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Neuromanagement
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Neuromanagement
Neues Menschenbild für Führungs-, Markt- und Finanzentscheidungen
Arbeitspapier
Prof. Dr. Leif Erik Wollenweber
Mit der Neuroökonomie setzen die Wirtschaftswissenschaften endgültig zum Quantensprung
an vom Homo Oeconomicus zum emotional-kognitiven Menschen. Jede menschliche Ent-
scheidung, jedes Handeln basiert auf Emotionen und wird von ihnen ausgelöst. Rationalität
ist eine Fiktion. Wir bauen sie nur auf, um emotionale Balance zu halten.
Der Befund ist kontraintuitiv. Wir glauben aus der Eigenbeobachtung heraus, die rationale
Überlegung stünde vor unserem Entscheiden und Handeln. In Wahrheit, das zeigt die Neu-
rowissenschaft, kommt zuerst die emotionale Bewertung, dann die kognitive Verarbeitung.1
Der Begriff des Nachdenkens ist hierfür überraschend exakt. Wir denken erst bewusst,
nachdem wir eine Entscheidung getroffen haben, und zwar um flugs eine rationale Erklärung
oder gar Rechtfertigung für unser Tun zu finden. Da wir in kaum etwas geübter sind, als gute
Gründe für unsere bereits längst feststehenden Entschlüsse zu finden, sind wir Meister des
Selbstbetrugs.
Wir sind uns unserer wahren Motive und Anreize nicht bewusst, da wir meist auf Autopilot
fahren. Es muss etwas Ungewöhnliches auftreten, ein Muster muss gebrochen werden, um
unsere Aufmerksamkeit zu erhalten.2
Mit dem dann folgenden bewussten Denken schalten
wir zu unserem Autopiloten den Piloten hinzu. Unser Autopilot ist dabei, vereinfacht darge-
stellt, das limbische System unseres Gehirns, der Pilot der Neocortex, also die Großhirnrin-
de. Die zeitliche Verzögerung zwischen der Reaktion des limbischen Systems und der dann
folgenden kognitiven Verarbeitung kann in die Sekunden gehen, eine Ewigkeit nach den
1 Elger (2009): S. 147 f
2 Elger (2009): S. 129 f.
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Neuromanagement
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Maßstäben der „neuroelektronischen“ Datenverarbeitung. Auch deshalb bezeichnet Daniel
Kahnemann diese „Gehirnsysteme“ als Schnelles Denken und Langsames Denken.3
Auch nehmen wir nur einen Bruchteil der Geschehens unserer Umgebung bewusst war. Auf
die Informatik übertragen entspricht die Bandbreite der Datenverarbeitung des Autopiloten
11 Mio. Bits, die des Piloten dagegen nur 40 Bits. Das ist die Konkurrenz von Morsezeichen
gegen V-DSL. Die wenigsten der so unbewusst wahrgenommenen Informationen sind ent-
scheidungsrelevant. Selbst unsere Entscheidungen treffen wir nur in 5% bis 20% der Fälle
(je nach Bewusstseinsdefinition) bewusst.4
Wir sind zwar in der Lage, unsere Aufmerksam-
keit hochkonzentriert auf einen Punkt zu lenken, und dann in einem solchen „Flow“5
erstaun-
liche Ergebnisse zu erzielen. Allerdings geschieht dies zum Preis der Ausblendung alles Üb-
rigen.
Vielleicht ist unsere Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung, eigentlich ist es ja eine Disposi-
tion, eine gute Erklärung, warum so lange am Mythos des „Economic Man“6
und des Homo
Oeconomicus festgehalten wurde. Die schlechte Aussagekraft des Modells vom stets ratio-
nal und im Eigeninteresse handelnden, umfassend informierten Menschen erodierte bereits
durch die Fortschritte in der Wahrnehmungs- und Motivationspsychologie seit den 1960er
Jahren. Gleichwohl hielt sich das Konstrukt hartnäckig.7
Mit seinen falschen Grundannahmen
kam nicht zuletzt die Volkswirtschaftslehre systematisch zu fehlgeleiteten Ansätzen, Vorher-
sagen und Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftspraxis. Das war besonders fatal, da
gerade sie durch ihre beratende Aufgabe für Politik, Verwaltung und Großunternehmen zu
den Weichenstellungen beitrugen, die zu Subventionsmissbrauch, Spekulationsblasen und
zu der aktuellen Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise führten. Nicht umsonst befindet sich
die Volkswirtschaftslehre seitdem in einer tiefen Krise.
Dass sich die falschen Annahmen so lange halten konnten, verwundert also. Viele Erkennt-
nisse, die der neoklassischen These der rationalen Entscheidungen widersprachen, waren
schon seit Jahrzehnten durch Experimente der Soziologie und Psychologie bekannt. Bereits
Mitte der 1950er Jahre entwickelte Simon das Konzept der Bounded Rationality, nach dem
der Mensch nie über die für eine vollständig rationale Entscheidung notwendige Information
verfügt, und wenn er sie doch hätte, fehlten ihm die kognitiven Fähigkeiten, sie zu verarbei-
ten. Vollständige Rationalität, so meinte schon Simon, sei unmöglich.
3 Vgl. Kahnemann (2012): S. 10 ff.
4 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 22.
5 Begriff von Frederick Winslow Taylor. Zitiert nach Peters / Ghadiri (2011): S. 15 f.
6 Peters / Ghadiri (2011): S.
7 Vgl. Häusel (2007): S. 43.
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Doch mangelte es bis in die 1990er Jahre an technischen Möglichkeiten, die Wirkungszu-
sammenhänge kausal zu begründen. So konnten Fehler im Forschungssetting, im Messver-
fahren oder eine zu geringe Stichprobe als Gründe herhalten, wichtige Ergebnisse zu igno-
rieren. Eine Opposition, die seitens der Verfechter der klassischen Ökonomie nur zu ver-
ständlich ist, da auch sie als menschliche Wesen kognitive Dissonanzen meiden und nach
emotionaler Sicherheit streben.8
Wie immer bei größeren Umwälzungen, gibt es Kritik. Es heißt, die Neuroökonomie verkaufe
alten Wein in neuen Schläuchen, überinterpretiere neuropsychologische und physiologische
Zusammenhänge, betreibe mit dem Begriff des „Neuro“ Marketing in eigener Sache und sei
ein Hype, der bald wieder vorüber sein werde.
In der Tat muss ein neuer Ansatz auch den Nachweis des zusätzlichen Nutzens erbringen.
Dies gelingt: durch die präziseren bildgebenden Verfahren der Gehirnforschung entsteht ein
besseres Verständnis der menschlichen Reaktionen auf Stimuli.9
Die Funktion und das Zu-
sammenspiel wichtiger Hirnregionen sind in der Zwischenzeit gut entschlüsselt. Dadurch
wird erkennbar, welche Areale bei einem Reiz in welcher Reihenfolge und Geschwindigkeit
angesprochen werden.
Mit ihren Methoden bestätigt und verfeinert die Neuroökonomie also zunächst einmal bereits
bestehende Erkenntnisse der Wirtschaftspsychologie (s. Abb. 1). Und es gelingt ihr auch,
neues Wissen zu erlangen, nicht zuletzt, dass viele entscheidungsrelevante Vorgänge in der
Großhirnrinde ablaufen, bevor uns etwas bewusst wird.10
Und dass alle Vorgänge, die au-
ßerhalb ihrer ablaufen, „grundsätzlich unbewusst“ sind.11
Dadurch räumt die Neuroökonomie
mit der veralteten und unzutreffenden Vorstellung vom rationalen Entscheider auf und leistet
den beschriebenen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zum emotional-kognitiven Men-
schen.
8 Vgl. Häusel (2007): S. 56 ff.
9 Vgl. Scheier / Held (2006): S. 23. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 4 ff.
10 Vgl. Roth (2009): S. 137.
11 Roth (2009): S. 137.
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Abbildung 1 – Mehrwert der Neuroökonomie (Eigene Darstellung)
Dieser fußt auf einem der zentralen Aspekte der Neuroökonomie: Alle Wahrnehmungen des
Menschen gelangen zuerst in das so genannte limbische System, wo sie nach ihrer Bedeu-
tung für die menschlichen Grundbedürfnisse emotional bewertet werden. Ohne einen emoti-
onalen Marker erscheinen über die Sinnesorgane aufgenommene Reize nicht als relevant
und gelangen weder in das Bewusstsein noch in das Langzeitgedächtnis.
Das heißt, jeder bewusste Gedanke beruht auf Daten, die zuvor unseren Bedürfnissen und
Emotionen entsprechend gefiltert und bewertet wurden.12
Es gilt, frei nach Schiller, „durch
diese hohle Gasse muss er kommen, es führt kein andrer Weg nach Küssnacht.“ Unsere
Vernunft ist wie ein Richter, der ein gerechtes Urteil sprechen soll, obwohl die Staatsanwalt-
schaft die Beweise frisiert hat, die Zeugen voreingenommen sind und die Entscheidung der
Jury längst feststeht.
Doch was genau sind die Grundlagen für diese Thesen? Die Neuroökonomie ist eine inter-
disziplinäre Wissenschaft mit einem ganzheitlichen Erklärungsinteresse. Die bestehenden
12 Elger (2009): S. 158, S 164 f.
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Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, der Kulturwissenschaften, der
Philosophie, der „klassischen“ Psychologie, der medizinischen Neurologie und Psychiatrie
werden um das dynamisch wachsende Wissen der modernen Hirnforschung und Neurophy-
siologie erweitert (s. Abb. 2).
Abbildung 2 – Bezüge der Neuroökonomie (Eigene Darstellung, basierend auf Raab / Gernsheimer / Schindler (2009))
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Neuroökonomie basieren auf den Fortschritten der
Hirnforschung, die vor allem durch immer feinere bildgebende Verfahren die Funktionsweise
des Gehirns entschlüsseln und akut ablaufende Prozesse darstellen. Eingesetzt werden da-
bei Röntgenstrahlen, Wärmestrahlen, Ultraschall oder Magnetfelder.13
Für die Neuroökono-
mie besonders relevant sind zunächst die Elektroencephalographie (EEG) und die Magne-
tencephalographie (MEG), die die elektrische Gehirnaktivität messen und nur mit geringster
zeitlicher Verzögerung erfassen. Der Nachteil der EEG liegt in der nur oberflächlichen räum-
lichen Darstellung des Gehirns und der ungenauen Lokalisation der Reize. Vor allerem letz-
teres gilt auch für die MEG, die jedoch auch eine Darstellung der Tiefenregionen des Ge-
hirns mit hoher zeitlicher Präzision zulässt.14
Die Schwäche der unbefriedigenden räumlichen
Verortung elektrischer Signale wird von der funktionalen Magnetresonanztomographie
(fMRT) ausgeglichen. Hier werden Änderungen in der Durchblutung einzelner, recht genau
bestimmbarer Hirnareale gemessen. Die Wissenschaft macht sich mit diesem Verfahren
13 Elger (2009): S. 43.
14 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 180 ff.
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zunutze, dass aktivierte Gehirnzellen eine erhöhte Stoffwechselaktivität aufweisen und zum
Ausgleich abgebauter Glucose und verbrauchten Sauerstoffs stärker durchblutet werden.15
Freilich erfolgt dies mit zeitlicher Verzögerung, so dass in praxi verschiedene Verfahren mit-
einander kombiniert werden.16
Durch den Einsatz dieser medizinischen Diagnoseverfahren wurde das bereits angespro-
chene limbische System als der Hauptverantwortliche für die emotional-affektive Steuerung
des Gehirns identifiziert. Zu diesem werden die Hirnareale Hippocampus, Fornix, Amygdala,
Corpus mamilare, Gyrus cinguli und Teile des Thalamus gezählt.17
Freilich ist das Gehirn
weit komplexer als hier darstellbarer, jedoch kann das limbische System als entscheidend
betrachtet werden, da es „Entstehungsort unserer Persönlichkeit und damit des Psychischen
ist.“18
Die Untersuchung der Wirkung der biologischen Natur des Menschen auf sein ökono-
misches – und gesellschaftliches – Handeln ist damit der Ansatzpunkt der Neuroökonomie.19
Die Neuroökonomie unterfällt in verschiedene Subdisziplinen, die bis dato unterschiedlich
stark auf verhaltenswissenschaftliche Ansätze zurückgreifen. Grundsätzlich können die
Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre bis in alle ihre Untergliederungen – auch
Einkauf, Logistik und Produktion – von der Diagnostik neuronaler Prozesse in ihrem jeweili-
gen Kontext profitieren.20
Großen Widerhall gefunden hat die Neuroökonomie in der Marke-
ting- und Kommunikationsforschung, bei der Erklärung finanzwirtschaftlicher Verhaltensphä-
nomene und bei Fragestellungen zu Organisation, Motivation und Führung. Diese werden im
Folgenden kurz näher definiert.
Neuromarketing bezeichnet die auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauende
Ausrichtung des Marketings. Dies betrifft das gesamte Marketinginstrumentarium, da die
Produktpolitik, die Preispolitik, die Kommunikationspolitik und die Distributionspolitik wahr-
nehmungs- und wirtschaftspsychologisch orientiert werden kann. Der Schwerpunkt des Neu-
romarketings liegt in der Kommunikationspolitik, da hier Reaktionen des Gehirns auf be-
stimmte, äußere Reize unmittelbar gemessen werden können. Mit dem Neuromarketing ge-
lingt eine deutlich Steigerung von Effektivität und Effizienz gegenüber herkömmlichen Marke-
tingansätzen. Führende Autoren deutschsprachiger Bücher sind Häusel (Neuromarketing /
Think Limbic), Lindstrom (Buyology), Held / Scheier (Codes) sowie Raab / Gernsheimer /
Schindler (Neuromarketing).
15 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 184 ff.
16 Vgl. Roth (2009): S. 136.
17 Elger (2009), S. 101.
18 Roth (2009): S. 160.
19 Vgl. Roth (2009): S. 229.
20 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 6.
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Neurofinance versucht das menschliche Verhalten bei Finanztransaktionen zu analysieren
und zu prognostizieren. In Laborexperimenten werden realitätsnahe Situationen durchge-
spielt, die Phänomene des individuellen Kauf- und Investitionsverhaltens bis hin zu Frage-
stellungen der Mikro- und Makroökonomie erklärbar machen sollen.
Neuroleadership ist die Lehre der Führung von Menschen durch gehirngerechte, d.h. psy-
chologisch orientierte Motivation, Überzeugung und Inspiration. Der Begriff Neuroleadership
wurde erst 2006 vom US-amerikanischen Autorenduo Jeffrey Schwartz und David Rock in
ihrem Aufsatz „The Neuroscience of Leadership“ im wissenschaftlichen US-Journal “strategy
& business” geprägt.21
Nach der Lesart von Peters / Ghadiri befasst sich Neuroleadership vor
allem mit „organisatorischen und personalwirtschaftlichen Fragestellungen.“22
Allerdings
werden damit längst nicht alle psychologisch relevanten Dimensionen von Organisationen
und Unternehmen angesprochen. Neuromanagement erscheint deshalb als der adäquate
Begriff für die umfassende Betrachtung der Unternehmensführung.
Neuromanagement untersucht also - auf neuronaler Ebene - die psychischen und sozialen
Prozesse, die die Unternehmensführung beeinflussen. Für das Verständnis, was Manage-
ment umfasst, soll das POSDCORB-Modell von Luther Gulick dienen (Planning, Organizing,
Staffing, Directing, Co-Ordinating, Reporting, Budgeting). Das Ziel ist es, die Wirkweisen des
Managementhandelns auf der Ebene des Individuums und des sozialen Systems möglichst
genau erkennen, vorhersagen und einplanen zu können. Je besser es gelingt, die relevanten
Bedürfnisse und Motive der Organisationsmitglieder (und Stakeholder) zu berücksichtigen
und mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen, desto nachhaltig erfolgreicher wird
das Unternehmen sein. In einem Satz: Neuromanagement ist die Wissenschaft und Kunst23
der „gehirngerechten“ Führung und Organisation von Unternehmen.
21 Rock / Schwartz (2006): The Neuroscience of Leadership, Strategy & Business.
22 Peters / Ghadiri (2011): S13.
23 Drucker, Peter F. (2000): Die Kunst des Managements.
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Abbildung 3 – Disziplinen der Neuroökonomie
(Eigene Darstellung auf Grundlage von Peters / Ghadiri (2011) und Raab / Gernsheimer / Schindler (2009)
Der Ansatz des Neuromanagements umfasst mithin alle Steuerungsfunktionen der Unter-
nehmens und bildet so ein Dach für die betrieblich relevanten Aspekte der Neurofinance, des
Neuromarketings und der Neuroleadership.24
Hinzu kommt die Annahme, dass das Unternehmen als Ganzes eine eigene Handlungsdy-
namik entfaltet. Der Gedanke ist bereits in der Neuen Institutionenökonomik angelegt. Vor
allem Robert Branche betrachtet Unternehmen aus der Neuromanagement-Perspektive als
Akteure mit eigener Persönlichkeit. Via Corporate Identity und Unternehmenskultur kann ein
Unternehmen, so die weitergehende These, Charakteristika entwickeln, die eher psycholo-
gisch als rational zu erklären sind.25
Dies könnte als wertvoller Ansatz dienen, um das Ver-
halten von Organisationen und Unternehmen in Verhandlungssituationen, bei strategischen
Entscheidungen, bei der Positionierung im Wettbewerb und in Krisen vorherzusagen.
24 Hinzu kommen diverse Kombinationen des Begriffs „Neuro“ mit anderen Gebieten, die durch die
neurowissenschaftlichen Erkenntnisse berührt werden, so unter anderem Kommunikation, Verhan-
deln, Vertrieb, Consulting etc. Es bleibt abzuwarten, welche Nomenklatur sich durchsetzen wird.
25 Branche, Robert (2008): Neuromanagement : Pour tirer parti des inconscients de l'entreprise, Editi-
ons du Palio, S. 27 ff.
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Die Neuroökonomie und vor allem die Zweige des Neuromanagements sind noch junge Wis-
senschaftsdisziplinen, die erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Durch den beschriebe-
nen Fortschritt in der Neurologie, Neurochemie und Neurobiologie, nicht zuletzt in der direkt
anwendbaren funktionalen Diagnostik, ist eine spürbare Verfeinerung der Methoden und
damit Ergebnisse zu erwarten. Damit wird auch der konkrete praktische Nutzen weiter stei-
gen. Aus den zentralen Aussagen des Neuromanagements kann jedoch ein Grundgerüst an
Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnis-
se für die Managementpraxis zusammengefasst:
 Alle ankommenden Reize - verbale oder non-verbale Signale, Informationen, Anwei-
sungen oder Sanktionen – werden auf ihre Relevanz für die individuell unterschied-
lich ausgeprägten Grundbedürfnisse und Motive geprüft.26
Nur wenn signifikante Vor-
oder Nachteile mit einem Signal verbunden sind, gelangt dies in unser Bewusstsein.
Um das Verhalten zu beeinflussen, müssen Reize jedoch nicht bewusst verarbeitet
werden. Lernen und Präferenzbildung finden sogar auf vielfache Weise unbewusst
statt.27
Daraus folgt:
o „Botschaften müssen sowohl rationale als auch emotionale Elemente enthal-
ten.“28
Ist das nicht der Fall, kommt es zu einem „Konflikt“ zwischen Pilot und
Autopilot des Gehirns, beide sollen deshalb – auf unterschiedlichen Ebenen –
mit der gleichen Stoßrichtung angesprochen werden.
o Botschaften, die emotional und rational zugleich sind, wirken besser. Werden
Menschen zu direkt, d.h. „platt“, zu einem bestimmten Handeln aufgefordert,
kann dies zu Ablehnungsreaktionen führen. Äußert man eine Aufforderung
implizit oder weckt man Verständnis für eine bestimmte Situation, werden Wi-
derstände deutlich verringert.29
 Es sind vier Grundbedürfnisse zu beachten, die über das Lebensnotwendige hinaus-
gehen und eng zusammenspielen.30
Die isolierte Befriedigung einzelner Bedürfnisse
führt nicht zum Erfolg, alle vier Komponenten müssen angesprochen werden.
o Das erste Grundbedürfnis ist auf Sicherheit, Balance und Verlustvermeidung
gerichtet.31
Sorgen um den Arbeitsplatz sind kontraproduktiv. Veränderungen
im Unternehmen rufen in den gleichen Arealen des Gehirns Reaktionen her-
26 Elger (2009): S. 164 f.
27 Elger (2009): S. 117 f, S. 136 ff.
28 Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 305 f.
29 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 304 f.
30 Vgl. Elger (2009): S. 108.
31 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 77 f.
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vor, die für physischen Schmerz verantwortlich sind.32
Das erklärt, warum der
Wandel Menschen so schwer fällt und warum oft unvorhergesehen starke Wi-
derstände gegen Veränderungen auftreten.33
Zudem reduziert Angst die geis-
tige Leistungsfähigkeit. Eine stabile und nachhaltige Unternehmensentwick-
lung und ein langfristig sicherer Arbeitsplatz wirken deshalb förderlich.
o Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das zweite Grundbedürfnis besteht darin,
menschliche Beziehungen herzustellen, zu pflegen und zu gestalten.34
Des-
halb sind eine gute Unternehmenskultur und eine offene Kommunikation wich-
tige Elemente.
o Das dritte Grundbedürfnis ist auf das Lernen gerichtet.35
Es umfasst Neugier
und die Suche nach Stimulanz und neue Erfahrungen. Die Arbeitsinhalte
müssen deshalb ausgewogen sein und neue Anreize bieten. Job Rotation,
Job Enlargement und Job Enrichment sind gute Beispiele, wie diese Anforde-
rung umgesetzt werden kann.36
Das Kunststück besteht darin, Spezialisierung
und interdisziplinäres Denken zugleich zu fördern.37
o Das vierte Grundbedürfnis ist, sich zu entwickeln, zu wachsen und auch sich
durchzusetzen.38
Häusel bezeichnet es deshalb als Dominanz-Instruktion.39
Unternehmen müssen deshalb die Chance bieten, neue, anspruchsvollere
Aufgaben zu übernehmen und Karriere zu machen.
 Schon kleinere Veränderungsprozesse sollten von Change Management-
Maßnahmen begleitet werden.40
Werden größere Umstrukturierungen geplant, sollte
ein größerer Teil des Budgets für die notwendige Mentalitätsveränderung aufgewen-
det werden. Stetige, kleinere Veränderungen sind großen, krisenhaften Umbrüchen
vorzuziehen.41
Dies spricht klar für Kaizen und das kontinuierliche Verbesserungs-
prinzip.
 Das behavioristische Vorgehen, das gewünschte Verhalten durch extrinsische Moti-
vation durch Bestrafen oder Belohnen zu erreichen, funktioniert nicht auf Dauer.42
Extrinsische Motivation verdrängt sogar intrinsische Motivation.43
Belohnungen funk-
32 Rock / Schwartz (2006): S. 3.
33 Vgl. Elger (2009): S. 19.
34 Vgl. Elger (2009): S. 108.
35 Elger (2009): S. 108.
36 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 59 unter Bezugnahme auf Hüther und S. 94 ff.
37 Vgl. Elger (2009): S. 163 f.
38 Elger (2009): S. 108.
39 Vgl. Häusel (2007): Think Limbic, Freiburg / Berlin / München, S. 69 ff.
40 Vgl. Rock / Schwartz (2006): S. 3.
41 Vgl. Häusel (2007): S. 67.
42 Rock / Schwartz (2006): S. 5.
43 Frey / Osterloh (2002): S. 29.
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tionieren dann, wenn sie unerwartet erfolgen.44
Sie werden in diesem Fall nicht als
externe Konditionierung, sondern als Lob empfunden.
 „Humanismus wird überbewertet.“45
Auch ein humanistisch geprägter Führungsstil,
der auf Überzeugung setzt, versucht letztlich extrinsisch zu beeinflussen und ist so
dem Grunde nach behavioristisch. Empathie tritt zwar an die Stelle harter Sanktio-
nen, aber dennoch handelt es sich um eine Dominanzausübung, die sogar als mani-
pulativ empfunden werden und Trotzreaktionen (Reaktanz) auslösen kann.46
 Führungskräfte sollten, anstatt zu motivieren, Demotivation vermeiden. Sie selbst ge-
hören zu den stärksten Motivationsbarrieren. Nur unter- oder überfordernde Arbeits-
inhalte werden von Arbeitnehmern als noch demotivierender empfunden.47
 Leistung entsteht durch Lust. Erfolge, Lob und Wertschätzung befeuern das Beloh-
nungssystem und verstärken das Interesse, weiterhin erfolgreich zu sein. Im Gegen-
satz zu vielen anderen Regelkreisen führt hier kontinuierliche Stimulation zu keiner
Gewöhnung. Druck und das Anstacheln von Konkurrenzdenken wirken bis auf weni-
ge Ausnahmefälle kontraproduktiv.48
Es gilt deshalb, positive Empfindungen und Er-
fahrungen zu stärken.49
 Fokus und Wiederholung sind wichtige Schlüssel zu überdurchschnittlichem Erfolg.50
Eine hohe geistige Konzentration bringt bereits nach kurzer Zeit große Vorteile durch
das Eintreten eines „Flows“.51
Da das Gehirn hochgradig plastisch, das heißt anpas-
sungsfähig ist, verstärkt es die Fähigkeiten, die hochkonzentriert und in häufiger Wie-
derholung verwendet werden. Diese Effekte sind bereits innerhalb weniger Tage phy-
siologisch nachweisbar. Das Management sollte deshalb danach trachten, Stärken zu
stärken und für ein störungsfreies Arbeiten zu sorgen.
 Jedes Gehirn schafft sich seine eigene Realität.52
Nachweislich gibt es den Self-
Fulfilling-Prophecy und den Placebo-Effekt. Und Schmerzen sind größer, wenn wir
sie erwarten. „Wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, wir sehen sie so, wie wir
sind“ sagt dazu Anaïs Nin. Die Empfehlung lautet, unbedingt positive Erwartungen zu
wecken und Optimismus53
anzuregen.54
Kritik soll anstatt auf ein Unterlassen von un-
erwünschtem auf ein Verstärken von richtigem Handeln enden.
44 Elger (2009): S. 125.
45 Rock / Schwartz (2006): S. 5.
46 Vgl. Elger (2009): S. 19 f.
4747 Vgl. Franken (2010): 115 ff.
48 Vgl. Elger (2009): 159 f.
49 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 60.
50 Vgl. Rock / Schwartz (2006): S. 6. S. auch Elger (2009): S. 20 f.
51 Csiksczentmihalyi (2008): S. 39.
52 Rock / Schwartz (2006): S. 7.
53 Zu den Vorteilen von Optimismus siehe Häusel (2007): S. 108 ff.
54 Vgl. Elger (2009): S. 161.
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 Achtsamkeit ist deshalb ein wichtiges Gebot. Ein aufrichtiges Lob motiviert stark. Wird
eine anerkennende Aussage jedoch mit Kritik vermischt, kann die gegenteilige Wir-
kung eintreten.55
 Lenkt man seine Aufmerksamkeit bewusst auf bestimmte Ziele, führt dies zu einem
Wandel im Denken.56
Verlässt man nachhaltig etablierte Denkbahnen und folgt neuen
Mustern, verändert dies auch die Persönlichkeit.57
Dieser Effekt kann freilich zum Gu-
ten wie zum Schlechten führen. Wichtig ist anzumerken, dass diese Veränderung je-
der Einzelne nur selbst bewirken kann. Die Führungskraft oder ein Coach soll einen
Mitarbeiter jedoch in seiner positiven Entwicklung bestärken.
 Autarke Organisationseinheiten wie Profitcenter oder gar Auslandsniederlassungen
entwickeln eine Eigendynamik.58
Schon Max Weber wusste, dass einmal geschaffene
Organisationen kaum mehr abgebaut werden können. Die Dominanz-Instruktion der
Führungskräfte veranlasst diese, eigene, von der Unternehmensstrategie abwei-
chende Interessen zu verfolgen. Deshalb sind ein entsprechendes Controlling und
ggf. die Etablierung eines Rotationssystems ratsam (so wie es u.a. im Auswärtigen
Dienst der Fall ist).
 Führungskräfte müssen konsistent kommunizieren.59
Menschen lernen bewusst und
unbewusst durch Nachahmung. Führungskräfte müssen sich deshalb stets ihrer Vor-
bild- und Orientierungsfunktion60
bewusst sein und entsprechend handeln.61
Das An-
schaffen einer neuen, repräsentativen Firmenlimousine im gleichen Zeitraum mit dem
Appell an die Belegschaft, man müsse den Gürtel enger schnallen, mag sachlich ge-
rechtfertigt sein, schadet aber nachhaltig der Unternehmenskultur und dem Vertrauen
in die Führungskraft.
 Unfairness erzeugt Ekel.62
Unternehmen sollten deshalb jeden Anschein von unge-
rechtem Verhalten meiden.63
Verstöße gegen wichtige betriebliche oder soziale Re-
geln müssen bestraft werden.64
Erfolgt dies nicht, erodiert der Zusammenhalt.
 Das Verhalten wird geprägt durch die Summe der Erfahrungen. Mehr Erfahrung führt
zu größerer Routine und einer geringeren Gefahr, durch emotionale Irritationen Feh-
ler zu machen.65
Der Befund kommt einem Plädoyer für generationengemischte
Teams gleich. Ältere Mitarbeiter stabilisieren Prozesse und machen weniger Fehler.
55 Elger (2009): S. 81 ff.
56 Rock / Schwartz (2006): S. 7 f.
57 Vgl. Elger (2009): S. 20 f.
58 Vgl. Häusel 2007): S. 83.
59 Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 304 f.
60 Vgl. Peters / Ghadiri (2011) nach Grawe, S. 75 ff.
61 Vgl. Häusel (2007): S. 84.
62 Elger (2009), S. 121 f.
63 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 62.
64 Vgl. Elger (2009), S. 104 ff.
65 Vgl. Elger (2009), S. 165 f.
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Jüngere Kräfte sind körperlich meist stärker, risikobereiter und sie hinterfragen Ge-
wohnheiten, so dass im Idealzustand ein ausgewogener Mix von Beharrlichkeit und
Dynamik, von Balance, Dominanz und Stimulanz entsteht. Das ist die Voraussetzung
für ein lernendes, gesund wachsendes Unternehmen.66
 Das Geschäftsmodell des Unternehmens muss mit der Unternehmenskultur und dem
dominierenden limbischen Profil der Mitarbeiter übereinstimmen.67
Achten Sie des-
halb auf die Mitarbeiterauswahl.68
Innovative Unternehmen brauchen überdurch-
schnittliche viele Mitarbeiter mit starker Stimulanz-Instruktion. In konservativen Unter-
nehmen, insbesondere mit Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge sollte die
Mehrheit der Mitarbeiter ein starkes Sicherheitsbedürfnis aufweisen. In Dienstleis-
tungs-, Heil und Pflegeberufen sollte das soziale Bedürfnis stark ausgeprägt sein. In
stark von individueller Leistung und Durchsetzungsfähigkeit abhängigen Aufgaben-
gebieten, beispielsweise im Vertrieb bestimmter Produkte, kann es von Vorteil sein,
wenn die Dominanzinstruktion tonangebend ist.
 Glückliche und zufriedene Mitarbeiter sind produktiver. Sie kommunizieren offener
und freundlicher, bieten besseren Kundenservice, sind innovativer und eher bereit,
sich überdurchschnittlich zu engagieren. Das Unternehmen spart so Kosten, entwi-
ckelt neue Angebote und steigert die Kundenzufriedenheit. Dadurch steigt der Unter
nehmenserfolg.69
*
Prof. Dr. Leif Erik Wollenweber
Speaking | Training | Consulting
Mobil 0049 179 2373773
Email erik.wollenweber@leiferikwollenweber.de
Website http://www.leiferikwollenweber.de
66 Vgl. Häusel (2007): S. 92 f.
67 Vgl. Häusel (2007), S. 13. S. darin auch die “Checkliste” zur limbischen Typologisierung, S. 208 ff.
68 Häusel (2007): S. 112.
69 Vgl. Frey / Marti (2010), S. 164.

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Arbeitspapier Neuromanagement: "homo emotionalis"

  • 1. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 1 1 Neuromanagement Neues Menschenbild für Führungs-, Markt- und Finanzentscheidungen Arbeitspapier Prof. Dr. Leif Erik Wollenweber Mit der Neuroökonomie setzen die Wirtschaftswissenschaften endgültig zum Quantensprung an vom Homo Oeconomicus zum emotional-kognitiven Menschen. Jede menschliche Ent- scheidung, jedes Handeln basiert auf Emotionen und wird von ihnen ausgelöst. Rationalität ist eine Fiktion. Wir bauen sie nur auf, um emotionale Balance zu halten. Der Befund ist kontraintuitiv. Wir glauben aus der Eigenbeobachtung heraus, die rationale Überlegung stünde vor unserem Entscheiden und Handeln. In Wahrheit, das zeigt die Neu- rowissenschaft, kommt zuerst die emotionale Bewertung, dann die kognitive Verarbeitung.1 Der Begriff des Nachdenkens ist hierfür überraschend exakt. Wir denken erst bewusst, nachdem wir eine Entscheidung getroffen haben, und zwar um flugs eine rationale Erklärung oder gar Rechtfertigung für unser Tun zu finden. Da wir in kaum etwas geübter sind, als gute Gründe für unsere bereits längst feststehenden Entschlüsse zu finden, sind wir Meister des Selbstbetrugs. Wir sind uns unserer wahren Motive und Anreize nicht bewusst, da wir meist auf Autopilot fahren. Es muss etwas Ungewöhnliches auftreten, ein Muster muss gebrochen werden, um unsere Aufmerksamkeit zu erhalten.2 Mit dem dann folgenden bewussten Denken schalten wir zu unserem Autopiloten den Piloten hinzu. Unser Autopilot ist dabei, vereinfacht darge- stellt, das limbische System unseres Gehirns, der Pilot der Neocortex, also die Großhirnrin- de. Die zeitliche Verzögerung zwischen der Reaktion des limbischen Systems und der dann folgenden kognitiven Verarbeitung kann in die Sekunden gehen, eine Ewigkeit nach den 1 Elger (2009): S. 147 f 2 Elger (2009): S. 129 f.
  • 2. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 2 2 Maßstäben der „neuroelektronischen“ Datenverarbeitung. Auch deshalb bezeichnet Daniel Kahnemann diese „Gehirnsysteme“ als Schnelles Denken und Langsames Denken.3 Auch nehmen wir nur einen Bruchteil der Geschehens unserer Umgebung bewusst war. Auf die Informatik übertragen entspricht die Bandbreite der Datenverarbeitung des Autopiloten 11 Mio. Bits, die des Piloten dagegen nur 40 Bits. Das ist die Konkurrenz von Morsezeichen gegen V-DSL. Die wenigsten der so unbewusst wahrgenommenen Informationen sind ent- scheidungsrelevant. Selbst unsere Entscheidungen treffen wir nur in 5% bis 20% der Fälle (je nach Bewusstseinsdefinition) bewusst.4 Wir sind zwar in der Lage, unsere Aufmerksam- keit hochkonzentriert auf einen Punkt zu lenken, und dann in einem solchen „Flow“5 erstaun- liche Ergebnisse zu erzielen. Allerdings geschieht dies zum Preis der Ausblendung alles Üb- rigen. Vielleicht ist unsere Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung, eigentlich ist es ja eine Disposi- tion, eine gute Erklärung, warum so lange am Mythos des „Economic Man“6 und des Homo Oeconomicus festgehalten wurde. Die schlechte Aussagekraft des Modells vom stets ratio- nal und im Eigeninteresse handelnden, umfassend informierten Menschen erodierte bereits durch die Fortschritte in der Wahrnehmungs- und Motivationspsychologie seit den 1960er Jahren. Gleichwohl hielt sich das Konstrukt hartnäckig.7 Mit seinen falschen Grundannahmen kam nicht zuletzt die Volkswirtschaftslehre systematisch zu fehlgeleiteten Ansätzen, Vorher- sagen und Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftspraxis. Das war besonders fatal, da gerade sie durch ihre beratende Aufgabe für Politik, Verwaltung und Großunternehmen zu den Weichenstellungen beitrugen, die zu Subventionsmissbrauch, Spekulationsblasen und zu der aktuellen Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise führten. Nicht umsonst befindet sich die Volkswirtschaftslehre seitdem in einer tiefen Krise. Dass sich die falschen Annahmen so lange halten konnten, verwundert also. Viele Erkennt- nisse, die der neoklassischen These der rationalen Entscheidungen widersprachen, waren schon seit Jahrzehnten durch Experimente der Soziologie und Psychologie bekannt. Bereits Mitte der 1950er Jahre entwickelte Simon das Konzept der Bounded Rationality, nach dem der Mensch nie über die für eine vollständig rationale Entscheidung notwendige Information verfügt, und wenn er sie doch hätte, fehlten ihm die kognitiven Fähigkeiten, sie zu verarbei- ten. Vollständige Rationalität, so meinte schon Simon, sei unmöglich. 3 Vgl. Kahnemann (2012): S. 10 ff. 4 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 22. 5 Begriff von Frederick Winslow Taylor. Zitiert nach Peters / Ghadiri (2011): S. 15 f. 6 Peters / Ghadiri (2011): S. 7 Vgl. Häusel (2007): S. 43.
  • 3. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 3 3 Doch mangelte es bis in die 1990er Jahre an technischen Möglichkeiten, die Wirkungszu- sammenhänge kausal zu begründen. So konnten Fehler im Forschungssetting, im Messver- fahren oder eine zu geringe Stichprobe als Gründe herhalten, wichtige Ergebnisse zu igno- rieren. Eine Opposition, die seitens der Verfechter der klassischen Ökonomie nur zu ver- ständlich ist, da auch sie als menschliche Wesen kognitive Dissonanzen meiden und nach emotionaler Sicherheit streben.8 Wie immer bei größeren Umwälzungen, gibt es Kritik. Es heißt, die Neuroökonomie verkaufe alten Wein in neuen Schläuchen, überinterpretiere neuropsychologische und physiologische Zusammenhänge, betreibe mit dem Begriff des „Neuro“ Marketing in eigener Sache und sei ein Hype, der bald wieder vorüber sein werde. In der Tat muss ein neuer Ansatz auch den Nachweis des zusätzlichen Nutzens erbringen. Dies gelingt: durch die präziseren bildgebenden Verfahren der Gehirnforschung entsteht ein besseres Verständnis der menschlichen Reaktionen auf Stimuli.9 Die Funktion und das Zu- sammenspiel wichtiger Hirnregionen sind in der Zwischenzeit gut entschlüsselt. Dadurch wird erkennbar, welche Areale bei einem Reiz in welcher Reihenfolge und Geschwindigkeit angesprochen werden. Mit ihren Methoden bestätigt und verfeinert die Neuroökonomie also zunächst einmal bereits bestehende Erkenntnisse der Wirtschaftspsychologie (s. Abb. 1). Und es gelingt ihr auch, neues Wissen zu erlangen, nicht zuletzt, dass viele entscheidungsrelevante Vorgänge in der Großhirnrinde ablaufen, bevor uns etwas bewusst wird.10 Und dass alle Vorgänge, die au- ßerhalb ihrer ablaufen, „grundsätzlich unbewusst“ sind.11 Dadurch räumt die Neuroökonomie mit der veralteten und unzutreffenden Vorstellung vom rationalen Entscheider auf und leistet den beschriebenen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zum emotional-kognitiven Men- schen. 8 Vgl. Häusel (2007): S. 56 ff. 9 Vgl. Scheier / Held (2006): S. 23. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 4 ff. 10 Vgl. Roth (2009): S. 137. 11 Roth (2009): S. 137.
  • 4. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 4 4 Abbildung 1 – Mehrwert der Neuroökonomie (Eigene Darstellung) Dieser fußt auf einem der zentralen Aspekte der Neuroökonomie: Alle Wahrnehmungen des Menschen gelangen zuerst in das so genannte limbische System, wo sie nach ihrer Bedeu- tung für die menschlichen Grundbedürfnisse emotional bewertet werden. Ohne einen emoti- onalen Marker erscheinen über die Sinnesorgane aufgenommene Reize nicht als relevant und gelangen weder in das Bewusstsein noch in das Langzeitgedächtnis. Das heißt, jeder bewusste Gedanke beruht auf Daten, die zuvor unseren Bedürfnissen und Emotionen entsprechend gefiltert und bewertet wurden.12 Es gilt, frei nach Schiller, „durch diese hohle Gasse muss er kommen, es führt kein andrer Weg nach Küssnacht.“ Unsere Vernunft ist wie ein Richter, der ein gerechtes Urteil sprechen soll, obwohl die Staatsanwalt- schaft die Beweise frisiert hat, die Zeugen voreingenommen sind und die Entscheidung der Jury längst feststeht. Doch was genau sind die Grundlagen für diese Thesen? Die Neuroökonomie ist eine inter- disziplinäre Wissenschaft mit einem ganzheitlichen Erklärungsinteresse. Die bestehenden 12 Elger (2009): S. 158, S 164 f.
  • 5. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 5 5 Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, der Kulturwissenschaften, der Philosophie, der „klassischen“ Psychologie, der medizinischen Neurologie und Psychiatrie werden um das dynamisch wachsende Wissen der modernen Hirnforschung und Neurophy- siologie erweitert (s. Abb. 2). Abbildung 2 – Bezüge der Neuroökonomie (Eigene Darstellung, basierend auf Raab / Gernsheimer / Schindler (2009)) Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Neuroökonomie basieren auf den Fortschritten der Hirnforschung, die vor allem durch immer feinere bildgebende Verfahren die Funktionsweise des Gehirns entschlüsseln und akut ablaufende Prozesse darstellen. Eingesetzt werden da- bei Röntgenstrahlen, Wärmestrahlen, Ultraschall oder Magnetfelder.13 Für die Neuroökono- mie besonders relevant sind zunächst die Elektroencephalographie (EEG) und die Magne- tencephalographie (MEG), die die elektrische Gehirnaktivität messen und nur mit geringster zeitlicher Verzögerung erfassen. Der Nachteil der EEG liegt in der nur oberflächlichen räum- lichen Darstellung des Gehirns und der ungenauen Lokalisation der Reize. Vor allerem letz- teres gilt auch für die MEG, die jedoch auch eine Darstellung der Tiefenregionen des Ge- hirns mit hoher zeitlicher Präzision zulässt.14 Die Schwäche der unbefriedigenden räumlichen Verortung elektrischer Signale wird von der funktionalen Magnetresonanztomographie (fMRT) ausgeglichen. Hier werden Änderungen in der Durchblutung einzelner, recht genau bestimmbarer Hirnareale gemessen. Die Wissenschaft macht sich mit diesem Verfahren 13 Elger (2009): S. 43. 14 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 180 ff.
  • 6. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 6 6 zunutze, dass aktivierte Gehirnzellen eine erhöhte Stoffwechselaktivität aufweisen und zum Ausgleich abgebauter Glucose und verbrauchten Sauerstoffs stärker durchblutet werden.15 Freilich erfolgt dies mit zeitlicher Verzögerung, so dass in praxi verschiedene Verfahren mit- einander kombiniert werden.16 Durch den Einsatz dieser medizinischen Diagnoseverfahren wurde das bereits angespro- chene limbische System als der Hauptverantwortliche für die emotional-affektive Steuerung des Gehirns identifiziert. Zu diesem werden die Hirnareale Hippocampus, Fornix, Amygdala, Corpus mamilare, Gyrus cinguli und Teile des Thalamus gezählt.17 Freilich ist das Gehirn weit komplexer als hier darstellbarer, jedoch kann das limbische System als entscheidend betrachtet werden, da es „Entstehungsort unserer Persönlichkeit und damit des Psychischen ist.“18 Die Untersuchung der Wirkung der biologischen Natur des Menschen auf sein ökono- misches – und gesellschaftliches – Handeln ist damit der Ansatzpunkt der Neuroökonomie.19 Die Neuroökonomie unterfällt in verschiedene Subdisziplinen, die bis dato unterschiedlich stark auf verhaltenswissenschaftliche Ansätze zurückgreifen. Grundsätzlich können die Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre bis in alle ihre Untergliederungen – auch Einkauf, Logistik und Produktion – von der Diagnostik neuronaler Prozesse in ihrem jeweili- gen Kontext profitieren.20 Großen Widerhall gefunden hat die Neuroökonomie in der Marke- ting- und Kommunikationsforschung, bei der Erklärung finanzwirtschaftlicher Verhaltensphä- nomene und bei Fragestellungen zu Organisation, Motivation und Führung. Diese werden im Folgenden kurz näher definiert. Neuromarketing bezeichnet die auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauende Ausrichtung des Marketings. Dies betrifft das gesamte Marketinginstrumentarium, da die Produktpolitik, die Preispolitik, die Kommunikationspolitik und die Distributionspolitik wahr- nehmungs- und wirtschaftspsychologisch orientiert werden kann. Der Schwerpunkt des Neu- romarketings liegt in der Kommunikationspolitik, da hier Reaktionen des Gehirns auf be- stimmte, äußere Reize unmittelbar gemessen werden können. Mit dem Neuromarketing ge- lingt eine deutlich Steigerung von Effektivität und Effizienz gegenüber herkömmlichen Marke- tingansätzen. Führende Autoren deutschsprachiger Bücher sind Häusel (Neuromarketing / Think Limbic), Lindstrom (Buyology), Held / Scheier (Codes) sowie Raab / Gernsheimer / Schindler (Neuromarketing). 15 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 184 ff. 16 Vgl. Roth (2009): S. 136. 17 Elger (2009), S. 101. 18 Roth (2009): S. 160. 19 Vgl. Roth (2009): S. 229. 20 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 6.
  • 7. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 7 7 Neurofinance versucht das menschliche Verhalten bei Finanztransaktionen zu analysieren und zu prognostizieren. In Laborexperimenten werden realitätsnahe Situationen durchge- spielt, die Phänomene des individuellen Kauf- und Investitionsverhaltens bis hin zu Frage- stellungen der Mikro- und Makroökonomie erklärbar machen sollen. Neuroleadership ist die Lehre der Führung von Menschen durch gehirngerechte, d.h. psy- chologisch orientierte Motivation, Überzeugung und Inspiration. Der Begriff Neuroleadership wurde erst 2006 vom US-amerikanischen Autorenduo Jeffrey Schwartz und David Rock in ihrem Aufsatz „The Neuroscience of Leadership“ im wissenschaftlichen US-Journal “strategy & business” geprägt.21 Nach der Lesart von Peters / Ghadiri befasst sich Neuroleadership vor allem mit „organisatorischen und personalwirtschaftlichen Fragestellungen.“22 Allerdings werden damit längst nicht alle psychologisch relevanten Dimensionen von Organisationen und Unternehmen angesprochen. Neuromanagement erscheint deshalb als der adäquate Begriff für die umfassende Betrachtung der Unternehmensführung. Neuromanagement untersucht also - auf neuronaler Ebene - die psychischen und sozialen Prozesse, die die Unternehmensführung beeinflussen. Für das Verständnis, was Manage- ment umfasst, soll das POSDCORB-Modell von Luther Gulick dienen (Planning, Organizing, Staffing, Directing, Co-Ordinating, Reporting, Budgeting). Das Ziel ist es, die Wirkweisen des Managementhandelns auf der Ebene des Individuums und des sozialen Systems möglichst genau erkennen, vorhersagen und einplanen zu können. Je besser es gelingt, die relevanten Bedürfnisse und Motive der Organisationsmitglieder (und Stakeholder) zu berücksichtigen und mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen, desto nachhaltig erfolgreicher wird das Unternehmen sein. In einem Satz: Neuromanagement ist die Wissenschaft und Kunst23 der „gehirngerechten“ Führung und Organisation von Unternehmen. 21 Rock / Schwartz (2006): The Neuroscience of Leadership, Strategy & Business. 22 Peters / Ghadiri (2011): S13. 23 Drucker, Peter F. (2000): Die Kunst des Managements.
  • 8. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 8 8 Abbildung 3 – Disziplinen der Neuroökonomie (Eigene Darstellung auf Grundlage von Peters / Ghadiri (2011) und Raab / Gernsheimer / Schindler (2009) Der Ansatz des Neuromanagements umfasst mithin alle Steuerungsfunktionen der Unter- nehmens und bildet so ein Dach für die betrieblich relevanten Aspekte der Neurofinance, des Neuromarketings und der Neuroleadership.24 Hinzu kommt die Annahme, dass das Unternehmen als Ganzes eine eigene Handlungsdy- namik entfaltet. Der Gedanke ist bereits in der Neuen Institutionenökonomik angelegt. Vor allem Robert Branche betrachtet Unternehmen aus der Neuromanagement-Perspektive als Akteure mit eigener Persönlichkeit. Via Corporate Identity und Unternehmenskultur kann ein Unternehmen, so die weitergehende These, Charakteristika entwickeln, die eher psycholo- gisch als rational zu erklären sind.25 Dies könnte als wertvoller Ansatz dienen, um das Ver- halten von Organisationen und Unternehmen in Verhandlungssituationen, bei strategischen Entscheidungen, bei der Positionierung im Wettbewerb und in Krisen vorherzusagen. 24 Hinzu kommen diverse Kombinationen des Begriffs „Neuro“ mit anderen Gebieten, die durch die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse berührt werden, so unter anderem Kommunikation, Verhan- deln, Vertrieb, Consulting etc. Es bleibt abzuwarten, welche Nomenklatur sich durchsetzen wird. 25 Branche, Robert (2008): Neuromanagement : Pour tirer parti des inconscients de l'entreprise, Editi- ons du Palio, S. 27 ff.
  • 9. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 9 9 Die Neuroökonomie und vor allem die Zweige des Neuromanagements sind noch junge Wis- senschaftsdisziplinen, die erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Durch den beschriebe- nen Fortschritt in der Neurologie, Neurochemie und Neurobiologie, nicht zuletzt in der direkt anwendbaren funktionalen Diagnostik, ist eine spürbare Verfeinerung der Methoden und damit Ergebnisse zu erwarten. Damit wird auch der konkrete praktische Nutzen weiter stei- gen. Aus den zentralen Aussagen des Neuromanagements kann jedoch ein Grundgerüst an Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnis- se für die Managementpraxis zusammengefasst:  Alle ankommenden Reize - verbale oder non-verbale Signale, Informationen, Anwei- sungen oder Sanktionen – werden auf ihre Relevanz für die individuell unterschied- lich ausgeprägten Grundbedürfnisse und Motive geprüft.26 Nur wenn signifikante Vor- oder Nachteile mit einem Signal verbunden sind, gelangt dies in unser Bewusstsein. Um das Verhalten zu beeinflussen, müssen Reize jedoch nicht bewusst verarbeitet werden. Lernen und Präferenzbildung finden sogar auf vielfache Weise unbewusst statt.27 Daraus folgt: o „Botschaften müssen sowohl rationale als auch emotionale Elemente enthal- ten.“28 Ist das nicht der Fall, kommt es zu einem „Konflikt“ zwischen Pilot und Autopilot des Gehirns, beide sollen deshalb – auf unterschiedlichen Ebenen – mit der gleichen Stoßrichtung angesprochen werden. o Botschaften, die emotional und rational zugleich sind, wirken besser. Werden Menschen zu direkt, d.h. „platt“, zu einem bestimmten Handeln aufgefordert, kann dies zu Ablehnungsreaktionen führen. Äußert man eine Aufforderung implizit oder weckt man Verständnis für eine bestimmte Situation, werden Wi- derstände deutlich verringert.29  Es sind vier Grundbedürfnisse zu beachten, die über das Lebensnotwendige hinaus- gehen und eng zusammenspielen.30 Die isolierte Befriedigung einzelner Bedürfnisse führt nicht zum Erfolg, alle vier Komponenten müssen angesprochen werden. o Das erste Grundbedürfnis ist auf Sicherheit, Balance und Verlustvermeidung gerichtet.31 Sorgen um den Arbeitsplatz sind kontraproduktiv. Veränderungen im Unternehmen rufen in den gleichen Arealen des Gehirns Reaktionen her- 26 Elger (2009): S. 164 f. 27 Elger (2009): S. 117 f, S. 136 ff. 28 Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 305 f. 29 Vgl. Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 304 f. 30 Vgl. Elger (2009): S. 108. 31 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 77 f.
  • 10. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 10 10 vor, die für physischen Schmerz verantwortlich sind.32 Das erklärt, warum der Wandel Menschen so schwer fällt und warum oft unvorhergesehen starke Wi- derstände gegen Veränderungen auftreten.33 Zudem reduziert Angst die geis- tige Leistungsfähigkeit. Eine stabile und nachhaltige Unternehmensentwick- lung und ein langfristig sicherer Arbeitsplatz wirken deshalb förderlich. o Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das zweite Grundbedürfnis besteht darin, menschliche Beziehungen herzustellen, zu pflegen und zu gestalten.34 Des- halb sind eine gute Unternehmenskultur und eine offene Kommunikation wich- tige Elemente. o Das dritte Grundbedürfnis ist auf das Lernen gerichtet.35 Es umfasst Neugier und die Suche nach Stimulanz und neue Erfahrungen. Die Arbeitsinhalte müssen deshalb ausgewogen sein und neue Anreize bieten. Job Rotation, Job Enlargement und Job Enrichment sind gute Beispiele, wie diese Anforde- rung umgesetzt werden kann.36 Das Kunststück besteht darin, Spezialisierung und interdisziplinäres Denken zugleich zu fördern.37 o Das vierte Grundbedürfnis ist, sich zu entwickeln, zu wachsen und auch sich durchzusetzen.38 Häusel bezeichnet es deshalb als Dominanz-Instruktion.39 Unternehmen müssen deshalb die Chance bieten, neue, anspruchsvollere Aufgaben zu übernehmen und Karriere zu machen.  Schon kleinere Veränderungsprozesse sollten von Change Management- Maßnahmen begleitet werden.40 Werden größere Umstrukturierungen geplant, sollte ein größerer Teil des Budgets für die notwendige Mentalitätsveränderung aufgewen- det werden. Stetige, kleinere Veränderungen sind großen, krisenhaften Umbrüchen vorzuziehen.41 Dies spricht klar für Kaizen und das kontinuierliche Verbesserungs- prinzip.  Das behavioristische Vorgehen, das gewünschte Verhalten durch extrinsische Moti- vation durch Bestrafen oder Belohnen zu erreichen, funktioniert nicht auf Dauer.42 Extrinsische Motivation verdrängt sogar intrinsische Motivation.43 Belohnungen funk- 32 Rock / Schwartz (2006): S. 3. 33 Vgl. Elger (2009): S. 19. 34 Vgl. Elger (2009): S. 108. 35 Elger (2009): S. 108. 36 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 59 unter Bezugnahme auf Hüther und S. 94 ff. 37 Vgl. Elger (2009): S. 163 f. 38 Elger (2009): S. 108. 39 Vgl. Häusel (2007): Think Limbic, Freiburg / Berlin / München, S. 69 ff. 40 Vgl. Rock / Schwartz (2006): S. 3. 41 Vgl. Häusel (2007): S. 67. 42 Rock / Schwartz (2006): S. 5. 43 Frey / Osterloh (2002): S. 29.
  • 11. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 11 11 tionieren dann, wenn sie unerwartet erfolgen.44 Sie werden in diesem Fall nicht als externe Konditionierung, sondern als Lob empfunden.  „Humanismus wird überbewertet.“45 Auch ein humanistisch geprägter Führungsstil, der auf Überzeugung setzt, versucht letztlich extrinsisch zu beeinflussen und ist so dem Grunde nach behavioristisch. Empathie tritt zwar an die Stelle harter Sanktio- nen, aber dennoch handelt es sich um eine Dominanzausübung, die sogar als mani- pulativ empfunden werden und Trotzreaktionen (Reaktanz) auslösen kann.46  Führungskräfte sollten, anstatt zu motivieren, Demotivation vermeiden. Sie selbst ge- hören zu den stärksten Motivationsbarrieren. Nur unter- oder überfordernde Arbeits- inhalte werden von Arbeitnehmern als noch demotivierender empfunden.47  Leistung entsteht durch Lust. Erfolge, Lob und Wertschätzung befeuern das Beloh- nungssystem und verstärken das Interesse, weiterhin erfolgreich zu sein. Im Gegen- satz zu vielen anderen Regelkreisen führt hier kontinuierliche Stimulation zu keiner Gewöhnung. Druck und das Anstacheln von Konkurrenzdenken wirken bis auf weni- ge Ausnahmefälle kontraproduktiv.48 Es gilt deshalb, positive Empfindungen und Er- fahrungen zu stärken.49  Fokus und Wiederholung sind wichtige Schlüssel zu überdurchschnittlichem Erfolg.50 Eine hohe geistige Konzentration bringt bereits nach kurzer Zeit große Vorteile durch das Eintreten eines „Flows“.51 Da das Gehirn hochgradig plastisch, das heißt anpas- sungsfähig ist, verstärkt es die Fähigkeiten, die hochkonzentriert und in häufiger Wie- derholung verwendet werden. Diese Effekte sind bereits innerhalb weniger Tage phy- siologisch nachweisbar. Das Management sollte deshalb danach trachten, Stärken zu stärken und für ein störungsfreies Arbeiten zu sorgen.  Jedes Gehirn schafft sich seine eigene Realität.52 Nachweislich gibt es den Self- Fulfilling-Prophecy und den Placebo-Effekt. Und Schmerzen sind größer, wenn wir sie erwarten. „Wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, wir sehen sie so, wie wir sind“ sagt dazu Anaïs Nin. Die Empfehlung lautet, unbedingt positive Erwartungen zu wecken und Optimismus53 anzuregen.54 Kritik soll anstatt auf ein Unterlassen von un- erwünschtem auf ein Verstärken von richtigem Handeln enden. 44 Elger (2009): S. 125. 45 Rock / Schwartz (2006): S. 5. 46 Vgl. Elger (2009): S. 19 f. 4747 Vgl. Franken (2010): 115 ff. 48 Vgl. Elger (2009): 159 f. 49 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 60. 50 Vgl. Rock / Schwartz (2006): S. 6. S. auch Elger (2009): S. 20 f. 51 Csiksczentmihalyi (2008): S. 39. 52 Rock / Schwartz (2006): S. 7. 53 Zu den Vorteilen von Optimismus siehe Häusel (2007): S. 108 ff. 54 Vgl. Elger (2009): S. 161.
  • 12. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 12 12  Achtsamkeit ist deshalb ein wichtiges Gebot. Ein aufrichtiges Lob motiviert stark. Wird eine anerkennende Aussage jedoch mit Kritik vermischt, kann die gegenteilige Wir- kung eintreten.55  Lenkt man seine Aufmerksamkeit bewusst auf bestimmte Ziele, führt dies zu einem Wandel im Denken.56 Verlässt man nachhaltig etablierte Denkbahnen und folgt neuen Mustern, verändert dies auch die Persönlichkeit.57 Dieser Effekt kann freilich zum Gu- ten wie zum Schlechten führen. Wichtig ist anzumerken, dass diese Veränderung je- der Einzelne nur selbst bewirken kann. Die Führungskraft oder ein Coach soll einen Mitarbeiter jedoch in seiner positiven Entwicklung bestärken.  Autarke Organisationseinheiten wie Profitcenter oder gar Auslandsniederlassungen entwickeln eine Eigendynamik.58 Schon Max Weber wusste, dass einmal geschaffene Organisationen kaum mehr abgebaut werden können. Die Dominanz-Instruktion der Führungskräfte veranlasst diese, eigene, von der Unternehmensstrategie abwei- chende Interessen zu verfolgen. Deshalb sind ein entsprechendes Controlling und ggf. die Etablierung eines Rotationssystems ratsam (so wie es u.a. im Auswärtigen Dienst der Fall ist).  Führungskräfte müssen konsistent kommunizieren.59 Menschen lernen bewusst und unbewusst durch Nachahmung. Führungskräfte müssen sich deshalb stets ihrer Vor- bild- und Orientierungsfunktion60 bewusst sein und entsprechend handeln.61 Das An- schaffen einer neuen, repräsentativen Firmenlimousine im gleichen Zeitraum mit dem Appell an die Belegschaft, man müsse den Gürtel enger schnallen, mag sachlich ge- rechtfertigt sein, schadet aber nachhaltig der Unternehmenskultur und dem Vertrauen in die Führungskraft.  Unfairness erzeugt Ekel.62 Unternehmen sollten deshalb jeden Anschein von unge- rechtem Verhalten meiden.63 Verstöße gegen wichtige betriebliche oder soziale Re- geln müssen bestraft werden.64 Erfolgt dies nicht, erodiert der Zusammenhalt.  Das Verhalten wird geprägt durch die Summe der Erfahrungen. Mehr Erfahrung führt zu größerer Routine und einer geringeren Gefahr, durch emotionale Irritationen Feh- ler zu machen.65 Der Befund kommt einem Plädoyer für generationengemischte Teams gleich. Ältere Mitarbeiter stabilisieren Prozesse und machen weniger Fehler. 55 Elger (2009): S. 81 ff. 56 Rock / Schwartz (2006): S. 7 f. 57 Vgl. Elger (2009): S. 20 f. 58 Vgl. Häusel 2007): S. 83. 59 Raab / Gernsheimer / Schindler (2009): S. 304 f. 60 Vgl. Peters / Ghadiri (2011) nach Grawe, S. 75 ff. 61 Vgl. Häusel (2007): S. 84. 62 Elger (2009), S. 121 f. 63 Vgl. Peters / Ghadiri (2011): S. 62. 64 Vgl. Elger (2009), S. 104 ff. 65 Vgl. Elger (2009), S. 165 f.
  • 13. Leif Erik Wollenweber Neuromanagement 13 13 Jüngere Kräfte sind körperlich meist stärker, risikobereiter und sie hinterfragen Ge- wohnheiten, so dass im Idealzustand ein ausgewogener Mix von Beharrlichkeit und Dynamik, von Balance, Dominanz und Stimulanz entsteht. Das ist die Voraussetzung für ein lernendes, gesund wachsendes Unternehmen.66  Das Geschäftsmodell des Unternehmens muss mit der Unternehmenskultur und dem dominierenden limbischen Profil der Mitarbeiter übereinstimmen.67 Achten Sie des- halb auf die Mitarbeiterauswahl.68 Innovative Unternehmen brauchen überdurch- schnittliche viele Mitarbeiter mit starker Stimulanz-Instruktion. In konservativen Unter- nehmen, insbesondere mit Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge sollte die Mehrheit der Mitarbeiter ein starkes Sicherheitsbedürfnis aufweisen. In Dienstleis- tungs-, Heil und Pflegeberufen sollte das soziale Bedürfnis stark ausgeprägt sein. In stark von individueller Leistung und Durchsetzungsfähigkeit abhängigen Aufgaben- gebieten, beispielsweise im Vertrieb bestimmter Produkte, kann es von Vorteil sein, wenn die Dominanzinstruktion tonangebend ist.  Glückliche und zufriedene Mitarbeiter sind produktiver. Sie kommunizieren offener und freundlicher, bieten besseren Kundenservice, sind innovativer und eher bereit, sich überdurchschnittlich zu engagieren. Das Unternehmen spart so Kosten, entwi- ckelt neue Angebote und steigert die Kundenzufriedenheit. Dadurch steigt der Unter nehmenserfolg.69 * Prof. Dr. Leif Erik Wollenweber Speaking | Training | Consulting Mobil 0049 179 2373773 Email erik.wollenweber@leiferikwollenweber.de Website http://www.leiferikwollenweber.de 66 Vgl. Häusel (2007): S. 92 f. 67 Vgl. Häusel (2007), S. 13. S. darin auch die “Checkliste” zur limbischen Typologisierung, S. 208 ff. 68 Häusel (2007): S. 112. 69 Vgl. Frey / Marti (2010), S. 164.