Rahmenbedingungen des Übergangs Schule - Berufsausbildung:
aktueller Stand und künftige Entwicklungen
Dr. Joachim Gerd Ulrich, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn
Dr. Ulrich: Rahmenbedingungen des Übergangs Schule - Berufsausbildung: aktueller Stand und künftige Entwicklungen
1. Rheinfelden, den 17. Februar 2011
Joachim Gerd Ulrich
Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn Regionale
Ausbildungstagung
Rahmenbedingungen
Evonik Degussa GmbH,
des Übergangs Schule-Berufsausbildung Werk Rheinfelden
Aktueller Stand und künftige Entwicklungen
2. „Europa befindet sich in
einer massiven
demografischen Krise.
Die quantitativen
Verhältnisse zwischen
Alt und Jung stimmen
seit langem hinten und
vorne nicht.“
Peter Sloterdijk in einem 2009 geführten
Bildquelle: Wikipedia
Interview des Kölner Stadtanzeigers
3. Demografische Entwicklungen: Die Lage in 2005 und in 2020
1.500.000 2005
1.400.000
1.300.000 Im Mittel fällt 2020 jeder
Jahrgang der 15- bis 22-Jährigen
um 214.000 bzw. 22% niedriger
1.200.000
als 2005 aus. Das heißt, es gibt
bereits 1,7 Mio. Jugendliche in
1.100.000 dieser Altersgruppe weniger.
1.000.000
900.000
800.000
700.000
600.000
2020
500.000
400.000
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 51 53 55 57 59 61 63 65 67 69 71 73 75 77 79 81 83 85
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen
4. Abgänger und Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg
150.000
140.000 57.300
130.000
25.800
120.000
110.000
Abiturienten
100.000 31.600
97.700
90.000
80.000
84.700
70.000 73.700
Nicht Studienberechtigte
60.000
50.000
2007
2005
2006
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen
5. Entwicklung des Nachfragepotenzials nach dualer Berufsausbildung aus dem Kreis der Abgänger und
Absolventen aus allgemeinbildenden und teilqualifizierenden beruflichen Schulen 2007 -2020
750.000
900.000 725.000
700.000
875.000
675.000
850.000 650.000
625.000
825.000
600.000
800.000 575.000
550.000
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
775.000
750.000
180.000
725.000 165.000
150.000
700.000 135.000
120.000
675.000
105.000
650.000 90.000
2015
2019
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2016
2017
2018
2020
75.000
60.000
Bei den Berechnungen bleiben die Effekte der Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
unberücksichtigt.
7. Prognosen zum künftigen Bedarf und Angebot an Fachkräften
44,7
44,1
42,8
41,1
39,8 40,2 40,2
39,7
Quelle: IAB Kurzbericht
12/2010 vom 24.06.2010
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
9. Entwicklung der Beteiligung an beruflicher Ausbildung von 1992 bis 2010 in Deutschland
Rechnerisches Potenzial der ausbildungsreifen
1.050.000
1.000.000
Ausbildungsinteressierten „Übergangsdauer in Berufsausbildung“
950.000 Kaplan-Meier-Schätzung
900.000 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre
100%
850.000 Abgänger/Absolventen aus 94 %
ohne Migrationshintergrund 92 %
800.000 allgemeinbildenden Schulen 90% 87 %
750.000
Ausbildungsplatzangebote 79%
700.000 80%
im dualen System
78 %
650.000 75 %
70%
600.000 63 % 69%
550.000 Neue 60% 61%
500.000 Lehrverträge
450.000 50% mit Migrationshintergrund
400.000
350.000 40% 43 %
Einmündungen in das
300.000 „Übergangssystem“ 12%
30%
250.000
14%
„Kumulierte Übergangsrate“ in
200.000
20% betriebliche, nichtbetriebliche oder
13%
150.000
schulische Berufsausbildung
11%
100.000 10% 10%
50.000 Realisierte Angebote in Schulberufe
0 0%
0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45 48 51 54 57 60
1992
2006
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2007
2008
2009
2010
Monate nach Schulabschluss
Quellen links: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Bundesinstitut für Berufsbildung. Schätzungen für 2010.
Quelle rechts: BIBB-Übergangsstudie 2006: Stichprobe: Nichtstudienberechtigte Schulabgänger, die bei Beendigung der
allgemeinbildenden Schule eine vollqualifizierende Ausbildungsstelle suchten
10. Links: Anteil der Bewerber mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Jahr 2010
Rechts: Ausbildungsinteressierte und ihre Übergangsdauer in Berufsausbildung
Anteil der gemeldeten Bewerber
mit ausländischer Staatsangehörigkeit „Übergangsdauer in Berufsausbildung“
0% - unter 3% Kaplan-Meier-Schätzung
3% - unter 6% 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre
100%
6% - unter 9% 94 %
ohne Migrationshintergrund 92 %
9%- unter 12% 90% 87 %
12% - unter 15%
79%
15% und mehr 80%
78 %
70%
75 %
63 % 69%
60% 61%
50% mit Migrationshintergrund
40% 43 %
12%
30%
14%
„Kumulierte Übergangsrate“ in
20% betriebliche, nichtbetriebliche oder
13%
schulische Berufsausbildung
11%
10% 10%
0%
Offenbach: 33%, Stuttgart: 33%, Ludwigsburg: 30%, Frankfurt am Main: 0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45 48 51 54 57 60
28%, München: 27%, Köln: 26%, Mannheim: 25%, Ulm: 24%, Heilbronn: Monate nach Schulabschluss
24%, Waiblingen: 23%, Göppingen: 23%, Wiesbaden: 22%, Solingen: 22%
Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2010); BIBB-Übergangsstudie 2006. Stichprobe: Nichtstudienberechtigte
Schulabgänger, die bei Beendigung der allgemeinbildenden Schule eine betriebliche Ausbildungsstelle suchten
11. Reformvorschläge zur Verbesserung des Übergangs von der Schule in die Berufsausbildung im
Urteil von Berufsbildungsfachleuten
Studie „Reform des Übergangs von der Schule in die Berufsausbildung“
Erörterung von diversen Reformvorschlägen
Wie wünschenswert sind diese? Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?
Einschätzung von 482 Berufsbildungsfachleuten aus unterschiedlichen Institutionen
(Praxis, Politik und Forschung)
12. Reformvorschläge zur Verbesserung des Übergangs von der Schule in die Berufsausbildung im
Urteil von Berufsbildungsfachleuten
Von den Fachleuten gewünschte Reformvorschläge
Schulfach Reduktion der Angebotsvielfalt im Übergangssystem,
„Berufsorientierung“ „Dualisierung“ und Hinführung auf höhere Schulabschlüsse
Potenzialanalyse und Mehr Unterstützung der Betriebe bei
Übergangsbegleitung schwierigen Ausbildungssituationen
Schulzeit Übergang Ausbildung
(außer-)betrieblich/ schulisch
Einschränkung betrieblicher Gewährung von Ansprüchen durch
Entscheidungsautonomie neue nichtbetriebliche und/oder
(z.B. Ausbildungsquote für Migranten, modularisierte vollqualifizierende
anonymisierte Bewerbungsverfahren) Ausbildungsformen
Von den Fachleuten nicht gewünschte oder
kontrovers bewertete Reformvorschläge
Quelle: BIBB/Bertelsmann Stiftung Expertenmonitor-Befragung 2010
13. Einige Thesen zu den Rahmenbedingungen des künftigen Übergangsgeschehens in berufliche Bildung
Elementarbereich Noch stärkere Konzentration auf den Bildungsauftrag
● Ziel, Benachteiligungen früh zu identifizieren und auszugleichen (vgl. auch Kriterienkatalog der
Ausbildungsreife)
Allgemeinbildende Entwicklung hin zum Marktplatz nachfolgender Bildungsanbieter:
Schulen der Ausbildungsbetriebe, Berufs(fachschulen), Hochschulen, Gesundheits- und Pflegeschulen
● Dualisierung der Berufsorientierung (z.B. Berufsorientierung in ÜBS)
● verstärkte Überwachung der Schüler in den höheren Klassen und ihrer Übergänge
(regionales Übergangsmanagement, Berufseinstiegsbegleitung)
Duales System Entwicklung vom Anbieter- zum Nachfragermarkt: Nicht die Jugendlichen, sondern die Betriebe bewerben sich
● Imagekampagnen, steigende Löhne in wenig nachgefragten Berufen
● Versuch, Auszubildende aus dem EU-Ausland anzuwerben
● verstärktes Werben um Studienberechtigte
● verschärfter Wettbewerb mit teilqualifizierenden Berufs(fach)schulen
Schulberufssystem Differenzierte Entwicklungen zu erwarten
● Zugewinn bei den Gesundheits- und Pflegeberufen
● Verluste bei BBiG-nahen Berufen nach Landesrecht (z.B. Wirtschaftsassistent)
Hochschulsystem Wird von der demografischen Entwicklung am spätesten erreicht
● Versuch, verstärkt Studierende aus dem Ausland anzuwerben
● Bündnis mit beruflichen Schulen, die zur Hochschulreife führen
● Abbau von Einstiegshemmnissen (u.a. Studiengebühren)
● verstärkte Bemühungen, Bachelor-Abschluss als arbeitsmarktfähigen Ausbildungsabschluss zu präsentieren
Übergangssystem Konzentration auf seine Kerngruppen und seine Kernaufgaben
● deutlicher quantitativer Rückgang der Teilnehmerzahlen bei starker Veränderung seiner Teilnehmergruppen
Jugendliche Gesellschaftliche Position der Jugendlichen wird sich verbessern
● ihr Marktwert steigt >>>> positive Effekte auf das Selbstwertgefühl der Jugendlichen
● ihre Marktchancen steigen >>>> positive Effekte auf die subjektive „Selbstwirksamkeit“
● unterliegen zugleich einer wachsenden sozialen Kontrolle mit steigendem Sanktionsdruck
14. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Für Rückfragen erreichen Sie uns unter:
Dr. Joachim Gerd Ulrich
Tel.: 0228/107-1122
Fax: 0228/107-2955
ulrich@bibb.de
Bundesinstitut für Berufsbildung
Robert-Schuman-Platz 3
53175 Bonn
www.bibb.de
Literaturhinweise:
Ulmer, Philipp; Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.)(2008): Der demografische Wandel und seine Folgen für die Sicherstellung des
Fachkräftenachwuchses (Wissenschaftliche Diskussionspapiere, Heft 106). Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.
Beicht, Ursula (2009): Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleife?
Zur Bedeutung und Wirksamkeit von Bildungsgängen am Übergang Schule - Berufsausbildung
(BIBB Report 11/09). Bielefeld: W. Bertelsmann.
Krekel, Elisabeth M.; Ulrich, Joachim Gerd (2009): Jugendliche ohne Berufsabschluss. Handlungsempfehlungen
für die berufliche Bildung (Kurzgutachten). Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.
Euler, Dieter (2010): Einfluss der demographischen Entwicklung auf das Übergangssystem und den Berufsausbildungsmarkt.
Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.