szenarios ohne verstärkte Klimaschutzmaß- jetzt beträchtliche Chancen für die Wirt- 3 Greenpeace, EUtech: Sicherheit der Stromversorgung in
nahmen und im Jahr 2030 etwa auf gleicher schaft mit sich bringt. Allein 2008 entstan- Deutschland – Stellungnahme zur Dena-Kurzstudie
„Kraftwerks- und Netzplanung in Deutschland bis 2020“
Höhe. den in Deutschland im Bereich der Erneuer-
(2008)
baren Energien 30.000 neue Arbeitsplätze, 4 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
In einer wirtschaftlichen Bewertung müssen insgesamt waren 278.000 Menschen in der Reaktorsicherheit: Entwicklung der erneuerbaren Energien in
Deutschland im Jahr 2008 (2009)
den Kosten für den Ausbau von Erneuerba- Branche beschäftigt4 (positive Bruttobeschäf-
5 Umweltbundesamt: Beschäftigungseffekte des Klimaschutzes
ren Energien und für Energieeffizienz auch tigungseffekte). Eine aktuelle Studie für in Deutschland (2008)
die auf diese Weise vermiedenen Brenn- das Umweltbundesamt5 zeigt ferner, dass
stoffkosten gegenübergestellt werden. Das negative Beschäftigungseffekte infolge höhe-
Greenpeace-Energiekonzept zeigt, dass die rer Strompreise gesamtwirtschaftlich durch
bis 2020 notwendigen Investitionen von steigende inländische Investitionen und
110 Milliarden Euro im gleichen Zeitraum Exporte von Erneuerbare-Energien-Anlagen
zu Einsparungen bei Energieimporten und mehr als ausgeglichen werden (positive
CO2-Emissionen in Höhe von 145 Milliar- Nettobeschäftigungseffekte).
den Euro führen. Ähnliches gilt für Privat-
verbraucher: In einem durchschnittlichen Der Umbau der Energiewirtschaft macht die
Haushalt werden die Kosten für Strom und Versorgung außerdem sicherer. Deutschland
Wärme um etwa 14 Prozent gegenüber ist seit Jahrzehnten stark von Energieimpor-
einem „Business as usual“-Szenario sinken! ten abhängig, etwa bei Uran, Erdöl und
Erdgas. Auch Steinkohle wird bereits zu
zwei Dritteln importiert. Nur bei der Braun-
kohle – deren Nutzung aus Gründen des
Klimaschutzes so bald wie möglich beendet
werden sollte – gab es 2007 einen leichten
Exportüberschuss. Eine Senkung des Primär-
energiebedarfs und eine Umstellung auf
14. 14 Klimaschutz: Plan B 2050
Fazit
1000
andere Treibhausgase
900
(CO2-Äquivalente)
Verkehr 800
Gewerbe, Handel, Dienst-
leistungen / Haushalte 4 700
Angesichts der neuesten Prognosen Industrie 3 600
der Klimafolgenforschung und der Energiewirtschaft 2
weiter ungebremst ansteigenden 500
globalen Treibhausgas-Emissionen
ist eine drastische Verstärkung der 400
Klimaschutzbemühungen erforder-
lich. Die Industrieländer müssen ihre 300
Wirtschaft bis Mitte des Jahrhunderts
200
weitgehend „dekarbonisieren“, den
Ausstoß von Kohlendioxid und anderen
100
Treibhausgasen also nahezu voll-
ständig stoppen. 0
2007 1 2020 2030 2040 2050
Das Greenpeace-Energiekonzept zeichnet
den Weg, wie Deutschland seine Emis-
Treibhausgas-Emissionen bis 2050
sionen bis 2050 um rund 90 Prozent redu- in Millionen Tonnen CO2 pro Jahr
zieren kann. Für einen langfristigen Erfolg
1) nach NIR 2009, 2) bis 2020 inkl. Emissionen aus zentraler Wärmeerzeugung; ab 2020 nur Stromerzeugung
ist auch eine Verschärfung des Klima- 3) Energie- und prozessbedingte Emissionen, 4) einschl. Militär, übrige Feuerungsanlagen
schutzziels für 2020 notwendig: Bis dahin
müssen die Emissionen um 46 Prozent ge-
genüber dem Basisjahr 1990 sinken. Dafür
reichen die bisher beschlossenen Klima- einbar, denn sie können nicht flexibel auf und die Versorgungssicherheit steigt. Auch
schutzmaßnahmen der Großen Koalition die schwankende Einspeisung von Wind- beim Erdgas, dessen prozentualer Anteil
bei weitem nicht aus. Selbst vollständig und Solarstrom reagieren. Der Atomaus- an der Stromversorgung aufgrund der Effi-
umgesetzt würde das Regierungsziel, die stieg wirkt daher als Motor für den Umbau zienzgewinne zunächst zunimmt, sinken
Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu des Kraftwerksparks und kann – wie von die absoluten Importe bereits bis 2020. Die
reduzieren, klar verfehlt. Greenpeace gefordert – bereits bis 2015 deutsche Volkswirtschaft profitiert dop-
abgeschlossen werden. Ab 2030 werden pelt: durch vermiedene Brennstoffkosten
Das Greenpeace-Energiekonzept basiert keine großen Kohlekraftwerke mehr ge- sowie durch Exportmöglichkeiten bei
auf zwei Säulen: Die Steigerung der Ener- nutzt; ab 2040 wird auch die kohlebefeuer- den Erneuerbaren Energien und Effizienz-
gieeffizienz in allen Sektoren führt zu deut- te Kraft-Wärme-Kopplung vollständig technologien.
lichen Energieeinsparungen. Der zügige beendet.
und konsequente Umbau des Kraftwerks- Der bisher von der Bundesregierung
parks macht die Energieversorgung sicher Durch den schnellen Atomausstieg und den geförderte Bau weiterer neuer Kohlekraft-
und klimaverträglich. Bis 2050 decken schrittweisen Kohleausstieg drohen weder werke sollte umgehend gestoppt werden.
Erneuerbare Energien den gesamten Strom- eine „Stromlücke“ noch steigende Strom- Diese Projekte drohen zu Investitionsrui-
bedarf. In einer Übergangszeit dienen kosten. Vielmehr nimmt die Abhängigkeit nen zu werden. Bei einer konsequenten
hocheffiziente Gaskraftwerke mit Kraft- von Energieimporten kontinuierlich ab, Klimaschutzpolitik – die in Zukunft von
Wärme-Kopplung als Brückentechnologie. jeder Bundesregierung erwartet werden
Insbesondere Atomkraftwerke und große muss – werden sie nur noch maximal 20
Braunkohlekraftwerke sind mit dem Um- Jahre lang laufen können. Deutschland
stieg auf Erneuerbare Energien nicht ver- braucht mehr als eine Energiewende: Not-
wendig ist eine Energierevolution.
15. Klimaschutz-Programm
für Deutschland
25
45 93
Um dieses Energie- und Klimaschutz-
konzept umzusetzen, müssen zahl-
reiche Maßnahmenpakete realisiert
468 50
werden. Greenpeace fordert, folgende gesamt
Maßnahmen vorrangig einzuleiten:
165
Verschärfung der kurz-, mittel- und lang- Geothermie
fristigen Klimaschutzziele Fotovoltaik
90
Wind Offshore
Umstrukturierung der Energieversorgung:
Wind Onshore
Atomausstieg bis 2015, sukzessiver
Biomasse
Kohleausstieg bis 2040, Förderung der
dezentralen und hocheffizienten Strom- Wasserkraft*
und Wärmeerzeugung
Vorrang für Erneuerbare Energien: Strommix im Jahr 2050
Fortsetzung und Anpassung des Erneu- in Terawattstunden pro Jahr (TWh/a)
erbare-Energien-Gesetzes, Beseitigung
* erneuerbar (ohne Pumpspeicherkraftwerke)
von Hemmnissen für den Ausbau
von Windenergie und Geothermie
(Netzausbau, Anschubprogramm und
Vorrangregelung für Geothermie) Schnellere Erschließung der Potenziale Maßnahmenbündel zur Minderung der
zur Energieeinsparung im Gebäude- Nicht-CO2-Treibhausgase in Land-
Verbesserte Förderung und beschleunig- bereich: verbesserte Förderung der wirtschaft, Industrie, Verkehr, Energie-
ter Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung energetischen Sanierung, strengere wirtschaft und Abfallbeseitigung
Kontrollen, verstärkter Einsatz Erneuer-
barer Energien auch im Bestand Klimaschutzprogramm für die Landwirt-
(gefördert durch ein Bonusmodell) schaft: Roadmap für eine vollständige
ökologische Viehhaltung und Landwirt-
Rationellerer Stromeinsatz in allen Sekto- schaft
ren: Energieeffizienzgesetz, Top-Runner-
Prinzip und Energieeffizienz-Benchmarks
in der Industrie
Ausschöpfung aller Einsparpotenziale
im Verkehr: gesetzliche Obergrenzen für
Verbrauch und Fahrzeuggewicht, För-
derung der öffentlichen Verkehrsmittel,
Einleitung eines Technologiewechsels zu
alternativen Antrieben, alternative Kon-
zepte für Personen- und Güterverkehr
16. Das Greenpeace-Energiekonzept bis 2050 zeigt, wie die
Treibhausgas-Emissionen um 90 Prozent reduziert wer-
den können – eine Energie-Revolution für Deutschland.
Klimaschutz ist machbar!
3845 2346 1692
TWh/a TWh/a TWh/a
2007 2020 2030
Erneuerbare Energien
Erdgas
Öl
1423 1286
TWh/a TWh/a Steinkohle
Braunkohle
Atomkraft
Energieeffizienz
2040 2050
Primärenergiebedarf bis 2050
in Terawattstunden pro Jahr (TWh/a)
Greenpeace ist eine internationale Umweltorganisation, die mit gewalt-
freien Aktionen für den Schutz der Lebensgrundlagen kämpft. Unser Ziel
ist es, Umweltzerstörung zu verhindern, Verhaltensweisen zu ändern
und Lösungen durchzusetzen. Greenpeace ist überparteilich, politisch
und finanziell unabhängig und nimmt keine Gelder von Regierungen,
S 149 1
Parteien oder der Industrie.