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J U L I U S R A A B S T I F T U N G
Harald Mahrer
J U L I U S R A A B S T I F T U N G
Harald Mahrer
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro-
verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
2015 Verlag noir, Wien
Verlag noir, 1120 Wien, Tivoligasse 73
www.verlagnoir.at
Herausgeber: Julius Raab Stiftung
Grafik und Satz: dggd – Doris grussmann graphic design
Lektorat: Dr. Arnold Klaffenböck
Foto: David Sailer IMAGES
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH
Printed in Austria
ISBN 978-3-9503812-1-4
Vorwort
Seite 7
Für eine neue Gründerzeit
Seite 9
Für eine neue Gründerzeit in der Wirtschaft
Seite 13
Für eine neue Gründerzeit in der Gesellschaft
Seite 19
Für eine neue Gründerzeit in der Bildung
Seite 27
Symbole einer neuen Gründerzeit
Seite 33
5
7
Die Zukunft von Wirtschaftskraft, Arbeit und Wohlstand in
Österreich ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen sie uns
hart erarbeiten. Das zeigt sich gerade jetzt – in einer Zeit, wo
die wirtschaftliche Entwicklung fordernd ist und auf Sicht wohl
auch bleibt. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit wird nur mit er-
folgreichen Unternehmen gewonnen, nicht mit staatlichem In-
terventionismus.
Österreich braucht eine klare Wachstumsperspektive, damit un-
sere Erfolgsgeschichte auch in Zukunft gesichert ist. Wachstum
ist nicht nur eine Frage der wirtschaftspolitischen Rahmenbedin-
gungen, sondern auch eine Frage des „Mindsets“ unserer Ge-
sellschaft. Wie reform- und veränderungsbereit sind wir? Wie
wichtig ist uns unsere persönliche und wirtschaftliche Freiheit?
Welche Werte und Anliegen vermitteln wir in unserem Bildungs-
system?
Der vorliegende Essay plädiert dafür, Österreichs Perspektiven
für Wachstum und Wohlstand im Projekt einer neuen Gründer-
zeit zu bündeln. Goldene Zeiten für Österreich sind möglich,
wenn wir nur wollen. Nicht nur für die Wirtschaft, sondern vor
allem auch für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur und da-
mit in Folge für unser ganzes Land.
Vorwort
8
Wir müssen um- und weiterdenken, damit Gutes so bleibt, wie
es ist. Wir müssen aber auch vieles verändern, damit Besseres
möglich wird. Mit einer klaren Perspektive. Mit viel Einsatz. Mit
einer neuen Gründerzeit.
Dr. Harald Mahrer
Präsident der Julius Raab Stiftung
9
Österreich braucht eine neue Gründerzeit. Eine Zeit neuer wirt-
schaftlicher und gesellschaftlicher Dynamik. Eine Phase der In-
novation und Weiterentwicklung. Ein Klima, in dem die Zukunft
wieder spannend wird. Nur so werden wir die großen Heraus-
forderungen unserer Zeit bewältigen können: Die demografisch
alternde Gesellschaft. Das „japanische Szenario“ der wirtschaft-
lichen Seitwärtsentwicklung. Das Erstarren von Institutionen. Die
Reformverweigerung maßgeblicher politischer Kräfte. Die zuneh-
mende Angst vor Statusverlust und damit vor der Zukunft.
Der Weg ist daher klar: Nur mit einer neuen Gründerzeit werden
wir die österreichische Erfolgsgeschichte weiterschreiben und den
gesellschaftlichen Zusammenhalt auf Dauer sichern können.
Weg in die Moderne
Wer von einer „Gründerzeit“ spricht, weckt natürlich historische
Assoziationen. Die Phase zwischen der bürgerlichen Revolution
von 1848 und dem Ersten Weltkrieg war eine Phase der wirt-
schaftlichen, infrastrukturellen und auch gesellschaftlichen Mo-
dernisierung unseres Landes. Neue Technologien, neue Produkti-
onsverfahren und neue Produkte fanden massenhaft Verbreitung.
Die Wirtschaft boomte, zahlreiche Industriebetriebe wurden ge-
gründet. Und: Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur erlebten
eine Blütezeit. Österreich wurde modern – so weit dies unter den
damaligen politischen Bedingungen möglich war.
Für eine neue Gründerzeit
10
Kultur der Bürger
In der Gründerzeit übernahm das Bürgertum die gesellschaftliche
kulturelle Führung. Österreich erlebte damals eine – sehr kurze –
Hochzeit des Liberalismus, der die Freiheit der Bürger vom Staat in
den Mittelpunkt stellte. Das Ringen um Freiheit und Emanzipation
war, verbunden mit Innovationskraft in Wissenschaft, Technologie
und Wirtschaft, die Antriebskraft einer beispiellosen Entwicklung.
Freihandel sowie liberale Verwaltung und Gesetzgebung schufen
dafür entsprechende Rahmenbedingungen.
Die Wiener Moderne setzte in Kunst und Kultur neue Maßstäbe.
Ohne Gründerzeit wären wir in Österreich nicht zu dem gewor-
den, was wir sind – und auch nicht zu einem Land mit starken
industriellen Leitbetrieben, die auch angesichts der Verwerfungen
der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise Wirtschaftskraft und
Beschäftigung sichern.
Großmacht war gestern
Natürlich: Wer über die historische Gründerzeit spricht, darf ihre
Schattenseiten nicht verschweigen: das überhitzte Wachstum bis
zum Börsenkrach 1873, der hochspekulative Charakter vieler Ge-
schäfte, die sozialen Probleme. Aber die Gründerzeit stand und
steht für politische, kulturelle und wirtschaftliche Veränderung aus
eigener Kraft. Die Gründerzeit hat die Basis für Modernisierung
und Entwicklung geschaffen. Unser Land war an der Wende vom
19. zum 20. Jahrhundert eine wirtschaftliche und kulturelle Groß-
macht. Wir leben noch immer davon, vor allem im Tourismus.
Goldene Zeiten
Heute eine neue Gründerzeit für Österreich anzustoßen heißt
nicht, die Entwicklung von damals – und ihre zahlreichen Proble-
me – kritiklos anzunehmen und nachzuahmen. Wir brauchen eine
andere, ein intelligentere, eine ökosoziale Gründerzeit.
11
Eine Gründerzeit, die auf dem richtigen gesellschafts- und ord-
nungspolitischen Rahmen steht, nämlich dem einer Ökosozialen
Marktwirtschaft. Wo nicht wertefreies Laisser-faire, sondern Frei-
heit, Leistung, Solidarität und Verantwortung die Leitlinien der
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung markieren.
Eine Gründerzeit, welche die massiven Umbrüche unserer Zeit für
unsere Zukunft nützt. Wissensgesellschaft, digitale Welt, Globa-
lisierung, Industrie 4.0, Migration und Partizipation sind Chiffren
für Veränderungen, denen wir nicht nur zusehen dürfen, sondern
die wir auch für uns gestalten müssen. Wir brauchen eine neue
Dynamik in Österreich: wirtschaftlich, sozial, kulturell, strukturell.
Mit dem Projekt einer neuen Gründerzeit schreiben wir Öster-
reichs Erfolgsgeschichte in Europa und der Welt weiter. Wir kön-
nen Vorbild und Leuchtturm sein und so den Weg in neue golde-
ne Zeiten einschlagen.
13
Die wirtschaftlichen Prognosen verheißen nichts Gutes. Es droht
uns ein „japanisches Szenario“, warnen Experten. Wachstum ist
keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern ein zartes Pflänzchen,
das man hegen und pflegen muss. Denn an einer leistungsstar-
ken Wirtschaft hängt unser gesamtes Gesellschaftsmodell. Breiter
Wohlstand und soziale Sicherheit sind ohne Wachstum nicht zu
haben.
Wachstum und Sozialleistungen stehen nicht in nachhaltiger Ba-
lance. Unsere Sozialquote hat sich seit 1955 von 16,7 Prozent
auf knapp 30 Prozent des BIP fast verdoppelt. Unser Wirtschafts-
wachstum hat sich im selben Zeitraum ständig verringert. Das
reale Potenzialwachstum liegt nur mehr bei knapp über einem
Prozent pro Jahr. Das muss sich ändern.
Die richtige Antwort auf die wirtschaftlichen Herausforderungen
sind nicht neue Steuern oder Belastungen, sondern eine neue
Gründerzeit. Neue Unternehmen bringen auch in fordernden Zei-
ten neues Wachstum und neue Jobs. Wer in Österreich neue Ar-
beitsplätze will, darf nicht das freie Unternehmertum verteufeln.
Damit muss ein für alle Mal Schluss sein.
Wachstum von morgen
Eine aktuelle Analyse des Ökonomen Gottfried Haber zeigt: Si-
muliert man die Wachstums- und Folgeeffekte der Unterneh-
mensgründungen des Jahres 2013 über die nächsten zehn Jahre
hinweg, so ergibt sich ein stetiger Wachstumspfad sowohl bei
Für eine neue Gründerzeit
in der Wirtschaft
14
der Beschäftigung als auch bei der Wertschöpfung. So würden
die 2013 gegründeten Unternehmen beispielsweise im Jahr 2024
eine gesamte Wertschöpfung in der Höhe von 9,9 Mrd. Euro und
einen Beschäftigungseffekt von insgesamt 294.000 Arbeitsplätzen
erzielen.
Nachhaltiger Erfolg
Weil in Summe in der Gesamtwirtschaft sieben Arbeitsplätze mit
einem durchschnittlichen neu gegründeten Unternehmen ver-
bunden sind, hängen insgesamt 196.598 Arbeitsplätze des Jah-
res 2014 an den Gründern des Jahres 2013. Beeindruckend an
Österreichs jungen Unternehmen ist auch ihr nachhaltiger Erfolg:
Knapp 70 Prozent der Gründungen sind nach fünf Jahren immer
noch erfolgreich am Markt tätig.
Ungenutztes Potenzial
Haber zeigt in seiner Studie auch auf, wie wichtig es für Österreich
ist, die Attraktivität des Jungunternehmertums zu verbessern.
Würde es gelingen, die gesamte Gründungsaktivität um nur zwei
Prozent zu steigern, würde Österreich noch stärker von jungen
Unternehmen profitieren. Über die gesamte Periode 2014–2024
käme es nämlich zu einer Mehrbeschäftigung von etwa 294.000
Personenjahren. Die zusätzliche Wertschöpfung über die nächsten
zehn Jahre würde im Jahr 2024 sogar rund 14 Mrd. Euro betra-
gen. Maßnahmen zur Erhöhung nachhaltiger Gründungen, z. B.
im Bereich der Verfügbarkeit von Gründungskapital, können somit
einen langfristigen und wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftsent-
wicklung der österreichischen Volkswirtschaft leisten.
Das Bürokratie-Problem
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wir sind auf eine neue
Gründerzeit in der Wirtschaft angewiesen. Die Unternehmer
brauchen freie Bahn, nicht die Unterlasser. Und auch nicht die
Regulierer. Jungunternehmer und Start-ups bergen ein riesiges
15
Potenzial für Wachstum, Innovation und Beschäftigung. Aber die
überbordende Bürokratie und der damit verbundene Aufwand für
die Unternehmer würgen dieses Potenzial zunehmend ab.
Eine market-Studie zeigt: Über die Hälfte der Jungunternehmer
(54 Prozent) stuft Österreich als sehr bürokratisch ein. Nur ein
Prozent findet, dass dies nicht der Fall sei. Als besonders schlimm
werden die Bereiche externer Evaluierungen und Überprüfung –
beispielsweise durch das Arbeitsinspektorat, die AGES und andere
– wahrgenommen. 84 Prozent der Jungunternehmer erleben bü-
rokratische Hürden. Auch bei der Lohnverrechnung, bei den Ge-
nehmigungen zur Erweiterung von Produktions- und Arbeitsstät-
ten sowie beim Einstellen von Mitarbeitern sind Jungunternehmer
mit übermäßiger Bürokratie konfrontiert.
Angst vor mehr
Unter der bürokratischen Last leidet die unternehmerische Tätig-
keit massiv. Im Durchschnitt werden 8,35 Stunden in der Woche
mit Bürokratie verbracht – ein ganzer Arbeitstag. Kein Wunder
also, dass sich über drei Viertel der in der Studie befragten Jung-
unternehmer durch die Bürokratie oft oder manchmal von ihrer
Haupttätigkeit abgehalten fühlen.
Aus Sicht der Jungunternehmer nimmt der bürokratische Auf-
wand zu statt ab. Acht von zehn Jungunternehmern empfinden
das heutige Ausmaß der durch die Behörden vorgegebenen bü-
rokratischen Auflagen als unverhältnismäßig, so die Studie. Die
Befragten interpretieren diese sich weiter negativ entwickelnden
Rahmenbedingungen als innovationshemmend. Und sie sehen
damit geringere Spielräume für Investitionen verbunden.
Der Bürokratieabbau spielt daher für eine neue Gründerzeit in der
Wirtschaft eine Schlüsselrolle. Das Prinzip, dass für jedes neue Ge-
setz ein altes aufgehoben wird (one in – one out), ist für die Grün-
derzeit zu wenig: one in – five out ist die bessere Relation. Das
Umsetzen der Idee der Sunset-Legislation wäre auch ein Gebot
16
der Stunde. Eine automatische Auslaufklausel für alle Gesetze, die
eine zwingende Evaluierung von beschlossenen Maßnahmen und
ihrer bürokratischen Folgeeffekte bedingen würde.
Neue Wege gehen
Notwendig ist mit Blick auf gesetzliche Aktivitäten ein Gründer-
verträglichkeits-Check: Alle gesetzlichen Maßnahmen und Ver-
waltungsaktivitäten sollen überprüft werden, ob sie Start-ups
ver- oder behindern. Barrieren, die die neue Gründerzeit in der
Wirtschaft behindern, sollen aus dem Weg geräumt werden.
Ebenso notwendig ist eine Verbesserung der Finanzierungssitua-
tion von jungen Unternehmen. Wir brauchen neue Wege in der
Mittelaufbringung gerade im Seed Financing, sei es Crowdfun-
ding oder alternative Risikokapitalfinanzierung. Für eine neue
Gründerzeit brauchen wir Kanäle und Instrumente abseits und in
Ergänzung der traditionellen Bankenfinanzierung.
Der Mittelstand ist die Zukunft
Gewinnen wir mit vielen Start-ups, die sich zu mittelständischen
Unternehmen entwickeln, die Zukunft? Ja, sagt etwa WU-Profes-
sor Nikolaus Franke. Er verweist darauf, dass die Mitarbeiteranzahl
abnimmt. Beispielsweise hat das durchschnittliche amerikanische
Unternehmen heute zehn Mitarbeiter. 1990 waren es noch 25.
Man kann also einen globalen Trend zu kleineren Betrieben er-
kennen. Sie sind offen, schnell, flexibel und unbürokratisch. Sie
haben ein aktives Management – meist der Eigentümer. Und sie
orientieren sich an langfristigen Zielen. KMU werden immer wich-
tiger. Der Schlüssel zum Erfolg ist ihre Innovationsfähigkeit. Und
gerade in Österreich brauchen wir wieder neue Schubkraft: Die
Anzahl der Unternehmensgründungen ist in Österreich zwischen
1993 und 2008 zwar von rund 15.000 im Jahr 1993 auf knapp
17
30.000 im Jahr 2008 angestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs
von rund 100 Prozent. Allerdings ist ab 2005 eine Konsolidierung
der Dynamik zu beobachten.
Jeder kann etwas unternehmen
Es gibt in Österreich hunderttausende Menschen, die eigentlich
ihr eigener Chef sein wollen. Wir sollten sie nicht länger davon ab-
halten. Gründer, Start-ups und Jungunternehmer aller Altersstufen
sind die Pioniere einer neuen Gründerzeit, die wir für Wachstum,
Wohlstand und soziale Sicherheit im Land existenziell brauchen.
Träger einer neuen Gründerzeit sind aber letztlich alle, die unter-
nehmerisch denken und handeln. Sie stehen für die Werte, auf
die es für unsere Zukunft mehr denn je ankommt: Leistung, Fleiß,
Veränderungsbereitschaft, Mut zum Neuen.
19
Die Zukunft unserer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte ist nicht
von unserer gesellschaftlichen Erfolgsgeschichte zu trennen. Und
hier müssen wir uns offen fragen: Wie ist es um unsere Mentali-
tät, um das gesellschaftliche „Mindset“ bestellt, das notwendig
für neue Dynamik und Offenheit ist? Sind wir „hungrig“ auf
Zukunft? Oder sind wir in einer Situation, wo gesellschaftliche
Verlustängste das Bild prägen – und das sogar in grundsätzlich
aufstiegsorientierten Schichten? Sind wir Angstmachern und Zu-
kunftsverweigerern auf den Leim gegangen?
Die Soziologin Cornelia Koppetsch ortet in ihrem Essay „Die
Wiederkehr der Konformität“ eine Sehnsucht nach Geborgen-
heit angesichts von Abstiegsängsten. Die Mittelschicht fürchtet
sich nicht mehr vor „Beschränktheit und Provinzialität, sondern
vor Statusverlusten“, lautet der Befund. Und im politischen
Spektrum links der Mitte gebe es ohnehin „kein Leitbild, kein
Modell von einer zukünftigen gerechten Ordnung.“ Die Linke
begreife sich nur mehr als „letztes Bollwerk gegen den Abbau
des Sozialstaats.“ Das alles sind keine guten Voraussetzungen
für eine aktive Bewältigung der Zukunft.
Kompetenz zur Veränderung
Der Schlüssel zu einer mentalen Gründerzeit in der Gesellschaft
liegt wohl in unserer Kompetenz als Gesellschaft, mit Verände-
rungen umzugehen. Darin, Veränderung proaktiv anzustreben,
Für eine neue Gründerzeit
in der Gesellschaft
20
statt nur ihre Folgen zu verwalten. Und immer auch die Chancen
der Veränderung zu sehen, statt nur Verluste wahrzunehmen.
Dass auch grundlegende Veränderungen für unser Land kein
Verlustgeschäft sind, zeigt gerade jetzt der Rückblick auf den
EU-Beitritt Österreichs vor 20 Jahren. Er ist ein beeindrucken-
des Beispiel, wie sich Veränderung für Österreich ausgezahlt
hat. Wenn man die zahlreichen Ängste und Warnungen damals
mit der Erfolgsstory, die Österreich in der Zwischenzeit schrieb,
vergleicht, wird dies klar. Heute wissen wir: Mehr Wirtschafts-
wachstum, mehr Arbeitsplätze, mehr Sicherheit, mehr Stabilität
– das gab es nur deshalb, weil sich Österreich damals verändert
hat. Der EU-Beitritt an sich war wohl einer der wirksamsten Ka-
talysatoren für strukturelle Reformen in Österreich.
Um das gesellschaftspolitische „Mindset“ in Österreich im Sinn
einer neuen Gründerzeit zu entwickeln, ist an unterschiedlichen
Stellen anzusetzen. Drei davon sollen hier hervorgehoben wer-
den: die Entwicklung eines politischen Narrativs, einer großen
Zukunftserzählung, in dessen Mittelpunkt Veränderungsfähig-
keit steht, die unterschätzte Bedeutung von Kunst und Kultur für
Kompetenz zur Veränderung und die Chancen einer modernen
Partizipationskultur.
Ein neuer Narrativ
Für Veränderungen im Sinn einer neuen Gründerzeit in Öster-
reich brauchen wir im Land – ähnlich wie beim EU-Beitritt – ei-
nen Narrativ, der Veränderung und Dynamik in einem konkreten
Werte-Kontext überzeugend argumentiert, und der in Politik
und Gesellschaft glaubwürdig erzählt und vertreten wird.
Das Thema eines solchen Narrativs könnte Veränderung aus Ver-
antwortung lauten. Es geht darum, Dinge zu verändern, damit
es besser wird im Land. Nicht aus Selbstzweck und zur Selbstin-
szenierung, sondern aus Verantwortung für die Zukunft. Das hat
die Erfolgsgeschichte unserer Zweiten Republik immer wieder
21
belebt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Volkspartei hier
die tragende Rolle gespielt hat und spielt. Staatsvertrag, Sozia-
le Marktwirtschaft und EU-Beitritt sind nur einige Meilensteine
solcher wichtiger Veränderungen und positiver Weiterentwick-
lungen.
Unternehmen statt unterlassen
Der Grundsatz Veränderung aus Verantwortung macht deutlich,
dass uns Rezepte von gestern oder einfach nur Nichtstun nicht
weiterhelfen, im Gegenteil. Sie gefährden unsere Zukunft. Aus
Verantwortung manches zu verändern sind wir vor allem den
jungen Menschen schuldig. Chancen statt Schulden. Sozialer
Aufstieg statt Abstiegsängste. Arbeit statt Perspektivenlosigkeit.
Unternehmen statt unterlassen. Das alles leitet sich aus einem
Narrativ ab, der Veränderung aus Verantwortung anstrebt.
Dieser Narrativ muss den Wettbewerb mit dem sozialdemokra-
tischen und dem rechtspopulistischen Narrativ aufnehmen. Der
linke Narrativ stellt bekanntlich die Umverteilung in den Mittel-
punkt: Allen wird es gut gehen, wenn jene, die mehr haben,
etwas an jene abgeben müssen, die weniger haben. Nicht un-
ähnlich argumentiert der rechte Narrativ, der eigentlich eine Va-
riante des egalitaristischen linken Narrativs ist. Er lautet: Damit es
„uns“ besser geht, darf es den „anderen“ bei uns nicht so gut
gehen wie uns. In beiden Narrativen geht es um die Verwaltung
des Bestehenden – aber nicht darum, sich Neues und Besseres
zu erarbeiten.
Umso wichtiger ist es, den bürgerlichen Narrativ auf den Punkt
zu bringen und zu vertreten: Es geht uns gut, weil wir uns verän-
dern. Das ist der Narrativ einer neuen Gründerzeit.
Veränderung braucht Kultur
Der enge Konnex zwischen wirtschaftlicher und kultureller
Dynamik ist in der historischen Gründerzeit deutlich gewor-
22
den. Es war und wurde einfach mehr möglich. Nicht umsonst
haben wirtschaftliche und künstlerische Leistungen einander
überflügelt.
Mehr möglich zu machen, darum geht es auch heute. Adri-
enne Goehler hat mit ihrem Konzept der „Kulturgesellschaft“
in ihrem Werk „Verflüssigungen. Wege und Umwege vom So-
zialstaat zur Kulturgesellschaft“ eine diskutierenswerte Matrix
für die verantwortungsvolle Bewältigung von Veränderung
formuliert. Das Nachdenken über die Kulturgesellschaft, so
Goehler, greife auf, was unübersehbar sei, aber von der Politik
nicht aufgegriffen werde: Lebensrhythmen, Bedürfnisse und
Vorstellungen von Werten, auch dem Wert von Arbeit, ver-
ändern sich. Soziale Strukturen sind variabel, Arbeits- und Pri-
vatleben überschneiden sich. Derartigen „Verflüssigungen“ als
Gegenmomente zu Erstarrung und Abkapselung müsse auch
die Politik gerecht werden.
Es sei gerade die Heterogenität von Wegen, die gesellschaftli-
che und ökonomische Produktivität entfalte – und genau dabei
könnten und müssten Kunst und Wissenschaft eine entscheiden-
de Rolle spielen. Im Gegenzug müssten sich Künste und Wissen-
schaften „unerbittlich fragen lassen, wie sie ihre Verantwortung
in einer auf Kultur gerichteten Gesellschaft sehen, was sie über
die Erzeugung von Wissens- und Kunstproduktion hinaus zum
Umbau einer Gesellschaft beitragen können, deren Koordina-
tensystem für niemand mehr Verlässlichkeit bietet (...). Wissen-
schaft und Künste werden zeigen müssen, wozu die Gesellschaft
sie heute braucht.“
Kultur macht innovativ
Einer Kulturgesellschaft, so die Autorin, müsse es darum gehen,
aus der reparierenden sozialen Arbeit eine die Gesellschaft ge-
staltende zu machen: Selbstverantwortung, Vertrauen, Hingabe,
Eigeninitiative, immer wieder anfangen, experimentieren, aus-
probieren, verwerfen etc. – dies seien elementare Arbeitsweisen,
23
die Künste und Wissenschaften motivierten. „Kulturgesellschaft
ist gestaltende Verantwortung“, argumentiert Goehler.
Auch wenn man mit der ehemaligen Wissenschaftspolitike-
rin in vielen Punkten nicht einer Meinung sein muss: Ein Kul-
turverständnis, das Kultur als individuellen Veränderungswillen
versteht, der sich mit anderen verbindet, um Lösungen, Wege,
Ansichten zu erproben, zu verknüpfen und zu verwerfen, hat
für eine moderne Veränderungskultur höchste Relevanz. Kultur
fördert unsere Kompetenz zur Veränderung, zum Ausprobieren
neuer Wege. Sie macht innovativ. Und genau das braucht eine
neue Gründerzeit in der Gesellschaft. Zwischen einer Kultur- und
einer Unternehmergesellschaft gibt es wohl mehr Übereinstim-
mungen, als das Vertreter beider Bereiche wahrhaben wollen.
Kunst und Kultur als Behübschung und Wirtschaft als Kommerz
abzuqualifizieren, sollten wir uns nicht länger leisten.
Neue Partizipationskultur
Ein dritter wesentlicher Faktor für eine neue mentale Gründerzeit
in unserer Gesellschaft ist die Frage der Partizipation. Es gibt ein
viel zitiertes Diktum in der traditionellen Politik, wonach man als
Politiker den Menschen nur so weit voraus sein dürfe, als man
noch sichtbar sei. Soll heißen: Man sollte die Wählerschaft mit
Reformen und Veränderungen besser nicht überfordern. Das ist
Denken von gestern.
Heute stellt sich die Frage, wie veränderungsbereite Bürger die
Politik in die Zukunft mitnehmen können. Der große gesell-
schaftspolitische Trend zur Partizipation ist im Sinn einer neuen
Gründerzeit zu nützen.
Das Erfolgsprinzip dabei ist einfach und klar: Wer eingebunden
wird, übernimmt Verantwortung. Wer Verantwortung wahr-
nimmt, realisiert auch rascher Veränderungs- und Reformbedarf.
Partizipation ermöglicht mehr Handlungsspielräume für poli-
tische Gestaltung – und damit mehr Dynamik für die Zukunft.
24
Ein konkretes Beispiel dieses Zusammenhangs sind die positiven
Auswirkungen von Partizipation auf die finanziellen Handlungs-
spielräume von Staaten.
Mehr Partizipation, mehr Handlungsspielräume
Daniel Bochsler und Hanspeter Kriesi machen im Sammelband
„Herausforderung Demokratie“ darauf aufmerksam, dass mehr
Partizipation und Verantwortung auch finanzielle Ansprüche
verändert. Dies zeigt das Beispiel Schweiz sehr klar: „Dort, wo
öffentlich Finanzfragen in Referenden entschieden werden kön-
nen, sind die Staatsausgaben auch niedriger als in rein reprä-
sentativen Systemen. Soweit sie darüber mitbestimmen können,
gehen Bürgerinnen und Bürger mit ihrem eigenen Steuergeld
offensichtlich sparsamer um als ihre gewählten Repräsentanten.
Regionen (Kantone) mit einer starken direktdemokratischen Be-
teiligung haben auch eine geringere öffentliche Verschuldung,
eine höhere Steuermoral und bessere öffentliche Dienstleistun-
gen“, so die Autoren. Dieser Befund zeigt, dass in kluger Parti-
zipation ein wichtiges Momentum für Veränderungs- und Re-
formpolitik und damit für mehr Zukunft steckt. Wir sollten dieses
Potenzial heben und uns nicht davor fürchten.
Offene Innovationskultur
Eine breite gesellschaftliche Innovationskultur ist ein Schlüssel für
Veränderungen und neue Wege. Dabei ist der Open Innovation-
Ansatz ein wichtiges neues Paradigma. Auch hier steht Partizi-
pation im Mittelpunkt: Große Innovationen entstehen in unserer
global vernetzten Welt schließlich nicht mehr im tiefen Innersten
einer Organisation oder in „Hinterzimmern“ und „Elfenbeintür-
men“. Sie entstehen vielmehr an Schnittstellen unterschiedlicher
Sektoren und in Netzwerken. Sie entstehen im Zusammenspiel
unterschiedlicher Wissens- und Ideengeber. Das sind nicht nur
Unternehmen und Forschungseinrichtungen, sondern auch Kun-
den, User, Social Entrepreneurs, Start-ups, Zivilgesellschaft und
NGOs.
25
Gerade in diesem Bereich gibt es enorme Potenziale, die wir der-
zeit nicht oder nicht ausreichend nützen können. Open Innova-
tion und Collaborative Innovation bieten reale Chancen für eine
kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich, gesellschaftliche
Probleme zu lösen sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Stand-
orts und seines Innovationssystems im internationalen Vergleich
zu erhöhen. Eine offene Innovationskultur zur breiten Einbin-
dung braucht natürlich entsprechende Rahmenbedingungen
und Anreize, wie echte Vorbilder, mehr Fehlertoleranz, finanziel-
le Infrastruktur, moderne rechtliche Rahmenbedingungen – und
vor allem ein umfassendes Verständnis von Innovation und Inno-
vationssystemen. Innovation ist eben keine technische, sondern
eine kulturelle Frage.
Verlässliche Basis
Wer Anreize dafür setzen will, dass sich unser Land dynamischer
und offener Richtung Zukunft entwickelt und daher notwendi-
ge Veränderungen selbstbewusst und mutig anpackt, der muss
auch die ordnungspolitische „Geschäftsgrundlage“ dafür klar-
stellen. Sie fehlte in der historischen Gründerzeit.
Wir sind heute in der glücklichen Lage, ein in jeder Hinsicht
zukunftsfähiges Wirtschafts- und Sozialmodell zu haben: die
Ökosoziale Marktwirtschaft. Gerade nach der Finanz- und Wirt-
schaftskrise und ihren Verwerfungen gibt es zu Recht den Ruf
nach einem zukunftsorientierten Ordnungsmodell. Die Ökosozi-
ale Marktwirtschaft hat die richtigen Antworten.
Zukunftsfähiger Rahmen
Ein Höchstmaß an individueller Freiheit und wirtschaftlicher Leis-
tungskraft ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Solidarität
und eine nachhaltige Entwicklung. Wirtschaftliche Freiheit und
Leistungskraft sind kein Selbstzweck, sondern die unverzichtbare
Basis für soziale Sicherheit und Nachhaltigkeit. Das ist der Kern
der Ökosozialen Marktwirtschaft, aus der sich konkrete Politik
26
und notwendige Veränderungen klar ableiten lassen. All das
in einem klaren, berechenbaren Rahmen, der sicherstellt, dass
niemand auf die Reise in die Zukunft zurückgelassen wird. Eine
neue Gründerzeit im Rahmen der Ökosozialen Marktwirtschaft
sichert zugleich die positiven Wirkungen dieses weltweit einzig-
artigen Wirtschafts- und Sozialmodells – unseres Modells für die
Zukunft.
27
Der globale Trend zur Wissensgesellschaft macht Wissen zur ent-
scheidenden Produktivkraft, die alle Bereiche unserer Gesellschaft
und Wirtschaft durchzieht. Der Erfolg unserer Gesellschaft und je-
des Einzelnen hängt davon ab, wie wir mit Wissen umgehen und
es bestmöglich für Wohlstand und Arbeit einsetzen. Die Bedeu-
tung lebenslangen Lernens für individuellen und beruflichen Erfolg
und gesellschaftliche Integration muss zum common sense wer-
den. Das ist eine entscheidende Prämisse der neuen Gründerzeit.
Schluss mit Steinzeit-Debatten
Bildung und Weiterbildung stellen angesichts des raschen tech-
nologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels
große Herausforderungen an das gesamte Bildungssystem –
nicht nur an seine Struktur, sondern vor allem an seine Inhalte.
Unser Bildungssystem muss zum Beispiel verstärkt neben Kom-
petenzen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwis-
senschaft und Technik (MINT) auch wirtschaftliche Kompeten-
zen vermitteln. Wir wollen in jeder Schule, in jedem Uni-Institut
den Gründergeist wecken.
Eine neue Gründerzeit in Österreich, die unser Lebensmodell
durch Innovationskraft und Veränderungsbereitschaft fit für die
Zukunft macht, braucht erstklassigen „Treibstoff“. Und das ist
mehr denn je die Bildung. Was die bildungspolitische Debat-
te betrifft, so waren wir bisher von den Anforderungen einer
Gründerzeit weit entfernt. Wir haben uns vielmehr mit Steinzeit-
Für eine neue Gründerzeit
in der Bildung
28
Debatten über schulische Organisationsformen aufgehalten und
dabei viel Zeit verloren. Das muss sich ändern.
Wirtschaft in der Schule
Im wirtschaftlich starken Baden-Württemberg will man etwa ab
dem Schuljahr 2016/2017 an allen allgemeinbildenden Schulen
das neue Schulfach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“
einführen. Die Qualifikation der Schüler soll im Hinblick auf Be-
rufsorientierung, Studienwahl und ökonomische Grundbildung
verbessert werden. Für die praxisorientierten Werkrealschulen, die
Realschulen und die Gemeinschaftsschulen soll das neue Fach in
den Klassen 7 bis 10 mit fünf Stunden in der Woche unterrichtet
werden. An den Gymnasien wird es in den Klassen 8 bis 10 mit
jeweils drei Stunden pro Woche unterrichtet. Praktiker aus dem
beruflichen Alltag sollen in den Klassen referieren. Politisch ver-
antwortlich für das neue Schulfach sind übrigens nicht entfesselte
Neoliberale, sondern die grün-rote Landesregierung. In Österreich
könnte allein durch Projekte mit Wirtschaftsbezug im bestehenden
schulischen Rahmen viel für bessere Wirtschaftsbildung und Finan-
cial Literacy, also finanzielle Allgemeinbildung erreicht werden.
Bildung umfassend verstehen
In der bildungspolitischen Debatte muss eine grundlegende Öff-
nung stattfinden. Die bisherige ideologische Engführung geht an
den eigentlichen Herausforderungen vorbei.
Wir brauchen einen Bildungsbegriff auf der Höhe der Zeit, der
die Bedeutung von Bildung für persönliche Entwicklung, Welt-
bild und Wertesystem in den Mittelpunkt stellt. Wir brauchen
einen Bildungsbegriff, der die unterschiedlichen Anforderungen
an Bildung aus individueller, gesellschaftlicher und wirtschaftli-
cher Sicht formuliert. Wir brauchen einen Bildungsbegriff, des-
sen große gesellschaftspolitische Anliegen Entwicklungsfähigkeit
und Chancengerechtigkeit sind.
29
Eine neue Gründerzeit braucht mehr Chancengerechtigkeit. Und
daher die bestmögliche Nutzung aller Talente und Ressourcen.
Das kluge Fordern und Fördern aller jungen Menschen. Und den
Wettbewerb nach oben statt Nivellierung nach unten. Das alles
erfordert eine vielfältige Bildungslandschaft in Österreich, die von
öffentlichen und privaten Einrichtungen gestaltet wird. Sie muss
der Vielfalt der Neigungen und Interessen, aber auch der Vielfalt
der Anforderungen entsprechen, die wir an Bildung stellen. Wich-
tig ist: Wir müssen diese Anforderungen integriert sehen.
Schlüsselfaktor Sprache
Das gilt schon für die frühkindliche Förderung und damit den Kin-
dergarten. Er muss die erste Bildungseinrichtung sein. Dabei geht es
nicht nur um die Vorbereitung auf die schulischen Anforderungen.
Es geht um Sprach- und Grundkenntnisse, es geht um die Vermitt-
lung von Regeln für das Zusammenleben. Sprachkenntnisse sind der
Schlüssel für den weiteren Bildungs- und Gesellschaftsweg: Sprach-
standsfeststellungen sollen aufzeigen, wo gezielter Förderbedarf be-
steht. Eltern, die Fördermaßnahmen ablehnen, reduzieren die Chan-
cen für ihre und für andere Kinder, die sich später im gemeinsamen
Klassenverbund finden. Das kann von unserer Gesellschaft mit Fokus
auf die Chancengerechtigkeit nicht weiter hingenommen werden.
Bildung neu vermitteln
Neu buchstabieren müssen wir auch die Vermittlung von schuli-
schen Inhalten. Im Zeitalter der digitalen Medien muss neu konzi-
piert werden, wie Inhalte vermittelt werden. Schulen sollen staat-
liche Bildungsziele autonom umsetzen können – wie, das ist ihre
Sache. Entscheidend ist, dass die Ergebnisse stimmen. Das alles
muss im Mittelpunkt einer neuen Bildungs-Gründerzeit stehen.
Akademisierung und duale Ausbildungsoffensive
Für den Erfolg in der Wissensgesellschaft ist ein starker, internatio-
nal sichtbarer Wissenschafts- und Forschungsstandort Österreich
30
unverzichtbar. Die Fähigkeiten der Universitäten, neue Antworten
auf komplexe gesellschaftliche Herausforderungen und Problem-
stellungen zu geben, sind wichtiger denn je. Die Universitäten ha-
ben enorme Potenziale für eine neue Gründerzeit, wenn wir uns
international bei den erfolgreichsten Einrichtungen umsehen.
Ein Forschungsprojekt der Kauffman Foundation hat gezeigt,
dass die Absolventen des 150 Jahre alten Massachusetts Institute
of Technology (MIT) mit durchschnittlich 10.000 Studierenden
und 1.000 Wissenschaftern derzeit rund 26.000 Unternehmens-
gründungen und Start-ups hervorgebracht haben. Diese akti-
ven Betriebe stehen für 3,3 Millionen Arbeitsplätze und einen
globalen Umsatz von rund 2 Billionen Dollar. Das würde der
Wirtschaftsleistung der elftgrößten Volkswirtschaft entsprechen.
Unsere Universitäten am Standort Wien haben rund 165.000
Studierende und verfügen über ca. 13.000 Wissenschafter. Über
ihre Ausgründungserfolge wissen wir wenig. Wissens- und Tech-
nologietransfer, die Kooperation der Einrichtungen untereinan-
der und mit der Wirtschaft sowie ein vielfältiges Programm zur
Intensivierung der Spin-off-Tätigkeit sind das Gebot der Stunde.
Die Akademisierung ist ein Standbein unserer Zukunftsstrategie,
die andere ist die Weiterentwicklung unseres dualen Systems,
das wir viel durchlässiger machen müssen. Und dessen Image wir
rasch weiterentwickeln müssen: Die Lehre als Fachkräfteausbil-
dung mit Stellenwert für Wirtschaft und Gesellschaft. Eine erst-
klassige Ausbildung mit tertiärer Weiterentwicklungsmöglichkeit
ist eine Erfolgskombination für die neue Gründerzeit. Gerade als
kleines Land kann sich Österreich im internationalen Wettbe-
werb nur mit bestens ausgebildeten Fachkräften und überzeu-
gender Innovationskraft durchsetzen.
Bildung braucht mehr
Trotz aller Bedeutung von Bildung und Ausbildung für persönli-
chen und wirtschaftlichen Erfolg müssen wir Bildung in größeren
Zusammenhängen denken und stärken. Es geht um den künftigen
31
Erfolg unseres Lebens- und Gesellschaftsmodells, von Rechtsstaat
und Demokratie. Und es geht dabei um den Kernwert der Freiheit.
Was bringt uns wirklich weiter? Was macht uns erfolgreich?
Was macht uns aus? Hinter unserer bisherigen Erfolgsgeschich-
te steht letztlich der Wert der Freiheit, von dessen Realisierung
oder Nicht-Realisierung vieles abhängt. Der Erfolg unserer Zivi-
lisationsgeschichte und eine Kultur der Freiheit sind untrennbar
miteinander verbunden.
Innovationskraft durch Freiheit
In der Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums liegt die
hauptsächliche Innovationskraft gesellschaftlichen Fortschritts.
„Individuen machen Geschichte, auch gerade mit ihrem Non-
konformismus gegenüber der sozialen Tyrannei. Uniformität
und Gleichheit bedeuten hingegen Stillstand der historischen
Entwicklung. Voraussetzung für die Herausbildung von Individu-
alität und die Praxis eines eigenen Lebensplans ist die Freiheit ei-
nes jeden, zwischen verschiedenen Optionen unterscheiden und
wählen zu können, sich von anderen zu differenzieren“, schreibt
die Freiheitsforscherin Ulrike Ackermann.
Wenn Individuen sich um ihr eigenes Glück und Wohlergehen
kümmern, nehmen sie zugleich am Fortschritts- und Erkenntnis-
prozess teil. Sie produzieren damit allgemeines und öffentliches
Wissen über die Möglichkeiten des guten Lebens, über dessen
Varianten dann auch lauthals gestritten werden kann, so Acker-
mann. Antriebsquelle ist dabei der eigene Wunsch, selbst ein
gelingendes, glückliches Leben zu führen. Indem die Menschen
entsprechend der Vielfalt der Charaktere und Meinungen ihren
eigenen Lebensplan entwerfen und ihm folgen, schaffen sie über-
haupt erst die Pluralität der Lebensstile, ein Kaleidoskop von Le-
bensmöglichkeiten, die alternativ zur Wahl stehen. Gerade darin
liegt die Voraussetzung für Produktivität, Innovationskraft und
Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft, stellt die Freiheitsforscherin
fest. Auf den Punkt gebracht: Freiheit ist Kraftstoff für Zukunft.
32
Mehr Freiheitsbewusstsein
Schätzen wir heute in Österreich die Bedeutung der Freiheit
richtig ein? Fordern und fördern wir die notwendige Kultur der
Freiheit? Ist unser „Betriebssystem“ auf Freiheit programmiert?
Wohl kaum. Um die Freiheit ist es nicht nur still geworden, wir
gehen mit der Freiheit auch höchst fahrlässig um. Wir pressen
unsere Gesellschaft unablässig in ein Korsett, lähmen ihre Ent-
wicklungsfähigkeit und machen uns damit klein. Wir merken
dies an dramatisch hohen Steuer- und Staatsquoten, aber ver-
stärkt auch an gesellschaftlichen Diskussionsverboten, an reli-
giösen Bevormundungen und Zwangsvorstellungen sowie an
„Scheren im Kopf“.
Wir brauchen in Gesellschaft und Politik ein neues Bewusstsein
für den Wert der Freiheit. Wir brauchen Bildung zur Freiheit.
Politik muss Werbung für Freiheit machen, statt unsere Frei-
heit weiter zu beschränken. Freiheit ist der grundlegende Wert
der liberalen Demokratie und unseres Wirtschafts- und Gesell-
schaftsmodells der Ökosozialen Marktwirtschaft mit einer vita-
len Zivilgesellschaft. Wer in Österreich am Bildungssystem teil-
genommen hat, soll das nachvollziehen und vertreten können.
Freiheit für das Bessere
Es ist wichtig, dass wir uns für eine neue Kultur der Freiheit einset-
zen. Gerade in wirtschaftlich fordernden und für viele Menschen
schwierigen Zeiten ist es notwendig, die Freiheit und insbesondere
die wirtschaftliche Freiheit zu sichern. Sie bildet die Grundlage für
Leistung und Innovation. Innovation ist die einzige Zukunftsver-
sicherung, die es heute im globalen Wettbewerb gibt. Nur eine
Kultur der Freiheit ermöglicht uns die Offenheit für das Neue und
die Entfesselung des kreativen Potenzials in unserer Gesellschaft,
auf die es für Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit mehr
denn je ankommt. Österreich braucht mehr Freiheit für das Neue,
Andere, Bessere. Eine neue Gründerzeit fordert und fördert eine
starke, selbstbewusste Kultur der Freiheit.
33
Eine neue Gründerzeit in und für Österreich ist zuallererst eine
Mindset-Frage. Eine Frage der Kultur im Umgang mit Freiheit
und Zukunft. Eine neue Gründerzeit materialisiert sich aber auch
im Lauf der Zeit – und das nicht nur in mehr wirtschaftlicher Dy-
namik und mehr Beschäftigten. Die historische Gründerzeit hat
dies eindrucksvoll gezeigt: Sie hat uns ein reichhaltiges baukul-
turelles Erbe, wissenschaftliche Institutionen und außergewöhn-
liche Kunstwerke hinterlassen. Sie hat sich in die kulturelle DNA
Österreichs eingeschrieben.
Ein spekulativer Ausblick
Was könnte uns also eine neue Gründerzeit hinterlassen? Woran
sollte man merken, dass Österreich zu Beginn des 21. Jahrhun-
derts begonnen hat, um- und vieles neu zu denken? Was soll
man von der neuen österreichischen Erfolgsstory sehen können
und spüren können? Dazu abschließend drei Leitprojekte.
Stadt der Zukunft: Urbanisierung ist ein globaler Megatrend. In
den Städten entscheidet sich ein Gutteil unserer Zukunft. Wie
die Stadt der Zukunft aussehen soll und kann, soll Österreich in
einem großen Leitprojekt der neuen Gründerzeit deutlich ma-
chen: Mit der Gründung einer neuen Stadt. Es gibt viele Regi-
onen in Österreich, die als Standort für ein solches Projekt in
Frage kommen. Die Zukunft der Stadt liegt nicht in der Fort-
führung vermeintlich smarter Satellitensiedlungspolitik aus den
1970er-Jahren, sondern in visionärer urbaner Verdichtung. Mit
einer Stadt der Zukunft zeigt Österreich, wie zukunftsfähige
Urbanität aussieht. Der Einsatz modernster Technologien – von
der Energieproduktion über die Mobilität bis hin zur Partizipati-
Symbole einer neuen Gründerzeit
34
on – ist dabei kein Selbstzweck, sondern unterstützt Multifunk-
tionalität und Lebensqualität im Chancenraum Stadt. Die neue
Stadt ist eine energetische Aktiv-Stadt, eine Stadt der Chancen
in der Bildung, eine Stadt der lokalen Selbstverwaltung und der
generationenübergreifenden Selbstorganisation, eine Stadt, die
regional, national und international vernetzt ist und alle urbanen
Funktionen zukunftsorientiert abdeckt. Österreichs Stadt der Zu-
kunft soll ein Testlabor für urbane Zukunftsentwicklungen und
ein kultureller Exportartikel werden.
Bildungs- und Gründercampus: Ein internationales Referenzpro-
jekt soll Österreich auch im Bildungsbereich realisieren. Klassi-
sche, eintönige Schulbauten werden in der neuen Gründerzeit
nicht mehr errichtet. Neu gebaute Schulen werden als Campus-
Schulen gedacht, die im Idealfall gleich mehrere Bildungseinrich-
tungen beherbergen. Statt Klassenzimmer gibt es für die Schü-
lerinnen und Schüler Begegnungs- und Projekträume, die als
Lebens- und Erfahrungsräume wirken. Sie lassen Kinder und Ju-
gendliche aufblühen und bieten Raum für vielfältige Entfaltungs-
möglichkeiten. Jeder Bildungscampus umfasst auch einen Grün-
dercampus mit Räumlichkeiten und Infrastruktur für Gründer.
Zwischen Bildungseinrichtungen und Gründercampus herrscht
reger Austausch – von gemeinsamen thematischen Projekten
über Praktika bis hin zum Unterricht. Kinder, die in eine solche
Schule gehen, erhalten ihre natürliche Neugierde und lernen,
wie man mit unternehmerischem Denken Probleme anpackt und
löst. Mit dem Format des Bildungs- und Gründercampus, einer
gelungenen Symbiose von Lern- und Baukultur, soll Österreich
ein bildungspolitisches Role Model entwickeln und etablieren.
Haus der Bürgergesellschaft: Mit einem „Haus der Bürgergesell-
schaft“ – etwa neben dem Burgtor in Wien – verwirklicht Öster-
reich ein architektonisch ansprechendes „Signature Building“ für
eine selbstbewusste Zivil- bzw. Bürgergesellschaft. Das Gebäu-
de komplettiert das Macht-Dreieck der Republik, das aus dem
Parlament, dem Regierungssitz und dem neuen Haus der Bür-
gergesellschaft besteht. Dieses Haus fungiert als Knotenpunkt
35
im Netzwerk der Bürgergesellschaft. Hier kommt die Politik
zum Souverän, treten politische Repräsentanten und Experten
zu Bürger-Hearings an, hier kann Infrastruktur zur bürgergesell-
schaftlichen Selbstorganisation genutzt werden, hier wird eine
moderne Kultur der offenen bürgergesellschaftlichen Partizipa-
tion durch politische und gesellschaftliche Bildung am Stand der
Zeit gefördert. Das Haus der Bürgergesellschaft ist ein sichtbares
Zeichen für eine neue Dialogkultur und für eine selbstbewusste,
eigenverantwortliche Bürgergesellschaft im pulsierenden Herzen
Europas. Auch das Haus der Bürgergesellschaft soll als gesell-
schafts- und demokratiepolitische Innovation aus Österreich in
und für Europa und darüber hinaus positioniert werden.
Österreich kann mehr
Diese beispielhaften Projekte machen deutlich, dass eine neue
Gründerzeit für Österreich eine kulturelle Vorwärtsentwicklung
unseres Landes in Richtung Zukunft und in Richtung Freiheit
anstoßen soll. Eine Entwicklung, die unsere Offenheit und un-
ser Interesse an neuen, großen Ideen und Projekten fordert und
fördert. Genau das ist für die Fortsetzung der österreichischen
Erfolgsgeschichte wichtiger denn je. Sie braucht einen neuen Ka-
talysator, einen neuen Narrativ, für den die Gründerzeit auch den
notwendigen kulturellen Rahmen abgeben kann.
Das Plädoyer für eine neue Gründerzeit für Österreich fußt letzt-
lich auf einer Überzeugung, die Politik, Wirtschaft und Gesell-
schaft gemeinsam in den Mittelpunkt stellen sollte, statt sich in
sinnlosen Klein-Klein-Kontroversen zu verlieren. Diese Überzeu-
gung lautet: Unser Österreich kann mehr. Wir sollten es nicht
länger daran hindern.
37
Haber, G. (2013):
Langfristige Wirtschaftseffekte der Unternehmensgründungen
in Österreich 2013.
CBSC Unternehmensberatung GmbH und Wirtschaftskammer
Österreich
Koppetsch, C. (2013):
Die Wiederkehr der Konformität.
Frankfurt am Main: Campus Verlag
Goehler, A. (2006):
Verflüssigungen. Wege und Umwege vom Sozialstaat zur
Kulturgesellschaft.
Frankfurt am Main: Campus Verlag
Bochsler, D.; Kriesi, H. (2013):
Wie herrscht das Volk?
in: NCCR Democracy; Kriesi, H.; Müller, L. (Hrsg.):
Herausforderung Demokratie.
Zürich: Lars Müller Publishers
Ackermann, U. (2011):
Paternalismus und Ökodiktatur.
Online: http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/paternalismus-
und-oekodiktatur-1.12560163 [09.03.2015]
Ackermann, U. (2012):
Freiheit als Lebenselixier.
in: Harald Mahrer (Hrsg.): Freiheit. Wir sind dafür.
Wien: Verlag noir
Literatur
39
Dr. Harald Mahrer ist seit 1. September 2014 Staatssekretär für
Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Der Absolvent der
Wirtschaftsuniversität Wien sammelte politische Erfahrung als
Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft und schloss
danach sein Doktorat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
ab. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Forschungsassistent startete
er als Geschäftsführer die legend Consulting GmbH, leitete später
Österreichs führende PR & Lobbyingagentur Pleon Publico und
war über 15 Jahre als Förderer von Start-ups und als Business Angel
aktiv. Als Co-Direktor des Metis Instituts für ökonomische & po-
litische Forschung beschäftigte er sich intensiv mit unternehmeri-
scher Verantwortung und der Freiheit des Bürgers. Seit 2011 ist er
auch Präsident der Julius Raab Stiftung.
39
Neue Gründerzeit. Wir sind dafür.

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Neue Gründerzeit. Wir sind dafür.

  • 1. J U L I U S R A A B S T I F T U N G Harald Mahrer
  • 2.
  • 3. J U L I U S R A A B S T I F T U N G Harald Mahrer
  • 4. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 2015 Verlag noir, Wien Verlag noir, 1120 Wien, Tivoligasse 73 www.verlagnoir.at Herausgeber: Julius Raab Stiftung Grafik und Satz: dggd – Doris grussmann graphic design Lektorat: Dr. Arnold Klaffenböck Foto: David Sailer IMAGES Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH Printed in Austria ISBN 978-3-9503812-1-4
  • 5. Vorwort Seite 7 Für eine neue Gründerzeit Seite 9 Für eine neue Gründerzeit in der Wirtschaft Seite 13 Für eine neue Gründerzeit in der Gesellschaft Seite 19 Für eine neue Gründerzeit in der Bildung Seite 27 Symbole einer neuen Gründerzeit Seite 33 5
  • 6.
  • 7. 7 Die Zukunft von Wirtschaftskraft, Arbeit und Wohlstand in Österreich ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen sie uns hart erarbeiten. Das zeigt sich gerade jetzt – in einer Zeit, wo die wirtschaftliche Entwicklung fordernd ist und auf Sicht wohl auch bleibt. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit wird nur mit er- folgreichen Unternehmen gewonnen, nicht mit staatlichem In- terventionismus. Österreich braucht eine klare Wachstumsperspektive, damit un- sere Erfolgsgeschichte auch in Zukunft gesichert ist. Wachstum ist nicht nur eine Frage der wirtschaftspolitischen Rahmenbedin- gungen, sondern auch eine Frage des „Mindsets“ unserer Ge- sellschaft. Wie reform- und veränderungsbereit sind wir? Wie wichtig ist uns unsere persönliche und wirtschaftliche Freiheit? Welche Werte und Anliegen vermitteln wir in unserem Bildungs- system? Der vorliegende Essay plädiert dafür, Österreichs Perspektiven für Wachstum und Wohlstand im Projekt einer neuen Gründer- zeit zu bündeln. Goldene Zeiten für Österreich sind möglich, wenn wir nur wollen. Nicht nur für die Wirtschaft, sondern vor allem auch für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur und da- mit in Folge für unser ganzes Land. Vorwort
  • 8. 8 Wir müssen um- und weiterdenken, damit Gutes so bleibt, wie es ist. Wir müssen aber auch vieles verändern, damit Besseres möglich wird. Mit einer klaren Perspektive. Mit viel Einsatz. Mit einer neuen Gründerzeit. Dr. Harald Mahrer Präsident der Julius Raab Stiftung
  • 9. 9 Österreich braucht eine neue Gründerzeit. Eine Zeit neuer wirt- schaftlicher und gesellschaftlicher Dynamik. Eine Phase der In- novation und Weiterentwicklung. Ein Klima, in dem die Zukunft wieder spannend wird. Nur so werden wir die großen Heraus- forderungen unserer Zeit bewältigen können: Die demografisch alternde Gesellschaft. Das „japanische Szenario“ der wirtschaft- lichen Seitwärtsentwicklung. Das Erstarren von Institutionen. Die Reformverweigerung maßgeblicher politischer Kräfte. Die zuneh- mende Angst vor Statusverlust und damit vor der Zukunft. Der Weg ist daher klar: Nur mit einer neuen Gründerzeit werden wir die österreichische Erfolgsgeschichte weiterschreiben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf Dauer sichern können. Weg in die Moderne Wer von einer „Gründerzeit“ spricht, weckt natürlich historische Assoziationen. Die Phase zwischen der bürgerlichen Revolution von 1848 und dem Ersten Weltkrieg war eine Phase der wirt- schaftlichen, infrastrukturellen und auch gesellschaftlichen Mo- dernisierung unseres Landes. Neue Technologien, neue Produkti- onsverfahren und neue Produkte fanden massenhaft Verbreitung. Die Wirtschaft boomte, zahlreiche Industriebetriebe wurden ge- gründet. Und: Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur erlebten eine Blütezeit. Österreich wurde modern – so weit dies unter den damaligen politischen Bedingungen möglich war. Für eine neue Gründerzeit
  • 10. 10 Kultur der Bürger In der Gründerzeit übernahm das Bürgertum die gesellschaftliche kulturelle Führung. Österreich erlebte damals eine – sehr kurze – Hochzeit des Liberalismus, der die Freiheit der Bürger vom Staat in den Mittelpunkt stellte. Das Ringen um Freiheit und Emanzipation war, verbunden mit Innovationskraft in Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft, die Antriebskraft einer beispiellosen Entwicklung. Freihandel sowie liberale Verwaltung und Gesetzgebung schufen dafür entsprechende Rahmenbedingungen. Die Wiener Moderne setzte in Kunst und Kultur neue Maßstäbe. Ohne Gründerzeit wären wir in Österreich nicht zu dem gewor- den, was wir sind – und auch nicht zu einem Land mit starken industriellen Leitbetrieben, die auch angesichts der Verwerfungen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise Wirtschaftskraft und Beschäftigung sichern. Großmacht war gestern Natürlich: Wer über die historische Gründerzeit spricht, darf ihre Schattenseiten nicht verschweigen: das überhitzte Wachstum bis zum Börsenkrach 1873, der hochspekulative Charakter vieler Ge- schäfte, die sozialen Probleme. Aber die Gründerzeit stand und steht für politische, kulturelle und wirtschaftliche Veränderung aus eigener Kraft. Die Gründerzeit hat die Basis für Modernisierung und Entwicklung geschaffen. Unser Land war an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine wirtschaftliche und kulturelle Groß- macht. Wir leben noch immer davon, vor allem im Tourismus. Goldene Zeiten Heute eine neue Gründerzeit für Österreich anzustoßen heißt nicht, die Entwicklung von damals – und ihre zahlreichen Proble- me – kritiklos anzunehmen und nachzuahmen. Wir brauchen eine andere, ein intelligentere, eine ökosoziale Gründerzeit.
  • 11. 11 Eine Gründerzeit, die auf dem richtigen gesellschafts- und ord- nungspolitischen Rahmen steht, nämlich dem einer Ökosozialen Marktwirtschaft. Wo nicht wertefreies Laisser-faire, sondern Frei- heit, Leistung, Solidarität und Verantwortung die Leitlinien der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung markieren. Eine Gründerzeit, welche die massiven Umbrüche unserer Zeit für unsere Zukunft nützt. Wissensgesellschaft, digitale Welt, Globa- lisierung, Industrie 4.0, Migration und Partizipation sind Chiffren für Veränderungen, denen wir nicht nur zusehen dürfen, sondern die wir auch für uns gestalten müssen. Wir brauchen eine neue Dynamik in Österreich: wirtschaftlich, sozial, kulturell, strukturell. Mit dem Projekt einer neuen Gründerzeit schreiben wir Öster- reichs Erfolgsgeschichte in Europa und der Welt weiter. Wir kön- nen Vorbild und Leuchtturm sein und so den Weg in neue golde- ne Zeiten einschlagen.
  • 12.
  • 13. 13 Die wirtschaftlichen Prognosen verheißen nichts Gutes. Es droht uns ein „japanisches Szenario“, warnen Experten. Wachstum ist keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern ein zartes Pflänzchen, das man hegen und pflegen muss. Denn an einer leistungsstar- ken Wirtschaft hängt unser gesamtes Gesellschaftsmodell. Breiter Wohlstand und soziale Sicherheit sind ohne Wachstum nicht zu haben. Wachstum und Sozialleistungen stehen nicht in nachhaltiger Ba- lance. Unsere Sozialquote hat sich seit 1955 von 16,7 Prozent auf knapp 30 Prozent des BIP fast verdoppelt. Unser Wirtschafts- wachstum hat sich im selben Zeitraum ständig verringert. Das reale Potenzialwachstum liegt nur mehr bei knapp über einem Prozent pro Jahr. Das muss sich ändern. Die richtige Antwort auf die wirtschaftlichen Herausforderungen sind nicht neue Steuern oder Belastungen, sondern eine neue Gründerzeit. Neue Unternehmen bringen auch in fordernden Zei- ten neues Wachstum und neue Jobs. Wer in Österreich neue Ar- beitsplätze will, darf nicht das freie Unternehmertum verteufeln. Damit muss ein für alle Mal Schluss sein. Wachstum von morgen Eine aktuelle Analyse des Ökonomen Gottfried Haber zeigt: Si- muliert man die Wachstums- und Folgeeffekte der Unterneh- mensgründungen des Jahres 2013 über die nächsten zehn Jahre hinweg, so ergibt sich ein stetiger Wachstumspfad sowohl bei Für eine neue Gründerzeit in der Wirtschaft
  • 14. 14 der Beschäftigung als auch bei der Wertschöpfung. So würden die 2013 gegründeten Unternehmen beispielsweise im Jahr 2024 eine gesamte Wertschöpfung in der Höhe von 9,9 Mrd. Euro und einen Beschäftigungseffekt von insgesamt 294.000 Arbeitsplätzen erzielen. Nachhaltiger Erfolg Weil in Summe in der Gesamtwirtschaft sieben Arbeitsplätze mit einem durchschnittlichen neu gegründeten Unternehmen ver- bunden sind, hängen insgesamt 196.598 Arbeitsplätze des Jah- res 2014 an den Gründern des Jahres 2013. Beeindruckend an Österreichs jungen Unternehmen ist auch ihr nachhaltiger Erfolg: Knapp 70 Prozent der Gründungen sind nach fünf Jahren immer noch erfolgreich am Markt tätig. Ungenutztes Potenzial Haber zeigt in seiner Studie auch auf, wie wichtig es für Österreich ist, die Attraktivität des Jungunternehmertums zu verbessern. Würde es gelingen, die gesamte Gründungsaktivität um nur zwei Prozent zu steigern, würde Österreich noch stärker von jungen Unternehmen profitieren. Über die gesamte Periode 2014–2024 käme es nämlich zu einer Mehrbeschäftigung von etwa 294.000 Personenjahren. Die zusätzliche Wertschöpfung über die nächsten zehn Jahre würde im Jahr 2024 sogar rund 14 Mrd. Euro betra- gen. Maßnahmen zur Erhöhung nachhaltiger Gründungen, z. B. im Bereich der Verfügbarkeit von Gründungskapital, können somit einen langfristigen und wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftsent- wicklung der österreichischen Volkswirtschaft leisten. Das Bürokratie-Problem Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wir sind auf eine neue Gründerzeit in der Wirtschaft angewiesen. Die Unternehmer brauchen freie Bahn, nicht die Unterlasser. Und auch nicht die Regulierer. Jungunternehmer und Start-ups bergen ein riesiges
  • 15. 15 Potenzial für Wachstum, Innovation und Beschäftigung. Aber die überbordende Bürokratie und der damit verbundene Aufwand für die Unternehmer würgen dieses Potenzial zunehmend ab. Eine market-Studie zeigt: Über die Hälfte der Jungunternehmer (54 Prozent) stuft Österreich als sehr bürokratisch ein. Nur ein Prozent findet, dass dies nicht der Fall sei. Als besonders schlimm werden die Bereiche externer Evaluierungen und Überprüfung – beispielsweise durch das Arbeitsinspektorat, die AGES und andere – wahrgenommen. 84 Prozent der Jungunternehmer erleben bü- rokratische Hürden. Auch bei der Lohnverrechnung, bei den Ge- nehmigungen zur Erweiterung von Produktions- und Arbeitsstät- ten sowie beim Einstellen von Mitarbeitern sind Jungunternehmer mit übermäßiger Bürokratie konfrontiert. Angst vor mehr Unter der bürokratischen Last leidet die unternehmerische Tätig- keit massiv. Im Durchschnitt werden 8,35 Stunden in der Woche mit Bürokratie verbracht – ein ganzer Arbeitstag. Kein Wunder also, dass sich über drei Viertel der in der Studie befragten Jung- unternehmer durch die Bürokratie oft oder manchmal von ihrer Haupttätigkeit abgehalten fühlen. Aus Sicht der Jungunternehmer nimmt der bürokratische Auf- wand zu statt ab. Acht von zehn Jungunternehmern empfinden das heutige Ausmaß der durch die Behörden vorgegebenen bü- rokratischen Auflagen als unverhältnismäßig, so die Studie. Die Befragten interpretieren diese sich weiter negativ entwickelnden Rahmenbedingungen als innovationshemmend. Und sie sehen damit geringere Spielräume für Investitionen verbunden. Der Bürokratieabbau spielt daher für eine neue Gründerzeit in der Wirtschaft eine Schlüsselrolle. Das Prinzip, dass für jedes neue Ge- setz ein altes aufgehoben wird (one in – one out), ist für die Grün- derzeit zu wenig: one in – five out ist die bessere Relation. Das Umsetzen der Idee der Sunset-Legislation wäre auch ein Gebot
  • 16. 16 der Stunde. Eine automatische Auslaufklausel für alle Gesetze, die eine zwingende Evaluierung von beschlossenen Maßnahmen und ihrer bürokratischen Folgeeffekte bedingen würde. Neue Wege gehen Notwendig ist mit Blick auf gesetzliche Aktivitäten ein Gründer- verträglichkeits-Check: Alle gesetzlichen Maßnahmen und Ver- waltungsaktivitäten sollen überprüft werden, ob sie Start-ups ver- oder behindern. Barrieren, die die neue Gründerzeit in der Wirtschaft behindern, sollen aus dem Weg geräumt werden. Ebenso notwendig ist eine Verbesserung der Finanzierungssitua- tion von jungen Unternehmen. Wir brauchen neue Wege in der Mittelaufbringung gerade im Seed Financing, sei es Crowdfun- ding oder alternative Risikokapitalfinanzierung. Für eine neue Gründerzeit brauchen wir Kanäle und Instrumente abseits und in Ergänzung der traditionellen Bankenfinanzierung. Der Mittelstand ist die Zukunft Gewinnen wir mit vielen Start-ups, die sich zu mittelständischen Unternehmen entwickeln, die Zukunft? Ja, sagt etwa WU-Profes- sor Nikolaus Franke. Er verweist darauf, dass die Mitarbeiteranzahl abnimmt. Beispielsweise hat das durchschnittliche amerikanische Unternehmen heute zehn Mitarbeiter. 1990 waren es noch 25. Man kann also einen globalen Trend zu kleineren Betrieben er- kennen. Sie sind offen, schnell, flexibel und unbürokratisch. Sie haben ein aktives Management – meist der Eigentümer. Und sie orientieren sich an langfristigen Zielen. KMU werden immer wich- tiger. Der Schlüssel zum Erfolg ist ihre Innovationsfähigkeit. Und gerade in Österreich brauchen wir wieder neue Schubkraft: Die Anzahl der Unternehmensgründungen ist in Österreich zwischen 1993 und 2008 zwar von rund 15.000 im Jahr 1993 auf knapp
  • 17. 17 30.000 im Jahr 2008 angestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 100 Prozent. Allerdings ist ab 2005 eine Konsolidierung der Dynamik zu beobachten. Jeder kann etwas unternehmen Es gibt in Österreich hunderttausende Menschen, die eigentlich ihr eigener Chef sein wollen. Wir sollten sie nicht länger davon ab- halten. Gründer, Start-ups und Jungunternehmer aller Altersstufen sind die Pioniere einer neuen Gründerzeit, die wir für Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit im Land existenziell brauchen. Träger einer neuen Gründerzeit sind aber letztlich alle, die unter- nehmerisch denken und handeln. Sie stehen für die Werte, auf die es für unsere Zukunft mehr denn je ankommt: Leistung, Fleiß, Veränderungsbereitschaft, Mut zum Neuen.
  • 18.
  • 19. 19 Die Zukunft unserer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte ist nicht von unserer gesellschaftlichen Erfolgsgeschichte zu trennen. Und hier müssen wir uns offen fragen: Wie ist es um unsere Mentali- tät, um das gesellschaftliche „Mindset“ bestellt, das notwendig für neue Dynamik und Offenheit ist? Sind wir „hungrig“ auf Zukunft? Oder sind wir in einer Situation, wo gesellschaftliche Verlustängste das Bild prägen – und das sogar in grundsätzlich aufstiegsorientierten Schichten? Sind wir Angstmachern und Zu- kunftsverweigerern auf den Leim gegangen? Die Soziologin Cornelia Koppetsch ortet in ihrem Essay „Die Wiederkehr der Konformität“ eine Sehnsucht nach Geborgen- heit angesichts von Abstiegsängsten. Die Mittelschicht fürchtet sich nicht mehr vor „Beschränktheit und Provinzialität, sondern vor Statusverlusten“, lautet der Befund. Und im politischen Spektrum links der Mitte gebe es ohnehin „kein Leitbild, kein Modell von einer zukünftigen gerechten Ordnung.“ Die Linke begreife sich nur mehr als „letztes Bollwerk gegen den Abbau des Sozialstaats.“ Das alles sind keine guten Voraussetzungen für eine aktive Bewältigung der Zukunft. Kompetenz zur Veränderung Der Schlüssel zu einer mentalen Gründerzeit in der Gesellschaft liegt wohl in unserer Kompetenz als Gesellschaft, mit Verände- rungen umzugehen. Darin, Veränderung proaktiv anzustreben, Für eine neue Gründerzeit in der Gesellschaft
  • 20. 20 statt nur ihre Folgen zu verwalten. Und immer auch die Chancen der Veränderung zu sehen, statt nur Verluste wahrzunehmen. Dass auch grundlegende Veränderungen für unser Land kein Verlustgeschäft sind, zeigt gerade jetzt der Rückblick auf den EU-Beitritt Österreichs vor 20 Jahren. Er ist ein beeindrucken- des Beispiel, wie sich Veränderung für Österreich ausgezahlt hat. Wenn man die zahlreichen Ängste und Warnungen damals mit der Erfolgsstory, die Österreich in der Zwischenzeit schrieb, vergleicht, wird dies klar. Heute wissen wir: Mehr Wirtschafts- wachstum, mehr Arbeitsplätze, mehr Sicherheit, mehr Stabilität – das gab es nur deshalb, weil sich Österreich damals verändert hat. Der EU-Beitritt an sich war wohl einer der wirksamsten Ka- talysatoren für strukturelle Reformen in Österreich. Um das gesellschaftspolitische „Mindset“ in Österreich im Sinn einer neuen Gründerzeit zu entwickeln, ist an unterschiedlichen Stellen anzusetzen. Drei davon sollen hier hervorgehoben wer- den: die Entwicklung eines politischen Narrativs, einer großen Zukunftserzählung, in dessen Mittelpunkt Veränderungsfähig- keit steht, die unterschätzte Bedeutung von Kunst und Kultur für Kompetenz zur Veränderung und die Chancen einer modernen Partizipationskultur. Ein neuer Narrativ Für Veränderungen im Sinn einer neuen Gründerzeit in Öster- reich brauchen wir im Land – ähnlich wie beim EU-Beitritt – ei- nen Narrativ, der Veränderung und Dynamik in einem konkreten Werte-Kontext überzeugend argumentiert, und der in Politik und Gesellschaft glaubwürdig erzählt und vertreten wird. Das Thema eines solchen Narrativs könnte Veränderung aus Ver- antwortung lauten. Es geht darum, Dinge zu verändern, damit es besser wird im Land. Nicht aus Selbstzweck und zur Selbstin- szenierung, sondern aus Verantwortung für die Zukunft. Das hat die Erfolgsgeschichte unserer Zweiten Republik immer wieder
  • 21. 21 belebt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Volkspartei hier die tragende Rolle gespielt hat und spielt. Staatsvertrag, Sozia- le Marktwirtschaft und EU-Beitritt sind nur einige Meilensteine solcher wichtiger Veränderungen und positiver Weiterentwick- lungen. Unternehmen statt unterlassen Der Grundsatz Veränderung aus Verantwortung macht deutlich, dass uns Rezepte von gestern oder einfach nur Nichtstun nicht weiterhelfen, im Gegenteil. Sie gefährden unsere Zukunft. Aus Verantwortung manches zu verändern sind wir vor allem den jungen Menschen schuldig. Chancen statt Schulden. Sozialer Aufstieg statt Abstiegsängste. Arbeit statt Perspektivenlosigkeit. Unternehmen statt unterlassen. Das alles leitet sich aus einem Narrativ ab, der Veränderung aus Verantwortung anstrebt. Dieser Narrativ muss den Wettbewerb mit dem sozialdemokra- tischen und dem rechtspopulistischen Narrativ aufnehmen. Der linke Narrativ stellt bekanntlich die Umverteilung in den Mittel- punkt: Allen wird es gut gehen, wenn jene, die mehr haben, etwas an jene abgeben müssen, die weniger haben. Nicht un- ähnlich argumentiert der rechte Narrativ, der eigentlich eine Va- riante des egalitaristischen linken Narrativs ist. Er lautet: Damit es „uns“ besser geht, darf es den „anderen“ bei uns nicht so gut gehen wie uns. In beiden Narrativen geht es um die Verwaltung des Bestehenden – aber nicht darum, sich Neues und Besseres zu erarbeiten. Umso wichtiger ist es, den bürgerlichen Narrativ auf den Punkt zu bringen und zu vertreten: Es geht uns gut, weil wir uns verän- dern. Das ist der Narrativ einer neuen Gründerzeit. Veränderung braucht Kultur Der enge Konnex zwischen wirtschaftlicher und kultureller Dynamik ist in der historischen Gründerzeit deutlich gewor-
  • 22. 22 den. Es war und wurde einfach mehr möglich. Nicht umsonst haben wirtschaftliche und künstlerische Leistungen einander überflügelt. Mehr möglich zu machen, darum geht es auch heute. Adri- enne Goehler hat mit ihrem Konzept der „Kulturgesellschaft“ in ihrem Werk „Verflüssigungen. Wege und Umwege vom So- zialstaat zur Kulturgesellschaft“ eine diskutierenswerte Matrix für die verantwortungsvolle Bewältigung von Veränderung formuliert. Das Nachdenken über die Kulturgesellschaft, so Goehler, greife auf, was unübersehbar sei, aber von der Politik nicht aufgegriffen werde: Lebensrhythmen, Bedürfnisse und Vorstellungen von Werten, auch dem Wert von Arbeit, ver- ändern sich. Soziale Strukturen sind variabel, Arbeits- und Pri- vatleben überschneiden sich. Derartigen „Verflüssigungen“ als Gegenmomente zu Erstarrung und Abkapselung müsse auch die Politik gerecht werden. Es sei gerade die Heterogenität von Wegen, die gesellschaftli- che und ökonomische Produktivität entfalte – und genau dabei könnten und müssten Kunst und Wissenschaft eine entscheiden- de Rolle spielen. Im Gegenzug müssten sich Künste und Wissen- schaften „unerbittlich fragen lassen, wie sie ihre Verantwortung in einer auf Kultur gerichteten Gesellschaft sehen, was sie über die Erzeugung von Wissens- und Kunstproduktion hinaus zum Umbau einer Gesellschaft beitragen können, deren Koordina- tensystem für niemand mehr Verlässlichkeit bietet (...). Wissen- schaft und Künste werden zeigen müssen, wozu die Gesellschaft sie heute braucht.“ Kultur macht innovativ Einer Kulturgesellschaft, so die Autorin, müsse es darum gehen, aus der reparierenden sozialen Arbeit eine die Gesellschaft ge- staltende zu machen: Selbstverantwortung, Vertrauen, Hingabe, Eigeninitiative, immer wieder anfangen, experimentieren, aus- probieren, verwerfen etc. – dies seien elementare Arbeitsweisen,
  • 23. 23 die Künste und Wissenschaften motivierten. „Kulturgesellschaft ist gestaltende Verantwortung“, argumentiert Goehler. Auch wenn man mit der ehemaligen Wissenschaftspolitike- rin in vielen Punkten nicht einer Meinung sein muss: Ein Kul- turverständnis, das Kultur als individuellen Veränderungswillen versteht, der sich mit anderen verbindet, um Lösungen, Wege, Ansichten zu erproben, zu verknüpfen und zu verwerfen, hat für eine moderne Veränderungskultur höchste Relevanz. Kultur fördert unsere Kompetenz zur Veränderung, zum Ausprobieren neuer Wege. Sie macht innovativ. Und genau das braucht eine neue Gründerzeit in der Gesellschaft. Zwischen einer Kultur- und einer Unternehmergesellschaft gibt es wohl mehr Übereinstim- mungen, als das Vertreter beider Bereiche wahrhaben wollen. Kunst und Kultur als Behübschung und Wirtschaft als Kommerz abzuqualifizieren, sollten wir uns nicht länger leisten. Neue Partizipationskultur Ein dritter wesentlicher Faktor für eine neue mentale Gründerzeit in unserer Gesellschaft ist die Frage der Partizipation. Es gibt ein viel zitiertes Diktum in der traditionellen Politik, wonach man als Politiker den Menschen nur so weit voraus sein dürfe, als man noch sichtbar sei. Soll heißen: Man sollte die Wählerschaft mit Reformen und Veränderungen besser nicht überfordern. Das ist Denken von gestern. Heute stellt sich die Frage, wie veränderungsbereite Bürger die Politik in die Zukunft mitnehmen können. Der große gesell- schaftspolitische Trend zur Partizipation ist im Sinn einer neuen Gründerzeit zu nützen. Das Erfolgsprinzip dabei ist einfach und klar: Wer eingebunden wird, übernimmt Verantwortung. Wer Verantwortung wahr- nimmt, realisiert auch rascher Veränderungs- und Reformbedarf. Partizipation ermöglicht mehr Handlungsspielräume für poli- tische Gestaltung – und damit mehr Dynamik für die Zukunft.
  • 24. 24 Ein konkretes Beispiel dieses Zusammenhangs sind die positiven Auswirkungen von Partizipation auf die finanziellen Handlungs- spielräume von Staaten. Mehr Partizipation, mehr Handlungsspielräume Daniel Bochsler und Hanspeter Kriesi machen im Sammelband „Herausforderung Demokratie“ darauf aufmerksam, dass mehr Partizipation und Verantwortung auch finanzielle Ansprüche verändert. Dies zeigt das Beispiel Schweiz sehr klar: „Dort, wo öffentlich Finanzfragen in Referenden entschieden werden kön- nen, sind die Staatsausgaben auch niedriger als in rein reprä- sentativen Systemen. Soweit sie darüber mitbestimmen können, gehen Bürgerinnen und Bürger mit ihrem eigenen Steuergeld offensichtlich sparsamer um als ihre gewählten Repräsentanten. Regionen (Kantone) mit einer starken direktdemokratischen Be- teiligung haben auch eine geringere öffentliche Verschuldung, eine höhere Steuermoral und bessere öffentliche Dienstleistun- gen“, so die Autoren. Dieser Befund zeigt, dass in kluger Parti- zipation ein wichtiges Momentum für Veränderungs- und Re- formpolitik und damit für mehr Zukunft steckt. Wir sollten dieses Potenzial heben und uns nicht davor fürchten. Offene Innovationskultur Eine breite gesellschaftliche Innovationskultur ist ein Schlüssel für Veränderungen und neue Wege. Dabei ist der Open Innovation- Ansatz ein wichtiges neues Paradigma. Auch hier steht Partizi- pation im Mittelpunkt: Große Innovationen entstehen in unserer global vernetzten Welt schließlich nicht mehr im tiefen Innersten einer Organisation oder in „Hinterzimmern“ und „Elfenbeintür- men“. Sie entstehen vielmehr an Schnittstellen unterschiedlicher Sektoren und in Netzwerken. Sie entstehen im Zusammenspiel unterschiedlicher Wissens- und Ideengeber. Das sind nicht nur Unternehmen und Forschungseinrichtungen, sondern auch Kun- den, User, Social Entrepreneurs, Start-ups, Zivilgesellschaft und NGOs.
  • 25. 25 Gerade in diesem Bereich gibt es enorme Potenziale, die wir der- zeit nicht oder nicht ausreichend nützen können. Open Innova- tion und Collaborative Innovation bieten reale Chancen für eine kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich, gesellschaftliche Probleme zu lösen sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Stand- orts und seines Innovationssystems im internationalen Vergleich zu erhöhen. Eine offene Innovationskultur zur breiten Einbin- dung braucht natürlich entsprechende Rahmenbedingungen und Anreize, wie echte Vorbilder, mehr Fehlertoleranz, finanziel- le Infrastruktur, moderne rechtliche Rahmenbedingungen – und vor allem ein umfassendes Verständnis von Innovation und Inno- vationssystemen. Innovation ist eben keine technische, sondern eine kulturelle Frage. Verlässliche Basis Wer Anreize dafür setzen will, dass sich unser Land dynamischer und offener Richtung Zukunft entwickelt und daher notwendi- ge Veränderungen selbstbewusst und mutig anpackt, der muss auch die ordnungspolitische „Geschäftsgrundlage“ dafür klar- stellen. Sie fehlte in der historischen Gründerzeit. Wir sind heute in der glücklichen Lage, ein in jeder Hinsicht zukunftsfähiges Wirtschafts- und Sozialmodell zu haben: die Ökosoziale Marktwirtschaft. Gerade nach der Finanz- und Wirt- schaftskrise und ihren Verwerfungen gibt es zu Recht den Ruf nach einem zukunftsorientierten Ordnungsmodell. Die Ökosozi- ale Marktwirtschaft hat die richtigen Antworten. Zukunftsfähiger Rahmen Ein Höchstmaß an individueller Freiheit und wirtschaftlicher Leis- tungskraft ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Solidarität und eine nachhaltige Entwicklung. Wirtschaftliche Freiheit und Leistungskraft sind kein Selbstzweck, sondern die unverzichtbare Basis für soziale Sicherheit und Nachhaltigkeit. Das ist der Kern der Ökosozialen Marktwirtschaft, aus der sich konkrete Politik
  • 26. 26 und notwendige Veränderungen klar ableiten lassen. All das in einem klaren, berechenbaren Rahmen, der sicherstellt, dass niemand auf die Reise in die Zukunft zurückgelassen wird. Eine neue Gründerzeit im Rahmen der Ökosozialen Marktwirtschaft sichert zugleich die positiven Wirkungen dieses weltweit einzig- artigen Wirtschafts- und Sozialmodells – unseres Modells für die Zukunft.
  • 27. 27 Der globale Trend zur Wissensgesellschaft macht Wissen zur ent- scheidenden Produktivkraft, die alle Bereiche unserer Gesellschaft und Wirtschaft durchzieht. Der Erfolg unserer Gesellschaft und je- des Einzelnen hängt davon ab, wie wir mit Wissen umgehen und es bestmöglich für Wohlstand und Arbeit einsetzen. Die Bedeu- tung lebenslangen Lernens für individuellen und beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Integration muss zum common sense wer- den. Das ist eine entscheidende Prämisse der neuen Gründerzeit. Schluss mit Steinzeit-Debatten Bildung und Weiterbildung stellen angesichts des raschen tech- nologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels große Herausforderungen an das gesamte Bildungssystem – nicht nur an seine Struktur, sondern vor allem an seine Inhalte. Unser Bildungssystem muss zum Beispiel verstärkt neben Kom- petenzen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwis- senschaft und Technik (MINT) auch wirtschaftliche Kompeten- zen vermitteln. Wir wollen in jeder Schule, in jedem Uni-Institut den Gründergeist wecken. Eine neue Gründerzeit in Österreich, die unser Lebensmodell durch Innovationskraft und Veränderungsbereitschaft fit für die Zukunft macht, braucht erstklassigen „Treibstoff“. Und das ist mehr denn je die Bildung. Was die bildungspolitische Debat- te betrifft, so waren wir bisher von den Anforderungen einer Gründerzeit weit entfernt. Wir haben uns vielmehr mit Steinzeit- Für eine neue Gründerzeit in der Bildung
  • 28. 28 Debatten über schulische Organisationsformen aufgehalten und dabei viel Zeit verloren. Das muss sich ändern. Wirtschaft in der Schule Im wirtschaftlich starken Baden-Württemberg will man etwa ab dem Schuljahr 2016/2017 an allen allgemeinbildenden Schulen das neue Schulfach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ einführen. Die Qualifikation der Schüler soll im Hinblick auf Be- rufsorientierung, Studienwahl und ökonomische Grundbildung verbessert werden. Für die praxisorientierten Werkrealschulen, die Realschulen und die Gemeinschaftsschulen soll das neue Fach in den Klassen 7 bis 10 mit fünf Stunden in der Woche unterrichtet werden. An den Gymnasien wird es in den Klassen 8 bis 10 mit jeweils drei Stunden pro Woche unterrichtet. Praktiker aus dem beruflichen Alltag sollen in den Klassen referieren. Politisch ver- antwortlich für das neue Schulfach sind übrigens nicht entfesselte Neoliberale, sondern die grün-rote Landesregierung. In Österreich könnte allein durch Projekte mit Wirtschaftsbezug im bestehenden schulischen Rahmen viel für bessere Wirtschaftsbildung und Finan- cial Literacy, also finanzielle Allgemeinbildung erreicht werden. Bildung umfassend verstehen In der bildungspolitischen Debatte muss eine grundlegende Öff- nung stattfinden. Die bisherige ideologische Engführung geht an den eigentlichen Herausforderungen vorbei. Wir brauchen einen Bildungsbegriff auf der Höhe der Zeit, der die Bedeutung von Bildung für persönliche Entwicklung, Welt- bild und Wertesystem in den Mittelpunkt stellt. Wir brauchen einen Bildungsbegriff, der die unterschiedlichen Anforderungen an Bildung aus individueller, gesellschaftlicher und wirtschaftli- cher Sicht formuliert. Wir brauchen einen Bildungsbegriff, des- sen große gesellschaftspolitische Anliegen Entwicklungsfähigkeit und Chancengerechtigkeit sind.
  • 29. 29 Eine neue Gründerzeit braucht mehr Chancengerechtigkeit. Und daher die bestmögliche Nutzung aller Talente und Ressourcen. Das kluge Fordern und Fördern aller jungen Menschen. Und den Wettbewerb nach oben statt Nivellierung nach unten. Das alles erfordert eine vielfältige Bildungslandschaft in Österreich, die von öffentlichen und privaten Einrichtungen gestaltet wird. Sie muss der Vielfalt der Neigungen und Interessen, aber auch der Vielfalt der Anforderungen entsprechen, die wir an Bildung stellen. Wich- tig ist: Wir müssen diese Anforderungen integriert sehen. Schlüsselfaktor Sprache Das gilt schon für die frühkindliche Förderung und damit den Kin- dergarten. Er muss die erste Bildungseinrichtung sein. Dabei geht es nicht nur um die Vorbereitung auf die schulischen Anforderungen. Es geht um Sprach- und Grundkenntnisse, es geht um die Vermitt- lung von Regeln für das Zusammenleben. Sprachkenntnisse sind der Schlüssel für den weiteren Bildungs- und Gesellschaftsweg: Sprach- standsfeststellungen sollen aufzeigen, wo gezielter Förderbedarf be- steht. Eltern, die Fördermaßnahmen ablehnen, reduzieren die Chan- cen für ihre und für andere Kinder, die sich später im gemeinsamen Klassenverbund finden. Das kann von unserer Gesellschaft mit Fokus auf die Chancengerechtigkeit nicht weiter hingenommen werden. Bildung neu vermitteln Neu buchstabieren müssen wir auch die Vermittlung von schuli- schen Inhalten. Im Zeitalter der digitalen Medien muss neu konzi- piert werden, wie Inhalte vermittelt werden. Schulen sollen staat- liche Bildungsziele autonom umsetzen können – wie, das ist ihre Sache. Entscheidend ist, dass die Ergebnisse stimmen. Das alles muss im Mittelpunkt einer neuen Bildungs-Gründerzeit stehen. Akademisierung und duale Ausbildungsoffensive Für den Erfolg in der Wissensgesellschaft ist ein starker, internatio- nal sichtbarer Wissenschafts- und Forschungsstandort Österreich
  • 30. 30 unverzichtbar. Die Fähigkeiten der Universitäten, neue Antworten auf komplexe gesellschaftliche Herausforderungen und Problem- stellungen zu geben, sind wichtiger denn je. Die Universitäten ha- ben enorme Potenziale für eine neue Gründerzeit, wenn wir uns international bei den erfolgreichsten Einrichtungen umsehen. Ein Forschungsprojekt der Kauffman Foundation hat gezeigt, dass die Absolventen des 150 Jahre alten Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit durchschnittlich 10.000 Studierenden und 1.000 Wissenschaftern derzeit rund 26.000 Unternehmens- gründungen und Start-ups hervorgebracht haben. Diese akti- ven Betriebe stehen für 3,3 Millionen Arbeitsplätze und einen globalen Umsatz von rund 2 Billionen Dollar. Das würde der Wirtschaftsleistung der elftgrößten Volkswirtschaft entsprechen. Unsere Universitäten am Standort Wien haben rund 165.000 Studierende und verfügen über ca. 13.000 Wissenschafter. Über ihre Ausgründungserfolge wissen wir wenig. Wissens- und Tech- nologietransfer, die Kooperation der Einrichtungen untereinan- der und mit der Wirtschaft sowie ein vielfältiges Programm zur Intensivierung der Spin-off-Tätigkeit sind das Gebot der Stunde. Die Akademisierung ist ein Standbein unserer Zukunftsstrategie, die andere ist die Weiterentwicklung unseres dualen Systems, das wir viel durchlässiger machen müssen. Und dessen Image wir rasch weiterentwickeln müssen: Die Lehre als Fachkräfteausbil- dung mit Stellenwert für Wirtschaft und Gesellschaft. Eine erst- klassige Ausbildung mit tertiärer Weiterentwicklungsmöglichkeit ist eine Erfolgskombination für die neue Gründerzeit. Gerade als kleines Land kann sich Österreich im internationalen Wettbe- werb nur mit bestens ausgebildeten Fachkräften und überzeu- gender Innovationskraft durchsetzen. Bildung braucht mehr Trotz aller Bedeutung von Bildung und Ausbildung für persönli- chen und wirtschaftlichen Erfolg müssen wir Bildung in größeren Zusammenhängen denken und stärken. Es geht um den künftigen
  • 31. 31 Erfolg unseres Lebens- und Gesellschaftsmodells, von Rechtsstaat und Demokratie. Und es geht dabei um den Kernwert der Freiheit. Was bringt uns wirklich weiter? Was macht uns erfolgreich? Was macht uns aus? Hinter unserer bisherigen Erfolgsgeschich- te steht letztlich der Wert der Freiheit, von dessen Realisierung oder Nicht-Realisierung vieles abhängt. Der Erfolg unserer Zivi- lisationsgeschichte und eine Kultur der Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden. Innovationskraft durch Freiheit In der Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums liegt die hauptsächliche Innovationskraft gesellschaftlichen Fortschritts. „Individuen machen Geschichte, auch gerade mit ihrem Non- konformismus gegenüber der sozialen Tyrannei. Uniformität und Gleichheit bedeuten hingegen Stillstand der historischen Entwicklung. Voraussetzung für die Herausbildung von Individu- alität und die Praxis eines eigenen Lebensplans ist die Freiheit ei- nes jeden, zwischen verschiedenen Optionen unterscheiden und wählen zu können, sich von anderen zu differenzieren“, schreibt die Freiheitsforscherin Ulrike Ackermann. Wenn Individuen sich um ihr eigenes Glück und Wohlergehen kümmern, nehmen sie zugleich am Fortschritts- und Erkenntnis- prozess teil. Sie produzieren damit allgemeines und öffentliches Wissen über die Möglichkeiten des guten Lebens, über dessen Varianten dann auch lauthals gestritten werden kann, so Acker- mann. Antriebsquelle ist dabei der eigene Wunsch, selbst ein gelingendes, glückliches Leben zu führen. Indem die Menschen entsprechend der Vielfalt der Charaktere und Meinungen ihren eigenen Lebensplan entwerfen und ihm folgen, schaffen sie über- haupt erst die Pluralität der Lebensstile, ein Kaleidoskop von Le- bensmöglichkeiten, die alternativ zur Wahl stehen. Gerade darin liegt die Voraussetzung für Produktivität, Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft, stellt die Freiheitsforscherin fest. Auf den Punkt gebracht: Freiheit ist Kraftstoff für Zukunft.
  • 32. 32 Mehr Freiheitsbewusstsein Schätzen wir heute in Österreich die Bedeutung der Freiheit richtig ein? Fordern und fördern wir die notwendige Kultur der Freiheit? Ist unser „Betriebssystem“ auf Freiheit programmiert? Wohl kaum. Um die Freiheit ist es nicht nur still geworden, wir gehen mit der Freiheit auch höchst fahrlässig um. Wir pressen unsere Gesellschaft unablässig in ein Korsett, lähmen ihre Ent- wicklungsfähigkeit und machen uns damit klein. Wir merken dies an dramatisch hohen Steuer- und Staatsquoten, aber ver- stärkt auch an gesellschaftlichen Diskussionsverboten, an reli- giösen Bevormundungen und Zwangsvorstellungen sowie an „Scheren im Kopf“. Wir brauchen in Gesellschaft und Politik ein neues Bewusstsein für den Wert der Freiheit. Wir brauchen Bildung zur Freiheit. Politik muss Werbung für Freiheit machen, statt unsere Frei- heit weiter zu beschränken. Freiheit ist der grundlegende Wert der liberalen Demokratie und unseres Wirtschafts- und Gesell- schaftsmodells der Ökosozialen Marktwirtschaft mit einer vita- len Zivilgesellschaft. Wer in Österreich am Bildungssystem teil- genommen hat, soll das nachvollziehen und vertreten können. Freiheit für das Bessere Es ist wichtig, dass wir uns für eine neue Kultur der Freiheit einset- zen. Gerade in wirtschaftlich fordernden und für viele Menschen schwierigen Zeiten ist es notwendig, die Freiheit und insbesondere die wirtschaftliche Freiheit zu sichern. Sie bildet die Grundlage für Leistung und Innovation. Innovation ist die einzige Zukunftsver- sicherung, die es heute im globalen Wettbewerb gibt. Nur eine Kultur der Freiheit ermöglicht uns die Offenheit für das Neue und die Entfesselung des kreativen Potenzials in unserer Gesellschaft, auf die es für Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit mehr denn je ankommt. Österreich braucht mehr Freiheit für das Neue, Andere, Bessere. Eine neue Gründerzeit fordert und fördert eine starke, selbstbewusste Kultur der Freiheit.
  • 33. 33 Eine neue Gründerzeit in und für Österreich ist zuallererst eine Mindset-Frage. Eine Frage der Kultur im Umgang mit Freiheit und Zukunft. Eine neue Gründerzeit materialisiert sich aber auch im Lauf der Zeit – und das nicht nur in mehr wirtschaftlicher Dy- namik und mehr Beschäftigten. Die historische Gründerzeit hat dies eindrucksvoll gezeigt: Sie hat uns ein reichhaltiges baukul- turelles Erbe, wissenschaftliche Institutionen und außergewöhn- liche Kunstwerke hinterlassen. Sie hat sich in die kulturelle DNA Österreichs eingeschrieben. Ein spekulativer Ausblick Was könnte uns also eine neue Gründerzeit hinterlassen? Woran sollte man merken, dass Österreich zu Beginn des 21. Jahrhun- derts begonnen hat, um- und vieles neu zu denken? Was soll man von der neuen österreichischen Erfolgsstory sehen können und spüren können? Dazu abschließend drei Leitprojekte. Stadt der Zukunft: Urbanisierung ist ein globaler Megatrend. In den Städten entscheidet sich ein Gutteil unserer Zukunft. Wie die Stadt der Zukunft aussehen soll und kann, soll Österreich in einem großen Leitprojekt der neuen Gründerzeit deutlich ma- chen: Mit der Gründung einer neuen Stadt. Es gibt viele Regi- onen in Österreich, die als Standort für ein solches Projekt in Frage kommen. Die Zukunft der Stadt liegt nicht in der Fort- führung vermeintlich smarter Satellitensiedlungspolitik aus den 1970er-Jahren, sondern in visionärer urbaner Verdichtung. Mit einer Stadt der Zukunft zeigt Österreich, wie zukunftsfähige Urbanität aussieht. Der Einsatz modernster Technologien – von der Energieproduktion über die Mobilität bis hin zur Partizipati- Symbole einer neuen Gründerzeit
  • 34. 34 on – ist dabei kein Selbstzweck, sondern unterstützt Multifunk- tionalität und Lebensqualität im Chancenraum Stadt. Die neue Stadt ist eine energetische Aktiv-Stadt, eine Stadt der Chancen in der Bildung, eine Stadt der lokalen Selbstverwaltung und der generationenübergreifenden Selbstorganisation, eine Stadt, die regional, national und international vernetzt ist und alle urbanen Funktionen zukunftsorientiert abdeckt. Österreichs Stadt der Zu- kunft soll ein Testlabor für urbane Zukunftsentwicklungen und ein kultureller Exportartikel werden. Bildungs- und Gründercampus: Ein internationales Referenzpro- jekt soll Österreich auch im Bildungsbereich realisieren. Klassi- sche, eintönige Schulbauten werden in der neuen Gründerzeit nicht mehr errichtet. Neu gebaute Schulen werden als Campus- Schulen gedacht, die im Idealfall gleich mehrere Bildungseinrich- tungen beherbergen. Statt Klassenzimmer gibt es für die Schü- lerinnen und Schüler Begegnungs- und Projekträume, die als Lebens- und Erfahrungsräume wirken. Sie lassen Kinder und Ju- gendliche aufblühen und bieten Raum für vielfältige Entfaltungs- möglichkeiten. Jeder Bildungscampus umfasst auch einen Grün- dercampus mit Räumlichkeiten und Infrastruktur für Gründer. Zwischen Bildungseinrichtungen und Gründercampus herrscht reger Austausch – von gemeinsamen thematischen Projekten über Praktika bis hin zum Unterricht. Kinder, die in eine solche Schule gehen, erhalten ihre natürliche Neugierde und lernen, wie man mit unternehmerischem Denken Probleme anpackt und löst. Mit dem Format des Bildungs- und Gründercampus, einer gelungenen Symbiose von Lern- und Baukultur, soll Österreich ein bildungspolitisches Role Model entwickeln und etablieren. Haus der Bürgergesellschaft: Mit einem „Haus der Bürgergesell- schaft“ – etwa neben dem Burgtor in Wien – verwirklicht Öster- reich ein architektonisch ansprechendes „Signature Building“ für eine selbstbewusste Zivil- bzw. Bürgergesellschaft. Das Gebäu- de komplettiert das Macht-Dreieck der Republik, das aus dem Parlament, dem Regierungssitz und dem neuen Haus der Bür- gergesellschaft besteht. Dieses Haus fungiert als Knotenpunkt
  • 35. 35 im Netzwerk der Bürgergesellschaft. Hier kommt die Politik zum Souverän, treten politische Repräsentanten und Experten zu Bürger-Hearings an, hier kann Infrastruktur zur bürgergesell- schaftlichen Selbstorganisation genutzt werden, hier wird eine moderne Kultur der offenen bürgergesellschaftlichen Partizipa- tion durch politische und gesellschaftliche Bildung am Stand der Zeit gefördert. Das Haus der Bürgergesellschaft ist ein sichtbares Zeichen für eine neue Dialogkultur und für eine selbstbewusste, eigenverantwortliche Bürgergesellschaft im pulsierenden Herzen Europas. Auch das Haus der Bürgergesellschaft soll als gesell- schafts- und demokratiepolitische Innovation aus Österreich in und für Europa und darüber hinaus positioniert werden. Österreich kann mehr Diese beispielhaften Projekte machen deutlich, dass eine neue Gründerzeit für Österreich eine kulturelle Vorwärtsentwicklung unseres Landes in Richtung Zukunft und in Richtung Freiheit anstoßen soll. Eine Entwicklung, die unsere Offenheit und un- ser Interesse an neuen, großen Ideen und Projekten fordert und fördert. Genau das ist für die Fortsetzung der österreichischen Erfolgsgeschichte wichtiger denn je. Sie braucht einen neuen Ka- talysator, einen neuen Narrativ, für den die Gründerzeit auch den notwendigen kulturellen Rahmen abgeben kann. Das Plädoyer für eine neue Gründerzeit für Österreich fußt letzt- lich auf einer Überzeugung, die Politik, Wirtschaft und Gesell- schaft gemeinsam in den Mittelpunkt stellen sollte, statt sich in sinnlosen Klein-Klein-Kontroversen zu verlieren. Diese Überzeu- gung lautet: Unser Österreich kann mehr. Wir sollten es nicht länger daran hindern.
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  • 37. 37 Haber, G. (2013): Langfristige Wirtschaftseffekte der Unternehmensgründungen in Österreich 2013. CBSC Unternehmensberatung GmbH und Wirtschaftskammer Österreich Koppetsch, C. (2013): Die Wiederkehr der Konformität. Frankfurt am Main: Campus Verlag Goehler, A. (2006): Verflüssigungen. Wege und Umwege vom Sozialstaat zur Kulturgesellschaft. Frankfurt am Main: Campus Verlag Bochsler, D.; Kriesi, H. (2013): Wie herrscht das Volk? in: NCCR Democracy; Kriesi, H.; Müller, L. (Hrsg.): Herausforderung Demokratie. Zürich: Lars Müller Publishers Ackermann, U. (2011): Paternalismus und Ökodiktatur. Online: http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/paternalismus- und-oekodiktatur-1.12560163 [09.03.2015] Ackermann, U. (2012): Freiheit als Lebenselixier. in: Harald Mahrer (Hrsg.): Freiheit. Wir sind dafür. Wien: Verlag noir Literatur
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  • 39. 39 Dr. Harald Mahrer ist seit 1. September 2014 Staatssekretär für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Der Absolvent der Wirtschaftsuniversität Wien sammelte politische Erfahrung als Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft und schloss danach sein Doktorat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ab. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Forschungsassistent startete er als Geschäftsführer die legend Consulting GmbH, leitete später Österreichs führende PR & Lobbyingagentur Pleon Publico und war über 15 Jahre als Förderer von Start-ups und als Business Angel aktiv. Als Co-Direktor des Metis Instituts für ökonomische & po- litische Forschung beschäftigte er sich intensiv mit unternehmeri- scher Verantwortung und der Freiheit des Bürgers. Seit 2011 ist er auch Präsident der Julius Raab Stiftung. 39