Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Prof. Dr. Oliver Scheytt: Polit-Marketing für Kultureinrichtungen
1. Kultur und Politik B 1.4
Strukturen und Prozesse in der Kulturpolitik
Polit-Marketing für Kultureinrichtungen
Empfehlungen für eine aktive Positionierung in
politischen Entscheidungsprozessen
Prof. Dr. Oliver Scheytt
Kultureinrichtungen haben ihre finanzielle Basis meist in kommunaler und/oder staatlicher Förde-
rung, bei öffentlichen Kulturinstitutionen ist diese konstitutiv. Verantwortlich dafür sind Politiker in
Parlamenten, Gemeinderäten oder Kreistagen. Dabei sind nicht nur die Mitglieder von Kulturaus-
schüssen entscheidend, vielmehr liegen die Machtzentren in den Finanzausschüssen und den Regie-
rungsfraktionen. In politischen Entscheidungsprozessen sind daher Verbündete auch jenseits des
engeren Feldes der Kulturpolitik zu suchen. Die für Kultureinrichtungen Verantwortlichen überlas-
sen diese Prozesse meist den (mitunter nicht durchsetzungsfähigen) Kulturpolitikern, obwohl es
dabei um Budgets geht, die potentielle Sponsorengelder um ein vielfaches übersteigen, ja als „insti-
tutionelle Förderung“ in der Regel eine Jahrzehnte währende Kontinuität aufweisen. Es ist daher
notwendig und lohnend, die politischen Prozesse und die damit verbundene Kommunikation zu
analysieren sowie aktiv mitzugestalten, um im alltäglichen Kampf um finanzielle Mittel die eigene
Einrichtung optimal zu positionieren.
Dieser Beitrag gibt Hinweise für eine aktive Gestaltung politischer Kommunikation im Sinne eines
Marketing im politischen Prozess, wobei die Positionierung einer kommunalen Musikschule als
Beispiel dient.
Gliederung Seite
1. Aufmerksamkeit als „Währung“ des Polit-Marketing 2
2. Die politische Position der Kultureinrichtung 4
2.1 Politikfeldanalyse 4
2.2 Exemplarisch: Die Position der Musikschule 5
3. Aktive Positionierung auf Basis politischer Analyse und Strategie 7
3.1 Strategie für die Innen- und Außenpolitik der Kultureinrichtung 8
3.2 Die politischen Interessensfelder „Steuerung“ und „Wirkung“ 9
4. Konsens durch Zieldiskussion und Zielvereinbarung 10
5. Politik der Aufmerksamkeit 12
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2. B 1.4 Kultur und Politik
Strukturen und Prozesse in der Kulturpolitik
1. Aufmerksamkeit als „Währung“ des
Polit-Marketing
Welche Erwartungen haben Kultureinrichtungen an die Politik und
umgekehrt? Dies ist eine viel zu selten gestellte Frage – es steht gar zu
befürchten, dass diese Frage viel zu wenig in ihrer ganzen Tiefe aus-
gelotet wird. So bleiben die Erwartungen diffus oder auch lediglich
von Vorurteilen geprägt.
„Ökonomie der Aufmerksamkeit ist die entscheidende Währung von Politik in der
Aufmerksamkeit“ Öffentlichkeit. Politik will Aufmerksamkeit wecken, aufmerksam
machen und letztlich Erwartungen der Wähler erfüllen. Kultureinrich-
tungen bieten diese Währung, denn sie sind Plattformen und Dreh-
scheiben für Kontakte und Kommunikation. Kultur und kulturelle
Bildung sind in der allgemeinen Öffentlichkeit in aller Regel positiv
besetzt. Ein Bild mit musizierenden Kindern etwa ist einnehmend, hat
eine optimistische Ausstrahlung. Kultureinrichtungen versprechen also
positive Kommunikation. So lässt sich feststellen und erklären, dass
Kultur und vor allem kulturelle Bildung in der Politik zunehmende
Aufmerksamkeit erfahren. Dies ist die Ausgangsthese dieses Beitra-
ges. Und daher sollten sich Kultureinrichtungen ihre Potenziale in der
„Ökonomie der Aufmerksamkeit“ (Georg Franck) zu Nutze machen:
Sie sollten nicht als Bittsteller bei Politikern um finanzielle Zuwen-
dungen auftreten. Vielmehr geht es darum, Konsens zu erzielen und
eine Kommunikation „auf Augenhöhe“ zu pflegen.
Zwei Dimensionen sind dabei zu unterscheiden:
Zieldimension • Die Zielsetzungen von Kultureinrichtungen (Kunst ermöglichen,
Kulturelle Bildung für alle, kulturelles Erbe bewahren etc.) sind si-
cherlich die erste und entscheidende Dimension für politischen
Konsens und politisches Engagement (Zieldimension).
Aufmerksamkeits- • Die Kultureinrichtung kann sich aber auch ihrer zweiten potentiel-
dimension len Dimension als eine besondere, positiv besetzte Kommunikati-
onsplattform für Politiker bewusst sein und mit der Währung
„Aufmerksamkeit“ im „politischen Geschäft“ erfolgreich sein
(Aufmerksamkeitsdimension). Die Möglichkeiten für einen (ge-
meinsamen) öffentlichen Auftritt sind vielfältigst: Veranstaltungen,
Ausstellungseröffnungen, Pressekonferenzen, Grußworte in Publi-
kationen, Begegnungen zwischen Politik und Wirtschaft, Hinter-
grundgespräche, Freundeskreissitzungen etc.
Kommunikation Kultureinrichtungen haben also Politikern etwas Bedeutendes zu bie-
selbstbewusst ten: Positiv besetzte Ziele und eine wertvolle, emotionale Wirkung in
Gestalten der (kulturellen) Öffentlichkeit. Sie sollten daher im Verhältnis zur
Politik eine selbstbewusste und viel aktivere Rolle einnehmen. Kul-
tureinrichtungen haben große Chancen, sich nicht nur bei Publikum
und Nutzern, sondern auch bei Politikern „gut zu verkaufen“.
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3. Kultur und Politik B 1.4
Strukturen und Prozesse in der Kulturpolitik
Daraus wird andererseits deutlich, dass Kultureinrichtungen von Poli- Aus Aufmerksamkeit
tikern nicht einfach Geld erwarten sollten nach dem Motto: „Gebt uns erwächst (finanzielle)
endlich mal die Knete, die uns zusteht.“ Den Kulturverantwortlichen Zuwendung
sollte Bewusst sein, dass sie letztlich von Politikern zunächst auch
Aufmerksamkeit, ja „Zuwendung“ im nicht finanziellen Sinne erwar-
ten – oder besser gesagt – sich um diese bemühen sollten. Aus ver-
ständnisvoller Zuwendung kann dann finanzielle Zuwendung erwach-
sen. Die meist schlechtere und nicht so nachhaltige Alternative ist
Förderung auf Druck – und das ist in der Politik dann entweder der
Druck der Öffentlichkeit oder das politikinterne Tauschgeschäft (Bei-
spiel: „Wenn du unser Museum förderst, helfe ich dir bei deinem
Sportplatz“). Solchen Druck zu erzeugen kann sehr kraftraubend sein
und ist naturgemäß auch mit dem nicht zu unterschätzenden Risiko
der Ablehnung verbunden („Wir lassen uns doch von diesen wenigen
Kulturleuten nicht erpressen“). Gleichwohl ist dieser Weg auch eine
Variante des Polit-Marketing, die als ultima ratio im Einzelfall ein-
schlägig sein kann.
Polit-Marketing sollte im Grundsatz darauf ausgerichtet sein, Gemein- Imagetransfer
samkeit zwischen der Kultureinrichtung und der Politik in der Weise
zu erzeugen, dass ein Imagetransfer ermöglicht wird. Dies setzt vor-
aus, dass die Kultureinrichtung ihr gutes Image pflegt und einsetzt.
Insofern hat Politmarketing im Kommunikationsprozess durchaus
Ähnlichkeiten mit der Akquisition von Sponsoren: Auch hier geht es
um ein „Geschäft auf Gegenseitigkeit“, bei dem der Austausch von
Leistungen und Gegenleistungen auf einen Imagetransfer zwischen
der jeweiligen Kulturinstitution oder -veranstaltung und dem Sponsor
abzielt.
Um den Prozess des Polit-Marketing zu strukturieren, ist es unver-
zichtbar, sich die strategische Ausgangslage bewusst zu machen.
• Zunächst ist daher die Position der jeweiligen Kultureinrichtung in
der Politik zu analysieren (Kap. 2).
• Sodann geht es darum, den politischen Prozess und die „Kampag-
nenfähigkeit“ der Kultureinrichtung näher zu betrachten (Kap. 3),
• um dann zu beleuchten, wie die Kultureinrichtung im politischen
Prozess so (neu) positioniert werden kann, dass sie auf der Basis
eines politischen Konsenses über die Ziele für ihre Arbeit in ihrer
Ressourcenausstattung gesichert wird (Kap. 4).
• Schließlich sollen die Möglichkeiten, bei und gemeinsam mit Politi-
kern Aufmerksamkeit zu erzielen, näher betrachtet werden (Kap. 5).
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4. B 1.4 Kultur und Politik
Strukturen und Prozesse in der Kulturpolitik
2. Die politische Position der
Kultureinrichtung
2.1 Politikfeldanalyse
Kultureinrichtungen haben ohne Zweifel wesentliche Aufgaben, die
den Führungskräften und dem Personal aus der täglichen Arbeit und
vielfältigen Argumentationspapieren bestens vertraut sind. Doch der
Erfolg in der Politik setzt voraus, dass Politiker von der Bedeutung der
Arbeit der Kultureinrichtung überzeugt werden. Zwei erste Leitfragen
stellen sich für eine Analyse, die der Strategieentwicklung vorangehen
sollte:
Zwei Leitfragen • Welche Rolle spielt die Kultureinrichtung im Bewusstsein der Poli-
tiker? Diese Frage zielt auf die reale Lage im örtlichen Zusammen-
hang: Es geht um das Wissen der politisch Verantwortlichen um
Aufgaben, Ziele, Arbeitsweise und Wirkungsfelder der Kulturein-
richtung
• Welche Position hat die Kultureinrichtung in den einzelnen Politik-
feldern? Dabei geht es darum zu erkennen, welche Argumentati-
onsstränge sich aus den mitunter komplexen politischen Zusam-
menhängen herausarbeiten lassen.
Politikfeldanalyse ist Beide genannten Fragen werden allzu selten gestellt. Sie sind aber
entscheidendes Element Basis der Selbsterkenntnis dahingehend, welche Ausgangslage und
der Selbsterkenntnis Anknüpfungspunkte es für ein gelungenes Polit-Marketing gibt.
Zu beachten ist dabei auch, dass letztlich nicht von der Politik gespro-
chen werden kann, da die vielen beteiligten Akteure sehr unterschied-
liche Voraussetzungen und Interessen mitbringen. Daher sollten beim
Polit-Marketing – wie beim generellen Marketing auch – die unter-
schiedlichen Zielgruppen näher betrachtet und bei etwaigen Aktionen
jeweils spezifische Berücksichtigung finden. Eine kundige Kulturpoli-
tikerin zu überzeugen, kann eine ganz andere Strategie voraussetzen
als einem bornierten Finanzpolitiker die Kultureinrichtung näher zu
bringen. Generell lässt sich indes festhalten: Die Bewusstseinslage in
der Politik von der Arbeit der Kultureinrichtungen ist in der Regel viel
weniger ausgeprägt als die Verantwortlichen annehmen.
Unterschiedliche Die Position einer Kultureinrichtung in den Politikfeldern ist je nach
Positionen Einrichtung sehr unterschiedlich: Ein Museum hat nicht nur eine Bil-
dungsfunktion, sondern bewahrt auch kulturelles Erbe. Ein Theater
reflektiert die gesellschaftliche Entwicklung, nimmt aber auch Unter-
haltungsfunktionen wahr. Eine Bibliothek ist eine umfassende Me-
dienzentrale, die nicht nur Medienkompetenz vermittelt, sondern als
Informationszentrale Wissen zur Verfügung stellt.
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