Micro-Targeting - Made in USA: Auszug Vorwort...
"(...) In verkrustetem Stil verbohren sich die Parteien in seltener Einigkeit mit ihren Werbeberatern („Slogan- und nicht Spin-Doctors“) in der Gedankenwelt von Standardbotschaften, Plakatsujets und Inseratschaltungen und verweigern beharrlich den Wunsch des Bürgers nach lebensnaher Kommunikation und dem persönlichen Gespräch. Umso mehr hoffe ich mit dieser Arbeit im deutschsprachigen Raum einen erstmaligen Gesamtüber- und einblick über und in das Thema „Neue Methoden der Kampagnensteuerung“ geliefert zu haben. Natürlich lag
es nahe sich intensiv mit den US-amerikanischen Kampagnentechniken und Wahlkampftaktiken zu beschäftigen, denn nirgendwo sonst gibt es so kompakt und transparent Praxisbeispiele für die Professionalität und Innovationskraft neuzeitlicher Wahlkämpfe als in den USA. (...)"
Masterthesis Strobl, Klaus: Neue Methoden der Kampagnensteuerung, 2011
1.
2. Klaus Strobl
NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting:
Made in USA
3. Umschlagbild:
Klaus Strobl
Gesperrt:
Veröffentlichung als Publikation
Hinweis:
Für eine bessere Lesart wurden beidergeschlechtliche Ausdrücke vermieden sind jedoch
im Sinne des Gender Mainstreaming beidergeschlechtlich zu verstehen.
4. MASTERTHESIS
NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
eingereicht von
Klaus Strobl
7639154
zur Erreichung
des akademischen Grades
Master of Science
eingereicht an der
Donau Universität Krems
am Department für
Politische Kommunikation
im Rahmen des
Universitätslehrgangs
Politische Kommunikation
Sommersemester 2009
bis Wintersemester 2010/11
betreut durch
Univ. Prof. Dr. Peter Filzmaier
Graz, Juli 2011
5.
6. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
I 5
VORWORT
Es liegen nunmehr fast zwei Jahre intensiver Beschäftigung mit dem
Thema „Neue Methoden der Kampagnensteuerung“ hinter mir mit un-zähligen
Überarbeitungen, Ergänzungen und neuerlichen Recherchen
- ein niemals enden wollendes Bedürfnis eines getriebenen Perfektio-nisten
- und glaube ich nunmehr dieses Thema umfassend erarbeitet
und untersucht zu haben.
Mit dieser Masterarbeit konnte ich nunmehr dieses so wichtige aber
auch komplexe und umfangreiche Thema Kampagnensteuerung zu ei-nem
„vorläufi gen“ Abschluss (aber nicht zu Ende) bringen und aus dem
politikwissenschaftlichen Blickwinkel untermauern.
Ich danke an dieser Stelle meinem Betreuer, Univ.Prof. Dr. Peter Filz-maier,
der mir auf diesem herausfordernden Pfad des Erkenntnisge-winns
immer mit sachkundigen Rat zur Seite gestanden und mich im-mer
wieder auf den roten Faden des Wesentlichen zurückgeführt hat.
Dies ist ihm allerdings aufgrund meiner Hartnäckigkeit zum Detail und
meines manchmal leicht pathologischen Genauigkeitsfanatismus nicht
immer gelungen ist.
Auch meinem langjährigen Partner und Freund, Dipl.Ing. Peter Weixel-berger,
sei mein Dank ausgesprochen, der mir in unzähligen Gesprä-chen
und tiefgehenden Diskussionen immer wieder neue Denkanstöße
und Arbeitsimpulse für die Erarbeitung aber auch Weiterentwicklung
meiner Denkmodelle zum Thema Kampagnensteuerung gegeben hat.
Danke auch an meine beiden Söhne, Daniel und Klaus, die mich trotz
andersgelagerter Interessen wie „Billard spielen“ oder „Baden gehen“
nicht allzu oft von meinen oft stunden- und nächtelangen Grübeleien vor
dem Computer abgehalten haben.
An dieser Stelle sei auch all jenen gedankt, die mich nicht unterstützt
haben, denn sie haben mich geradezu angespornt, meine Augen noch
weiter zu öffnen und so einen noch kritischeren Blick auf die vergleichs-weise
Mittelmäßigkeit, Rückständigkeit aber auch selbstverliebte Ober-fl
ächlichkeit heimischer Kampagnenpraktiken zu werfen.
In verkrustetem Stil verbohren sich die Parteien in seltener Einigkeit mit
ihren Werbeberatern („Slogan- und nicht Spin-Doctors“) in der Gedan-kenwelt
von Standardbotschaften, Plakatsujets und Inseratschaltungen
7. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
und verweigern beharrlich den Wunsch des Bürgers nach lebensnaher
Kommunikation und dem persönlichen Gespräch.
Umso mehr hoffe ich mit dieser Arbeit im deutschsprachigen Raum ei-nen
erstmaligen Gesamtüber- und einblick über und in das Thema „Neue
Methoden der Kampagnensteuerung“ geliefert zu haben. Natürlich lag
es nahe sich intensiv mit den US-amerikanischen Kampagnentechniken
und Wahlkampftaktiken zu beschäftigen, denn nirgendwo sonst gibt es
so kompakt und transparent Praxisbeispiele für die Professionalität und
Innovationskraft neuzeitlicher Wahlkämpfe als in den USA.
Es war schon einigermaßen erstaunlich - in Zeiten des World Wide Web
aber einsehbar - mit welcher Transparenz und Nähe man US-amerika-nische
6 I
Wahlkämpfe online verfolgen und nachvollziehen kann, so als
ob man persönlich daran teilgenommen hätte. Einer Durchsichtigkeit
des politischen Geschehen von der man hierzulande noch meilenweit
entfernt ist.
Natürlich hat mir bei den Recherchen und Beurteilungen meine eigene
langjährige Erfahrung und persönliche Teilnahme an unzähligen heimi-schen
„Wahlaktionitis-Einsätzen“ und „Wahlfernkampf-Programmen“
geholfen, den Blick auf das kampagnenspezifi sch Wesentliche und
wirklich Neue zu fokussieren und dabei den hohen Komplexitätsgrad
professionell gesteuerter Kampagnen herauszuarbeiten.
Leider hat sich dabei mein Eindruck verstärkt mit welcher Sinnlosigkeit
und Beliebigkeit manchmal hierzulande noch immer die Wahlkampfres-sourcen
Zeit und Geld vergeudet werden. Aber auch die Erkenntnis,
dass solange Kampagnenbudgets aus öffentlichen Geldern im Über-fl
uss vorhanden sind, die wesentlichen Indikatoren Effi zienz und Effek-tivität
im Einsatz von (knappen) Ressourcen nur eine untergeordnete
Rolle spielen werden.
Noch kann man hierzulande ungestraft (auch wenn vom Wähler abge-straft)
Kampagnenmittel verprassen und auch noch den letzten Cent an
Wahlkampfmitteln für die Imagepolitur einer verlorenen Parteiwahl aus-geben,
um diese doch noch als Erfolg propagieren zu können, um so
wie bisher „weiterwurschteln“ und vor allem parteiintern „weiterleben“
zu können. Ein Zustand wie er in den USA undenkbar wäre. Stellen sich
hierzulande noch immer die Parteien und Kandidaten selbstgefällig in
den Mittelpunkt, stehen in den USA der Dialog mit dem Bürger und das
Engagement der Freiwilligen im Fokus der Kampagnen.
8. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
Da in den USA die Intensität (und damit auch der Erfolg) einer Kampa-gne
wesentlich von der Höhe der Spendengelder abhängig ist, spielt
auch der strategisch richtige Einsatz mit der Ressource Geld aber auch
die Transparenz in der Verwendung dieser Mittel eine enorme Rolle.
Auch ist dortzulande der Umgang mit der Ressource Zeit der zahllosen
freiwilligen Aktivisten ein gänzlich anderer vor allem respektvollerer und
ist nicht umsonst die Partizipationskultur in den USA gänzlich unter-schiedlich
I 7
zum europäischen Kontinent.
Gerade diese Rahmenbedingungen sind eine Triebfeder der ungeheu-ren
Technologie- und Dienstleistungsqualität die in den beiden großen
US-amerikanischen Wahlkampfzentralen zu bemerken ist, denn die
Wertschöpfungsgüter Zeit und Geld sind dort der Erfolgsgarant jeder
Wahlkampagne. Wer nicht im Wettlauf um die technologische und or-ganisatorische
Kompetenz im Wahlkampf und damit im Wettbewerb um
Wählerstimmen unterliegen will, muss diese Ressourcen wertschätzen
und strategisch richtig steuern.
Vielen bei uns geführten Wahlkampagnen würden diese unterschied-lichen
Parameter und Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen und
sorgfältigen Mitteleinsatz einen enormen Entwicklungsschub versetzen:
Ein gesund(end)er Katalysator für die Zukunftsentwicklung erstarrter
oberfl ächlicher Parteistrukturen hin zur Professionalisierung in „Politics,
Technology, Leader- und Entrepreneurship“.
Die bürgerliche Ohnmacht in Zeiten des Umbruches und der Krisen ge-genüber
der Verschwendung von Steuergeldern in Plakatschlachten
oder an politischen Prozessen nur als unmündiger Kreuzerlmacher teil-nehmen
zu dürfen ist auch ein Gutteil der hohen Politikerverdrossenheit,
des stetig steigenden Wutbürgertums und eines zunehmenden Defi zits
an Mobilität und Aktivität im Wahlzeiten.
Die Bürger sehnen sich heute mehr denn je nach ehrlich gemeinten
Dialog und beteiligender Interaktion. Und die Parteien ignorieren dies.
Noch. Und die Bürger akzeptieren dies. Noch. Die politische Zukunft
gehört aber den Bürgern und der Verwurzelung vor Ort. Jedenfalls.
Klaus Strobl
Graz, im Juli 2011
9. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
8 I
10. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
I 9
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT 5
NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
I. EINLEITUNG UND KONZEPT 15
I.1 Grundlagen 18
I.2 Masterthesis 19
I.3 Detailstudien 22
I.4 Ziel der Gesamtarbeit 23
Basisstudie
Micro-Targeting: Grundlagen
II. BREITEN- VERSUS TIEFENKAMPAGNE 27
III. WAS BEDEUTET MICROTARGETING? 43
III.1 Defi nition und Methodik 49
III.2 Prozessphasen 63
Exkurs: Das Vorwahlsystem für das Präsidenamt in den USA
Primary - Caucus - National Convention 81
III.3 Verfahren und Technologie 107
III.4 Neueste Innovationen 141
11. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
10 I
12. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
I 11
Masterstudie
Micro-Targeting: Made in USA
IV. ENTWICKLUNG VON MICRO-TARGETING 151
IV.1 Die ersten Ansätze von Micro-Targeting 153
IV.2 Der Wendepunkt 2000:
Wettlauf um technologischen Vorsprung 157
IV.3 Erster Höhepunkt:
Präsidentschaftswahljahr 2004 179
Exkurs: 527er Advocacy Groups versus
PAC‘s Political Action Committees 189
Exkurs: Die „Shadow-Party“ und ihr Netzwerk 196
Exkurs: Die Präsidentenwahl und das System der Wahlmänner
in den USA 206
Exkurs: Census Tracks, State Legislative und Voting Districts
am Beispiel Ohio 254
IV.4 Ein neuer Meilenstein:
Obama Kampagne 2008 289
Exkurs: Die Battleground-Staaten 343
V. ERGEBNISSE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 409
V.1 Conclusio:
Strategische Relevanz von Micro-Targeting 433
V.2 Vier Handlungsempfehlungen:
Was lernen wir von Amerika? 457
13. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
12 I
14. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
VI. LITERATUR- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS 471
Monographien 471
Aufsätze 474
Artikel Zeitschriften und Magazine 476
Artikel Internetquellen 480
Weitere Quellen 491
Vertiefende Literaturhinweise 493
Abbildungsverzeichnis 497
Tabellenverzeichnis 508
VII. ANHANG 511
Anhang 1: Eidesstattliche Erklärung 513
Anhang 2: Voter Registration Application 514
Anhang 3: Sample Ballot General Election 515
Anhang 4. USA Präsidentschaftswahl 2004 Ergebnistabelle 517
Anhang 5: USA Präsidentschaftswahl 2008 Ergebnistabelle 518
Anhang 6: US-Vorwahlen in den Bundesstaaten 519
Anhang 7: Campaign Attention Index TV Ad Spending und Visits
Presidential Election 2004 523
I 13
Anhang 8: PAC Politcal Action Committee
FEC Federal Election Committee Registration Form 525
Anhang 9: PAC Politcal Action Committee
FEC Federal Election Committee Contribution Limits 527
Anhang 10: PAC Politcal Action Committee
FEC Federal Election Committee Summary Page 528
Anhang 11: 527 Organization
IRS Internal Revenue Service 532
VIII. ABKÜRZUNGEN 537
15. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
14 I
16. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
„Die Zielgenauigkeit der Wahlkampf-Kommunikation
ist wichtiger als alle plakativen Werbe- und
Medieninszenierungsstrategien .“
Klaus Strobl , 2006
I 15
I. EINLEITUNG UND KONZEPT
Die heute nach wie vor vorherrschende Methode der Wahlkampagnen-
Steuerung im Bereich der politischen Kommunikation ist die der Brei-tenkampagne
d.h. jene Art von Kampagnen, die zum überwiegenden
Teil über den massenorientierten Medienmarkt indirekt und ohne direkte
Ansprache kommuniziert werden.
Im letzten Jahrzehnt setzte jedoch vor allem in US-amerikanischen Prä-sidentschaftswahlkämpfen
trotz vorherrschender Dominanz der mas-senmedialen
Vermittlungsstrategien verstärkt ein Trend zu Tiefenkam-pagnen
ein (ganz im Gegensatz zum Unternehmenssektor, wo diese
Entwicklungen bereits in den frühen neunziger Jahren einsetzten), d.h.
jener Typus von Kampagnen, die durch dialogorientierte Formen von
Wählerkontaktprogrammen gesteuert werden.
Neue Begriffe wie Micro-Targeting, Predictive Analysis, Mikro-Mar-keting,
Wähler-Potentialanalyse, Grassroots-Campaigning, Narrow
Casting, Voter Relationship Management, Social Media, Communi-ty
Building, etc. tauchen vermehrt im politischen Alltags-Kampagnen-sprachgebrauch
auf. Im europäischen Bereich sind diese Schlagwörter
zwar immer häufi ger in Dokumentationen und Publikationen zu vergan-genen
Wahlkampagnen nachzulesen, diese sind aber im Gegensatz zu
den US-amerikanischen Verhältnissen noch keineswegs „State of the
Art“.
Eher möchte man das als modeorientierte politische Lippenbekenntnis-se
bezeichnen - im Sinne eines „Must have in Politics“, um als fortschritt-lich
zu gelten - als dass diese neuen Kampagnensteuerungsmethoden
tatsächlich strategisch professionell eingesetzt werden. In den USA ist
der Einsatz dieser neuen Kampagnensteuerungsmethoden mittlerweile
zum wahlentscheidenden Faktor geworden.
In Österreich, aber auch im benachbarten Deutschland, sind in der ak-
17. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
tuellen Kampagnenpraxis die Anwendung derartiger Methoden eher
unterentwickelt und der tatsächliche Einsatz eher zaghaft und immer
von akademischer Skepsis begleitet. Die Verwendung derartiger und
ähnlicher Begriffe und der Einsatz solcher Methoden werden zwar
durchaus bereits vereinzelt in Strategiepapieren politischer Parteien
zu österreichischen Wahlkampagnen erwähnt, sind aber noch keines-falls
als realer Einsatz von Micro-Targeting zu bewerten.
Eine breite Tendenz in diese Richtung ist derzeit noch nicht feststell-bar
und damit können die eher seltenen und vorerst noch mit Skepsis
begegneten Vertreter solcher neuen Kampagnensteuerungsmethoden
durchaus noch als Pioniere auf dem österreichischen Kampagnenbe-ratungsmarkt
16 I
bezeichnet werden. De facto befi nden sich hier zu Lande
Methoden der Kampagnensteuerung noch eher auf dem Niveau eines
diffusen (Makro) Targeting oder nicht zielgerichteten (Mikro) Aktionis-mus.
Es fehlt zum großen Teil am konsequenten Aufbau entsprechender
strategischer, struktureller und technologischer Organisations- und Ma-nagementstrukturen
(wohl auch aufgrund der überwiegenden staatli-chen
Parteienfi nanzierung jedoch keineswegs an fi nanziellen Struktu-ren),
und so bleibt ein behaupteter Einsatz von Micro-Targeting eher
nur an punktuellen, nicht zielgerichteten und oft nur zufällig entstan-denen
Einzelaktionen orientiert und kann sicher nicht als wesentlicher
und integrativer Strategiebestandteil einer Wahlkampagne bezeichnet
werden.
Es kann als einigermaßen gesichert anzusehen, dass man in der west-europäischen
(vor allem auch österreichischen) politischen Praxis noch
weit von einer konsequenten und professionellen mit einer medialen
Breitenkampagne abgestimmten und integrierten Anwendung von Me-thoden
des Micro-Targeting entfernt ist.
Das würde nämlich bedeuten, dass Wahlkampagnen vom Einsatz com-putergestützter
Data Warehouse Systeme, entsprechender Data Mining
Analyseverfahren, einem konsequenten Aufbau nachhaltiger Wähler-beziehungsnetzwerke
mittels Voter Relationship Managementsysteme
und daran gekoppelter direktkommunikativer Mobilisierungsstrategien
getragen sein müssten.
Rahmenbedingungen wie sie am Sektor des Wahlkampagnenmanage-ments
in den USA schon längst „State of the Art“ und laufend rasan-ten
Weiterentwicklungen unterworfen sind. Dort ist der Wettbewerb um
18. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
den Wählermarkt technologie - und innovationsgetrieben, und sind dort
die Datenbestände von enormer Genauigkeit, die Wähleranalysen von
enormer Komplexität, sowie die Mobilisierungsstrategien von ungeheu-rer
I 17
Präzision gekennzeichnet.
Die Entwicklung von neuen Kampagnensteuerungsmethoden am ös-terreichischen,
aber auch am deutschen Kampagnenmarkt samt der
dazugehörigen Parteienlandschaft befi ndet sich allerdings, anhand der
gemachten Beobachtungen und Einschätzungen und wie dies auch die
Gesamtarbeit zeigen soll, im deutlichen Gegensatz dazu.
Auch im Bereich der Forschung ist dieses Betätigungsfeld auf dem Ge-biet
der politischen Kommunikation im Sinne einer wissenschaftlichen
Kampagnentheorie im europäischen Kontext (auch hier ganz im Ge-gensatz
zu den Entwicklungen im betriebswirtschaftlichen Marketing
bzw. US-amerikanischen Politikbereich) noch eher unterrepräsentiert
und sollte hier als Forschungsfeld zukünftig einen viel breiteren Spiel-raum
einnehmen.
Dies vor allem aus dem Standpunkt heraus, dass aufgrund der Komple-xität
des Wählermarktes und des Wahlverhaltens eine „Verwissenschaft-lichung“
des politischen Kampagnenmanagements durch Beiziehung
einschlägig ausgebildeter externer Experten und wissenschaftlicher
Berater mehr als notwendig erscheint. Daher werden auch die Parteien
am österreichischen aber auch deutschen Wählermarkt, wenn Sie wei-terhin
wettbewerbsfähig bleiben wollen, sich diesen Innovationen und
neuen Entwicklungen in der Kampagnentechnologie öffnen müssen.
Nicht länger werden Sie sich zu Gunsten eines traditionellen und über-holten
mit grossen Beratungsresistenzen behafteten Parteidenkens
verschließen können, bei dem nicht die Qualität der Beratung oder die
Qualifi kation des Mitarbeiters im Vordergrund steht, sondern die unein-geschränkte
Parteiloyalität, die Selbstbewirtschaftung im Parteiennetz-werk
und die kritiklose Unterwerfung in verkrustete und intransparente
Kampagnenhierarchien.
Dort ernennen sich dann, die über parteiinterne Seilschaften empor-gekommenen
Politikgünstlinge, zu selbsternannten und autodidaktisch
agierenden „Kampagnenexperten“ mit einem hohen Grad an (die eige-ne
Stellung schätzender) Beratungsresistenz.
Informationen und Anwendungsbeispiele zu den professionalisierten,
hochtechnologisch entwickelten und bereits seit langem in der US-ame-
19. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
rikanischen Wahlkampfpraxis erprobten und bewährten neuen Kampa-gnensteuerungsmethoden
18 I
spiegeln sich demzufolge auch in der Quel-lenlage
nieder:
Publikationen und wissenschaftliche Literatur, die sich mit dem Thema
Micro-Targeting beschäftigen und mit detaillierten Analysen und Bei-spielen
aufwarten können, sind vornehmlich nur aus dem US-amerika-nischen
Bereich zu beziehen.
Auch ist die Forschungslage in der US-amerikanischen Literatur erheb-lich
fortgeschrittener, weshalb die Erstellung dieser Hauptthesis und
Teilen der Nebenarbeiten vorwiegend anhand des Studiums einschlä-giger
US-amerikanischer Literatur und Wahlkampfberichterstattung in
den amerikanischen Medien erfolgte und ein überwiegender Rückgriff
auf diese Schriftgüter in der Gesamtarbeit nicht zu vermeiden war.
Auch der Zugriff auf Internetquellen wurde in diesem Falle ob der ra-santen
Entwicklung, der Aktualität und des Tempos an Neuerungen zu
diesem Thema verstärkt in Anspruch genommen.
Soweit deutsche Literaturquellen und begleitende Publikationen zu
Wahlkämpfen vorhanden waren, wurden und werden diese so weit als
möglich einbezogen, insbesondere auch zu Erkenntnissen über den
Zustand an Wahlkampf - und Kampagnenentwicklung im deutschspra-chigen
europäischen Raum.
Der Verfasser dieser Arbeit stellt sich der Herausforderung und dem Ver-such,
sich dem Begriff des Micro-Targeting erstmals in einer umfassen-den
und systematischen Herangehensweise anzunähern und im Sinne
der Wertschöpfungsketten von Micro-Targeting zu durchleuchten.
Anhand einer integrativen Gesamtarbeit (Masterthesis und vertiefen-de
Detailstudien) sollen diese „Neuen Methoden der Kampagnen-steuerung“
aus Sicht der politischen Kommunikation in einem zusam-menhängenden
Gesamtüberblick dargestellt und theoretisch erläutert
sowie deren Anwendungsmöglichkeiten veranschaulicht und in Bezug
auf Stärken und Schwächen diskutiert werden.
I.1 GRUNDLAGEN
Die am Beginn der Gesamtarbeit „NEUE METHODEN DER KAMPAG-NENSTEUERUNG“
stehende Basisstudie „Micro-Targeting: Grund-
20. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
lagen“ befasst sich neben einer allgemeinen Gegenüberstellung der
Methoden von Breiten- und Tiefenkampagnen vor allem einleitend mit
einer umfassenden Erklärung des Begriffes Micro-Targeting.
Das Kapitel II. „BREITEN- VERSUS TIEFENKAMPAGNE“ der Basis-studie
soll einen Überblick über die beiden großen Strömungen in der
politischen Kampagnenkommunikation vermitteln. Anhand der Konfl ikt-linien
zwischen der indirekten Steuerung über medienzentrierte Breiten-kampagnen
und der direkten Steuerung über wählerorientierte Tiefen-kampagnen
werden die Unterschiede dieser Kampagnenformen deut-lich
I 19
gemacht.
Das Kapitel III. „WAS BEDEUTET MICRO-TARGETING?“ der Basis-studie
beschreibt und defi niert allgemein den Terminus.
Im Unterkapitel III.1 „Defi nition und Methodik“ erfolgt zuallererst der Ver-such
einer umfassenden Begriffsbestimmung und grundlegenden Ein-führung
in das Thema Micro-Targeting.
Das Unterkapitel III.2 „Verfahren und Technologie“ beschäftigt sich mit
einer einführenden Darstellung und Überblick verschaffenden Beschrei-bung
der notwendigen technologischen Instrumente, analytischen Pro-zessschritte
und methodischen Verfahren des Micro-Targeting, also
derjenigen Hilfsmittel, die es erst ermöglichen, all die Informationen und
Erkenntnisse zu gewinnen, um diese strategisch und operativ für die
Optimierung der wahlpolitischen Kampagnensteuerung anwenden zu
können.
Das Unterkapitel III.3 „Neueste Innovationen“ eröffnet einen Einblick in
die letzten Entwicklungen und rasanten Innovationen der Methodiken
und Technologien des Micro-Targeting.
I.2 MASTERTHESIS
Anhand der Hauptthesis wird versucht eine Gesamtdarstellung des The-mas
anhand der Entwicklungsphasen von Micro-Targeting am Beispiel
der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen herauszuarbeiten.
Die Hauptthesis Kapitel IV. „ENTWICKLUNG VON MICRO-TARGE-TING“
zeigt somit einen Abriss der Ursprünge und Entwicklungsphasen
von Micro-Targeting in den USA. Anhand der zunehmenden Ausbrei-tung
von Micro-Targeting in US-amerikanischen Wahlkämpfen im ers-
21. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
ten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts soll veranschaulicht
werden, wie mittlerweile die rasanten technologischen Entwicklungen
nicht nur als Treiber für Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und
Medien verantwortlich zeichnen, sondern wie davon auch die Politik,
und damit auch das Wahlkampfmanagement und die Kampagnenkom-munikation,
20 I
erfasst wurden.
Von den ersten Ansätzen des Micro-Targeting ab den 70iger Jahren, das
im Unterkapitel IV.1 „Die ersten Ansätze von Micro-Targeting“ beschrie-ben
wird, beginnt ab den späten 90-iger Jahren ein erster großer Ent-wicklungsschub
im Micro-Targeting und wird dies im Unterkapitel III.2
„IV.2 „Der Wendepunkt 2000: Wettlauf um technologischen Vorsprung“
anhand des Präsidentschaftswahlkampfes 2000 zwischen George W.
Bush und Al Gore ausgeführt.
Das Unterkapitel IV.3 „Erster Höhepunkt: Präsidentschaftswahljahr
2004“ verdeutlicht die enormen Anstrengungen die von seiten der Re-publikaner
mit ihrem Präsidenten Bush in der Professionalisierung der
statistisch-mathematischer Analysemethoden über einen komplexen
Wählermarkt unternommen wurden.
Es beschreibt aber auch den Beginn einer Renaissance traditioneller
Wahlkampfmobilisierungstechniken, die auch unter dem Namen Grass-roots-
Campaigning bekannt wurden.
Diese wegweisenden Managementanstrengungen durch ein ausge-klügeltes
Herausfi ltern potentieller Wählergruppen gepaart mit einer
zielgenauen direkten Kommunikation vor Ort der Kampagne war letzt-endlich
auch ausschlaggebend für die äußerst knappe Wiederwahl des
amtierenden Präsidenten.
Mit dem Präsidentschaftswahlkampf 2008 der im Unterkapitel IV.4 „Ein
neuer Meilenstein: Obama Kampagne 2008“ beschrieben wird, verdeut-licht
sich das Bild der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe
als riesige kapital- und organisationsintensive Wahlkampfmaschinerien,
die durch ein Netzwerk von politischen Beratungsexperten, innovativen
Softwareunternehmen, Parteimitarbeitern und -funktíonären und letzt-endlich
Parteianhängern und -sympathisanten miteinander verbunden
sind.
Dies ist auch der Zeitpunkt in dem das Internet erstmals in vollem Um-fang
als zentrales Organisations- und Kommunikationstool in das politi-sche
Kampagnenmanagement integriert wurde.
22. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
Insbesondere soll in der Masterthesis folgenden Annahmen nachge-gangen
werden, dass durch den Einsatz von Tiefenkampagnenmetho-den
- also durch Micro-Targeting -
1. über die Wertschöpfungskette „Technologievorsprung = In-formationsvorsprung
= Wissensvorsprung = Strategievor-sprung
= Kampagnenvorsprung“ ein Wettbewerbsvorteil er-zielt
I 21
werden kann.
2. in Wahlkampagnen Wählerpotentiale effi zienter ausgenutzt
und die Wähleransprache effektiver eingesetzt werden kön-nen,
kostenintensive Streuverluste vermieden und insgesamt
der Ressourceneinsatz optimiert werden kann.
3. die Strategiefähigkeit von Kampagnen und Parteien erhöht
und damit die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gesteigert
werden kann.
So durchschlagend wie sich das gesellschaftliche Informations- und
Kommunikationsverhalten geändert hat, so dynamisch muss sich auch
die Kampagnenkommunikation ändern. Wie am Beispiel USA aufgezeigt
werden kann, sind heute Vorsprünge in der Kampagnentechnologie und
in der Kampagnenkommunikation die Indikatoren und Gradmesser für
Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg am Wählermarkt.
Die „ERGEBNISSE, SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUN-GEN“
in Kapitel V. der Masterthesis versuchen in einem zusammen-fassenden
Überblick die strategische Relevanz von Micro-Targeting für
ein professionelles Wahlkampagnenmanagement anhand einer Zusam-menfassung
der im Zeitfenster zwischen 2000 und 2010 dargestellten
US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe zu erklären.
Vor dem Hintergrund der umfassenden strukturellen Veränderungen im
gesellschaftlichen, medialen und politischen Bereich wird die inhaltli-che
Aktualität, die strategische Relevanz und die daraus abzuleitenden
Handlungsempfehlungen eines verstärkten Einsatzes derartig neuer
Kampagnensteuerungsmethoden kurz diskutiert und daraus Hand-lungsempfehlungen
abgeleitet.
23. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
I.3 DETAILSTUDIEN
Ergänzende Detailstudien, als Erweiterungsmöglichkeiten, sollen den
aus der Masterthesis vermittelten Überblick neuer Kampagnensteue-rungsmethoden
22 I
theoretisch anhand der drei wesentlichen Wertschöp-fungselemente
des Micro-Targeting (dem Informations-, Entwicklungs-und
Beziehungskapital) vertiefen und anhand von Praxisbeispielen ver-anschaulichen.
Detailstudie 01: Political Intelligence:
Wählermarkt und Wahlverhalten
(geplante Veröffentlichung Oktober 2012)
In der Detailstudie 01 „Political Intelligence: Wählermarkt und Wahl-verhalten“
als Vertiefung zu Marktanalyse- und Meinungsforschungs-methoden
des Micro-Targeting geht es um Fragen des Wählerpoten-tials,
der Markt-Segmentierung und des Wahlverhaltens. Dabei sollen
Antworten gegeben werden, wie man aus Daten und Informationen
anwendbares Wissen für Wahlkampagnen generiert, um so Informatio-nen
über die Strukturen des Wählermarktes, der geo- und soziodemo-graphischen
Verteilung der Wählerpotentiale und Einfl ussfaktoren auf
die Wahlentscheidung in Form einer Wissenslandkarte der politischen
Kampagne zu erhalten.
Detailstudie 02: Micro Campaigning:
Kommunikation und Mobilisierung
(geplante Veröffentlichung Oktober 2012)
In der Detailstudie 02 „Micro Campaigning: Kommunikation und
Mobilisierung“ als Vertiefung zu Kommunikations- und Mobilisierungs-methoden
des Micro-Targeting geht es um Fragen der Wähleransprache,
des Mini Messaging, der unterschiedlichen Formen der Direktkommu-nikation
und den neuen Möglichkeiten des Social Political Networking.
Dabei sollen Antworten gegeben werden, ob und welche Auswirkungen
der Grad an Kontaktintensität auf Wahlbeteiligung, Stimmenzuwachs
und somit auf das Wahlergebnis selbst hat, und welche Ressourcen-verteilungen
zwischen tatsächlich „Bewegung“ erzeugender Tiefenkam-pagne
(„Micro-Geo-Targeting“) und lediglich „Stimmung“ aufbauender
Breitenkampagne („Mass-Media-Marketing“) notwendig und sinnvoll
sind.
24. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
I 23
Detailstudie 03: Härtetest Wahlkampf:
Praxisfälle im Vergleich
(geplante Veröffentlichung März 2013)
In der Detailstudie 03 „Härtetest Wahlkampf: Praxisfälle im Ver-gleich“
werden Anwendungsmöglichkeiten des Micro-Targeting anhand
ausgewählter Praxisbeispiele von Kommunal- und Landtagswahlen in
der Steiermark dargestellt und mit den tradierten und klassischen brei-tenmedialen
Wahlkampfpraktiken verglichen.
Detailstudie 04: Strategic Party:
Strategiekompetenz und Wettbewerbsfähigkeit
(geplante Veröffentlichung März 2013)
In der Detailstudie 04 „Strategic Party: Strategiekompetenz und
Wettbewerbsfähigkeit“, als Vertiefung zu Strategieentwicklung und
Markenbildung politischer Parteien im Rahmen von Micro-Targeting,
geht es um Fragen des Political Strategy Mapping und einer zukünf-tigen
Rolle von Parteien als Strategieakteure mit Service- und Dienst-leistungscharakter.
Dabei sollen Antworten gegeben werden, welche
Rahmenbedingungen als Maßstab für die Strategiekompetenz und den
Strategiegrad politischer Parteien defi niert werden können, die schluss-endlich
auch Indikatoren für deren nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit
am Wählermarkt sind.
I.4 ZIEL DER GESAMTARBEIT
Ziel und Gegenstand der zuvor beschriebenen Gesamtarbeit ist es erst-mals
aus wissenschaftlicher Sicht einen umfassenden Ein- und Über-blick
über den aktuellen Stand neuer Methoden der Kampagnensteue-rung
insbesondere der Methoden des Micro-Targeting und des Micro-
Campaigning zu vermitteln.
Dies soll vor allem im Rahmen der Hauptarbeit - neben dem Versuch ei-ner
Begriffsdefi nition, der Methodenbeschreibung und einer überblicks-weisen
Darstellung der eingesetzten Technologien und angewandten
Verfahren - am Beispiel der Entwicklung des Micro-Targeting in den
USA nachgezeichnet werden.
Es soll insgesamt nachgewiesen werden, dass man strategische Wett-
25. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
bewerbsvorteile aufgrund der zumeist knappen Ressource „Finanzka-pital“
nur unter Ausnutzen der drei wesentlichen Wertschöpfungsketten
des Micro-Targeting (Informations-, Entwicklungs- und Beziehungskapi-tal)
erzielen kann.
Dabei ist ein abgestimmtes und optimales Zusammenspiel aller Wert-schöpfungsketten
24 I
im Rahmen des politischen Kampagnenmanage-ments
notwendig ist, denn
• Datenbeschaffung und Marktanalysen (Informationskapital /
Political Intelligence) alleine sind zu wenig, da diese lediglich
einen Informationsgewinn über den Wählermarkt schaffen,
• Kampagnenstrategien ohne detaillierte Information, ohne
durchdachte Organisation und ohne strategischen Bezugsrah-men
sind wahlpolitischer Blindfl ug und Vergeudung wichtiger
kommunikationspolitischer Ressourcen (Entwicklungskapi-tal
/ Finanz-, Human- und Organisationskapital), und
• Wahlkampfkommunikation ohne potentialorientierte Segmen-tierung
und gezielter Wähleransprache (Beziehungskapital
/ Micro Campaigning) hohe Streuverluste und geringe Wir-kungseffekte
bedeuten.
Mit der Gesamtarbeit wird in Form eines Kreislaufschlusses die Darstel-lung
eines neuen politischen (Kampagnen-) Steuerungsmodells auf
Basis der „Strategischen Relevanz von Micro-Targeting“ und der „Wert-schöpfungsketten
von Micro-Targeting“ versucht.
Vor dem Hintergrund der Masterarbeit und den vertiefenden Detailstudi-en
soll diese Auseinandersetzung mit der Methode des Micro-Targeting
folgende Ergebnisse und Schlussfolgerungen ermöglichen:
• Eine forschungsbasierte Strategieentwicklung einer Kampa-gne
ist heute unerlässlich, um neue Lösungsansätze für die
Ansprache und Mobilisierung von Wählern abseits des mas-senmedialen
Nachrichtenfi lters und der sich immer stärker
reduzierend und tendenziös werdender Berichterstattung zu
fi nden.
• Wer heute überzeugend kommunizieren will, muss eine per-sönliche
Verbindung im Sinne von sozialen Handlungen zum
Wähler aufbauen, um im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit
26. Klaus Strobl NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG
Micro-Targeting: Made in USA
des Wählers in Zeiten des Informationsüberdrusses und der
Reizüberfl utung bestehen zu können.
• Die individuellen Bedürfnisse und Emotionen der Wähler zu
erforschen und durch differenzierende und emotionalisierende
Themen anzusprechen steigert das Interesse der Wähler und
damit die Wahlbeteiligung, und beeinfl usst aufgrund der stär-keren
Überzeugungswirkung vor dem Hintergrund einer Rele-vanz
für das eigene Leben, deren Wahlentscheidung.
• Die aktive Einbeziehung der Wähler in den Kampagnenpro-zess
im Sinne eines „Civic Political Campaigning“ und „Com-munity
Building“ mit organisierter Interaktion, Artikulation und
Partizipation erhöht die Zahl der Sympathisanten und aktiven
Mitstreiter und ermöglicht so eine noch direktere Anbindung
des Wählers an die Wahlbewegung abseits medialer „Stim-mungshype-
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Mache“.
• Die Rückbesinnung auf traditionelle Formen des Wahlkamp-fes,
gepaart mit den zeitaktuellen Technologien der Erfassung,
Auswertung und Anwendung von Daten, steigert die Effi zienz
und Effektivität der kommunikativen Maßnahmen, die über das
Einweg-Gießkannenprinzip traditioneller Medienkampagnen
nicht zu erzielen sind.
• Die Möglichkeiten des informationstechnologischen Fortschrit-tes,
gekoppelt mit den Methoden der politischen Kommunika-tion
über soziale Internetzwerke und der realen Gemeinschaft
vor Ort nach dem us-amerikanischen (Obama-)Vorbild birgt
neue Chancen für die Politik wieder eine direktere Sprache zu
fi nden.
Unter dem Leitsatz „Mass-Media-Marketing schafft Image und Stim-mung,
aber „Micro-Grassroots-Targeting“ bewegt die (Wähler-) Stim-men“
soll das Gesamtwerk auch einen Beitrag zu einem Bewusstseins-bildungsprozess
leisten, dass nur ein integrierter optimal aufeinander
abgestimmter Einsatz von Breiten- (Imagebildung und Stimmungsauf-bau
als Teil medialer Begleitarbeit) und Tiefenkampagne (Wählermobili-sierung
und -konvertierung als Teil gesellschaftspolitischer Basisarbeit)
sowohl die Effi zienz und Effektivität der Kampagnensteuerung gewähr-leisten
als auch die Stimmausschöpfung von Wählerpotentialen opti-mieren
kann.
27. NEUE METHODEN DER KAMPAGNENSTEUERUNG Klaus Strobl
Micro-Targeting: Made in USA
Darüber hinaus soll die Gesamtarbeit vor allem Entwicklungsprozesse
in den Managementkompetenzen von Parteien samt den damit verbun-denen
26 I
strategischen, organisatorischen und technologischen Heraus-forderungen
vorantreiben.
Damit soll auch eine kommunikationspolitische Neupositionierung und
ein verändertes Rollenverständnis der (mittlerweile in die Jahre und
schon fast außer Mode und in Bürgerwut gekommene) Marke „Partei“
als postmoderne Dienstleistungs-, Service- und Netzwerkunternehmung
vermittelt werden.
Da es die Parteien mittlerweile schon ziemlich verlernt haben mit dem
Bürger direkt in Kontakt und Dialog treten zu wollen und die monologe
Kommunikation im Megaphon-Stil über Plakate, Inserate und Fernseh-auftritte
mit einseitig vermittelten Steno-Botschaften zukünftig zu wenig
sein wird um am politischen Markt bestehen zu können, sind neue und
differenziertere, den aktuellen gesellschaftlichen und kommunikativen
Rahmenbedingungen angepasste, Steuerungsmethoden notwendig.
Letztendlich wird es darauf hinauslaufen, so die These des Autors, dass
diejenigen Parteien, die sich diesen Entwicklungserfordernissen nicht
anpassen, zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig und somit langfris-tig
auch politisch nicht überlebensfähig sein werden. Der strategische
Schlüssel-Code dazu liegt in postmodernen demokratischen Gesell-schaftssystemen
in der Methodik des Micro-Targeting verborgen.