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13. Ausgabe
Herbst 2020
AUS DER ’KAMMER
Fachkräfte sichern
STANDORT
Risiko Blackout
FOKUS
«NULL-RISIKO-
GESELLSCHAFT»
2 twice Herbst 2020
IN DIESER AUSGABE
	14	Unternehmens-Verantwor-
tungs-Initiative: Anpacken
statt anklagen
	16	 Lamello – schnell, flexibel
und kurze Entscheidungs-
wege
	18	Rhein-Alpen-Korridor
	20	 Interview mit Swissgrid-
CEO Yves Zumwald
	22	Planungsverfahren
im Dreiland
	23	 Verplante Raumplanung
	24	 10 Jahre tunBasel
	25	Stimmungsbarometer
	 26	 Fachkräfte von morgen
sichern
	27	 E-Mail-Schlacht oder
Agile and Lean?
	 28	 Nachhaltig investieren
	 29 	 Abstimmungs­empfehlungen
	30 	Starke Partnerschaft
	31 	Unternehmertreffen
	4	Gefangen in
der «Null-Risiko-
Gesellschaft»
	8	Wie viel Risikofreude
braucht’s?
	10	«Als Unternehmer geht
man immer Risiken ein» –
ein Doppelinterview
	12	Cybersicherheit –
wichtiger denn je
	13	Kolumne von Thomas Kleiber
FOKUS STANDORT AUS DER ’KAMMER
LONDON
AMSTERDAM
ROTTERDAM
DÜSSELDORF
KÖLN
MANNHEIM/
LUDWIGSHAFEN
ANTWERPEN
BRÜSSEL
ZEEBRUGGE
STRASSBURG
BASEL
BERN
ZÜRICH
MAILAND
GENUA
IMPRESSUM
twice erscheint zweimal im Jahr (Frühjahr und Herbst) HERAUSGEBER Handelskammer beider Basel, St. Jakobs-Strasse 25, Postfach, 4010 Basel, T +41 61 270 60 60,
F +41 61 270 60 05, E-Mail: info@hkbb.ch REDAKTION Jasmin Fürstenberger, j.fuerstenberger@hkbb.ch, Lucia Uebersax, l.uebersax@hkbb.ch MITAUTORIN Anne Theiss,
Brenneisen Theiss Communications ART DIRECTION Brenneisen Theiss Communications FOTOS Designersfactory AG (S. 14), Tom Heinzer (S. 17), Lamello (S. 16),
Raphaël Leibundgut (S. 30), LUXWERK.CH (S. 21), Oettinger Davidoff AG (S. 15), Martin Schulze-Schilddorf (S. 10), SRF Schweizer Radio und Fernsehen (S. 13), Tobias Sutter
(S. 11), Violetta Digital Craft (S. 27), Shutterstock: Borhax (S. 18), fanjianhua (S. 23), ioat (S. 12), J.D.S (S. 6), justone (S. 25), MJgraphics (S. 9), Unsplash: Paige Cody (S. 7),
Adam Miller (S. 5), Sammie Vasquez (Titel) DRUCK Gremper AG, Basel
twice Herbst 2020 3
EDITORIAL
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER
Unternehmen heisst riskieren. Erfolgreich unternehmen heisst kalkuliert
riskieren. Aber was und wie viel? Und vor allem: zu welchem Preis? Wir leben
heute in einer Gesellschaft, für die Erfolg oberste Priorität hat. Scheitern gibt
es nicht. Was das bedeutet? Stagnation. Für Risikoforscher Professor Didier
Sornette ist denn auch klar, dass durch den Versuch, alle Risiken zu besei-
tigen, nicht nur Freiheiten beschränkt, sondern auch Neues verunmöglicht
wird: «Denn Forschen heisst, Risiken auf sich nehmen, das Unbekannte
erkunden. Eine Gesellschaft, die Risiken immer stärker kontrollieren will,
steuert auf ihren Tod zu.»
Sind Familienunternehmen und Jungunternehmen gleichermassen mit Risiken
konfrontiert? Und wie haben sich die Risiken verändert? Diesen Fragen gehen
wir nach und erfahren in einem Gespräch mit einem Mentor von Jungunter-
nehmerinnen und Jungunternehmern mehr über die Risikobereitschaft und
Erfolgsfaktoren von Startups. Mit unserer Partnerschaft mit Startup Academy
unterstützen übrigens auch wir Jungunternehmen und gewähren ihnen Zugang
zu unserem weitreichenden Netzwerk.
Haben Sie gewusst, dass im Risikobericht 2015 des Bundes als grösste Risiken
für die Schweiz erstens ein Blackout und zweitens eine Pandemie identifiziert
wurden? Nun, die Pandemie durchleben wir gerade. Wann trifft das Blackout
ein? Im Interview zeigt Yves Zumwald, CEO Swissgrid, auf, warum ein Strom-
abkommen mit der EU wichtig ist, um die Versorgungssicherheit der Schweiz
zu gewährleisten. Erfahren Sie auch mehr zu weiteren aktuellen standort-
politischen Themen. Übrigens: Die QR-Codes führen Sie jeweils zu vertieften
Informationen zum Thema. Also, halten Sie Ihr Smartphone bereit.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und vergessen Sie nicht:
Wer nichts wagt, der darf nichts erhoffen.
Martin Dätwyler, Direktor
WAGEN, NICHT
HOFFEN
4 twice Herbst 2020
GEFANGEN IN DER
			 «NULL-RIS
 GESELLSCHAWir leben in einer «Null-Risiko-Gesellschaft», die davon geprägt ist,
mögliche Risiken zu kontrollieren und zu beseitigen. Klar ist es ein
wichtiges Ziel jeder Zivilisation, die Sicherheit und den Schutz ihrer
Bürger zu verbessern. Wir dürfen jedoch nicht zulassen, dass uns
der behagliche Komfort in einen Dämmerzustand versetzt, und sollten
die Risikobereitschaft wieder stärken.
Von Prof. Didier Sornette und Dr. Peter Cauwels
Wir leben in einer Zeit, die von wirtschaft-
licher, technologischer, demografischer,
kultureller und intellektueller Stagnation
geprägt ist. Da Wohlstand und Komfort im
letzten Jahrhundert angestiegen sind, sind
die wohlhabenden Gesellschaften gealtert
und risikoscheu geworden. Besorgt um den
Erhalt dessen, was ist, und viel weniger da-
ran interessiert, nach dem zu streben, was
sein könnte, sind wir nicht mehr bereit,
den Sprung ins Unbekannte zu wagen und
«mutig dorthin zu gehen, wo noch kein
Mensch zuvor war», wie die berühmte Er-
öffnungssequenz von «Star Trek» besagt.
Wir leben heute in einer «Null-Risiko-Ge-
sellschaft». Was bedeutet, dass wir in einer
Gesellschaft leben, die darauf abzielt, Risi-
ken zu kontrollieren und zu beseitigen.
HÖHEPUNKT DER ZIVILISATION?
Viele feiern dies wahrscheinlich als Höhe-
punkt der Zivilisation, die unsere Umwelt
endlich gezähmt hat. Da wir ein behagli-
4 twice Herbst 2020
ches Leben führen, sehen wir keinen
Grund, unnötige Risiken einzugehen.
Doch dieses Gefühl von Sicherheit und
Schutz hat nur dann Bestand, wenn unse-
re Umwelt und unsere Gesellschaft stabil
und nur kleinen Stressfaktoren und Stö-
rungen ausgesetzt sind. Oder anders aus-
gedrückt: Wenn die Welt um uns herum
in einem Gleichgewicht schwebt. Nichts
könnte jedoch weiter von der Wahrheit
entfernt sein. Denn wenn wir unsere
Kurzsichtigkeit ablegen, wird klar, dass
wir ständig mehr oder weniger Unbekann-
tem ausgesetzt sind. In unserer Forschung
nennen wir diese Risiken sogenannte
«Drachenkönig-Risiken».
Solche Ereignisse können von aussen kom-
men, wie Pandemien, Erdbeben, Supervul-
kanausbrüche oder ein Meteoriteneinschlag
aus dem Weltall. Sie können aber auch mit
unserer Gesellschaft selbst zusammen-
hängen: Finanzblasen, soziale Unruhen,
Revolutionen, Kriege oder Terroranschläge
sowie anthropogene Komponenten des Kli-
mawandels wie Bodenerosion oder Wasser-
knappheit. Auch Fragen der Nachhaltigkeit
und globale Gesundheitsfragen sind Bei-
spiele dafür. Diese wachsenden Heraus-
forderungen bedingen die Bereitschaft, Ri-
siken einzugehen, um Lösungen zu finden.
Denn: Leben ist Risiko, Risiko ist Leben.
WIE IST ES SO WEIT GEKOMMEN?
Welche Beweise haben wir, um die ver-
nichtende Aussage einer «Null-Risiko-Ge-
sellschaft» zu untermauern? Wie ist es so
weit gekommen? Und was kann man da-
gegen tun? Zwischen 1870 und den 1970er-
Jahren hat sich unsere Welt an langfristi-
ges Wirtschaftswachstum und kontinuierli-
che Produktivitätssteigerung gewöhnt. Da-
bei ist wichtig, zu verstehen, dass ein gros-
ser Teil dieses hundertjährigen Fortschritts
das Ergebnis von Einzelereignissen war1
.
Nehmen wir zum Beispiel den Wandel von
FOKUS
1 Robert Gordon, The Rise and Fall of American Growth, Princeton University Press, 2016
twice Herbst 2020 5
SIKO-
AFT»
einer ungebildeten zu einer gebildeten Be-
völkerung, die Zähmung der Wildnis und
die Eroberung neuer Nutzflächen. Oder die
revolutionären Veränderungen, die das mo-
derne Haus brachte, das uns Elektrizität auf
Knopfdruck, moderne Sanitäranlagen mit
fliessendem Wasser oder Telefonleitungen
für sofortige Fernkommunikation bietet.
Diese Fortschritte zeigen aber auch: Sobald
die «tief hängenden Früchte2
» des techni-
schen Fortschritts gepflückt sind, erfordert
es immer mehr Mühe und Kosten, um nach
den höheren Zweigen zu greifen. Demzu-
folge nahmen Wirtschaftswachstum und
Produktivität in den letzten fünfzig Jahren
ab und stagnierten schliesslich. Verschärft
haben dies der Rückgang an Neuinves-
titionen unter dem Druck des massiven
Schuldenüberhangs im öffentlichen und im
privaten Sektor sowie die steigenden Aus-
gaben für die Gesundheitsversorgung und
die Rentenverpflichtungen.
2 Tyler Cowen, The Great Stagnation: How America Ate All the Low-Hanging Fruit
of Modern History, Got Sick, and Will (Eventually) Feel Better, Penguin Group, 2011
6 twice Herbst 2020
FOKUS
In Zeiten, in denen vermeintliche Technolo-
gieexperten die digitale und virtuelle Re-
volution verherrlichen, mag die Diagnose
einer technologischen Stagnation, wie wir
sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben,
überraschen. Sollte sich dies widersprüch-
lich anfühlen, dann liegt das daran, dass
wir technologischen Fortschritt mit Innova-
tion verwechselt haben, ohne zu erkennen,
dass die Wissensakkumulation einen sehr
subtilen Weg geht, der in erster Linie auf
Entdeckungen und Erfindungen basiert.
DREI TRIEBKRÄFTE
Ein gesundes Wirtschaftssystem schafft
das richtige Gleichgewicht zwischen den
drei Triebkräften des technologischen
Fortschritts: der Effizienz der risikoarmen,
meist verwertungsfördernden Innovation,
dem Glück der kreativen Erfindung mit
mittlerem Risiko und der Kühnheit der ex-
plorativen Entdeckung mit hohem Risiko.
Wir müssen anfangen, zu verstehen, dass
viele der sogenannten revolutionären In-
novationen, die jetzt auf den Markt kom-
men – wenn überhaupt –, nur marginale
Auswirkungen auf unser Leben haben.
Dies ist in keiner Weise vergleichbar mit
den lebensverändernden Fortschritten, die
während der industriellen und technolo-
gischen Revolutionen im Jahrhundert vor
den 1970er-Jahren stattfanden. Um es mit
dem berühmten Witz von Peter Thiel aus-
zudrücken: «Man versprach uns fliegende
Autos. Wir bekamen 140 Zeichen.»
SOZIALE ERSCHÖPFUNG
Die Stagnation beschränkt sich aber nicht
nur auf Technik und Wirtschaft. Ross
Douthat3
, Kolumnist der «New York Times»,
dokumentiert soziale, kulturelle, intellek-
tuelle und institutionelle Erschöpfung: Die
reichsten Gesellschaften der Menschheits-
geschichte haben beschlossen, sich nicht
fortzupflanzen. Der zunehmende Mangel
an sexuellem Begehren ist dokumentiert
und kulturell und intellektuell leiden wir
unter Wiederholungen von unzähligen Pro-
logen oder Epilogen von «Star Wars» oder
Serien von Disney und Netflix. Darüber hi-
naus schwindet die Stärke unserer Institu-
tionen unter dem Einfluss von Lobbyisten
und Interessengruppen, kurzfristigen Fi-
xierungen und Polarisierung. Wir sind ab-
hängig von unseren elektronischen Gerä-
ten, süchtig nach Apps4
, die speziell darauf
ausgerichtet sind, unsere Schwächen wie
Langeweile, Einsamkeit, Unsicherheit und
das Verlangen nach sofortiger Befriedi-
gung unserer Bedürfnisse auszunutzen.
Wir erwarten kurzfristige Lösungen für
jedes Problem, wir wollen keine Zeit mit
Nachdenken verlieren.
HOTEL CALIFORNIA
Willkommen im Hotel California! Will-
kommen in der «Null-Risiko-Gesellschaft»!
So ein schöner Ort. Sie können einche-
cken, wann immer Sie wollen, aber Sie
können nie wieder abreisen. Also, wie
sind wir hier reingeraten? Wir haben vier
Ursachen identifiziert, die uns an diesen
Punkt gebracht haben.
Erstens: Die direkte Folge des wirtschaft-
lichen Fortschritts. Denn wenn Reichtum
und Alter in der Gesellschaft ansteigen,
werden die Menschen immer risikoscheuer,
konzentrieren sich auf den Fortbestand des
Unternehmens und den Schutz des Reich-
tums und das Streben nach Zinseinkom-
men. Dies gilt vor allem für Wohlhabende.
3 Ross Douthat, The Decadent Society. How We Became the Victims of Our Own Success, Avid Reader Press, 2020, 4 Nir Eyal, Hooked, How to Build
Habit-Forming Products, Penguin Books, 2014, 5 Tim Wu, The Attention Merchants: The Epic Scramble to Get Inside Our Heads, Deckle Edge, 2016
Zweitens: Damit man Risiken eingehen
kann, muss man Zugang zu Chancen ha-
ben. Da die Ungleichheit in der Wohlstands-
gesellschaft in den letzten Jahrzehnten
sprunghaft angestiegen ist, hat ein wach-
sender Anteil der Bürgerinnen und Bürger
in vielen westlichen Ländern – ganz zu
schweigen von den Entwicklungsländern
– Schwierigkeiten, ihr tägliches Leben zu
meistern, leidet unter schlechter Gesund-
heit, hat keinen Zugang zu hochwertiger
Bildung oder einem angemessenen sozialen
Sicherheitsnetz. So leben sie ein riskantes
Leben mit Abwärts- und keinen Aufwärts-
risiken, die Innovation und Unternehmer-
tum ermöglichen.
Drittens: Der technologische Fortschritt
ist eine Illusion der Kontrolle. Wir haben
das behagliche Gefühl, geschützt und si-
cher zu sein und dass die Technologie uns
vor Schaden oder unerwünschten Ereig-
nissen bewahrt.
Viertens: Die Wahrscheinlichkeit seltener
Ereignisse wird durch die instinktive Re-
aktion unseres Reptiliengehirns, die Mul-
tiplikation durch soziale Medien und die
Medien als Händler von Aufmerksamkeit5
twice Herbst 2020 7
oft enorm überschätzt, was zu einem Ma-
nagement der Extreme führt. Wenn politi-
sche Entscheidungsträger dieser Tendenz
nachgeben, geben sie dem Populismus
nach. Darüber hinaus bekämpfen wir oft
nur oberflächlich Symptome, ohne nach
tieferen Ursachen für die Probleme zu su-
chen, mit denen unsere Gesellschaft kon-
frontiert ist.
Obwohl dies widersprüchlich klingen mag,
müssen wir dazu bereit sein, grössere Ri-
siken einzugehen, um unsere Gesellschaft
widerstandsfähiger zu machen. Um uns
auf «Drachenkönige» vorzubereiten, müs-
sen wir ein Umfeld schaffen, das mutige
Erkundungen ausserhalb unserer Kom-
fortzone ermöglicht. Tatsächlich ist dies
auch der einzige Weg, um aus der Falle
der sinkenden Erträge herauszukommen
und der wirtschaftlichen und der techno-
logischen Stagnation zu entkommen. Dies
ist mit der militärischen Taktik der Auf-
klärung vergleichbar: Man setzt zwar klei-
nere Gruppen von Aufklärern einem hö-
heren Risiko aus, aber die Erkundung
ausserhalb des von befreundeten Streit-
kräften besetzten Gebiets kommt der
grösseren Gruppe zugute und erhöht ihre
Widerstandsfähigkeit.
RISIKOBEREITSCHAFT STÄRKEN
Die verschiedenen Formen der Stagnati-
on, die wir oben beschrieben haben, sind
weithin anerkannt. Die Lösungen, die vor-
geschlagen werden, wie beispielsweise
eine aussergewöhnliche Geld- und Fi-
nanzpolitik, um Investitionen anzukur-
beln, oder steuerliche Anreize zur Erhö-
hung der Geburtenrate, kratzen lediglich
an der Oberfläche und behandeln nur die
Symptome. Wir schlagen vor, zum Kern
des Problems vorzudringen und die Risi-
kobereitschaft wieder zu stärken. Wir
müssen für Begüterte eine Kultur fördern,
in der das Scheitern als Teil des Lernpro-
zesses gesehen wird. Für Mittellose müs-
sen wir eine Gesellschaft schaffen, die
Chancen eröffnet und einen besseren Zu-
gang zu Gesundheit, Bildung und vor al-
lem zu Empowerment bietet.
Wir sollten energisch explorative, risiko-
reiche Projekte finanzieren, spielerische,
kreative, sogar scheinbar nutzlose Tüfte-
leien fördern, die auf längere Sicht sicher-
lich den Forschungserfolg erhöhen. Natür-
lich ist zielgerichtete Forschung äusserst
nützlich und Effizienz notwendig, aber wir
müssen begreifen, dass dies bestenfalls
zu Innovationen führt. Um Entdeckungen
und Erfindungen – also quasi die Vorrei-
ter von Innovationen – zu fördern, ist eine
ungezielte freie Forschung nötig.
NEUE ROLLENMODELLE
Und schliesslich brauchen wir zusätzliche
Rollenmodelle für unsere Jugend. Warum
fördern wir nicht den Risikofreudigen, die
Entdeckerin, die kreativen Erfinder als
neuen gesellschaftlichen Typus, der wie
ein Hollywood- oder Sportstar gefeiert
wird? Nur durch einen tiefgreifenden kul-
turellen Wandel – indem wir den Pionier-
geist wiedererwecken und die Risiko­
bereitschaft stärken – können wir der
illusionären und lähmenden «Null-­Risiko-
Gesellschaft» und ihren inhärenten
­Risiken entfliehen. •
DIDIER SORNETTE ist ordentlicher Professor für unter-
nehmerische Risiken am Institut für Management, Tech-
nologie und Wirtschaft der ETH Zürich. Er ist Spezialist
für grosse und extreme Risiken.
DR. PETER CAUWELS ist Senior Researcher am Lehr-
stuhl für Entrepreneurial Risk an der ETH Zürich. Er pro-
movierte in Physik an der Universität Gent und war Leiter
des Global Market Research bei BNP Paribas Fortis.
Dieser Leitartikel basiert auf den Er-
kenntnissen, die Prof. Didier Sornette
und Dr. Peter Cauwels für ihr neues
Buch «Die Illusion der ewigen Geld-
maschine und was sie für die Zukunft
verheisst» recherchiert haben. Darin
analysieren sie die Entwicklung unserer
Gesellschaften seit 1870 und identifi-
zieren fünf Hauptperioden, wobei sie die
gegenwärtige, die Anfang der 1980er-
Jahre begann, als das «Zeitalter des Nar-
rengolds» bezeichnen. In ihren Analysen
fordern sie die Schaffung von ähnlichen
Institutionen wie die DARPA und mutige
Projekte wie das Apollo-Programm, um
sich von der «Null-Risiko-Gesellschaft»
zu befreien, die sie strebenden Gesell-
schaften gleichsetzen.
8 twice Herbst 2020
Das populäre Image von Unternehmern wird durch schillernde
Persönlichkeiten wie Richard Branson und Elon Musk geprägt. Extra-
vertierte Draufgänger, die mutig das Risiko suchen. Bei genauerem
Hinsehen erweist sich die Risikofreude aber als zweischneidiges Schwert.
Sucht man nach dem Stereotyp eines
Entrepreneurs, taucht die Risikobereit-
schaft als Eigenschaft ganz oben auf.
Unternehmerinnen und Unternehmer
müssen nach landläufiger Einschätzung
besonders risikofreudig sein. Dieses
Image speist sich aus der medienwirksa-
men Selbstinszenierung ausserordent-
lich risikofreudiger Entrepreneure wie
Elon Musk. Diese Wahrnehmung hat
aber durchaus einen wahren Kern.
RISIKOFREUDE ALS STABILES
VERHALTENSMUSTER
Als risikofreudig werden Menschen be-
zeichnet, die bereitwillig Entscheidun-
gen unter Unsicherheit fällen und die
bereit sind, auch einen hohen Einsatz
für einen möglichen Gewinn aufs Spiel
zu setzen. Für solche Verhaltensmuster
spielen situative Bedingungen wie Er-
folgswahrscheinlichkeiten oder die Höhe
der Anreize zwar eine wichtige Rolle.
Die Wissenschaft hat aber gezeigt, dass
die Tendenz, Risiken einzugehen, ein
stabiles Verhaltensmuster ist und sogar
als überdauerndes Persönlichkeitsmerk-
mal interpretiert werden kann.
ENTREPRENEURE SIND
RISIKOFREUDIGER
Was ist nun dran am Stereotyp, dass
Entrepreneure risikobereiter sind? Dies
wird bereits seit Längerem erforscht und
die Ergebnisse sind recht eindeutig. Entre-
preneure sind tatsächlich risikobereiter
als der Durchschnitt der Bevölkerung, sie
sind risikobereiter als angestellte Perso-
nen und sie sind auch risikobereiter als
Führungskräfte in Unternehmen. Dabei
sind Entrepreneure nicht gleich Entrepre-
neure, denn wachstumsorientierte Unter-
nehmer sind nochmals risikofreudiger als
einkommensorientierte Unternehmer. Jeff
Bezos, der Gründer von Amazon, der seinen
gut dotierten Wall-Street-Job zugunsten
einer Garagengründung aufgegeben hat,
dürfte das bekannteste Beispiel für einen
wachstumsorientierten Entrepreneur sein.
Sein Motto: It’s allways day one!
RISIKOBEREITSCHAFT
ALS EINGANGSHÜRDE
Es liegt in der Natur von Unternehmens-
gründungen, dass Entrepreneure neuar-
tige, unstrukturierte Situationen meis-
tern und Entscheidungen treffen müssen,
deren Konsequenzen ungewiss sind. Risi-
koaverse Menschen erleben solche Situati-
onen als äusserst unangenehm und ver-
meiden sie daher. Unsere Studien, die wir
vor wenigen Wochen im Kanton Basel mit
Gründern durchgeführt haben, unter-
streichen die Bedeutung der Risikobereit-
schaft. Kein Persönlichkeitsmerkmal sagt
die Gründungsneigung besser voraus.
Aber hängt Risikofreude auch mit Erfolg
zusammen? Braucht es den draufgängeri-
schen Mut eines Richard Branson oder
reicht das zurückhaltende Temperament
eines Bill Gates?
TREIBER FÜR WACHSTUM UND
PROFITABILITÄT?
Auch hierzu haben wir Untersuchungen
in mehreren Nordwestschweizer Kantonen
durchgeführt. Unsere Analysen zeigen
WIE VIEL
	   RISIKOFREU
BRAUCHT’S?
twice Herbst 2020 9
BENEDIKT HELL ist Professor an der FHNW,
Hochschule für Angewandte Psychologie, Institut
Mensch in komplexen Systemen (MikS).
•	Der von der Fachhochschule Nordwestschweiz entwickelte Entrepre-
neurcheck ist ein Selbsttest, der angehenden und bereits aktiven
Entrepreneuren Feedback zu ihren Stärken und Schwächen im Hin-
blick auf ihre selbstständige Tätigkeit gibt.
•	Der Test besteht aus einem Persönlichkeitstest und aus einem Mo-
dul, das gesundheitsrelevantes Verhalten abbildet. Beide Module
sind so aufgebaut, dass unmittelbar nach Durchführung des Tests
ein ausführliches Feedback mit konkreten Handlungsempfehlungen
abgegeben wird. Ziel ist es, die persönliche Weiterentwicklung zu un-
terstützen, um den Gründungserfolg zu fördern.
•	Der Persönlichkeitstest bildet die zwölf Persönlichkeitsmerkmale ab,
die nachweislich mit dem Erfolg von Entrepreneuren zusammen-
hängen: Belastbarkeit, Beharrlichkeit, Durchsetzungsfreude, Innova-
tionsfreude, Kontrollüberzeugung, Leistungsmotivation, Offenheit,
Proaktivität, Selbstkontrolle, Selbstwirksamkeit, Unabhängigkeits-
streben. Der Test erfasst auch die Risikobereitschaft. Die Ausprä-
gung der Persönlichkeitsmerkmale wird in Relation zur durchschnitt-
lichen Ausprägung in der Gesamtbevölkerung sowie bei
erfolgreichen Entrepreneuren gesetzt.
•	Das Tool steht in deutscher, englischer und französischer Sprache
zur Verfügung. Eine Testdurchführung mit ausführlicher Auswertung
kostet 19 Franken.
www.entrepreneur-check.ch
deutlich, dass sich die Risikobereitschaft auf
den Erfolg in der ersten Gründungsphase aus-
wirkt. Risikofreudigere Personen entwickeln
mehr Gründungsideen und sie setzen diese
Ideen wesentlich häufiger in die Tat um. In
den späteren Phasen jedoch kommt es auf an-
dere Persönlichkeitsmerkmale an. Die drei
wichtigsten Merkmale für die nachhaltige
Unternehmensentwicklung sowie für Wachs-
tum und Profitabilität sind Beharrlichkeit,
Leistungsmotivation und Offenheit.
RISIKOMANAGEMENT
STATT NERVENKITZEL
Die Notwendigkeit, Risiken einzugehen, kann
also als Eingangshürde für angehende Un-
ternehmer angesehen werden. Es braucht
einen gewissen Mut, um ein Unternehmen
zu gründen. Aber für den Erfolg ist eine Risi-
koneigung um des Nervenkitzels willen
schädlich. Stattdessen ist ein gutes Risiko-
management gefragt, denn Risiken sollten
kalkuliert eingegangen und gegebenenfalls
reduziert werden. •
UDE
ENTREPRENEUR-
CHECK
DER FHNW
8 twice Herbst 201810 twice Herbst 2020
FOKUSFOKUS
«ALS UNTERNEH
IMMER RIS
Mit welchen Risiken ist ein Startup konfrontiert und welche Risiken trägt ein
traditionelles Familienunternehmen? Marija Plodinec, CEO ARTIDIS AG, und
Patrice Cron, CEO Jean Cron AG, über Unternehmensrisiken und ihre Visionen.
Was halten Sie von der Aussage «no risk,
no succes»?
Patrice Cron (P.C.): Das ist eine gewagte
Aussage. Denn als Unternehmer geht man
immer Risiken ein. Wie viel Risiko es aber
für Erfolg braucht, ist schwer abzuschätzen.
Ich würde also eher dazu tendieren, ohne
kalkuliertes Risiko kein Erfolg.
Marija Plodinec (M.P.): Als CEO eines
Startups kann ich diese Aussage natürlich
voll und ganz bestätigen. Alles, was wir ma-
chen, ist neu – und alles Neue birgt Risiken.
Wir sind uns dessen sehr bewusst. Aber
wenn wir unsere Arbeit voranbringen kön-
nen, nehmen wir die Risiken auch gerne in
Kauf. Denn nur eine geniale Idee allein
reicht nicht für den Erfolg. Es braucht auch
die richtigen Mitarbeitenden und Partner
sowie manchmal auch mutige Manage-
mententscheidungen, um eine Idee erfolg-
reich umsetzen zu können.
Ihr Unternehmen ist ja bereits sehr erfolg-
reich unterwegs.
M.P.: Das kommt sicherlich daher, dass wir
vom Potenzial unseres Produkts absolut
überzeugt sind. Wir haben hervorragende
internationale Patente, hochinnovative und
kompetente Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter und entwickeln unser Produkt stän-
dig weiter. Schwierigkeiten sehen wir als
wichtige, notwendige Tests an. Wir haben
wohl die richtige Mischung aus Begeiste-
rung und Realismus, das richtige Mass an
Standhaftigkeit und Lernfähigkeit bei der
Weiterentwicklung unseres Produkts so-
wie exzellente Partner an unserer Seite.
Mit welchen Risiken sehen Sie sich als
Familienunternehmen konfrontiert?
P.C: Eines der grössten Risiken ist, dass
das Private mit dem Geschäft eng zusam-
menhängt. Vor allem, wenn das Unterneh-
men den gleichen Namen trägt. Erlaube ich
mir auf der einen Seite einen Fauxpas, so
kann die andere Seite davon beeinträchtigt
sein. Und da Familienunternehmen meis-
tens patronal geführt sind, konzentrieren
sich die Führungsaufgaben vermehrt auf
den Geschäftsführer. Dies birgt ein Klum-
penrisiko, wenn diese Person ausfällt.
Haben sich die Risiken verändert?
P.C: Die Risiken haben sich insofern verän-
dert, dass die Öffentlichkeit und die Medien
sehr sensitiv darauf reagieren, wenn bei
privaten Engagements, wie beispielsweise
in der Politik oder bei Vorstandsarbeiten,
ein Zusammenhang mit dem Geschäftli-
chen konstruiert werden kann. Da kann gut
Die Risiken haben sich in-
sofern verändert, dass die
Öffentlichkeit und die Medien
sehr sensitiv reagieren. »
PATRICE CRON, CEO JEAN CRON AG
www.jeancron.ch
JEAN CRON
Das Bauunternehmen
Jean Cron AG vereint
Tradition und Moderne.
Seine Wurzeln gehen
zurück bis ins Jahr 1936.
Heute beschäftigt die Jean
Cron AG 70 Angestellte.
HMER GEHT MAN
SIKEN EIN»
MARIJA PLODINEC, CEO ARTIDIS AG
« Alles, was wir machen,
ist neu – und alles Neue
birgt Risiken. 
Gemeintes sehr schnell negativ ausgelegt
werden. Aber ansonsten haben sich die
«normalen» Geschäftsrisiken nicht gross
verändert. Für mich überwiegen – trotz er-
wähntem Risiko der Vermischung des Pri-
vaten mit dem Geschäft – die Vorteile klar.
Und was sind die Risiken bei Jungunter-
nehmen?
M.P: Für uns – wie übrigens für jedes Jung-
unternehmen – sind die Finanzierung so-
wie der relativ kleine Schweizer Markt si-
cherlich die grössten Herausforderungen.
Wir brauchen hohe Investitionen sowie die
besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
um unser hoch innovatives, medizintech-
nisches Produkt möglichst schnell und in
bester Qualität zur Marktreife zu bringen.
Es ist sehr wichtig, von Anfang an den
Weltmarkt im Auge zu haben und die rich-
tigen Strategien zu entwickeln.
Wie kam es überhaupt von der Idee zur
Gründung einer eigenen Firma?
M.P: Die Technologie, um die Steifheit
von Gewebe zu messen, gibt es bereits seit
den 1980ern. Als ich 2008 an meiner Dok-
torarbeit am Biozentrum der Universität
Basel arbeitete, hatte ich die Idee, die
Steifheit von Tumoren zu messen und die-
se Informationen im klinischen Kontext
zu nutzen. Das war die Geburt des Spin-
offs. 2014 vergab die Uni eine exklusive
Entwicklungs- und Vermarktungslizenz
an ein Schweizer KMU. Als das Projekt
nicht wie gewünscht in Gang kam, wech-
selte ich die Seite und nahm die Weiter-
entwicklung als CEO selber in die Hand.
Was sind die Vorteile eines Familienunter-
nehmens?
P.C: Man ist komplett unabhängig und
niemandem Rechenschaft schuldig. Ist
man selbst mit dem Erfolg zufrieden, ist
die Welt in Ordnung. Der Umgang mit den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat ei-
nen hohen Stellenwert. Es bleibt familiär
und daraus resultiert eine hohe Motivati-
on unserer Mitarbeitenden. Zudem hat der
Kunde bei Problemen jederzeit eine An-
sprechperson. Man ist greifbar und kann
so Probleme schneller lösen.
Was ist Ihre Vision für Ihr Unternehmen
in zehn Jahren?
M.P: Unser Gerät nimmt nanomechanische
Gewebemessungen vor und erkennt damit
Krebserkrankungen schneller. Dank einer
umfangreichen, selbstlernenden Datenana-
lyse schlägt das Gerät zudem sogleich auch
eine individuelle Therapie für den Patienten
vor. Mit dieser Technologie wollen wir in
zehn Jahren weltweiter Marktführer sein.
Das würde einen grossen Schritt nach vorn
in der Gesundheitsversorgung bedeuten.
P.C: Visionen und Wünsche hat man im-
mer. Eine Vision wäre, dass die Krone in
Basel so stark verankert ist, dass man
nicht um sie herumkommt. •
www.artidis.com
ARTIDIS
entwickelt ein medizinisches
Gerät für die klinische
Anwendung in der
Krebsdiagnostik, das auf
Nanotechnologie basiert.
Das Team von ARTIDIS AG
zählt aktuell 22 Köpfe.
MEHR DAZU: In einem Videogespräch dis-
kutieren wir mit Unimentor Danilo Tondelli
über Risikobereitschaft und Erfolgsfaktoren
von Jungunternehmern.
twice Herbst 2020 11
12 twice Herbst 2020
FOKUS
Die zunehmende Vernetzung und Durchdringung
praktisch aller Bereiche eines Unternehmens mit In-
formatik eröffnet neue Potenziale. Gleichzeitig ent-
stehen durch die zunehmende Digitalisierung aber
auch neue Gefährdungslagen, auf die schnell und
konsequent reagiert werden muss. Die digitale Si-
cherheitsmaturität der Unternehmen zeigt jedoch
enorme Unterschiede. In einigen Unternehmen ist
die digitale Transformation bereits fortgeschritten.
Diese Betriebe waren es auch vor Covid-19 gewohnt,
mit virtuellen Meetings zu arbeiten. Andere hinge-
gen wurden mit der Pandemieplanung regelrecht in
die digitale Transformation gestossen. Hier war Ho-
meoffice zuvor kein Thema, Technologien dafür wa-
ren nicht vorhanden und so mussten die Mitarbeiten-
den teilweise mit privaten Laptops oder schnell
ausgerollten Firmengeräten arbeiten.
MEHR CYBERKRIMINELLE ATTACKEN
Zu Beginn der ausserordentlichen Situation waren fast
alle Unternehmen mit Workflow- und Finanzmanage-
ment beschäftigt. Ungewohnte Arbeitsmittel und -orte,
Prozesse sowie fehlende Mittel zur dezentralen Über-
wachung schufen schnell zusätzliche Schwachstellen.
Cyberkriminelle nutzten diese Gelegenheit und inten-
sivierten ihre Attacken aus dem Cyberspace. Es zeigte
sich schnell, dass eine tatkräftige Bekämpfung und
Bereinigung einer Cyberattacke im Pandemiefall und
unter Auflagen viel schwieriger ist.
WIE SCHÜTZEN SICH UNTERNEHMEN?
Von besonderer Bedeutung in einer bewegten Zeit ist
das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeitenden für
veränderte Arbeitsumgebungen und Zusammenar-
beitsmodelle. Sie sind genauso Teil einer langfristi-
gen Cyberresilienz wie starke Sicherheitsprozesse
und eine stimmige Sicherheitsstrategie. Die besonde-
re Gefahr gezielter Cyberangriffe auf die IT-Land-
schaft verlangt eine Erweiterung des Sicherheitsden-
kens und schliesst Kommunikation, Anwendungen,
Prozesse und verarbeitete Informationen mit ein.
Wichtig ist, sich klarzumachen, dass Sicherheit auch
Chefsache ist. Die Transformation und Rolle von Cy-
bersecurity muss vom Management eingeleitet und
somit ein integraler Bestandteil von Strategie und
Entscheidungen werden. Jene Unternehmen, die sich
während der Krise in der Detektion und sofortigen
Wiederherstellung der IT-Sicherheit weiterentwickelt
haben, machten die grössten Fortschritte und konn-
ten ihre Cybermaturität steigern. Schliesslich ist es
wichtig, dass Krisenprozesse nicht nur erstellt, son-
dern auch regelmässig überprüft, angepasst und ge-
testet werden. •
Die Covid-19-Pandemie führt uns klar vor Augen, dass Krisenzeiten ein Land
und seine Wirtschaft in einen Ausnahmezustand versetzen und Unternehmens-
führungen vor neuartige finanzielle, teilweise existenzielle, aber auch technische
Herausforderungen stellen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ein Unter-
nehmen in einer solchen Krise zusätzlich von einem Cyberangriff betroffen ist.
Gerade deshalb ist eine zuverlässige Cybersicherheit unabdingbar.
CYBER-
SICHERHEIT
IST WICHTIGER DENN JE
URS KÜDERLI ist Partner und Leiter des Bereichs
Cybersecurity and Privacy bei PwC Schweiz.
twice Herbst 2020 13
WIESO NICHT EINMAL
IN KANADA LEBEN?
Von Thomas Kleiber
«Bist du mutig oder einfach nur dumm?» Direkt hatte
mich das so niemand gefragt. Zwischen den Zeilen
aber schon.
Vor zwei Jahren bin ich nach Kanada ausgewandert. Weg
aus dem gemachten Nest, weg von meiner sicheren
Arbeitsstelle, weg von Familie, Freunden, Netzwerken
und vertrautem Umfeld. «Wegen der Liebe», hiess es
halbrichtig in den Klatschmedien.
Die Gründe, wieso Menschen ohne Not auswandern, sind
zahlreich. Aber etwas scheint mir gemeinsam zu sein:
Auswanderer sind im Geiste ähnlich wie Jungunterneh-
mer. Sie möchten ihren eigenen Weg gehen und sind
bereit, dafür die Komfortzone zu verlassen und Risiken
in Kauf zu nehmen.
Selbsterklärend, dass man sich vorgängig über Gefahren
informiert. Aber man kann sich nie für alles wappnen.
Ein banales Detail kann alles ruinieren. Louis Hébert
zum Beispiel, der erste europäische Farmer in Kanada,
war gut vorbereitet auf seine raue, gefährliche Umge-
bung. Er starb weder an der brutalen Kälte des kanadi-
schen Winters, noch verhungerte er, kein Mensch
brachte ihn um und kein Bär frass ihn auf. Sein Tod
ereilte ihn völlig trivial, als er auf einer vereisten Stelle
ausrutschte und dabei unglücklich stürzte.
Als ich nach Kanada zog, war ich mir einiger Risiken
bewusst. Zum Beispiel der Sprache. In Französisch kann
ich mich nie so gut ausdrücken wie in Deutsch, was
natürlich ein Hindernis ist bei der Jobsuche. Ebenso zu
erwarten sind Probleme bei der Anerkennung der Aus-
bildungen und beruflichen Erfahrungen. Auch nicht zu
unterschätzen ist das Heimweh.
THOMAS KLEIBER ist Meteorologe, ehemaliger
SRF-Moderator und lebt seit 2018 in Kanada.
Aber war ich mir aller Risiken voll bewusst? Nein. Mir
genügte es, zu wissen, dass «ernsthafte Bedrohungen»
unwahrscheinlich sind. Eisige Stellen gibt es jedoch im-
mer. Hätte ich zu lange überlegt, hätte ich von diesen
immer mehr gesehen und den Gewinn immer mehr ver-
gessen. Ich wäre nicht gegangen.
Ich hätte so die Chance vertan, viele interessante und
liebenswerte Kanadier kennenzulernen. Ich hätte es
mir verwehrt, in einem wunderbaren Land zu leben, in
eine andere Kultur einzutauchen und eine grossartige
Natur zu erkunden. Ich wüsste auch nicht, wie es sich
als Immigrant anfühlt und wie rasch man sich dabei
minderwertig und wehrlos fühlen kann. Ich hätte so viel
verpasst!
Gut möglich dennoch, dass ich wieder in die Schweiz zu-
rückkehre. Das wäre kein Scheitern. Ich liebe die Schweiz.
Ich ging nach Kanada, weil ich beruflich auf der Suche
nach einer neuen Herausforderung war und ich dank
meines kanadischen Partners einfacher einreisen konnte.
Wäre doch schade gewesen, hätte ich diese grossartige
Möglichkeit nicht genutzt. Mein Problem ist nur, dass ich
nun an zwei Orten daheim bin. Sollte ich zurückkommen
in die Schweiz, werde ich Kanada vermissen. Ich werde
Heimweh haben, egal, wo ich wohne.
Aber den Preis bin ich bereit zu zahlen.
Um auf die Frage zurückzukommen, ob ich mutig oder
dumm bin: Ich bin wohl – wie die meisten – von beidem
ein wenig. Aber ich bin vor allem neugierig. Ich habe das
gemacht, was uns weiterbringt: Ich habe etwas gewagt.
KOLUMNE
14 twice Herbst 202014 twice Herbst 2020
Bei der Unternehmensverantwortung müssen
wir wegkommen vom Regulieren und ver-
mehrt die Chancen in den Mittelpunkt stellen.
Es gilt anzupacken, statt anzuklagen.
Nachhaltigkeit und unternehmerische
Verantwortung sind aus der heutigen
wirtschaftspolitischen Debatte nicht
mehr wegzudenken. Die Firmenkultur in
multinationalen Unternehmen hat sich in
den letzten Jahrzehnten stark verändert.
Weltweit tätige Unternehmen können es
sich nicht leisten, systematisch gegen
Menschenrechte und Umweltschutz zu
verstossen. Die ethischen Erwartungen
der Öffentlichkeit und der eigenen Mitar-
beitenden beeinflussen die Unternehmen
zusätzlich. Schweizer Unternehmen agie-
ren denn auch weltweit vorbildlich. Sie
engagieren sich vor Ort für bessere Ar-
beitsbedingungen und Umweltschutz in
Zusammenarbeit mit Regierungen, NGOs
und der lokalen Bevölkerung. Bei Fehltrit-
ten können Unternehmen verklagt wer-
den – auch in der Schweiz.
International und national laufen Bestre-
bungen, die Verantwortung der Unter-
nehmen hinsichtlich ihrer Lieferkette
durch neue Gesetze weiter zu erhöhen.
Auch die Wirtschaft unterstützt diese An-
sätze der Sorgfaltsprüfungspflichten,
denn sie sorgen für gleiche Wettbewerbs-
bedingungen. Zwei Bedingungen sind da-
bei aber zentral: Erstens müssen die Re-
geln international abgestimmt sein,
damit für alle gleich lange Spiesse gelten.
Zweitens muss die Sorgfaltsprüfungs-
pflicht verhältnismässig sein, damit sie
das Engagement der Unternehmen in Ri-
sikoländern nicht schmälert.
KEIN SCHWEIZER SONDERWEG
Die Unternehmens-Verantwortungs-
Initiative, über die wir in der Schweiz am
29. November abstimmen, geht in eine an-
dere Richtung. Sie ist weder international
abgestimmt noch mit Bedacht definiert. Sie
verlangt die Einführung von Haftungsre-
geln und Sorgfaltspflichten, die weltweit
einzigartig extrem wären. Schweizer Un-
ternehmen würden für ihre gesamte Lie-
ferkette automatisch und ohne Verschul-
den haften. Von der Haftung befreien
könnten sie sich nur, wenn sie ihre Sorgfalt
jederzeit lückenlos nachweisen könnten.
Andere Länder haben eine solche Praxis
bisher klar abgelehnt. Die EU-Kommission
will 2021 einen Gesetzesvorschlag vor-
legen, um die Verantwortung von multina-
tionalen Unternehmen europaweit zu har-
monisieren. Doch auch sie wird sich hüten,
unverhältnismässige Haftungsregeln ein-
zuführen. Mit der Annahme der Unterneh-
mens-Verantwortungs-Initiative würde die
Schweiz also zum Sonderfall. Unsere Un-
ternehmen wären im internationalen Wett-
bewerb benachteiligt und ausländischen
Klageanwälten ausgeliefert. Der indirekte
Gegenvorschlag des Parlaments, der bei
einem Nein zur Initiative an der Urne auto-
matisch in Kraft tritt, ist klar die bessere
Lösung. Er kombiniert auf Gesetzesstufe
eine Rechenschaftspflicht mit strengen
Sorgfaltsprüfungspflichten. Bei Nichtein-
haltung der Pflichten drohen strafrechtli-
che Konsequenzen. Der Gegenvorschlag
setzt auf internationale Standards und kann
sofort umgesetzt werden. Damit schafft er
Planungssicherheit für die Unternehmen.
CHANCEN NUTZEN STATT RISIKEN
VERMEIDEN
Statt die Unternehmen zu mehr Risikover-
meidung zu zwingen, sollten wir uns ver-
mehrt den Chancen einer Einbindung mul-
tinationaler Firmen vor Ort widmen.
Mangelnde Menschenrechte und fehlen-
der Umweltschutz sind nämlich im Kern
eine Folge von Armut und Unterentwick-
lung. Die Frage muss deshalb sein, wie wir
den wirtschaftlichen Fortschritt und den
verantwortungsvollen Umgang mit Res-
sourcen in den Entwicklungsländern för-
dern können. Und hier spielen die globa-
len Unternehmen eine Schlüsselrolle. Die
Erfahrung zeigt, dass nachhaltige Verbes-
serungen für Mensch und Umwelt vor al-
lem dann gelingen, wenn Unternehmen
möglichst eng in die lokale Wirtschaft der
betroffenen Länder eingebunden sind.
Der konfrontative Ansatz der Initiative ig-
noriert die kulturellen und wirtschaftlichen
Fragen und reduziert das Problem auf
ANPACKEN STATT
ANKLAGEN
STANDORT
twice Herbst 2020 15
rein juristische Aspekte. Damit erschwert
sie den dialogorientierten Weg der konst-
ruktiven Zusammenarbeit. Die Unterneh-
men wären gezwungen, ihre Ressourcen
auf die Risikovermeidung auszurichten
und ihr Engagement in Schwellen- und
Entwicklungsländern zu überdenken. Der
Umwelt und den Menschenrechten wäre
dadurch alles andere als gedient. Deshalb
empfehlen wir ein Nein zur Unterneh-
mens-Verantwortungs-Initiative, denn dies
bedeutet automatisch ein Ja zum interna-
tional abgestimmten Gegenvorschlag. •
BEAT HAUENSTEIN, CEO OETTINGER DAVIDOFF AG UND PRÄSIDENT ARBEITGEBERVERBAND BASEL
A
B
C
D
E
F
G
A
INNOVATION MADE BY SWEDEN.
Die allermeisten Unternehmen setzen
sich heute schon für die Einhaltung
von Menschenrechten und Umwelt-
vorschriften ein. Verlangt wird, dass
Schweizer Unternehmen für sämtliche Hand-
lungen in ihrem gesamten Geschäftsumfeld –
also auch für Kunden, Lieferanten oder deren
Vorlieferanten – verantwortlich sind respektive
für mögliche Verschulden haften. Ich bin der
Meinung, dass Unternehmen – wie auch private
Personen – nicht für eine Handlung in ihrem
Umfeld verantwortlich gemacht werden können,
deren Urheber sie nicht sind. Dieser fragwürdigen
Vorverurteilung der Urheberschaft ist mit einem
entschiedenen Nein zu begegnen. »
GABRIEL SCHWEIZER, Leiter Aussenwirtschaft
g.schweizer@hkbb.ch
16 twice Herbst 2020
STANDORT
SCHNELL, FLEXIBEL
UND KURZE
ENTSCHEIDUNGSWEGE
Susanne Affolter-Steiner über
die Vorteile eines Familien-
unternehmens und über ein
eigentlich unscheinbares
Stück Holz, das aber seit
seiner Erfindung unzähligen
Schreinern die Arbeit erleich-
tert und deshalb sogar seinen
Weg ins MoMa in New York
gefunden hat.
Was genau umfasst Ihr Kerngeschäft?
Zu unserem Kerngeschäft gehört die Her-
stellung unserer Nutfräsmaschinen. Sie
sind Mittel zum Zweck. Das tragende Ele-
ment der Firma sind die Verbinder. So-
wohl die Maschinen wie auch die Holzla-
mellen werden alle hier am Standort
Bubendorf produziert.
Warum entscheidet sich ein Kunde für ein
Produkt von Ihnen?
Weil er damit Zeit sparen und seine Pro-
duktivität steigern kann. Darauf fokussie-
ren wir, wenn wir neue Verbindungsele-
mente auf den Markt bringen. Das Produkt
muss einfach und schnell sein – für den
Kunden ebenso wie für uns in der Her-
stellung. Nur so können die Herstellkos-
ten auf einem für den Kunden zahlbaren
Niveau bleiben.
ÜBER LAMELLO
1969 wurde die Lamello AG in
Bubendorf gegründet. Das heute welt-
weit tätige Unternehmen ist spezialisiert
auf qualitativ hochstehende und
innovative Holzverbindungs- und Holz-
bearbeitungslösungen.
www.lamello.ch
Wie stehen Sie als Unternehmerin zur
Aussage «no risk, no success»?
Jede Entscheidung ist eine Gratwanderung
zwischen Risiko und Chance. Wir versu-
chen jeweils, möglichst gut abzuschätzen,
welches der beste Weg ist. Schliesslich
trifft man heute eine Entscheidung für
morgen. Zwischendurch braucht es viel-
leicht auch mal eine Nachjustierung. Aber
ganz ohne Risiko kommt man nicht weiter.
Welches war bisher das grösste Risiko
der Firmengeschichte?
Das grösste Risiko hat sicher mein Gross-
vater übernommen, als er seinerzeit ent-
schieden hat, in die Produktion der Nut-
fräsmaschinen einzusteigen. Der Motor,
den er dafür brauchte, wurde speziell für
ihn gefertigt und er musste mindestens
1000 Stück abnehmen. Dafür setzte er
twice Herbst 2020 17
nahezu seine gesamten finanziellen Res-
sourcen ein. Er hat das Risiko auf sich ge-
nommen. Auch als er keinen Hersteller
finden konnte, der ihm die gewünschten
Maschinen zusammenstellte, hat er sich
nicht von seinem Weg abbringen lassen,
sondern die Maschinen halt einfach selbst
zusammengestellt. An diesen Entschei-
dungen hing nicht nur die Existenz seiner
Schreinerei, sondern auch seiner Familie.
Was sind die drei grössten Heraus-
forderungen für Ihr Business?
Wenn man mit etwas Erfolg hat, darf man
sich nicht ausruhen. Am Ball zu bleiben, ist
eine stete Herausforderung. Im Moment be-
schäftigt uns ausserdem die Kopiersituati-
on in China sehr stark. Unsere neuen Pro-
dukte, die P-System Verbinder, haben noch
laufende Patente. In China haben wir ein
paar «Mitbewunderer», wie wir gerne sa-
gen, die uns kopieren. Hier sind wir stark
gefordert, unsere Patente zu verteidigen.
Weitere Herausforderungen sind natürlich
auch immer neue Regulatorien im Sinne
von Maschinenzertifizierungen, die sich
teilweise von Land zu Land unterscheiden.
Könnten Sie sich vorstellen, das Risiko
einzugehen, Ihr Kernbusiness «Holz ver-
binden» zu verlassen?
Wir versuchen immer, über den Garten-
zaun zu schauen. Wo könnten wir mit un-
seren Verbindungselementen Möglichkei-
ten für andere Bereiche eröffnen? Wir
schauen immer wieder, wie Kunststoff ver-
bunden wird. Gibt es dort Möglichkeiten?
Wir sind permanent gefordert, den Markt
gut zu beobachten. Welche Materialien
kommen für den Schreiner auf den Markt?
Was für Plattenmaterial kommt? Woraus
ist dieses gefertigt? Sind unsere Verbinder
für dieses Material auch geeignet?
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für Lamello?
Das Thema Nachhaltigkeit hat grossen
Wert in der Produktion unserer Holzlamel-
len. Unser gesamtes Holz ist regional und
wird im Umkreis von rund 20 km gefällt.
Und mit unseren qualitativ hochstehenden
Maschinen setzen wir natürlich auf Langle-
bigkeit und somit auch auf Nachhaltigkeit.
Bis mindestens zehn Jahre nachdem das
letzte Produkt einer Modellreihe unser
Haus verlassen hat, hat der Kunde die Mög-
lichkeit, seine Maschine reparieren zu las-
sen. Es wird manchmal gesagt, eine Lamel-
lo werde mit dem Schreiner pensioniert.
Was macht die Innovationskultur bei
Lamello aus?
Wir haben in der Branche den Namen des
Innovationsführers und möchten diesen
auch behalten. Als solcher schauen wir im-
mer wieder, welche technologische Grenze
wir überschreiten können. Wir halten uns
nicht immer an vermeintliche Normen und
gehen Dinge manchmal von einer anderen
Seite an. Bei meinem Grossvater hat es ge-
heissen, Holz könne man nicht stanzen. Un-
sere Lamelle wird seit Jahrzehnten gestanzt.
SUSANNE AFFOLTER-STEINER
ist in dritter Generation Geschäftsführerin
und Hauptaktionärin der Lamello AG.
Was uns bei der Innovationskraft hilft,
sind unsere schlanken Strukturen und
Prozesse. Das ist ein Vorteil als Familien-
unternehmen.
Warum investieren Sie zurzeit im grenz-
nahen Grenzach-Wyhlen?
Erstens haben wir hier auf dem Areal
nicht mehr viel Platz. Unsere Kunststoff-
produktion mussten wir bereits in gemie-
tete Räume im Dorf auslagern. Zweitens
beliefert das Lager Grenzach hauptsäch-
lich die Märkte unserer europäischen
Tochtergesellschaften. Das bringt deutli-
che Vorteile betreffend Geschwindigkeit
und Lieferkosten. Es ist ein Unterschied, ob
wir einen ganzen Lkw verzollen können
oder nur Einzelpakete.
Welche Möglichkeiten eröffnet Ihnen die
Digitalisierung?
Sehr viele. Aber wir müssen immer wie-
der mit den richtigen Partnern in Ge-
sprächen sein. Unser Clamex P Verbinder
war zunächst in der CNC-Welt beheimatet.
Dann kam der Schreiner und sagte, er wol-
le dieses Produkt auch, habe aber keine
CNC-Maschine. So kam es zur Handnut-
fräsmaschine. Um wirklich in der digita-
len Fertigung zu sein, braucht es vom
Maschinenhersteller bis zum Softwareher-
steller eine ganze Kette an Partnern. In
den letzten zehn Jahren haben wir dies-
bezüglich ein wichtiges Netzwerk aufge-
baut. Das zahlt sich aus. So hat 2019 an
der LIGNA in Hannover ein CNC-Maschi-
nen-Hersteller eine Fertigung aufgebaut,
die automatisch eine Bohrung erstellte
und unsere Cabineo Verbindungselemen-
te durch einen Roboter einsetzen liess.
Und wie fand Ihre Holzlamelle den Weg
ins New Yorker Museum of Modern Art?
Das haben wir selbst bis heute nicht her-
ausgefunden. Im Mai 2015 haben wir vom
MoMa ein Schreiben erhalten, dass unser
Produkt als eine der 100 wichtigsten un-
scheinbaren Erfindungen des Jahrhun-
derts ausgestellt sei. Was uns natürlich
freut und auch stolz macht. •
18 twice Herbst 2020
LONDON
AMSTERDAM
ROTTERDAM
DÜSSELDORF
KÖLN
MANNHEIM/
LUDWIGSHAFEN
ANTWERPEN
BRÜSSEL
ZEEBRUGGE
STRASSBURG
BASEL
BERN
ZÜRICH
MAILAND
GENUA
STANDORTSTANDORTSTANDORT
POTENZIAL
AUSSCHÖPFEN
Die Region Basel liegt im Zentrum des für den europäischen Güterverkehr
bedeutsamen Rhein-Alpen-Korridors. Rund die Hälfte des gesamten
Frachtverkehrs zwischen Nord- und Südeuropa wird jährlich über diesen
Hochleistungskorridor transportiert. Um seine Leistungsfähigkeit voll
auszuschöpfen, braucht es weitere Infrastrukturausbauten. Dazu gehört
auch das Gateway Basel Nord mit dem Hafenbecken 3.
Erst kürzlich eröffnete die Schweiz den Ceneri-Basis-
tunnel und beendete damit das Mammut-Infrastruk-
turprojekt«NeueEisenbahn-Alpentransversale»(NEAT).
Was ein wenig sperrig klingt, ist nicht nur eines der
grössten Bauvorhaben, das je in Europa erstellt wurde,
sondern verfolgt auch ein Ziel, das aktueller nicht sein
könnte: Die NEAT soll – als Teilstück des Rhein-Alpen-
Korridors, der von Rotterdam nach Genua reicht – einen
Grossteil des Schwerlastverkehrs von der Strasse auf
die Schiene verlagern.
1’000 MILLIONEN TONNEN PRO JAHR
Schon heute ist der Rhein-Alpen-Korridor eine der
meistgenutzten Güterverkehrsstrecken Europas. Er
verbindet die Wirtschaftszentren in den Regionen
Rhein-Ruhr und Rhein-Main-Neckar mit den Häfen
von Rotterdam, Antwerpen und Zeebrugge im Norden
und dem Hafen von Genua im Süden sowie mit den
Güterverkehrszentren in Norditalien. Er deckt somit
einen grossen Teil des Raums ab, der als «blaue Bana-
ne» bekannt ist. Dies ist ein Gebiet mit vergleichswei-
se dynamischer Wirtschaft und Wohlstand sowie
starker Verkehrsverflechtung. Gut 1’000 Millionen
Tonnen Fracht werden jährlich über den Korridor
transportiert, was 50 Prozent des gesamten Fracht-
verkehrs zwischen Nord- und Südeuropa entspricht.
«Beim internationalen Frachtverkehr wird rund die
Hälfte davon auf dem Rhein verschifft», erläutert Dr.
Christiane Warnecke, Geschäftsführerin Schienen-
güterverkehrskorridor Rhein–Alpen. «Die übrigen
Verkehre verteilen sich auf dem Rhein-Alpen-Korri-
dor in etwa gleich auf Schiene und Strasse.»
Betrachtet man den Schienenweg, so ist die Leistung
des Rhein-Alpen-Korridors beachtlich: Gut die Hälf-
te des Schienengüterverkehrs der EU werden über
diese Achse abgewickelt. So spielt er auch für SBB
Cargo International eine grosse Rolle: «Wir wickeln
twice Herbst 2020 19
Vielfältig. Praxisorientiert. Berufsnah.
Aus- und Weiterbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Informieren Sie sich jetzt unter www.fhnw.ch
rund 95 Prozent unserer Verkehre über diesen Korri-
dor ab», erläutert Ulla Kempf, Leiterin Ressourcen-
planung SBB Cargo International AG.
MULTIMODALITÄT WICHTIGE
VORAUSSETZUNG
«Die Lieferketten auf dem Korridor sind allerdings nur
so leistungsfähig wie ihr schwächstes Glied», gibt
Kempf zu bedenken. «Damit der Warentransport rei-
bungslos und effizient erfolgen kann, braucht es moder-
ne und leistungsfähige Infrastrukturen, die internatio-
nal aufeinander abgestimmt sind.» Die Verknüpfung
der Verkehrsträger – die sogenannte Multimodalität –
ist beim Gütertransport essenziell. «Multimodalität ist
für uns entscheidend, denn jeder Verkehrsträger hat
seine Stärken. Während die Bahn für längere Strecken
optimal ist, braucht es beispielsweise für die An- und
Ablieferung im Hinterland auch die Strasse», so Kempf.
Diese Meinung teilt Hans-Peter Hadorn, Direktor der
Schweizerischen Rheinhäfen: «Nördlich von Basel sind
die Verkehrsströme durch Umschlagterminals bereits
multimodal. Damit dies am Bündelungspunkt in Basel
effizient weitergeführt werden kann, muss auch hier
mit dem Terminal Gateway Basel Nord samt dem Ha-
fenbecken 3 eine moderne Infrastruktur für die Ab-
wicklung des Containerverkehrs geschaffen werden. So
wird die Binnenschifffahrt gut an Schiene und Strasse
angebunden.» Doch nicht nur bei der Realisierung von
Infrastrukturen liegen grosse Aufgaben vor uns. Auch
bei der Digitalisierung und beim Datenverkehr gibt es
Nachbesserungsbedarf.
NACHBESSERUNGEN BEI DIGITALISIERUNG
«Eine wichtige Aufgabe der Schweizerischen Rheinhä-
fen respektive aller Binnenhäfen ist es, Transportdaten
der unterschiedlichen Verkehrsträger bereitzustellen.
Damit Multimodalität in den Häfen effizient erfolgen
kann, müssen wir Informationen miteinander austau-
schen können», betont Hadorn. Die gesetzliche Grund-
lage für eine internationale Koordination fehlt aber bis-
lang dafür. «Leider verhindert die Datenschutzgrund-
verordnung der EU, dass wir die nicht kommerziellen
Transportdaten für alle Marktteilnehmer gewinnbrin-
gend nutzen können. Wenn wir die Multimodalität för-
dern wollen, muss die Politik hier also deutlich nach-
bessern», hält Hadorn fest.
Damit der Rhein-Alpen-Korridor seine volle Leistung
erbringen und damit auch einen wichtigen Beitrag
für die Umwelt leisten kann, braucht es neben dem
Abbau von Hürden beim Datenaustausch auch Inves-
titionen in die Infrastruktur. •
DR. SEBASTIAN DEININGER, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt s.deininger@hkbb.ch
MEHR DAZU:
Erfahren Sie mehr
zur Bedeutung
des Rhein-
Alpen-Korridors in
unserem Podcast
mit Dr. Christiane
Warnecke, Schienen-
güterverkehrs-
korridor Rhein–
Alpen, Ulla Kempf,
SBB Cargo Interna-
tional AG, und
Hans-Peter Hadorn,
Schweizerische
Rheinhäfen.
20 twice Herbst 2020
STANDORT
WIE HOCH IST DA
BLACKBLACK
Die Schweiz liegt im Herzen Europas und ist wirt-
schaftlich eng mit ihren Nachbarstaaten verbunden.
Das gilt auch für die Energiewirtschaft. Yves Zumwald,
CEO Swissgrid, erklärt, was die Schweiz tun muss,
damit ein grosser Stromausfall nicht Realität wird.
Herr Zumwald, warum ist Versorgungs-
sicherheit ein so relevantes Thema?
Ohne Strom stehen Gesellschaft und
Wirtschaft still. Entsprechend schätzt
das Bundesamt für Bevölkerungsschutz
eine Strommangellage als grösstes Risiko
ein. Swissgrid leistet als nationale Netz-
gesellschaft einen wichtigen Beitrag zur
netzseitigen Versorgungssicherheit. Wir
verfolgen das Ziel, den Wandel im europä-
ischen und im schweizerischen Energie-
system mitzugestalten. Nur so ist es mög-
lich, den zuverlässigen und leistungsfä-
higen Betrieb des Übertragungsnetzes zu
gewährleisten.
Manche Studien kommen zum Schluss,
dass die Versorgungssicherheit in der
Schweiz mit Strom auch in Zukunft ge-
währleistet ist. Andere bezweifeln dies.
Wie kommt es zu diesen unterschiedli-
chen Einschätzungen?
Die Einschätzungen zur Stromversor-
gungssicherheit beinhalten unterschied-
liche zeitliche Dimensionen sowie die
Aspekte Zuverlässigkeit, Sicherheit und
Angemessenheit.
Wie gut steht die Schweiz tatsächlich da?
Die Schweiz nimmt punkto Versorgungs-
qualität im gesamteuropäischen Vergleich
einen Spitzenwert ein. Die durchschnittli-
che Unterbrechungsdauer pro Endverbrau-
cher und Jahr betrug 2019 in der Schweiz
19 Minuten. Der Anteil Unterbrechungsmi-
nuten im Übertragungsnetz beträgt davon
nur 0.2 Prozent. Das Hauptproblem ist netz-
seitig der fehlende Einbezug in die europä-
ischen Koordinationsprozesse, der sich ne-
gativ auf den Netzbetrieb auswirkt. Swiss-
grid setzt sich deshalb für die volle
Integration der Schweiz in den europäi-
schen Strommarkt ein. Grundlage dafür ist
ein Stromabkommen mit der EU.
Schon heute ist die Schweiz im Winter-
halbjahr Nettoimporteur von Strom und
somit auf ihre Nachbarländer angewie-
sen. Nimmt diese Abhängigkeit weiter zu?
In der Energieversorgung der Zukunft wird
Strom eine zentrale Rolle spielen: Erneuer-
bare Energien, Effizienzsteigerung und
Elektrifizierung sowie Sektorkopplung sind
twice Herbst 2020 21
AS RISIKO EINES
KOUTS?KOUTS?
die zentralen Elemente für die Umsetzung
der Energiestrategie 2050. Dadurch werden
nicht nur die Nachfrage nach Strom und
die Abhängigkeit vom europäischen Strom-
markt zunehmen, sondern auch das Strom-
netz vor neue Herausforderungen gestellt.
Muss man nicht zwischen der technischen
Exportfähigkeit und der politischen Ex-
portbereitschaft anderer Staaten unter-
scheiden?
Die Bereitschaft, Strom zu exportieren,
setzt eigene Reservekapazitäten und ent-
sprechende Netzkapazitäten voraus. In
Krisensituationen ist die Exportfähigkeit
der Nachbarländer eine Frage von politi-
schen Entscheidungen. Um Netzengpässe
zu beseitigen und Netzsicherheit gewähr-
leisten zu können, ist die Umsetzung der
im «Strategischen Netz 2025» enthaltenen
Netzprojekte relevant. Die Modernisie-
rung des Übertragungsnetzes ist der
Schlüssel für eine sichere Stromversor-
gung und eine nachhaltige Energiezu-
kunft im Sinne der Energiestrategie 2050.
Unsere Nachbarländer transformieren
ihr Energiesystem ebenfalls. Welche Aus-
wirkungen hat dies für die Schweiz?
Der Abbau an gesicherter Kapazität im eu-
ropäischen Umfeld wird sich negativ auf
die Importfähigkeit der Schweiz auswir-
ken. Die stark vernetzte Schweiz hängt
von den Gegebenheiten in den Nachbar-
staaten ab. Ohne Stromabkommen mit der
EU sind die Möglichkeiten zum Import
aus der EU und zum Export nach der EU
gefährdet.
Welche Technologien können wir im Rah-
men der Energiestrategie 2050 anwenden,
um die Abhängigkeit zu reduzieren?
Der Stromimport und -export ist von je-
her eine tragende Säule der Versorgungs-
sicherheit und wird es auch in Zukunft
sein. Der Stromhandel ist ein wesentli-
ches Mittel, um die wechselnde Verfüg-
barkeit von Wasserkraft, Wind und Sonne
auszugleichen. Ein Stromabkommen mit
der EU würde die Schweiz besser in die
Markt- und Solidaritätsmechanismen in
der EU einbinden – und damit die Bewäl-
tigung von Importsituationen erleichtern.
Swissgrid muss immer häufiger ins
Stromnetz eingreifen, um die Versor-
gung sicherzustellen. Wie hoch ist das
Risiko eines Blackouts?
Das Schweizer Übertragungsnetz gehört
zu den stabilsten und sichersten der Welt.
Dazu trägt die enge Vermaschung im In-
land und mit dem europäischen Verbund-
netz bei. Dank der engen Zusammenar-
beit mit den europäischen Partnern kann
die Schweiz bisher Kraftwerksausfälle
oder Überproduktion kompensieren. Aber
die Umsetzung des dritten EU-Richtlini-
enpakets und des Clean Energy Package
führt voraussichtlich zu einer Zunahme
von ungeplanten Flüssen und zu einer
Verringerung der Importfähigkeit der
Schweiz. Es kann erwartet werden, dass
die Intensität der Herausforderungen bis
2025 stark zunehmen wird. •
YVES ZUMWALD, CEO Swissgrid
DR. SEBASTIAN DEININGER,
Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt
s.deininger@hkbb.ch
22 twice Herbst 2020
STANDORT
Die trinationale Wirtschaftsregion am
südlichen Oberrhein und Hochrhein ist
auf leistungsfähige Infrastrukturen ange-
wiesen. Denn mit zunehmendem Wirt-
schafts- und Bevölkerungswachstum in
der Region steigen auch die Mobilitätsbe-
dürfnisse kontinuierlich an. Dies führt
schon heute dazu, dass die Kapazitäten auf
der Strasse und der Schiene regelmässig
überschritten sind, während auf den Was-
serstrassen – Rhein und Rhein-Rhone-Ka-
nal – noch Kapazitäten vorhanden wären.
Zwar sind Massnahmen vorgesehen, um
Engpässe im Dreiland zu beseitigen. Doch
durch die komplexen und teilweise ineffi-
zienten Verfahren bei Infrastrukturvorha-
ben sowie den umfangreichen Einspruchs-
rechten von Einzelpersonen und Organi-
sationen sind zahlreiche Projekte in der
Region verzögert: «Dies zeigt sich bei-
spielsweise bei den Infrastrukturprojekten
Herzstück Basel, dem Ausbau der A98 und
dem Bahnanschluss des EuroAirports auf
französischer sowie der Rheintalstrecke
auf deutscher Seite», erläutert Dr. Sebastian
Deininger, Leiter Verkehr, Raumplanung,
Energie und Umwelt der Handelskammer
beider Basel.
NEUE MOBILITÄTSFORMEN
Neue Bedürfnisse und Mobilitätsformen
wie Peoplemover, Sammeltaxis oder auto-
matisierte Minibusse sowie das Pooling
und Sharing der Fahrzeuge werden immer
mehr in unseren Alltag integriert. Wie für
die bestehenden Verkehrsträger und -mit-
tel müssen auch für diese neuen Mobili-
tätsformen Planungs- und Genehmigungs-
verfahren definiert werden. «Aufgrund des
Pioniercharakters solcher Vorhaben sind
gerade hier möglichst schlanke und un-
komplizierte Verfahren ein wichtiger Er-
folgsfaktor», betont Deininger.
VERFAHREN OPTIMIEREN
Damit unsere Region auch zukünftig gut
erreichbar bleibt, müssen Infrastruktur-
aus- und -neubauten sowie deren Unter-
halt rascher geplant, projektiert und um-
gesetzt werden können. Hierfür müssen
die Planungs- und Genehmigungsverfah-
ren in Deutschland, Frankreich und der
Schweiz angepasst werden. Zwar existie-
ren bereits Gesetze, die ein beschleunig-
tes Verfahren zum Ziel haben, allerdings
fokussieren diese nur auf eine Auswahl
von Vorhaben. «Frühzeitige Bürgerbeteili-
gung ist wichtig. Erst dadurch erhalten
Infrastrukturprojekte ihre Akzeptanz.
Sie darf aber nicht dazu führen, dass Pro-
jekte in den späteren Phasen in ihrer Pla-
nung und Umsetzung über Jahre blockiert
werden können», meint Norbert Uphues,
Referent für Verkehr, Konjunktur, Statis-
tik bei der IHK Südlicher Oberrhein. Die-
se Meinung vertritt auch Deininger: «Was
wir dringend brauchen, ist eine neue Kul-
tur, die sowohl den Bedürfnissen der
Wirtschaft als auch jenen der Gesellschaft
gerecht wird.» •
EFFIZIENTER
WERDEN
Die Wirtschaftsregion im Drei-
land ist auf leistungsfähige
Infrastrukturen angewiesen.
Um diese rascher planen und
umsetzen zu können, müssen
die Planungs- und Genehmi-
gungsverfahren in Deutschland,
Frankreich und der Schweiz an-
gepasst werden.
MEHR DAZU:
Sehen Sie in unserem
Video, wo es beim
Infrastrukturausbau
harzt und was die
heutigen Planungs- und
Genehmigungsverfahren
damit zu tun haben.
DR. SEBASTIAN DEININGER,
Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt
s.deininger@hkbb.ch
twice Herbst 2020 23
Wohnen, arbeiten, Freizeitaktivitäten – für all dies
brauchen wir Raum. Und der wird vor allem in den
Städten und ihrem Umland immer knapper. Strenge
Auflagen und eine zunehmende Konkurrenz, wie
wir die knappen Flächen nutzen, führen zu Konflik-
ten. Beim Versuch, diese zu lösen, ziehen Unter-
nehmen oder gar ganze Branchen nicht selten den
Kürzeren.
Die Raumallokation entwickelt sich infolge des
Wirtschafts- und Bevölkerungszuwachses bei zu-
nehmend strengerer Regulierung zu einer komple-
xen Aufgabe. Gerade die kleinteilige Region Basel,
die als trinationaler Lebens- und Wirtschaftsraum
hervorragend funktioniert, ist mit ihren zahlrei-
chen Kantons- und Landesgrenzen in ihrer räumli-
chen Entwicklung eingeschränkt. «Dies stellt die
Raumplanung vor besondere Herausforderungen.
Als Wirtschaftsstimme setzen wir uns daher ge-
zielt für die vielseitigen Bedürfnisse der Unterneh-
men ein. Denn zukunftsorientierte und attraktive
Arbeits- und Wohnflächen sind für die Entwick-
lung der Region Basel als Lebens- und Wirtschafts-
raum zentral», so Dr. Sebastian Deininger, Leiter
Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt.
SCHWINDENDE FLÄCHEN
Lange Planungsprozesse, strikte Nutzungsaufla-
gen und wachsende Bevölkerungszahlen führen
dazu, dass immer weniger Flächen für Unterneh-
men verfügbar sind. Gleichzeitig steigen die An-
forderungen an den Raum. Inwiefern gefährdet
dies die Standortattraktivität unseres Wirtschafts-
raumes? Wie können die Konflikte zwischen Weiter-
entwicklung und Schutz gelöst werden? «Über diese
wichtigen Fragen wird bislang nur unzureichend
debattiert», meint Deininger. «Mit dem Agglomerati-
onsprogramm Basel haben wir ein kantons- und so-
gar länderübergreifendes Gefäss zur gemeinsamen
räumlichen Entwicklung. Die Praxis zeigt, dass dies
bei Massnahmen im Verkehrsbereich auch hervorra-
gend funktioniert.» Die Raumplanung wird hinge-
gen in umfangreichen, rein kantonalen Richtplänen
gemäss den nationalen Richtlinien gemacht. Dabei
bleibt eine gemeinsame, regionale und kantonsüber-
greifende Raumentwicklung meist ausser Acht.
An unserem Fachkongress «Zone Zukunft» fragen wir
deshalb: Muss die Raumplanung vermehrt regional
und kantonsübergreifend abgestimmt werden? Gibt
es eine regionale Wirtschaftsflächenstrategie und wie
sieht diese aus? Welche Bedürfnisse haben Unterneh-
men an Wirtschaftsflächen und wie kann der stei-
gende Bedarf an urbanem Wohnraum nachhaltig
gedeckt werden? Finden Sie gemeinsam mit uns Ant-
worten hierzu. •
	 AGENDA
Dienstag, 23. März 2021, 13.30 bis
19.15 Uhr in Basel. Informationen zum
Programm und zur Anmeldung »
Die Raumpolitik setzt Leitplanken für die Entwicklung unserer
Region. Welche Bedürfnisse aber hat die Wirtschaft an den Raum
der Zukunft? Am Fachkongress «Zone Zukunft» debattieren wir
darüber, welche Anforderungen Unternehmen an Wirtschafts-
flächen stellen und wie eine gezielte regionale Entwicklung der
Areale aussehen könnte.
VERPLANTE
RAUMPLANUNG
DR. SEBASTIAN DEININGER,
Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt
s.deininger@hkbb.ch
24 twice Herbst 2020
STANDORT
tun!Die tunBasel feiert ihr 10-Jahre-
Jubiläum. Die Erlebnisschau für
Naturwissenschaften und Tech-
nik hat sich zu einer nachhalti-
gen Massnahme zur Nachwuchs-
förderung etabliert und ist bei
Schulklassen fester Bestandteil
im Programm. Karin Vallone,
Leiterin Bildung, über die Hinter-
gründe der Erlebnisschau.
Warum engagiert sich die Handelskammer
seit zehn Jahren für die Erlebnisschau
tunBasel?
Bereits vor zehn Jahren hat sich der Fach-
kräftemangel in MINT-Berufen abgezeich-
net. MINT steht übrigens für Mathematik,
Informatik, Natur und Technik. Uns war
deshalb klar, dass wir diese Herausforde-
rung anpacken und den Nachwuchs in
MINT-Berufen fördern müssen. Bereits 2010
haben wir deshalb an der muba die tunBa-
sel lanciert, eine Erlebnisschau mit vielen
spannenden Experimenten für Kinder. Die
tunBasel wurde auf Anhieb zum Messe-
highlight und knackte in den Folgejahren
einen Besucherrekord nach dem anderen:
Während an der ersten tunBasel 2010 rund
7’500 Kinder und Jugendliche gezählt wur-
den, haben 2019 insgesamt 14’000 junge
Forscherinnen und Forscher an über 40 in-
teraktiven Experimenten getüftelt. Wir kön-
nen mit Stolz sagen, dass sich ein Besuch an
der tunBasel fast als fester Bestandteil im
Programm von Schulklassen etabliert hat
und damit zu einer nachhaltigen Massnah-
me der Nachwuchsförderung geworden ist.
Wie hat sich die Erlebnisschau entwickelt?
Nach den ersten Durchführungen haben
wir ein digitales und benutzerfreundli-
ches Anmeldetool installiert, das Besu-
chermarketing mit Social-Media-Kanälen
professionalisiert und das Erscheinungs-
bild der tunBasel modernisiert. Auch den
Kontakt mit den Schulen in beiden Basel
haben wir intensiviert, damit alle Schul-
leitungen über das Angebot der tunBasel
informiert sind. Das schlägt sich auch in
den Zahlen nieder: Beim Start vor zehn
Jahren haben rund 155 Schulklassen die
tunBasel besucht, 2019 waren es über
300. Mit dem Aus der muba mussten wir
zudem die Suche nach einem nachhalti-
gen und sinnvollen Austragungsort für
die tunBasel starten. Wir freuen uns, dass
wir mit dem Campus der Fachhochschule
Nordwestschweiz eine neue Partnerin ge-
funden haben. Dieser Austragungsort bie-
tet ein ausgezeichnetes Umfeld für vielfäl-
tige, interaktive Erlebnisse in einer realen
und internationalen Forschungsumgebung.
Wir prüfen nun, ob die tunBasel alternie-
rend auch an der Universität Basel statt-
finden kann.
Wer sind die Partner der tunBasel?
Dass die tunBasel in diesem Jahr das 10-
Jahre-Jubiläum feiert, ist dem grossen En-
gagement unserer Partner zu verdanken.
Auf der einen Seite übernehmen regionale
Unternehmen, Stiftungen und Bildungs-
institutionen eine wichtige Aufgabe als
Finanzierungspartner, aber vor allem
auch als Aussteller und Entwickler der
vielfältigen und spannenden Experimen-
te. Auf der anderen Seite sind wir dank-
bar, dass wir auf die Unterstützung der
Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft
zählen dürfen. Gemeinsam mit unseren
Partnern entwickeln wir die tunBasel
weiter, um noch viele Jahre lang Jugendli-
che für MINT-Berufe zu begeistern. •
ERFOLG
HAT DREI
BUCH-
STABEN
KARIN VALLONE, Leiterin Bildung
k.vallone@hkbb.ch
Die tunBasel wird aufgrund der aktuellen
Situation mit Covid-19 auf Februar 2022
verschoben. Ein Alternativprogramm für
Schulen ist in Planung, Durchführungs-
partner wird auch im Jahr 2022 die FHNW
mit dem Campus in Muttenz sein.
www.tunbasel.ch
STANDORT
STANDORT
WIE GEHT ES DEN
UNTERNEHMEN?
Die Coronakrise hat die Wirtschaft hart getroffen. Wie geht es nun
den Unternehmen in unserer Region, wie blicken sie in die Zukunft?
Unser Herbst-Stimmungsbarometer zeigt: Die Stimmung ist je nach
Branche unterschiedlich, die Prognose für die nahe Zukunft verhalten.
Die Unternehmen in der Region Basel sind bislang
unterschiedlich hart von der Coronakrise betroffen
und werten ihren aktuellen Geschäftsgang denn
auch entsprechend. So beurteilt ein Drittel der Un-
ternehmen den aktuellen Geschäftsgang mit «gut»
und ein weiteres Drittel mit «befriedigend». Jedes
fünfte Unternehmen wertet den aktuellen Geschäfts-
gang mit «unbefriedigend» und jedes achte Unter-
nehmen mit «schlecht». «Dieses Stimmungsbild
deckt sich genau mit den Werten unserer Konjunktur-
umfrage im Sommer», erklärt Andreas Meier, Abtei-
lungsleiter Mitglieder  Netzwerk.
DIFFERENZIERUNG NACH BRANCHEN
Am besten durch die Krise kommen die Unterneh-
men aus dem Life Sciences-Bereich. Fast drei Vier-
tel der Life Sciences-Unternehmen sprechen von ei-
nem guten Geschäftsgang. Meier: «Damit wirkt die
Leitbranche der Region einmal mehr stabilisierend
auf die Gesamtwirtschaft.» Erfreulich ist, dass auch
die Finanz- und Versicherungswirtschaft, die Im-
mobilienwirtschaft, die Energiewirtschaft sowie
das Baugewerbe die Krise bislang gut gemeistert
haben. «Dass es in der Region Basel nie zu einer be-
hördlich verordneten Schliessung der Baustellen
kam, bewahrte die Baubranche vor Schlimmerem.»
Detailhandel, Grosshandel, die Telekommunikations-
und IT-Branche, das Gesundheits- und Sozialwesen
sowie die Dienstleister im Allgemeinen liegen im
Schnitt der Gesamtbeurteilung.
Am stärksten unter der Krise leiden bisher der Tou-
rismus, die Gastronomie und Hotellerie sowie die
Event-Branche. «In diesen Geschäftszweigen be-
steht aufgrund behördlicher Vorgaben und der all-
gemeinen Unsicherheit eine besondere Betroffen-
heit. Einige Unternehmen in diesen Bereichen sind
in ihrer Existenz bedroht.» Kritisch ist die Situation
auch für die industriellen Betriebe sowie die Logis-
tik- und Transportbranche: «Diese Branchen hängen
stark von der Erholung unserer Nachbarn ab.»
VERHALTENER BLICK IN DIE ZUKUNFT
Mit Blick auf das kommende Halbjahr geben sich die
Unternehmen zurückhaltend. Die Hälfte der Unter-
nehmen gehen von einem gleichbleibenden Geschäfts-
gang aus. Je rund ein Viertel prognostiziert einen
schlechteren beziehungsweise einen besseren Ge-
schäftsgang. Die schlechtesten Prognosen stammen
aus dem Detailhandel, dem Grosshandel und wenig
verwunderlich aus dem Tourismus, der Gastronomie
und Hotellerie sowie der Event-Branche.
WENIGER INVESTIEREN
Covid-19 wirkt sich auch auf die Investitionstätigkeit
aus. Über ein Drittel der Unternehmen wird weniger
investieren: «Bei der Investitionstätigkeit der Unter-
nehmen zeigt sich, dass je grösser das Unternehmen,
desto eher bleiben die Investitionen stabil. Über die
ganze Wirtschaft betrachtet ist das ein gutes Zei-
chen.» Auch beim Personalbestand sieht die Ent-
wicklung wenig optimistisch aus: Bei zwei Dritteln
der Unternehmen wird der Personalbestand gleich-
bleiben. Bei rund einem Fünftel der befragten Unter-
nehmen wird es zu Personalabbau kommen.
KLARHEIT SCHAFFEN
«Auch wenn die Erholung nach dem ersten Lockdown
besser verläuft als erwartet, bleibt die Unsicherheit
bei den Unternehmen gross», resümiert Meier. «Was
die Unternehmen nun brauchen, ist Planungssicher-
heit. Politik und Verwaltung sind gefordert, für ent-
sprechende Rahmenbedingungen zu sorgen.» •
twice Herbst 2020 25
MEHR DAZU:
ANDREAS MEIER, Abteilungsleiter Mitglieder  Netzwerk
a.meier@hkbb.ch
26 twice Herbst 2020
Damit die ICT-Branche in unserer Region wachsen kann, braucht sie vor allem
eines: Fachkräfte. Denn der Bedarf an Informations- und Kommunikationstech-
nologie-Dienstleistungen nimmt stark zu. Mit dem ICT Campus Handelskammer
beider Basel stärken wir die Förderung junger ICT-Talente und sorgen dafür,
dass den Unternehmen auch zukünftig IT-Fachkräfte zur Verfügung stehen.
26 twice Herbst 2020
AUS DER ’KAMMER
«Unternehmer berichten mir immer wieder, dass sie
händeringend nach ICT- Nachwuchskräften suchen»,
erläutert Deborah Strub, die die Abteilung Cluster 
Initiativen der Handelskammer leitet. «Auch die Zah-
len verdeutlichen dies. Während die ICT-Ausbildungs-
und -Arbeitsplätze in der Region Zürich und Bern
zunehmen, sind diese bei uns seit Jahren rückläufig.
Deshalb ist es uns ein grosses Anliegen, mit geziel-
ten Massnahmen dem Fachkräftemangel in unserer
Region entgegenzuwirken und die ICT-Branche zu
stärken. Gemeinsam mit den Partnern unserer Platt-
form ‹be-digital› entwickeln wir deshalb Lösungen,
um junge ICT-Talente zu fördern.»
TALENTE FINDEN
Eine Massnahme ist der ICT Campus Handelskam-
mer beider Basel. «Am Campus können junge Nach-
wuchstalente neben der Schule ihre ICT-Kenntnisse
und -Fertigkeiten erweitern», so Strub. Das Projekt
funktioniert ähnlich wie die Talentsuche im Sport:
Scouts besuchen die 1. Klassen an verschiedenen Se-
kundarschulen in den beiden Basel. Die Schülerin-
nen und Schüler nehmen an einem vierstündigen
Programmierworkshop teil. Jugendliche, die dabei
ein besonderes Flair zeigen, werden an den Campus
eingeladen, wo sich rund 100 junge Talente jeden
zweiten Samstag treffen, um eigene ICT-Projekte zu
planen und umzusetzen. Die Jugendlichen bestim-
men und arbeiten selbstständig an ihren Projekten.
Sie sollen ihr Talent entdecken, es frei entfalten und
Gleichgesinnte kennenlernen.
EINZIGARTIGER ANSATZ
Begleitet werden die 13- bis 16-jährigen Jugendlichen
von Mentorinnen und Mentoren. Das Team des ICT
Campus fördert die Talente gezielt und bereitet sie im
Campus auf eine ICT-Karriere vor. «Wir betreiben eine
grundlegend neue Art der Informatik-Talentfindung
und -förderung», erklärt Rolf Schaub, Geschäftsführer
Verein ICT Scouts/Campus: «Unser Ansatz unterschei-
det sich von anderen MINT-Förderprogrammen, weil
wir das einzige in der Schweiz sind, das mit den ICT
Scouts Jugendliche nach einem systematischen Ver-
fahren an den Volksschulen aufspürt und diese über
mehrere Jahre kontinuierlich im Campus fördert und
begleitet. Rund die Hälfte der Campus-Teilnehmenden
sind übrigens Mädchen.»
DREIFACHER GEWINN
Ziel ist auch, den Unternehmen Zugang zu talentier-
ten Jugendlichen zu gewähren und mehr ICT-Ausbil-
dungsplätze in der Region zu schaffen. Strub: «Wir
wollen den Campus bei den Unternehmen noch be-
kannter machen und dazu beitragen, dass mehr
ICT-Lehrstellen in unserer Region geschaffen wer-
den. Denn es ist für die Ausbildungsbetriebe nicht
einfach, aus einem Berg an Bewerbungsdossiers die
passenden Auszubildenden herauszufiltern.» Der ICT
Campus Handelskammer beider Basel ist also ein
grosser Gewinn für die Jugendlichen, die Unterneh-
men und die ICT-Branche in der Region. •
FACHKRÄFTE
VON MORGEN
SICHERN
DEBORAH STRUB, Abteilungsleiterin Cluster  Initiativen
d.strub@hkbb.ch
twice Herbst 2020 27
E-MAIL-
SCHLACHT
ODER
AGILE AND LEAN?
Mit «be-digital» bieten wir spezifisch auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene,
praxisbezogene Weiterbildungen zur digitalen Transformation an, um Sie und
Ihr Unternehmen weiterzubringen.
Die Digitalisierung ist ein fortlaufender Verände-
rungsprozess, der neben Technologien auch Arbeits-
und Führungsmethoden auf den Kopf stellt. Damit
Sie das volle Potenzial der Digitalisierung und der
damit verbundenen Chancen ausschöpfen können,
hat die Handelskammer beider Basel ein praxisbezo-
genes Weiterbildungsangebot aufgebaut.
Denn wir alle kennen es: Die Mailbox läuft über, das
Meeting dauert zu kurz, um dort alle Themen zu be-
sprechen, und die Zeit fehlt, um Innovation voranzu-
treiben, neue Produkte und Geschäftsmodelle zu
entwickeln. Gleichzeitig verstecken sich hinter dem
Wort Digitalisierung so viele Themen und Möglich-
keiten, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht
mehr sieht. Genau da setzt das «be-digital»-Weiter-
bildungsangebot an. Experten aus der Praxis neh-
men sich Ihrer Herausforderungen an und zeigen
Ihnen Lösungswege auf. «Denn effizient, zeitgemäss
und mit Vertrauen und Wertschätzung zu führen so-
wie die Innovation zur DNA eines Unternehmens zu
machen, sind wichtiger denn je, um mittel- und lang-
fristig kompetitiv zu bleiben», ist Andreas Maeder,
Projektleiter von «be-digital» überzeugt.
IN WISSEN INVESTIEREN
Die digitale Transformation verschärft den Fach-
kräftemangel und so ist es umso wichtiger, dass Ar-
beitgeberinnen und Arbeitgeber in die kontinuierli-
che Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren.
«Aus- und Weiterbildungen tragen dazu bei, Verän-
derungen und Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt mit
einem positiven Resultat zu bewältigen», so Maeder.
«In Arbeitswelten, die sich schneller denn je verän-
dern, ist es wichtig, dass Arbeitgebende ihren Mitar-
beitenden die Möglichkeit für Weiterbildungen bie-
ten.» Denn Weiterbildungen ermöglichen es uns,
heute und zukünftig fit zu bleiben und den kontinu-
ierlichen Wandel aktiv mitzugestalten. «Wer die Of-
fenheit mitbringt, ein Leben lang zu lernen, steigert
seine Attraktivität am Arbeitsmarkt. Umgekehrt
werden aber auch Unternehmen, die ihren Mitarbei-
tenden Weiterbildungen ermöglichen, auf dem Ar-
beitsmarkt als attraktive Arbeitgeber angesehen»,
hält Maeder fest.
ZUR RICHTIGEN WEITERBILDUNG
Bei unserem Weiterbildungsangebot stehen Sie und
Ihre spezifischen Bedürfnisse im Mittelpunkt. Set-
zen Sie in unserem Kurs-Assessment Ihren persön-
lichen Fokus und finden Sie jene Weiterbildungsan-
gebote, die für Sie am besten passen und Sie weiter-
bringen.
Wir starten mit einem Angebot zu Themen wie Agiles
Führen und Arbeiten, digitale Transformation und
Change sowie Strategie und Unternehmensführung.
Als Mitglied der Handelskammer beider Basel profi-
tieren Sie von Vorzugspreisen. •
MEHR DAZU »
ANDREAS MAEDER, Projektleiter be-digital
a.maeder@hkbb.ch
28 twice Herbst 2020
NACHHALTIG
	 INVESTIEREN
Damit die Region Basel ein attraktiver
Wirtschaftsstandort bleibt, müssen wir
Voraussetzungen schaffen, die anziehend
auf Unternehmen wirken. Dazu gehört
ein wirtschaftsfreundliches Steuer- und
Finanzsystem. Und genau dafür setzt sich
die Finanz- und Steuerkommission der
Handelskammer beider Basel ein. «Wir
vergleichen unsere Region mit anderen
Kantonen und dem Ausland und leiten da-
raus Handlungsempfehlungen für die Re-
gion Basel ab», so Luca Urgese, Leiter
Steuern und Finanzen der Handelskam-
mer beider Basel.
GESUNDER STAATSHAUSHALT
In der Kommission setzen sich Vertrete-
rinnen und Vertreter aus unterschiedli-
chen Branchen gemeinsam für einen ge-
sunden Staatshaushalt ein. «Wir achten
bei der Zusammensetzung darauf, mög-
lichst viele Branchen mit einzubeziehen,
um einen umfassenden Blick zu erhalten.
So kommen bei uns Steuerexperten aus
Pharma, Chemie, Grosshandel, Banken,
Bürgschaftswesen und Wirtschaftsprü-
fung zusammen. Gut vertreten sind der-
zeit aber auch Steueranwälte», so Urgese.
Gemeinsam beraten die Kommissionsmit-
glieder über finanz- und steuerpolitische
Themen, die für die Unternehmen in un-
serer Region relevant sind. Urs Inder-
mühle, Präsident der Finanz- und Steuer-
kommission: «Für Unternehmen hat die
Region nach Annahme der Steuervorlage
bereits an Attraktivität zugelegt. Nun
brauchen wir auch für Private ein attrak-
tives Umfeld, um den Zuzug von hoch aus-
gebildeten Fachkräften in die Region wei-
ter zu fördern. Dazu gehört unter anderem
auch eine Überarbeitung der Vermögens-
steuer.» Daneben sei beispielsweise auch
die Steuerbelastung ein wichtiges Thema.
«Wir beleuchten die Ausgabenseite der
beiden Basler Kantone. Ein gesunder
Staatshaushalt ist uns wichtig, damit die
Kantone die notwendigen Investitionen
für einen attraktiven Standort tätigen
können», resümiert Urgese. So befasse
sich die Kommission derzeit intensiv mit
den Kantonsfinanzen von Basel-Stadt und
veröffentliche dazu demnächst ein The-
mendossier: «Dabei werfen wir einen
Blick auf die Ausgabenstruktur und ver-
gleichen die Steuerbelastung von natürli-
chen Personen. Zudem beleuchten wir das
Finanzvermögen und die Schuldensituati-
on des Kantons. Wir sind überzeugt, dass
wir da spannende Erkenntnisse präsen-
tieren können.»
WETTBEWERBSFÄHIGKEIT
VERBESSERT
Für Indermühle ist klar: «Der Kanton Ba-
sel-Stadt zeigte in den letzten 15 Jahren
ein erfreuliches Wirtschaftswachstum.
Mit dem daraus erzielten Überschuss und
der erfolgreichen Umsetzung der Steuer-
vorlage 17 konnte die steuerliche Wett-
bewerbsfähigkeit des Kantons und der
Region signifikant verbessert werden.»
Doch steht für den Präsidenten auch fest:
«Aufgrund von möglichen Steuerausfällen
durch Covid-19 und von erforderlichen
Unterstützungsmassnahmen sowie durch
die schwer abzuschätzenden Auswirkun-
gen der internationalen Bestrebungen sei-
tens der EU und der OECD müssen nun auch
die Kantonsausgaben weiter angepackt wer-
den. Attraktive Steuermassnahmen sollen
weiter gefördert werden, um Steuerein-
nahmen sicherzustellen.» Urgese ergänzt:
«Wir versuchen, neue Entwicklungen früh-
zeitig zu erkennen. So ist die OECD-Steu-
erreform schon lange auf unserem Radar,
weil die Auswirkungen sowohl auf unsere
international tätigen Mitgliedunterneh-
men als auch auf die Steuereinnahmen
der Kantone erheblich sein können.» Da
absehbar ist, dass der internationale Druck
auf die Steuersätze und das Steuersubst-
rat zunehmen wird, tut unsere Region also
gut daran, auch auf andere Standortfakto-
ren ein Augenmerk zu richten und in ihre
Attraktivität zu investieren. •
URS INDERMÜHLE ist Präsident der Steuer-
und Finanzkommission der Handelskammer beider
Basel und Partner und Sitzleiter Basel bei EY.
Die Finanz- und Steuerkommission der
Handelskammer beider Basel setzt sich für
einen gesunden Staatshaushalt ein, damit
die Kantone die nötigen Investitionen für
einen attraktiven Wirtschaftsstandort weiter-
hin tätigen können.
AUS DER ’KAMMER
twice Herbst 2020 29
Ihr Kompetenzpartner Nr.1 für Import- und Exportfragen
FACHKRÄFTE IM AUSSENHANDEL SIND GEFRAGT.
Wir bringen Karrieren
in Import- und Exportberufen
voran, seit 1985.
Absolvieren Sie jetzt eine dieser Weiterbildungen:
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NEIN
•	zur Unternehmens-Verantwortungs-Initiative
•	zum Verbot der Finanzierung
von Kriegsmaterialproduzenten
Basel-Stadt
JA
•	zum Hafenbecken 3
•	zum Wohnraumfördergesetz
Basel-Landschaft
JA
•	 zur Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen
an die Mieter von Geschäftsräumlichkeiten
im Zusammenhang mit Covid-19
2020
29November
AUS DER ’KAMMER
30 twice Herbst 2020
STARKE
PARTNERSCHAFT
Um Jungunternehmen in unserer
Region zu fördern, bieten wir
Startups neu aus dem Begleit-
programm der Startup Academy
Basel und Liestal eine exklusive
Mitgliedschaft zu Sonderkon-
ditionen an. Startups profitieren
dabei insbesondere von unse-
rem starken Netzwerk und
weiteren attraktiven Vorteilen.
Dank unserer Partnerschaft mit Startup-
Academy bieten wir Startups für 85 Fran-
ken pro Jahr eine exklusive Mitgliedschaft
für drei Jahre an – vorausgesetzt, das Un-
ternehmen ist bereits formell gegründet.
«Wir ermöglichen den Jungunternehmern
damit Zugang zu unserem starken Netz-
werk, wo sie sich mit Entscheidungsträgern
und Meinungsführerinnen aus Wirtschaft,
Gesellschaft und Politik austauschen und
wertvolle Kontakte knüpfen können», er-
läutert Andreas Meier, Abteilungsleiter Mit-
glieder  Netzwerk. Daneben ergeben sich
für die Startups weitere Vorteile: «Jungun-
ternehmerinnen und Jungunternehmer pro-
fitieren beispielsweise von äusserst günsti-
gen Verwaltungskosten der Ausgleichs-
kasse Arbeitgeber Basel (ak40). Dadurch
ergeben sich grosse Einsparmöglichkei-
ten für die Startups», so Meier. «Wir bie-
ten aber auch vielfältige Informationsge-
fässe und Netzwerkanlässe an, die vor
allem für Startups wertvoll sind, um da-
mit in der Region geschäftlich Fuss fassen
zu können.»
WIRKUNGSVOLLE
AUSTAUSCHPLATTFORM
«Die neue Partnerschaft mit der Startup
Academy ermöglicht uns den Dialog mit
vielen Neugründerinnen und Neugrün-
dern. Sie ist die grösste Begleitorganisati-
on für Startups im Raum Basel und hat in
den vergangenen Jahren bereits über 700
neue Arbeitsplätze geschaffen», so Meier
weiter. Auch für Markus Fischer, Ge-
schäftsführer der Startup Academy, ist die
Kooperation ein grosser Gewinn: «Mit der
Handelskammer haben wir neu eine starke
und bestens vernetzte Partnerin zur Seite,
die in Sachen Unterstützung für die Unter-
nehmen und wirtschaftlicher Entwicklung
der Region gleiche Ziele verfolgt. Den Start­
ups eröffnet sich ein Netzwerk von etab-
lierten Unternehmen und eine weitere,
leistungsfähige Plattform mit vielen An-
knüpfungspunkten betreffend Wissens-
vermittlung und Geschäftsentwicklung.»
VERLÄSSLICHE PARTNER
Denn gerade Jungunternehmen würden
sich häufig mit Risiken konfrontiert sehen
und da seien verlässliche Partner sehr
wichtig, ist Fischer überzeugt. Um Men-
schen mit guten Geschäftsideen unterstüt-
zen zu können, stellt die Startup Academy
ihr Wissen und ihre Erfahrungen zur Ver-
fügung. Viele Jungunternehmen würden
sich beispielsweise mit Schwierigkeiten
bei der Finanz- und Liquiditätsplanung
konfrontiert sehen: «Dabei geht es häufig
um die Frage, wie lange das Unternehmen
unter Berücksichtigung der getätigten In-
vestitionen und laufenden Ausgaben mit
zu Beginn keinen oder geringen Einnah-
men finanziell überleben kann. Mancher
guten Geschäftsidee ist deswegen schon ‹die
Luft ausgegangen›, bevor diese erst richtig
zur Entfaltung kommen konnte», so Fischer.
«Wir weisen deshalb auch auf Schwachstel-
len und Probleme hin, um ein realistisches
Gesamtbild zu ermöglichen.» •
www.startup-academy.ch
ANDREAS MEIER,
Abteilungsleiter Mitglieder  Netzwerk
a.meier@hkbb.ch
twice Herbst 2020 31
In Baselland treffen sich Unter-
nehmerinnen und Unternehmer
regelmässig an Zusammenkünf-
ten verschiedenster Formate.
Die Handelskammer ist mitten-
drin, sei es als Initiantin, Co-
Organisatorin, Mitglied oder
Impulsgeberin.
Sich austauschen, sich informieren, sich
eine Meinung bilden – genau darauf zie-
len unsere Unternehmertreffen in Basel-
land ab. Wir organisieren abwechlungs-
reiche Veranstaltungen und bieten unseren
Mitgliedern und weiteren Interessierten
PULS
DER UNTERNEHMEN SPÜREN
Gelegenheit, sich über aktuelle Themen
auszutauschen und sich mit Persönlich-
keiten aus Wirtschaft, Politik und Gesell-
schaft zu vernetzen. «An unseren Unter-
nehmertreffen spüren wir den Puls der
Unternehmen im Baselbiet und lernen
ihre Erfolge und Sorgen kennen», so
Andreas Meier, Abteilungsleiter Mitglie-
der  Netzwerk der Handelskammer bei-
der Basel. «Dies ist für uns als Wirt-
schaftsverband sehr wichtig, um unsere
Arbeit gezielt auch auf die Bedürfnisse
unserer Mitgliedunternehmen ausrichten
zu können. Zurzeit tüfteln wir übrigens
an einem ähnlichen Veranstaltungsfor-
mat für Basel-Stadt.»
Die Unternehmertreffen gehören mittler-
weile zum festen Termin in der Agenda
der Baselbieter Unternehmer. «Wir freuen
uns sehr über das grosse Interesse und
sind überzeugt, damit eine wichtige Platt-
form den Unternehmen zum Austausch
und Networking zu bieten.» •
AGENDA
Sind Sie interessiert an unseren
Veranstaltungen? Dann werfen Sie
einen Blick auf unsere Agenda,
die wir laufend aktualisieren. Aufgrund
der aktuellen Situation bieten wir zahl-
reiche Veranstaltungen auch online an.
www.hkbb.ch/events
Handelskammer beider Basel
St. Jakobs-Strasse 25
Postfach
4010 Basel
T +41 61 270 60 60
F +41 61 270 60 05
E-Mail: info@hkbb.ch
www.hkbb.ch
informiert.
fokussiert.
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Die nächste twice-Ausgabe
erscheint im Frühjahr 2021.
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  • 1. 13. Ausgabe Herbst 2020 AUS DER ’KAMMER Fachkräfte sichern STANDORT Risiko Blackout FOKUS «NULL-RISIKO- GESELLSCHAFT»
  • 2. 2 twice Herbst 2020 IN DIESER AUSGABE 14 Unternehmens-Verantwor- tungs-Initiative: Anpacken statt anklagen 16 Lamello – schnell, flexibel und kurze Entscheidungs- wege 18 Rhein-Alpen-Korridor 20 Interview mit Swissgrid- CEO Yves Zumwald 22 Planungsverfahren im Dreiland 23 Verplante Raumplanung 24 10 Jahre tunBasel 25 Stimmungsbarometer 26 Fachkräfte von morgen sichern 27 E-Mail-Schlacht oder Agile and Lean? 28 Nachhaltig investieren 29 Abstimmungs­empfehlungen 30 Starke Partnerschaft 31 Unternehmertreffen 4 Gefangen in der «Null-Risiko- Gesellschaft» 8 Wie viel Risikofreude braucht’s? 10 «Als Unternehmer geht man immer Risiken ein» – ein Doppelinterview 12 Cybersicherheit – wichtiger denn je 13 Kolumne von Thomas Kleiber FOKUS STANDORT AUS DER ’KAMMER LONDON AMSTERDAM ROTTERDAM DÜSSELDORF KÖLN MANNHEIM/ LUDWIGSHAFEN ANTWERPEN BRÜSSEL ZEEBRUGGE STRASSBURG BASEL BERN ZÜRICH MAILAND GENUA IMPRESSUM twice erscheint zweimal im Jahr (Frühjahr und Herbst) HERAUSGEBER Handelskammer beider Basel, St. Jakobs-Strasse 25, Postfach, 4010 Basel, T +41 61 270 60 60, F +41 61 270 60 05, E-Mail: info@hkbb.ch REDAKTION Jasmin Fürstenberger, j.fuerstenberger@hkbb.ch, Lucia Uebersax, l.uebersax@hkbb.ch MITAUTORIN Anne Theiss, Brenneisen Theiss Communications ART DIRECTION Brenneisen Theiss Communications FOTOS Designersfactory AG (S. 14), Tom Heinzer (S. 17), Lamello (S. 16), Raphaël Leibundgut (S. 30), LUXWERK.CH (S. 21), Oettinger Davidoff AG (S. 15), Martin Schulze-Schilddorf (S. 10), SRF Schweizer Radio und Fernsehen (S. 13), Tobias Sutter (S. 11), Violetta Digital Craft (S. 27), Shutterstock: Borhax (S. 18), fanjianhua (S. 23), ioat (S. 12), J.D.S (S. 6), justone (S. 25), MJgraphics (S. 9), Unsplash: Paige Cody (S. 7), Adam Miller (S. 5), Sammie Vasquez (Titel) DRUCK Gremper AG, Basel
  • 3. twice Herbst 2020 3 EDITORIAL LIEBE LESERIN, LIEBER LESER Unternehmen heisst riskieren. Erfolgreich unternehmen heisst kalkuliert riskieren. Aber was und wie viel? Und vor allem: zu welchem Preis? Wir leben heute in einer Gesellschaft, für die Erfolg oberste Priorität hat. Scheitern gibt es nicht. Was das bedeutet? Stagnation. Für Risikoforscher Professor Didier Sornette ist denn auch klar, dass durch den Versuch, alle Risiken zu besei- tigen, nicht nur Freiheiten beschränkt, sondern auch Neues verunmöglicht wird: «Denn Forschen heisst, Risiken auf sich nehmen, das Unbekannte erkunden. Eine Gesellschaft, die Risiken immer stärker kontrollieren will, steuert auf ihren Tod zu.» Sind Familienunternehmen und Jungunternehmen gleichermassen mit Risiken konfrontiert? Und wie haben sich die Risiken verändert? Diesen Fragen gehen wir nach und erfahren in einem Gespräch mit einem Mentor von Jungunter- nehmerinnen und Jungunternehmern mehr über die Risikobereitschaft und Erfolgsfaktoren von Startups. Mit unserer Partnerschaft mit Startup Academy unterstützen übrigens auch wir Jungunternehmen und gewähren ihnen Zugang zu unserem weitreichenden Netzwerk. Haben Sie gewusst, dass im Risikobericht 2015 des Bundes als grösste Risiken für die Schweiz erstens ein Blackout und zweitens eine Pandemie identifiziert wurden? Nun, die Pandemie durchleben wir gerade. Wann trifft das Blackout ein? Im Interview zeigt Yves Zumwald, CEO Swissgrid, auf, warum ein Strom- abkommen mit der EU wichtig ist, um die Versorgungssicherheit der Schweiz zu gewährleisten. Erfahren Sie auch mehr zu weiteren aktuellen standort- politischen Themen. Übrigens: Die QR-Codes führen Sie jeweils zu vertieften Informationen zum Thema. Also, halten Sie Ihr Smartphone bereit. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und vergessen Sie nicht: Wer nichts wagt, der darf nichts erhoffen. Martin Dätwyler, Direktor WAGEN, NICHT HOFFEN
  • 4. 4 twice Herbst 2020 GEFANGEN IN DER «NULL-RIS  GESELLSCHAWir leben in einer «Null-Risiko-Gesellschaft», die davon geprägt ist, mögliche Risiken zu kontrollieren und zu beseitigen. Klar ist es ein wichtiges Ziel jeder Zivilisation, die Sicherheit und den Schutz ihrer Bürger zu verbessern. Wir dürfen jedoch nicht zulassen, dass uns der behagliche Komfort in einen Dämmerzustand versetzt, und sollten die Risikobereitschaft wieder stärken. Von Prof. Didier Sornette und Dr. Peter Cauwels Wir leben in einer Zeit, die von wirtschaft- licher, technologischer, demografischer, kultureller und intellektueller Stagnation geprägt ist. Da Wohlstand und Komfort im letzten Jahrhundert angestiegen sind, sind die wohlhabenden Gesellschaften gealtert und risikoscheu geworden. Besorgt um den Erhalt dessen, was ist, und viel weniger da- ran interessiert, nach dem zu streben, was sein könnte, sind wir nicht mehr bereit, den Sprung ins Unbekannte zu wagen und «mutig dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor war», wie die berühmte Er- öffnungssequenz von «Star Trek» besagt. Wir leben heute in einer «Null-Risiko-Ge- sellschaft». Was bedeutet, dass wir in einer Gesellschaft leben, die darauf abzielt, Risi- ken zu kontrollieren und zu beseitigen. HÖHEPUNKT DER ZIVILISATION? Viele feiern dies wahrscheinlich als Höhe- punkt der Zivilisation, die unsere Umwelt endlich gezähmt hat. Da wir ein behagli- 4 twice Herbst 2020 ches Leben führen, sehen wir keinen Grund, unnötige Risiken einzugehen. Doch dieses Gefühl von Sicherheit und Schutz hat nur dann Bestand, wenn unse- re Umwelt und unsere Gesellschaft stabil und nur kleinen Stressfaktoren und Stö- rungen ausgesetzt sind. Oder anders aus- gedrückt: Wenn die Welt um uns herum in einem Gleichgewicht schwebt. Nichts könnte jedoch weiter von der Wahrheit entfernt sein. Denn wenn wir unsere Kurzsichtigkeit ablegen, wird klar, dass wir ständig mehr oder weniger Unbekann- tem ausgesetzt sind. In unserer Forschung nennen wir diese Risiken sogenannte «Drachenkönig-Risiken». Solche Ereignisse können von aussen kom- men, wie Pandemien, Erdbeben, Supervul- kanausbrüche oder ein Meteoriteneinschlag aus dem Weltall. Sie können aber auch mit unserer Gesellschaft selbst zusammen- hängen: Finanzblasen, soziale Unruhen, Revolutionen, Kriege oder Terroranschläge sowie anthropogene Komponenten des Kli- mawandels wie Bodenerosion oder Wasser- knappheit. Auch Fragen der Nachhaltigkeit und globale Gesundheitsfragen sind Bei- spiele dafür. Diese wachsenden Heraus- forderungen bedingen die Bereitschaft, Ri- siken einzugehen, um Lösungen zu finden. Denn: Leben ist Risiko, Risiko ist Leben. WIE IST ES SO WEIT GEKOMMEN? Welche Beweise haben wir, um die ver- nichtende Aussage einer «Null-Risiko-Ge- sellschaft» zu untermauern? Wie ist es so weit gekommen? Und was kann man da- gegen tun? Zwischen 1870 und den 1970er- Jahren hat sich unsere Welt an langfristi- ges Wirtschaftswachstum und kontinuierli- che Produktivitätssteigerung gewöhnt. Da- bei ist wichtig, zu verstehen, dass ein gros- ser Teil dieses hundertjährigen Fortschritts das Ergebnis von Einzelereignissen war1 . Nehmen wir zum Beispiel den Wandel von FOKUS 1 Robert Gordon, The Rise and Fall of American Growth, Princeton University Press, 2016
  • 5. twice Herbst 2020 5 SIKO- AFT» einer ungebildeten zu einer gebildeten Be- völkerung, die Zähmung der Wildnis und die Eroberung neuer Nutzflächen. Oder die revolutionären Veränderungen, die das mo- derne Haus brachte, das uns Elektrizität auf Knopfdruck, moderne Sanitäranlagen mit fliessendem Wasser oder Telefonleitungen für sofortige Fernkommunikation bietet. Diese Fortschritte zeigen aber auch: Sobald die «tief hängenden Früchte2 » des techni- schen Fortschritts gepflückt sind, erfordert es immer mehr Mühe und Kosten, um nach den höheren Zweigen zu greifen. Demzu- folge nahmen Wirtschaftswachstum und Produktivität in den letzten fünfzig Jahren ab und stagnierten schliesslich. Verschärft haben dies der Rückgang an Neuinves- titionen unter dem Druck des massiven Schuldenüberhangs im öffentlichen und im privaten Sektor sowie die steigenden Aus- gaben für die Gesundheitsversorgung und die Rentenverpflichtungen. 2 Tyler Cowen, The Great Stagnation: How America Ate All the Low-Hanging Fruit of Modern History, Got Sick, and Will (Eventually) Feel Better, Penguin Group, 2011
  • 6. 6 twice Herbst 2020 FOKUS In Zeiten, in denen vermeintliche Technolo- gieexperten die digitale und virtuelle Re- volution verherrlichen, mag die Diagnose einer technologischen Stagnation, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, überraschen. Sollte sich dies widersprüch- lich anfühlen, dann liegt das daran, dass wir technologischen Fortschritt mit Innova- tion verwechselt haben, ohne zu erkennen, dass die Wissensakkumulation einen sehr subtilen Weg geht, der in erster Linie auf Entdeckungen und Erfindungen basiert. DREI TRIEBKRÄFTE Ein gesundes Wirtschaftssystem schafft das richtige Gleichgewicht zwischen den drei Triebkräften des technologischen Fortschritts: der Effizienz der risikoarmen, meist verwertungsfördernden Innovation, dem Glück der kreativen Erfindung mit mittlerem Risiko und der Kühnheit der ex- plorativen Entdeckung mit hohem Risiko. Wir müssen anfangen, zu verstehen, dass viele der sogenannten revolutionären In- novationen, die jetzt auf den Markt kom- men – wenn überhaupt –, nur marginale Auswirkungen auf unser Leben haben. Dies ist in keiner Weise vergleichbar mit den lebensverändernden Fortschritten, die während der industriellen und technolo- gischen Revolutionen im Jahrhundert vor den 1970er-Jahren stattfanden. Um es mit dem berühmten Witz von Peter Thiel aus- zudrücken: «Man versprach uns fliegende Autos. Wir bekamen 140 Zeichen.» SOZIALE ERSCHÖPFUNG Die Stagnation beschränkt sich aber nicht nur auf Technik und Wirtschaft. Ross Douthat3 , Kolumnist der «New York Times», dokumentiert soziale, kulturelle, intellek- tuelle und institutionelle Erschöpfung: Die reichsten Gesellschaften der Menschheits- geschichte haben beschlossen, sich nicht fortzupflanzen. Der zunehmende Mangel an sexuellem Begehren ist dokumentiert und kulturell und intellektuell leiden wir unter Wiederholungen von unzähligen Pro- logen oder Epilogen von «Star Wars» oder Serien von Disney und Netflix. Darüber hi- naus schwindet die Stärke unserer Institu- tionen unter dem Einfluss von Lobbyisten und Interessengruppen, kurzfristigen Fi- xierungen und Polarisierung. Wir sind ab- hängig von unseren elektronischen Gerä- ten, süchtig nach Apps4 , die speziell darauf ausgerichtet sind, unsere Schwächen wie Langeweile, Einsamkeit, Unsicherheit und das Verlangen nach sofortiger Befriedi- gung unserer Bedürfnisse auszunutzen. Wir erwarten kurzfristige Lösungen für jedes Problem, wir wollen keine Zeit mit Nachdenken verlieren. HOTEL CALIFORNIA Willkommen im Hotel California! Will- kommen in der «Null-Risiko-Gesellschaft»! So ein schöner Ort. Sie können einche- cken, wann immer Sie wollen, aber Sie können nie wieder abreisen. Also, wie sind wir hier reingeraten? Wir haben vier Ursachen identifiziert, die uns an diesen Punkt gebracht haben. Erstens: Die direkte Folge des wirtschaft- lichen Fortschritts. Denn wenn Reichtum und Alter in der Gesellschaft ansteigen, werden die Menschen immer risikoscheuer, konzentrieren sich auf den Fortbestand des Unternehmens und den Schutz des Reich- tums und das Streben nach Zinseinkom- men. Dies gilt vor allem für Wohlhabende. 3 Ross Douthat, The Decadent Society. How We Became the Victims of Our Own Success, Avid Reader Press, 2020, 4 Nir Eyal, Hooked, How to Build Habit-Forming Products, Penguin Books, 2014, 5 Tim Wu, The Attention Merchants: The Epic Scramble to Get Inside Our Heads, Deckle Edge, 2016 Zweitens: Damit man Risiken eingehen kann, muss man Zugang zu Chancen ha- ben. Da die Ungleichheit in der Wohlstands- gesellschaft in den letzten Jahrzehnten sprunghaft angestiegen ist, hat ein wach- sender Anteil der Bürgerinnen und Bürger in vielen westlichen Ländern – ganz zu schweigen von den Entwicklungsländern – Schwierigkeiten, ihr tägliches Leben zu meistern, leidet unter schlechter Gesund- heit, hat keinen Zugang zu hochwertiger Bildung oder einem angemessenen sozialen Sicherheitsnetz. So leben sie ein riskantes Leben mit Abwärts- und keinen Aufwärts- risiken, die Innovation und Unternehmer- tum ermöglichen. Drittens: Der technologische Fortschritt ist eine Illusion der Kontrolle. Wir haben das behagliche Gefühl, geschützt und si- cher zu sein und dass die Technologie uns vor Schaden oder unerwünschten Ereig- nissen bewahrt. Viertens: Die Wahrscheinlichkeit seltener Ereignisse wird durch die instinktive Re- aktion unseres Reptiliengehirns, die Mul- tiplikation durch soziale Medien und die Medien als Händler von Aufmerksamkeit5
  • 7. twice Herbst 2020 7 oft enorm überschätzt, was zu einem Ma- nagement der Extreme führt. Wenn politi- sche Entscheidungsträger dieser Tendenz nachgeben, geben sie dem Populismus nach. Darüber hinaus bekämpfen wir oft nur oberflächlich Symptome, ohne nach tieferen Ursachen für die Probleme zu su- chen, mit denen unsere Gesellschaft kon- frontiert ist. Obwohl dies widersprüchlich klingen mag, müssen wir dazu bereit sein, grössere Ri- siken einzugehen, um unsere Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen. Um uns auf «Drachenkönige» vorzubereiten, müs- sen wir ein Umfeld schaffen, das mutige Erkundungen ausserhalb unserer Kom- fortzone ermöglicht. Tatsächlich ist dies auch der einzige Weg, um aus der Falle der sinkenden Erträge herauszukommen und der wirtschaftlichen und der techno- logischen Stagnation zu entkommen. Dies ist mit der militärischen Taktik der Auf- klärung vergleichbar: Man setzt zwar klei- nere Gruppen von Aufklärern einem hö- heren Risiko aus, aber die Erkundung ausserhalb des von befreundeten Streit- kräften besetzten Gebiets kommt der grösseren Gruppe zugute und erhöht ihre Widerstandsfähigkeit. RISIKOBEREITSCHAFT STÄRKEN Die verschiedenen Formen der Stagnati- on, die wir oben beschrieben haben, sind weithin anerkannt. Die Lösungen, die vor- geschlagen werden, wie beispielsweise eine aussergewöhnliche Geld- und Fi- nanzpolitik, um Investitionen anzukur- beln, oder steuerliche Anreize zur Erhö- hung der Geburtenrate, kratzen lediglich an der Oberfläche und behandeln nur die Symptome. Wir schlagen vor, zum Kern des Problems vorzudringen und die Risi- kobereitschaft wieder zu stärken. Wir müssen für Begüterte eine Kultur fördern, in der das Scheitern als Teil des Lernpro- zesses gesehen wird. Für Mittellose müs- sen wir eine Gesellschaft schaffen, die Chancen eröffnet und einen besseren Zu- gang zu Gesundheit, Bildung und vor al- lem zu Empowerment bietet. Wir sollten energisch explorative, risiko- reiche Projekte finanzieren, spielerische, kreative, sogar scheinbar nutzlose Tüfte- leien fördern, die auf längere Sicht sicher- lich den Forschungserfolg erhöhen. Natür- lich ist zielgerichtete Forschung äusserst nützlich und Effizienz notwendig, aber wir müssen begreifen, dass dies bestenfalls zu Innovationen führt. Um Entdeckungen und Erfindungen – also quasi die Vorrei- ter von Innovationen – zu fördern, ist eine ungezielte freie Forschung nötig. NEUE ROLLENMODELLE Und schliesslich brauchen wir zusätzliche Rollenmodelle für unsere Jugend. Warum fördern wir nicht den Risikofreudigen, die Entdeckerin, die kreativen Erfinder als neuen gesellschaftlichen Typus, der wie ein Hollywood- oder Sportstar gefeiert wird? Nur durch einen tiefgreifenden kul- turellen Wandel – indem wir den Pionier- geist wiedererwecken und die Risiko­ bereitschaft stärken – können wir der illusionären und lähmenden «Null-­Risiko- Gesellschaft» und ihren inhärenten ­Risiken entfliehen. • DIDIER SORNETTE ist ordentlicher Professor für unter- nehmerische Risiken am Institut für Management, Tech- nologie und Wirtschaft der ETH Zürich. Er ist Spezialist für grosse und extreme Risiken. DR. PETER CAUWELS ist Senior Researcher am Lehr- stuhl für Entrepreneurial Risk an der ETH Zürich. Er pro- movierte in Physik an der Universität Gent und war Leiter des Global Market Research bei BNP Paribas Fortis. Dieser Leitartikel basiert auf den Er- kenntnissen, die Prof. Didier Sornette und Dr. Peter Cauwels für ihr neues Buch «Die Illusion der ewigen Geld- maschine und was sie für die Zukunft verheisst» recherchiert haben. Darin analysieren sie die Entwicklung unserer Gesellschaften seit 1870 und identifi- zieren fünf Hauptperioden, wobei sie die gegenwärtige, die Anfang der 1980er- Jahre begann, als das «Zeitalter des Nar- rengolds» bezeichnen. In ihren Analysen fordern sie die Schaffung von ähnlichen Institutionen wie die DARPA und mutige Projekte wie das Apollo-Programm, um sich von der «Null-Risiko-Gesellschaft» zu befreien, die sie strebenden Gesell- schaften gleichsetzen.
  • 8. 8 twice Herbst 2020 Das populäre Image von Unternehmern wird durch schillernde Persönlichkeiten wie Richard Branson und Elon Musk geprägt. Extra- vertierte Draufgänger, die mutig das Risiko suchen. Bei genauerem Hinsehen erweist sich die Risikofreude aber als zweischneidiges Schwert. Sucht man nach dem Stereotyp eines Entrepreneurs, taucht die Risikobereit- schaft als Eigenschaft ganz oben auf. Unternehmerinnen und Unternehmer müssen nach landläufiger Einschätzung besonders risikofreudig sein. Dieses Image speist sich aus der medienwirksa- men Selbstinszenierung ausserordent- lich risikofreudiger Entrepreneure wie Elon Musk. Diese Wahrnehmung hat aber durchaus einen wahren Kern. RISIKOFREUDE ALS STABILES VERHALTENSMUSTER Als risikofreudig werden Menschen be- zeichnet, die bereitwillig Entscheidun- gen unter Unsicherheit fällen und die bereit sind, auch einen hohen Einsatz für einen möglichen Gewinn aufs Spiel zu setzen. Für solche Verhaltensmuster spielen situative Bedingungen wie Er- folgswahrscheinlichkeiten oder die Höhe der Anreize zwar eine wichtige Rolle. Die Wissenschaft hat aber gezeigt, dass die Tendenz, Risiken einzugehen, ein stabiles Verhaltensmuster ist und sogar als überdauerndes Persönlichkeitsmerk- mal interpretiert werden kann. ENTREPRENEURE SIND RISIKOFREUDIGER Was ist nun dran am Stereotyp, dass Entrepreneure risikobereiter sind? Dies wird bereits seit Längerem erforscht und die Ergebnisse sind recht eindeutig. Entre- preneure sind tatsächlich risikobereiter als der Durchschnitt der Bevölkerung, sie sind risikobereiter als angestellte Perso- nen und sie sind auch risikobereiter als Führungskräfte in Unternehmen. Dabei sind Entrepreneure nicht gleich Entrepre- neure, denn wachstumsorientierte Unter- nehmer sind nochmals risikofreudiger als einkommensorientierte Unternehmer. Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, der seinen gut dotierten Wall-Street-Job zugunsten einer Garagengründung aufgegeben hat, dürfte das bekannteste Beispiel für einen wachstumsorientierten Entrepreneur sein. Sein Motto: It’s allways day one! RISIKOBEREITSCHAFT ALS EINGANGSHÜRDE Es liegt in der Natur von Unternehmens- gründungen, dass Entrepreneure neuar- tige, unstrukturierte Situationen meis- tern und Entscheidungen treffen müssen, deren Konsequenzen ungewiss sind. Risi- koaverse Menschen erleben solche Situati- onen als äusserst unangenehm und ver- meiden sie daher. Unsere Studien, die wir vor wenigen Wochen im Kanton Basel mit Gründern durchgeführt haben, unter- streichen die Bedeutung der Risikobereit- schaft. Kein Persönlichkeitsmerkmal sagt die Gründungsneigung besser voraus. Aber hängt Risikofreude auch mit Erfolg zusammen? Braucht es den draufgängeri- schen Mut eines Richard Branson oder reicht das zurückhaltende Temperament eines Bill Gates? TREIBER FÜR WACHSTUM UND PROFITABILITÄT? Auch hierzu haben wir Untersuchungen in mehreren Nordwestschweizer Kantonen durchgeführt. Unsere Analysen zeigen WIE VIEL   RISIKOFREU BRAUCHT’S?
  • 9. twice Herbst 2020 9 BENEDIKT HELL ist Professor an der FHNW, Hochschule für Angewandte Psychologie, Institut Mensch in komplexen Systemen (MikS). • Der von der Fachhochschule Nordwestschweiz entwickelte Entrepre- neurcheck ist ein Selbsttest, der angehenden und bereits aktiven Entrepreneuren Feedback zu ihren Stärken und Schwächen im Hin- blick auf ihre selbstständige Tätigkeit gibt. • Der Test besteht aus einem Persönlichkeitstest und aus einem Mo- dul, das gesundheitsrelevantes Verhalten abbildet. Beide Module sind so aufgebaut, dass unmittelbar nach Durchführung des Tests ein ausführliches Feedback mit konkreten Handlungsempfehlungen abgegeben wird. Ziel ist es, die persönliche Weiterentwicklung zu un- terstützen, um den Gründungserfolg zu fördern. • Der Persönlichkeitstest bildet die zwölf Persönlichkeitsmerkmale ab, die nachweislich mit dem Erfolg von Entrepreneuren zusammen- hängen: Belastbarkeit, Beharrlichkeit, Durchsetzungsfreude, Innova- tionsfreude, Kontrollüberzeugung, Leistungsmotivation, Offenheit, Proaktivität, Selbstkontrolle, Selbstwirksamkeit, Unabhängigkeits- streben. Der Test erfasst auch die Risikobereitschaft. Die Ausprä- gung der Persönlichkeitsmerkmale wird in Relation zur durchschnitt- lichen Ausprägung in der Gesamtbevölkerung sowie bei erfolgreichen Entrepreneuren gesetzt. • Das Tool steht in deutscher, englischer und französischer Sprache zur Verfügung. Eine Testdurchführung mit ausführlicher Auswertung kostet 19 Franken. www.entrepreneur-check.ch deutlich, dass sich die Risikobereitschaft auf den Erfolg in der ersten Gründungsphase aus- wirkt. Risikofreudigere Personen entwickeln mehr Gründungsideen und sie setzen diese Ideen wesentlich häufiger in die Tat um. In den späteren Phasen jedoch kommt es auf an- dere Persönlichkeitsmerkmale an. Die drei wichtigsten Merkmale für die nachhaltige Unternehmensentwicklung sowie für Wachs- tum und Profitabilität sind Beharrlichkeit, Leistungsmotivation und Offenheit. RISIKOMANAGEMENT STATT NERVENKITZEL Die Notwendigkeit, Risiken einzugehen, kann also als Eingangshürde für angehende Un- ternehmer angesehen werden. Es braucht einen gewissen Mut, um ein Unternehmen zu gründen. Aber für den Erfolg ist eine Risi- koneigung um des Nervenkitzels willen schädlich. Stattdessen ist ein gutes Risiko- management gefragt, denn Risiken sollten kalkuliert eingegangen und gegebenenfalls reduziert werden. • UDE ENTREPRENEUR- CHECK DER FHNW
  • 10. 8 twice Herbst 201810 twice Herbst 2020 FOKUSFOKUS «ALS UNTERNEH IMMER RIS Mit welchen Risiken ist ein Startup konfrontiert und welche Risiken trägt ein traditionelles Familienunternehmen? Marija Plodinec, CEO ARTIDIS AG, und Patrice Cron, CEO Jean Cron AG, über Unternehmensrisiken und ihre Visionen. Was halten Sie von der Aussage «no risk, no succes»? Patrice Cron (P.C.): Das ist eine gewagte Aussage. Denn als Unternehmer geht man immer Risiken ein. Wie viel Risiko es aber für Erfolg braucht, ist schwer abzuschätzen. Ich würde also eher dazu tendieren, ohne kalkuliertes Risiko kein Erfolg. Marija Plodinec (M.P.): Als CEO eines Startups kann ich diese Aussage natürlich voll und ganz bestätigen. Alles, was wir ma- chen, ist neu – und alles Neue birgt Risiken. Wir sind uns dessen sehr bewusst. Aber wenn wir unsere Arbeit voranbringen kön- nen, nehmen wir die Risiken auch gerne in Kauf. Denn nur eine geniale Idee allein reicht nicht für den Erfolg. Es braucht auch die richtigen Mitarbeitenden und Partner sowie manchmal auch mutige Manage- mententscheidungen, um eine Idee erfolg- reich umsetzen zu können. Ihr Unternehmen ist ja bereits sehr erfolg- reich unterwegs. M.P.: Das kommt sicherlich daher, dass wir vom Potenzial unseres Produkts absolut überzeugt sind. Wir haben hervorragende internationale Patente, hochinnovative und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter und entwickeln unser Produkt stän- dig weiter. Schwierigkeiten sehen wir als wichtige, notwendige Tests an. Wir haben wohl die richtige Mischung aus Begeiste- rung und Realismus, das richtige Mass an Standhaftigkeit und Lernfähigkeit bei der Weiterentwicklung unseres Produkts so- wie exzellente Partner an unserer Seite. Mit welchen Risiken sehen Sie sich als Familienunternehmen konfrontiert? P.C: Eines der grössten Risiken ist, dass das Private mit dem Geschäft eng zusam- menhängt. Vor allem, wenn das Unterneh- men den gleichen Namen trägt. Erlaube ich mir auf der einen Seite einen Fauxpas, so kann die andere Seite davon beeinträchtigt sein. Und da Familienunternehmen meis- tens patronal geführt sind, konzentrieren sich die Führungsaufgaben vermehrt auf den Geschäftsführer. Dies birgt ein Klum- penrisiko, wenn diese Person ausfällt. Haben sich die Risiken verändert? P.C: Die Risiken haben sich insofern verän- dert, dass die Öffentlichkeit und die Medien sehr sensitiv darauf reagieren, wenn bei privaten Engagements, wie beispielsweise in der Politik oder bei Vorstandsarbeiten, ein Zusammenhang mit dem Geschäftli- chen konstruiert werden kann. Da kann gut Die Risiken haben sich in- sofern verändert, dass die Öffentlichkeit und die Medien sehr sensitiv reagieren. » PATRICE CRON, CEO JEAN CRON AG www.jeancron.ch JEAN CRON Das Bauunternehmen Jean Cron AG vereint Tradition und Moderne. Seine Wurzeln gehen zurück bis ins Jahr 1936. Heute beschäftigt die Jean Cron AG 70 Angestellte.
  • 11. HMER GEHT MAN SIKEN EIN» MARIJA PLODINEC, CEO ARTIDIS AG « Alles, was wir machen, ist neu – und alles Neue birgt Risiken.  Gemeintes sehr schnell negativ ausgelegt werden. Aber ansonsten haben sich die «normalen» Geschäftsrisiken nicht gross verändert. Für mich überwiegen – trotz er- wähntem Risiko der Vermischung des Pri- vaten mit dem Geschäft – die Vorteile klar. Und was sind die Risiken bei Jungunter- nehmen? M.P: Für uns – wie übrigens für jedes Jung- unternehmen – sind die Finanzierung so- wie der relativ kleine Schweizer Markt si- cherlich die grössten Herausforderungen. Wir brauchen hohe Investitionen sowie die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um unser hoch innovatives, medizintech- nisches Produkt möglichst schnell und in bester Qualität zur Marktreife zu bringen. Es ist sehr wichtig, von Anfang an den Weltmarkt im Auge zu haben und die rich- tigen Strategien zu entwickeln. Wie kam es überhaupt von der Idee zur Gründung einer eigenen Firma? M.P: Die Technologie, um die Steifheit von Gewebe zu messen, gibt es bereits seit den 1980ern. Als ich 2008 an meiner Dok- torarbeit am Biozentrum der Universität Basel arbeitete, hatte ich die Idee, die Steifheit von Tumoren zu messen und die- se Informationen im klinischen Kontext zu nutzen. Das war die Geburt des Spin- offs. 2014 vergab die Uni eine exklusive Entwicklungs- und Vermarktungslizenz an ein Schweizer KMU. Als das Projekt nicht wie gewünscht in Gang kam, wech- selte ich die Seite und nahm die Weiter- entwicklung als CEO selber in die Hand. Was sind die Vorteile eines Familienunter- nehmens? P.C: Man ist komplett unabhängig und niemandem Rechenschaft schuldig. Ist man selbst mit dem Erfolg zufrieden, ist die Welt in Ordnung. Der Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat ei- nen hohen Stellenwert. Es bleibt familiär und daraus resultiert eine hohe Motivati- on unserer Mitarbeitenden. Zudem hat der Kunde bei Problemen jederzeit eine An- sprechperson. Man ist greifbar und kann so Probleme schneller lösen. Was ist Ihre Vision für Ihr Unternehmen in zehn Jahren? M.P: Unser Gerät nimmt nanomechanische Gewebemessungen vor und erkennt damit Krebserkrankungen schneller. Dank einer umfangreichen, selbstlernenden Datenana- lyse schlägt das Gerät zudem sogleich auch eine individuelle Therapie für den Patienten vor. Mit dieser Technologie wollen wir in zehn Jahren weltweiter Marktführer sein. Das würde einen grossen Schritt nach vorn in der Gesundheitsversorgung bedeuten. P.C: Visionen und Wünsche hat man im- mer. Eine Vision wäre, dass die Krone in Basel so stark verankert ist, dass man nicht um sie herumkommt. • www.artidis.com ARTIDIS entwickelt ein medizinisches Gerät für die klinische Anwendung in der Krebsdiagnostik, das auf Nanotechnologie basiert. Das Team von ARTIDIS AG zählt aktuell 22 Köpfe. MEHR DAZU: In einem Videogespräch dis- kutieren wir mit Unimentor Danilo Tondelli über Risikobereitschaft und Erfolgsfaktoren von Jungunternehmern. twice Herbst 2020 11
  • 12. 12 twice Herbst 2020 FOKUS Die zunehmende Vernetzung und Durchdringung praktisch aller Bereiche eines Unternehmens mit In- formatik eröffnet neue Potenziale. Gleichzeitig ent- stehen durch die zunehmende Digitalisierung aber auch neue Gefährdungslagen, auf die schnell und konsequent reagiert werden muss. Die digitale Si- cherheitsmaturität der Unternehmen zeigt jedoch enorme Unterschiede. In einigen Unternehmen ist die digitale Transformation bereits fortgeschritten. Diese Betriebe waren es auch vor Covid-19 gewohnt, mit virtuellen Meetings zu arbeiten. Andere hinge- gen wurden mit der Pandemieplanung regelrecht in die digitale Transformation gestossen. Hier war Ho- meoffice zuvor kein Thema, Technologien dafür wa- ren nicht vorhanden und so mussten die Mitarbeiten- den teilweise mit privaten Laptops oder schnell ausgerollten Firmengeräten arbeiten. MEHR CYBERKRIMINELLE ATTACKEN Zu Beginn der ausserordentlichen Situation waren fast alle Unternehmen mit Workflow- und Finanzmanage- ment beschäftigt. Ungewohnte Arbeitsmittel und -orte, Prozesse sowie fehlende Mittel zur dezentralen Über- wachung schufen schnell zusätzliche Schwachstellen. Cyberkriminelle nutzten diese Gelegenheit und inten- sivierten ihre Attacken aus dem Cyberspace. Es zeigte sich schnell, dass eine tatkräftige Bekämpfung und Bereinigung einer Cyberattacke im Pandemiefall und unter Auflagen viel schwieriger ist. WIE SCHÜTZEN SICH UNTERNEHMEN? Von besonderer Bedeutung in einer bewegten Zeit ist das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeitenden für veränderte Arbeitsumgebungen und Zusammenar- beitsmodelle. Sie sind genauso Teil einer langfristi- gen Cyberresilienz wie starke Sicherheitsprozesse und eine stimmige Sicherheitsstrategie. Die besonde- re Gefahr gezielter Cyberangriffe auf die IT-Land- schaft verlangt eine Erweiterung des Sicherheitsden- kens und schliesst Kommunikation, Anwendungen, Prozesse und verarbeitete Informationen mit ein. Wichtig ist, sich klarzumachen, dass Sicherheit auch Chefsache ist. Die Transformation und Rolle von Cy- bersecurity muss vom Management eingeleitet und somit ein integraler Bestandteil von Strategie und Entscheidungen werden. Jene Unternehmen, die sich während der Krise in der Detektion und sofortigen Wiederherstellung der IT-Sicherheit weiterentwickelt haben, machten die grössten Fortschritte und konn- ten ihre Cybermaturität steigern. Schliesslich ist es wichtig, dass Krisenprozesse nicht nur erstellt, son- dern auch regelmässig überprüft, angepasst und ge- testet werden. • Die Covid-19-Pandemie führt uns klar vor Augen, dass Krisenzeiten ein Land und seine Wirtschaft in einen Ausnahmezustand versetzen und Unternehmens- führungen vor neuartige finanzielle, teilweise existenzielle, aber auch technische Herausforderungen stellen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ein Unter- nehmen in einer solchen Krise zusätzlich von einem Cyberangriff betroffen ist. Gerade deshalb ist eine zuverlässige Cybersicherheit unabdingbar. CYBER- SICHERHEIT IST WICHTIGER DENN JE URS KÜDERLI ist Partner und Leiter des Bereichs Cybersecurity and Privacy bei PwC Schweiz.
  • 13. twice Herbst 2020 13 WIESO NICHT EINMAL IN KANADA LEBEN? Von Thomas Kleiber «Bist du mutig oder einfach nur dumm?» Direkt hatte mich das so niemand gefragt. Zwischen den Zeilen aber schon. Vor zwei Jahren bin ich nach Kanada ausgewandert. Weg aus dem gemachten Nest, weg von meiner sicheren Arbeitsstelle, weg von Familie, Freunden, Netzwerken und vertrautem Umfeld. «Wegen der Liebe», hiess es halbrichtig in den Klatschmedien. Die Gründe, wieso Menschen ohne Not auswandern, sind zahlreich. Aber etwas scheint mir gemeinsam zu sein: Auswanderer sind im Geiste ähnlich wie Jungunterneh- mer. Sie möchten ihren eigenen Weg gehen und sind bereit, dafür die Komfortzone zu verlassen und Risiken in Kauf zu nehmen. Selbsterklärend, dass man sich vorgängig über Gefahren informiert. Aber man kann sich nie für alles wappnen. Ein banales Detail kann alles ruinieren. Louis Hébert zum Beispiel, der erste europäische Farmer in Kanada, war gut vorbereitet auf seine raue, gefährliche Umge- bung. Er starb weder an der brutalen Kälte des kanadi- schen Winters, noch verhungerte er, kein Mensch brachte ihn um und kein Bär frass ihn auf. Sein Tod ereilte ihn völlig trivial, als er auf einer vereisten Stelle ausrutschte und dabei unglücklich stürzte. Als ich nach Kanada zog, war ich mir einiger Risiken bewusst. Zum Beispiel der Sprache. In Französisch kann ich mich nie so gut ausdrücken wie in Deutsch, was natürlich ein Hindernis ist bei der Jobsuche. Ebenso zu erwarten sind Probleme bei der Anerkennung der Aus- bildungen und beruflichen Erfahrungen. Auch nicht zu unterschätzen ist das Heimweh. THOMAS KLEIBER ist Meteorologe, ehemaliger SRF-Moderator und lebt seit 2018 in Kanada. Aber war ich mir aller Risiken voll bewusst? Nein. Mir genügte es, zu wissen, dass «ernsthafte Bedrohungen» unwahrscheinlich sind. Eisige Stellen gibt es jedoch im- mer. Hätte ich zu lange überlegt, hätte ich von diesen immer mehr gesehen und den Gewinn immer mehr ver- gessen. Ich wäre nicht gegangen. Ich hätte so die Chance vertan, viele interessante und liebenswerte Kanadier kennenzulernen. Ich hätte es mir verwehrt, in einem wunderbaren Land zu leben, in eine andere Kultur einzutauchen und eine grossartige Natur zu erkunden. Ich wüsste auch nicht, wie es sich als Immigrant anfühlt und wie rasch man sich dabei minderwertig und wehrlos fühlen kann. Ich hätte so viel verpasst! Gut möglich dennoch, dass ich wieder in die Schweiz zu- rückkehre. Das wäre kein Scheitern. Ich liebe die Schweiz. Ich ging nach Kanada, weil ich beruflich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung war und ich dank meines kanadischen Partners einfacher einreisen konnte. Wäre doch schade gewesen, hätte ich diese grossartige Möglichkeit nicht genutzt. Mein Problem ist nur, dass ich nun an zwei Orten daheim bin. Sollte ich zurückkommen in die Schweiz, werde ich Kanada vermissen. Ich werde Heimweh haben, egal, wo ich wohne. Aber den Preis bin ich bereit zu zahlen. Um auf die Frage zurückzukommen, ob ich mutig oder dumm bin: Ich bin wohl – wie die meisten – von beidem ein wenig. Aber ich bin vor allem neugierig. Ich habe das gemacht, was uns weiterbringt: Ich habe etwas gewagt. KOLUMNE
  • 14. 14 twice Herbst 202014 twice Herbst 2020 Bei der Unternehmensverantwortung müssen wir wegkommen vom Regulieren und ver- mehrt die Chancen in den Mittelpunkt stellen. Es gilt anzupacken, statt anzuklagen. Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung sind aus der heutigen wirtschaftspolitischen Debatte nicht mehr wegzudenken. Die Firmenkultur in multinationalen Unternehmen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Weltweit tätige Unternehmen können es sich nicht leisten, systematisch gegen Menschenrechte und Umweltschutz zu verstossen. Die ethischen Erwartungen der Öffentlichkeit und der eigenen Mitar- beitenden beeinflussen die Unternehmen zusätzlich. Schweizer Unternehmen agie- ren denn auch weltweit vorbildlich. Sie engagieren sich vor Ort für bessere Ar- beitsbedingungen und Umweltschutz in Zusammenarbeit mit Regierungen, NGOs und der lokalen Bevölkerung. Bei Fehltrit- ten können Unternehmen verklagt wer- den – auch in der Schweiz. International und national laufen Bestre- bungen, die Verantwortung der Unter- nehmen hinsichtlich ihrer Lieferkette durch neue Gesetze weiter zu erhöhen. Auch die Wirtschaft unterstützt diese An- sätze der Sorgfaltsprüfungspflichten, denn sie sorgen für gleiche Wettbewerbs- bedingungen. Zwei Bedingungen sind da- bei aber zentral: Erstens müssen die Re- geln international abgestimmt sein, damit für alle gleich lange Spiesse gelten. Zweitens muss die Sorgfaltsprüfungs- pflicht verhältnismässig sein, damit sie das Engagement der Unternehmen in Ri- sikoländern nicht schmälert. KEIN SCHWEIZER SONDERWEG Die Unternehmens-Verantwortungs- Initiative, über die wir in der Schweiz am 29. November abstimmen, geht in eine an- dere Richtung. Sie ist weder international abgestimmt noch mit Bedacht definiert. Sie verlangt die Einführung von Haftungsre- geln und Sorgfaltspflichten, die weltweit einzigartig extrem wären. Schweizer Un- ternehmen würden für ihre gesamte Lie- ferkette automatisch und ohne Verschul- den haften. Von der Haftung befreien könnten sie sich nur, wenn sie ihre Sorgfalt jederzeit lückenlos nachweisen könnten. Andere Länder haben eine solche Praxis bisher klar abgelehnt. Die EU-Kommission will 2021 einen Gesetzesvorschlag vor- legen, um die Verantwortung von multina- tionalen Unternehmen europaweit zu har- monisieren. Doch auch sie wird sich hüten, unverhältnismässige Haftungsregeln ein- zuführen. Mit der Annahme der Unterneh- mens-Verantwortungs-Initiative würde die Schweiz also zum Sonderfall. Unsere Un- ternehmen wären im internationalen Wett- bewerb benachteiligt und ausländischen Klageanwälten ausgeliefert. Der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments, der bei einem Nein zur Initiative an der Urne auto- matisch in Kraft tritt, ist klar die bessere Lösung. Er kombiniert auf Gesetzesstufe eine Rechenschaftspflicht mit strengen Sorgfaltsprüfungspflichten. Bei Nichtein- haltung der Pflichten drohen strafrechtli- che Konsequenzen. Der Gegenvorschlag setzt auf internationale Standards und kann sofort umgesetzt werden. Damit schafft er Planungssicherheit für die Unternehmen. CHANCEN NUTZEN STATT RISIKEN VERMEIDEN Statt die Unternehmen zu mehr Risikover- meidung zu zwingen, sollten wir uns ver- mehrt den Chancen einer Einbindung mul- tinationaler Firmen vor Ort widmen. Mangelnde Menschenrechte und fehlen- der Umweltschutz sind nämlich im Kern eine Folge von Armut und Unterentwick- lung. Die Frage muss deshalb sein, wie wir den wirtschaftlichen Fortschritt und den verantwortungsvollen Umgang mit Res- sourcen in den Entwicklungsländern för- dern können. Und hier spielen die globa- len Unternehmen eine Schlüsselrolle. Die Erfahrung zeigt, dass nachhaltige Verbes- serungen für Mensch und Umwelt vor al- lem dann gelingen, wenn Unternehmen möglichst eng in die lokale Wirtschaft der betroffenen Länder eingebunden sind. Der konfrontative Ansatz der Initiative ig- noriert die kulturellen und wirtschaftlichen Fragen und reduziert das Problem auf ANPACKEN STATT ANKLAGEN STANDORT
  • 15. twice Herbst 2020 15 rein juristische Aspekte. Damit erschwert sie den dialogorientierten Weg der konst- ruktiven Zusammenarbeit. Die Unterneh- men wären gezwungen, ihre Ressourcen auf die Risikovermeidung auszurichten und ihr Engagement in Schwellen- und Entwicklungsländern zu überdenken. Der Umwelt und den Menschenrechten wäre dadurch alles andere als gedient. Deshalb empfehlen wir ein Nein zur Unterneh- mens-Verantwortungs-Initiative, denn dies bedeutet automatisch ein Ja zum interna- tional abgestimmten Gegenvorschlag. • BEAT HAUENSTEIN, CEO OETTINGER DAVIDOFF AG UND PRÄSIDENT ARBEITGEBERVERBAND BASEL A B C D E F G A INNOVATION MADE BY SWEDEN. Die allermeisten Unternehmen setzen sich heute schon für die Einhaltung von Menschenrechten und Umwelt- vorschriften ein. Verlangt wird, dass Schweizer Unternehmen für sämtliche Hand- lungen in ihrem gesamten Geschäftsumfeld – also auch für Kunden, Lieferanten oder deren Vorlieferanten – verantwortlich sind respektive für mögliche Verschulden haften. Ich bin der Meinung, dass Unternehmen – wie auch private Personen – nicht für eine Handlung in ihrem Umfeld verantwortlich gemacht werden können, deren Urheber sie nicht sind. Dieser fragwürdigen Vorverurteilung der Urheberschaft ist mit einem entschiedenen Nein zu begegnen. » GABRIEL SCHWEIZER, Leiter Aussenwirtschaft g.schweizer@hkbb.ch
  • 16. 16 twice Herbst 2020 STANDORT SCHNELL, FLEXIBEL UND KURZE ENTSCHEIDUNGSWEGE Susanne Affolter-Steiner über die Vorteile eines Familien- unternehmens und über ein eigentlich unscheinbares Stück Holz, das aber seit seiner Erfindung unzähligen Schreinern die Arbeit erleich- tert und deshalb sogar seinen Weg ins MoMa in New York gefunden hat. Was genau umfasst Ihr Kerngeschäft? Zu unserem Kerngeschäft gehört die Her- stellung unserer Nutfräsmaschinen. Sie sind Mittel zum Zweck. Das tragende Ele- ment der Firma sind die Verbinder. So- wohl die Maschinen wie auch die Holzla- mellen werden alle hier am Standort Bubendorf produziert. Warum entscheidet sich ein Kunde für ein Produkt von Ihnen? Weil er damit Zeit sparen und seine Pro- duktivität steigern kann. Darauf fokussie- ren wir, wenn wir neue Verbindungsele- mente auf den Markt bringen. Das Produkt muss einfach und schnell sein – für den Kunden ebenso wie für uns in der Her- stellung. Nur so können die Herstellkos- ten auf einem für den Kunden zahlbaren Niveau bleiben. ÜBER LAMELLO 1969 wurde die Lamello AG in Bubendorf gegründet. Das heute welt- weit tätige Unternehmen ist spezialisiert auf qualitativ hochstehende und innovative Holzverbindungs- und Holz- bearbeitungslösungen. www.lamello.ch Wie stehen Sie als Unternehmerin zur Aussage «no risk, no success»? Jede Entscheidung ist eine Gratwanderung zwischen Risiko und Chance. Wir versu- chen jeweils, möglichst gut abzuschätzen, welches der beste Weg ist. Schliesslich trifft man heute eine Entscheidung für morgen. Zwischendurch braucht es viel- leicht auch mal eine Nachjustierung. Aber ganz ohne Risiko kommt man nicht weiter. Welches war bisher das grösste Risiko der Firmengeschichte? Das grösste Risiko hat sicher mein Gross- vater übernommen, als er seinerzeit ent- schieden hat, in die Produktion der Nut- fräsmaschinen einzusteigen. Der Motor, den er dafür brauchte, wurde speziell für ihn gefertigt und er musste mindestens 1000 Stück abnehmen. Dafür setzte er
  • 17. twice Herbst 2020 17 nahezu seine gesamten finanziellen Res- sourcen ein. Er hat das Risiko auf sich ge- nommen. Auch als er keinen Hersteller finden konnte, der ihm die gewünschten Maschinen zusammenstellte, hat er sich nicht von seinem Weg abbringen lassen, sondern die Maschinen halt einfach selbst zusammengestellt. An diesen Entschei- dungen hing nicht nur die Existenz seiner Schreinerei, sondern auch seiner Familie. Was sind die drei grössten Heraus- forderungen für Ihr Business? Wenn man mit etwas Erfolg hat, darf man sich nicht ausruhen. Am Ball zu bleiben, ist eine stete Herausforderung. Im Moment be- schäftigt uns ausserdem die Kopiersituati- on in China sehr stark. Unsere neuen Pro- dukte, die P-System Verbinder, haben noch laufende Patente. In China haben wir ein paar «Mitbewunderer», wie wir gerne sa- gen, die uns kopieren. Hier sind wir stark gefordert, unsere Patente zu verteidigen. Weitere Herausforderungen sind natürlich auch immer neue Regulatorien im Sinne von Maschinenzertifizierungen, die sich teilweise von Land zu Land unterscheiden. Könnten Sie sich vorstellen, das Risiko einzugehen, Ihr Kernbusiness «Holz ver- binden» zu verlassen? Wir versuchen immer, über den Garten- zaun zu schauen. Wo könnten wir mit un- seren Verbindungselementen Möglichkei- ten für andere Bereiche eröffnen? Wir schauen immer wieder, wie Kunststoff ver- bunden wird. Gibt es dort Möglichkeiten? Wir sind permanent gefordert, den Markt gut zu beobachten. Welche Materialien kommen für den Schreiner auf den Markt? Was für Plattenmaterial kommt? Woraus ist dieses gefertigt? Sind unsere Verbinder für dieses Material auch geeignet? Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für Lamello? Das Thema Nachhaltigkeit hat grossen Wert in der Produktion unserer Holzlamel- len. Unser gesamtes Holz ist regional und wird im Umkreis von rund 20 km gefällt. Und mit unseren qualitativ hochstehenden Maschinen setzen wir natürlich auf Langle- bigkeit und somit auch auf Nachhaltigkeit. Bis mindestens zehn Jahre nachdem das letzte Produkt einer Modellreihe unser Haus verlassen hat, hat der Kunde die Mög- lichkeit, seine Maschine reparieren zu las- sen. Es wird manchmal gesagt, eine Lamel- lo werde mit dem Schreiner pensioniert. Was macht die Innovationskultur bei Lamello aus? Wir haben in der Branche den Namen des Innovationsführers und möchten diesen auch behalten. Als solcher schauen wir im- mer wieder, welche technologische Grenze wir überschreiten können. Wir halten uns nicht immer an vermeintliche Normen und gehen Dinge manchmal von einer anderen Seite an. Bei meinem Grossvater hat es ge- heissen, Holz könne man nicht stanzen. Un- sere Lamelle wird seit Jahrzehnten gestanzt. SUSANNE AFFOLTER-STEINER ist in dritter Generation Geschäftsführerin und Hauptaktionärin der Lamello AG. Was uns bei der Innovationskraft hilft, sind unsere schlanken Strukturen und Prozesse. Das ist ein Vorteil als Familien- unternehmen. Warum investieren Sie zurzeit im grenz- nahen Grenzach-Wyhlen? Erstens haben wir hier auf dem Areal nicht mehr viel Platz. Unsere Kunststoff- produktion mussten wir bereits in gemie- tete Räume im Dorf auslagern. Zweitens beliefert das Lager Grenzach hauptsäch- lich die Märkte unserer europäischen Tochtergesellschaften. Das bringt deutli- che Vorteile betreffend Geschwindigkeit und Lieferkosten. Es ist ein Unterschied, ob wir einen ganzen Lkw verzollen können oder nur Einzelpakete. Welche Möglichkeiten eröffnet Ihnen die Digitalisierung? Sehr viele. Aber wir müssen immer wie- der mit den richtigen Partnern in Ge- sprächen sein. Unser Clamex P Verbinder war zunächst in der CNC-Welt beheimatet. Dann kam der Schreiner und sagte, er wol- le dieses Produkt auch, habe aber keine CNC-Maschine. So kam es zur Handnut- fräsmaschine. Um wirklich in der digita- len Fertigung zu sein, braucht es vom Maschinenhersteller bis zum Softwareher- steller eine ganze Kette an Partnern. In den letzten zehn Jahren haben wir dies- bezüglich ein wichtiges Netzwerk aufge- baut. Das zahlt sich aus. So hat 2019 an der LIGNA in Hannover ein CNC-Maschi- nen-Hersteller eine Fertigung aufgebaut, die automatisch eine Bohrung erstellte und unsere Cabineo Verbindungselemen- te durch einen Roboter einsetzen liess. Und wie fand Ihre Holzlamelle den Weg ins New Yorker Museum of Modern Art? Das haben wir selbst bis heute nicht her- ausgefunden. Im Mai 2015 haben wir vom MoMa ein Schreiben erhalten, dass unser Produkt als eine der 100 wichtigsten un- scheinbaren Erfindungen des Jahrhun- derts ausgestellt sei. Was uns natürlich freut und auch stolz macht. •
  • 18. 18 twice Herbst 2020 LONDON AMSTERDAM ROTTERDAM DÜSSELDORF KÖLN MANNHEIM/ LUDWIGSHAFEN ANTWERPEN BRÜSSEL ZEEBRUGGE STRASSBURG BASEL BERN ZÜRICH MAILAND GENUA STANDORTSTANDORTSTANDORT POTENZIAL AUSSCHÖPFEN Die Region Basel liegt im Zentrum des für den europäischen Güterverkehr bedeutsamen Rhein-Alpen-Korridors. Rund die Hälfte des gesamten Frachtverkehrs zwischen Nord- und Südeuropa wird jährlich über diesen Hochleistungskorridor transportiert. Um seine Leistungsfähigkeit voll auszuschöpfen, braucht es weitere Infrastrukturausbauten. Dazu gehört auch das Gateway Basel Nord mit dem Hafenbecken 3. Erst kürzlich eröffnete die Schweiz den Ceneri-Basis- tunnel und beendete damit das Mammut-Infrastruk- turprojekt«NeueEisenbahn-Alpentransversale»(NEAT). Was ein wenig sperrig klingt, ist nicht nur eines der grössten Bauvorhaben, das je in Europa erstellt wurde, sondern verfolgt auch ein Ziel, das aktueller nicht sein könnte: Die NEAT soll – als Teilstück des Rhein-Alpen- Korridors, der von Rotterdam nach Genua reicht – einen Grossteil des Schwerlastverkehrs von der Strasse auf die Schiene verlagern. 1’000 MILLIONEN TONNEN PRO JAHR Schon heute ist der Rhein-Alpen-Korridor eine der meistgenutzten Güterverkehrsstrecken Europas. Er verbindet die Wirtschaftszentren in den Regionen Rhein-Ruhr und Rhein-Main-Neckar mit den Häfen von Rotterdam, Antwerpen und Zeebrugge im Norden und dem Hafen von Genua im Süden sowie mit den Güterverkehrszentren in Norditalien. Er deckt somit einen grossen Teil des Raums ab, der als «blaue Bana- ne» bekannt ist. Dies ist ein Gebiet mit vergleichswei- se dynamischer Wirtschaft und Wohlstand sowie starker Verkehrsverflechtung. Gut 1’000 Millionen Tonnen Fracht werden jährlich über den Korridor transportiert, was 50 Prozent des gesamten Fracht- verkehrs zwischen Nord- und Südeuropa entspricht. «Beim internationalen Frachtverkehr wird rund die Hälfte davon auf dem Rhein verschifft», erläutert Dr. Christiane Warnecke, Geschäftsführerin Schienen- güterverkehrskorridor Rhein–Alpen. «Die übrigen Verkehre verteilen sich auf dem Rhein-Alpen-Korri- dor in etwa gleich auf Schiene und Strasse.» Betrachtet man den Schienenweg, so ist die Leistung des Rhein-Alpen-Korridors beachtlich: Gut die Hälf- te des Schienengüterverkehrs der EU werden über diese Achse abgewickelt. So spielt er auch für SBB Cargo International eine grosse Rolle: «Wir wickeln
  • 19. twice Herbst 2020 19 Vielfältig. Praxisorientiert. Berufsnah. Aus- und Weiterbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Informieren Sie sich jetzt unter www.fhnw.ch rund 95 Prozent unserer Verkehre über diesen Korri- dor ab», erläutert Ulla Kempf, Leiterin Ressourcen- planung SBB Cargo International AG. MULTIMODALITÄT WICHTIGE VORAUSSETZUNG «Die Lieferketten auf dem Korridor sind allerdings nur so leistungsfähig wie ihr schwächstes Glied», gibt Kempf zu bedenken. «Damit der Warentransport rei- bungslos und effizient erfolgen kann, braucht es moder- ne und leistungsfähige Infrastrukturen, die internatio- nal aufeinander abgestimmt sind.» Die Verknüpfung der Verkehrsträger – die sogenannte Multimodalität – ist beim Gütertransport essenziell. «Multimodalität ist für uns entscheidend, denn jeder Verkehrsträger hat seine Stärken. Während die Bahn für längere Strecken optimal ist, braucht es beispielsweise für die An- und Ablieferung im Hinterland auch die Strasse», so Kempf. Diese Meinung teilt Hans-Peter Hadorn, Direktor der Schweizerischen Rheinhäfen: «Nördlich von Basel sind die Verkehrsströme durch Umschlagterminals bereits multimodal. Damit dies am Bündelungspunkt in Basel effizient weitergeführt werden kann, muss auch hier mit dem Terminal Gateway Basel Nord samt dem Ha- fenbecken 3 eine moderne Infrastruktur für die Ab- wicklung des Containerverkehrs geschaffen werden. So wird die Binnenschifffahrt gut an Schiene und Strasse angebunden.» Doch nicht nur bei der Realisierung von Infrastrukturen liegen grosse Aufgaben vor uns. Auch bei der Digitalisierung und beim Datenverkehr gibt es Nachbesserungsbedarf. NACHBESSERUNGEN BEI DIGITALISIERUNG «Eine wichtige Aufgabe der Schweizerischen Rheinhä- fen respektive aller Binnenhäfen ist es, Transportdaten der unterschiedlichen Verkehrsträger bereitzustellen. Damit Multimodalität in den Häfen effizient erfolgen kann, müssen wir Informationen miteinander austau- schen können», betont Hadorn. Die gesetzliche Grund- lage für eine internationale Koordination fehlt aber bis- lang dafür. «Leider verhindert die Datenschutzgrund- verordnung der EU, dass wir die nicht kommerziellen Transportdaten für alle Marktteilnehmer gewinnbrin- gend nutzen können. Wenn wir die Multimodalität för- dern wollen, muss die Politik hier also deutlich nach- bessern», hält Hadorn fest. Damit der Rhein-Alpen-Korridor seine volle Leistung erbringen und damit auch einen wichtigen Beitrag für die Umwelt leisten kann, braucht es neben dem Abbau von Hürden beim Datenaustausch auch Inves- titionen in die Infrastruktur. • DR. SEBASTIAN DEININGER, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt s.deininger@hkbb.ch MEHR DAZU: Erfahren Sie mehr zur Bedeutung des Rhein- Alpen-Korridors in unserem Podcast mit Dr. Christiane Warnecke, Schienen- güterverkehrs- korridor Rhein– Alpen, Ulla Kempf, SBB Cargo Interna- tional AG, und Hans-Peter Hadorn, Schweizerische Rheinhäfen.
  • 20. 20 twice Herbst 2020 STANDORT WIE HOCH IST DA BLACKBLACK Die Schweiz liegt im Herzen Europas und ist wirt- schaftlich eng mit ihren Nachbarstaaten verbunden. Das gilt auch für die Energiewirtschaft. Yves Zumwald, CEO Swissgrid, erklärt, was die Schweiz tun muss, damit ein grosser Stromausfall nicht Realität wird. Herr Zumwald, warum ist Versorgungs- sicherheit ein so relevantes Thema? Ohne Strom stehen Gesellschaft und Wirtschaft still. Entsprechend schätzt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz eine Strommangellage als grösstes Risiko ein. Swissgrid leistet als nationale Netz- gesellschaft einen wichtigen Beitrag zur netzseitigen Versorgungssicherheit. Wir verfolgen das Ziel, den Wandel im europä- ischen und im schweizerischen Energie- system mitzugestalten. Nur so ist es mög- lich, den zuverlässigen und leistungsfä- higen Betrieb des Übertragungsnetzes zu gewährleisten. Manche Studien kommen zum Schluss, dass die Versorgungssicherheit in der Schweiz mit Strom auch in Zukunft ge- währleistet ist. Andere bezweifeln dies. Wie kommt es zu diesen unterschiedli- chen Einschätzungen? Die Einschätzungen zur Stromversor- gungssicherheit beinhalten unterschied- liche zeitliche Dimensionen sowie die Aspekte Zuverlässigkeit, Sicherheit und Angemessenheit. Wie gut steht die Schweiz tatsächlich da? Die Schweiz nimmt punkto Versorgungs- qualität im gesamteuropäischen Vergleich einen Spitzenwert ein. Die durchschnittli- che Unterbrechungsdauer pro Endverbrau- cher und Jahr betrug 2019 in der Schweiz 19 Minuten. Der Anteil Unterbrechungsmi- nuten im Übertragungsnetz beträgt davon nur 0.2 Prozent. Das Hauptproblem ist netz- seitig der fehlende Einbezug in die europä- ischen Koordinationsprozesse, der sich ne- gativ auf den Netzbetrieb auswirkt. Swiss- grid setzt sich deshalb für die volle Integration der Schweiz in den europäi- schen Strommarkt ein. Grundlage dafür ist ein Stromabkommen mit der EU. Schon heute ist die Schweiz im Winter- halbjahr Nettoimporteur von Strom und somit auf ihre Nachbarländer angewie- sen. Nimmt diese Abhängigkeit weiter zu? In der Energieversorgung der Zukunft wird Strom eine zentrale Rolle spielen: Erneuer- bare Energien, Effizienzsteigerung und Elektrifizierung sowie Sektorkopplung sind
  • 21. twice Herbst 2020 21 AS RISIKO EINES KOUTS?KOUTS? die zentralen Elemente für die Umsetzung der Energiestrategie 2050. Dadurch werden nicht nur die Nachfrage nach Strom und die Abhängigkeit vom europäischen Strom- markt zunehmen, sondern auch das Strom- netz vor neue Herausforderungen gestellt. Muss man nicht zwischen der technischen Exportfähigkeit und der politischen Ex- portbereitschaft anderer Staaten unter- scheiden? Die Bereitschaft, Strom zu exportieren, setzt eigene Reservekapazitäten und ent- sprechende Netzkapazitäten voraus. In Krisensituationen ist die Exportfähigkeit der Nachbarländer eine Frage von politi- schen Entscheidungen. Um Netzengpässe zu beseitigen und Netzsicherheit gewähr- leisten zu können, ist die Umsetzung der im «Strategischen Netz 2025» enthaltenen Netzprojekte relevant. Die Modernisie- rung des Übertragungsnetzes ist der Schlüssel für eine sichere Stromversor- gung und eine nachhaltige Energiezu- kunft im Sinne der Energiestrategie 2050. Unsere Nachbarländer transformieren ihr Energiesystem ebenfalls. Welche Aus- wirkungen hat dies für die Schweiz? Der Abbau an gesicherter Kapazität im eu- ropäischen Umfeld wird sich negativ auf die Importfähigkeit der Schweiz auswir- ken. Die stark vernetzte Schweiz hängt von den Gegebenheiten in den Nachbar- staaten ab. Ohne Stromabkommen mit der EU sind die Möglichkeiten zum Import aus der EU und zum Export nach der EU gefährdet. Welche Technologien können wir im Rah- men der Energiestrategie 2050 anwenden, um die Abhängigkeit zu reduzieren? Der Stromimport und -export ist von je- her eine tragende Säule der Versorgungs- sicherheit und wird es auch in Zukunft sein. Der Stromhandel ist ein wesentli- ches Mittel, um die wechselnde Verfüg- barkeit von Wasserkraft, Wind und Sonne auszugleichen. Ein Stromabkommen mit der EU würde die Schweiz besser in die Markt- und Solidaritätsmechanismen in der EU einbinden – und damit die Bewäl- tigung von Importsituationen erleichtern. Swissgrid muss immer häufiger ins Stromnetz eingreifen, um die Versor- gung sicherzustellen. Wie hoch ist das Risiko eines Blackouts? Das Schweizer Übertragungsnetz gehört zu den stabilsten und sichersten der Welt. Dazu trägt die enge Vermaschung im In- land und mit dem europäischen Verbund- netz bei. Dank der engen Zusammenar- beit mit den europäischen Partnern kann die Schweiz bisher Kraftwerksausfälle oder Überproduktion kompensieren. Aber die Umsetzung des dritten EU-Richtlini- enpakets und des Clean Energy Package führt voraussichtlich zu einer Zunahme von ungeplanten Flüssen und zu einer Verringerung der Importfähigkeit der Schweiz. Es kann erwartet werden, dass die Intensität der Herausforderungen bis 2025 stark zunehmen wird. • YVES ZUMWALD, CEO Swissgrid DR. SEBASTIAN DEININGER, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt s.deininger@hkbb.ch
  • 22. 22 twice Herbst 2020 STANDORT Die trinationale Wirtschaftsregion am südlichen Oberrhein und Hochrhein ist auf leistungsfähige Infrastrukturen ange- wiesen. Denn mit zunehmendem Wirt- schafts- und Bevölkerungswachstum in der Region steigen auch die Mobilitätsbe- dürfnisse kontinuierlich an. Dies führt schon heute dazu, dass die Kapazitäten auf der Strasse und der Schiene regelmässig überschritten sind, während auf den Was- serstrassen – Rhein und Rhein-Rhone-Ka- nal – noch Kapazitäten vorhanden wären. Zwar sind Massnahmen vorgesehen, um Engpässe im Dreiland zu beseitigen. Doch durch die komplexen und teilweise ineffi- zienten Verfahren bei Infrastrukturvorha- ben sowie den umfangreichen Einspruchs- rechten von Einzelpersonen und Organi- sationen sind zahlreiche Projekte in der Region verzögert: «Dies zeigt sich bei- spielsweise bei den Infrastrukturprojekten Herzstück Basel, dem Ausbau der A98 und dem Bahnanschluss des EuroAirports auf französischer sowie der Rheintalstrecke auf deutscher Seite», erläutert Dr. Sebastian Deininger, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt der Handelskammer beider Basel. NEUE MOBILITÄTSFORMEN Neue Bedürfnisse und Mobilitätsformen wie Peoplemover, Sammeltaxis oder auto- matisierte Minibusse sowie das Pooling und Sharing der Fahrzeuge werden immer mehr in unseren Alltag integriert. Wie für die bestehenden Verkehrsträger und -mit- tel müssen auch für diese neuen Mobili- tätsformen Planungs- und Genehmigungs- verfahren definiert werden. «Aufgrund des Pioniercharakters solcher Vorhaben sind gerade hier möglichst schlanke und un- komplizierte Verfahren ein wichtiger Er- folgsfaktor», betont Deininger. VERFAHREN OPTIMIEREN Damit unsere Region auch zukünftig gut erreichbar bleibt, müssen Infrastruktur- aus- und -neubauten sowie deren Unter- halt rascher geplant, projektiert und um- gesetzt werden können. Hierfür müssen die Planungs- und Genehmigungsverfah- ren in Deutschland, Frankreich und der Schweiz angepasst werden. Zwar existie- ren bereits Gesetze, die ein beschleunig- tes Verfahren zum Ziel haben, allerdings fokussieren diese nur auf eine Auswahl von Vorhaben. «Frühzeitige Bürgerbeteili- gung ist wichtig. Erst dadurch erhalten Infrastrukturprojekte ihre Akzeptanz. Sie darf aber nicht dazu führen, dass Pro- jekte in den späteren Phasen in ihrer Pla- nung und Umsetzung über Jahre blockiert werden können», meint Norbert Uphues, Referent für Verkehr, Konjunktur, Statis- tik bei der IHK Südlicher Oberrhein. Die- se Meinung vertritt auch Deininger: «Was wir dringend brauchen, ist eine neue Kul- tur, die sowohl den Bedürfnissen der Wirtschaft als auch jenen der Gesellschaft gerecht wird.» • EFFIZIENTER WERDEN Die Wirtschaftsregion im Drei- land ist auf leistungsfähige Infrastrukturen angewiesen. Um diese rascher planen und umsetzen zu können, müssen die Planungs- und Genehmi- gungsverfahren in Deutschland, Frankreich und der Schweiz an- gepasst werden. MEHR DAZU: Sehen Sie in unserem Video, wo es beim Infrastrukturausbau harzt und was die heutigen Planungs- und Genehmigungsverfahren damit zu tun haben. DR. SEBASTIAN DEININGER, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt s.deininger@hkbb.ch
  • 23. twice Herbst 2020 23 Wohnen, arbeiten, Freizeitaktivitäten – für all dies brauchen wir Raum. Und der wird vor allem in den Städten und ihrem Umland immer knapper. Strenge Auflagen und eine zunehmende Konkurrenz, wie wir die knappen Flächen nutzen, führen zu Konflik- ten. Beim Versuch, diese zu lösen, ziehen Unter- nehmen oder gar ganze Branchen nicht selten den Kürzeren. Die Raumallokation entwickelt sich infolge des Wirtschafts- und Bevölkerungszuwachses bei zu- nehmend strengerer Regulierung zu einer komple- xen Aufgabe. Gerade die kleinteilige Region Basel, die als trinationaler Lebens- und Wirtschaftsraum hervorragend funktioniert, ist mit ihren zahlrei- chen Kantons- und Landesgrenzen in ihrer räumli- chen Entwicklung eingeschränkt. «Dies stellt die Raumplanung vor besondere Herausforderungen. Als Wirtschaftsstimme setzen wir uns daher ge- zielt für die vielseitigen Bedürfnisse der Unterneh- men ein. Denn zukunftsorientierte und attraktive Arbeits- und Wohnflächen sind für die Entwick- lung der Region Basel als Lebens- und Wirtschafts- raum zentral», so Dr. Sebastian Deininger, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt. SCHWINDENDE FLÄCHEN Lange Planungsprozesse, strikte Nutzungsaufla- gen und wachsende Bevölkerungszahlen führen dazu, dass immer weniger Flächen für Unterneh- men verfügbar sind. Gleichzeitig steigen die An- forderungen an den Raum. Inwiefern gefährdet dies die Standortattraktivität unseres Wirtschafts- raumes? Wie können die Konflikte zwischen Weiter- entwicklung und Schutz gelöst werden? «Über diese wichtigen Fragen wird bislang nur unzureichend debattiert», meint Deininger. «Mit dem Agglomerati- onsprogramm Basel haben wir ein kantons- und so- gar länderübergreifendes Gefäss zur gemeinsamen räumlichen Entwicklung. Die Praxis zeigt, dass dies bei Massnahmen im Verkehrsbereich auch hervorra- gend funktioniert.» Die Raumplanung wird hinge- gen in umfangreichen, rein kantonalen Richtplänen gemäss den nationalen Richtlinien gemacht. Dabei bleibt eine gemeinsame, regionale und kantonsüber- greifende Raumentwicklung meist ausser Acht. An unserem Fachkongress «Zone Zukunft» fragen wir deshalb: Muss die Raumplanung vermehrt regional und kantonsübergreifend abgestimmt werden? Gibt es eine regionale Wirtschaftsflächenstrategie und wie sieht diese aus? Welche Bedürfnisse haben Unterneh- men an Wirtschaftsflächen und wie kann der stei- gende Bedarf an urbanem Wohnraum nachhaltig gedeckt werden? Finden Sie gemeinsam mit uns Ant- worten hierzu. • AGENDA Dienstag, 23. März 2021, 13.30 bis 19.15 Uhr in Basel. Informationen zum Programm und zur Anmeldung » Die Raumpolitik setzt Leitplanken für die Entwicklung unserer Region. Welche Bedürfnisse aber hat die Wirtschaft an den Raum der Zukunft? Am Fachkongress «Zone Zukunft» debattieren wir darüber, welche Anforderungen Unternehmen an Wirtschafts- flächen stellen und wie eine gezielte regionale Entwicklung der Areale aussehen könnte. VERPLANTE RAUMPLANUNG DR. SEBASTIAN DEININGER, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt s.deininger@hkbb.ch
  • 24. 24 twice Herbst 2020 STANDORT tun!Die tunBasel feiert ihr 10-Jahre- Jubiläum. Die Erlebnisschau für Naturwissenschaften und Tech- nik hat sich zu einer nachhalti- gen Massnahme zur Nachwuchs- förderung etabliert und ist bei Schulklassen fester Bestandteil im Programm. Karin Vallone, Leiterin Bildung, über die Hinter- gründe der Erlebnisschau. Warum engagiert sich die Handelskammer seit zehn Jahren für die Erlebnisschau tunBasel? Bereits vor zehn Jahren hat sich der Fach- kräftemangel in MINT-Berufen abgezeich- net. MINT steht übrigens für Mathematik, Informatik, Natur und Technik. Uns war deshalb klar, dass wir diese Herausforde- rung anpacken und den Nachwuchs in MINT-Berufen fördern müssen. Bereits 2010 haben wir deshalb an der muba die tunBa- sel lanciert, eine Erlebnisschau mit vielen spannenden Experimenten für Kinder. Die tunBasel wurde auf Anhieb zum Messe- highlight und knackte in den Folgejahren einen Besucherrekord nach dem anderen: Während an der ersten tunBasel 2010 rund 7’500 Kinder und Jugendliche gezählt wur- den, haben 2019 insgesamt 14’000 junge Forscherinnen und Forscher an über 40 in- teraktiven Experimenten getüftelt. Wir kön- nen mit Stolz sagen, dass sich ein Besuch an der tunBasel fast als fester Bestandteil im Programm von Schulklassen etabliert hat und damit zu einer nachhaltigen Massnah- me der Nachwuchsförderung geworden ist. Wie hat sich die Erlebnisschau entwickelt? Nach den ersten Durchführungen haben wir ein digitales und benutzerfreundli- ches Anmeldetool installiert, das Besu- chermarketing mit Social-Media-Kanälen professionalisiert und das Erscheinungs- bild der tunBasel modernisiert. Auch den Kontakt mit den Schulen in beiden Basel haben wir intensiviert, damit alle Schul- leitungen über das Angebot der tunBasel informiert sind. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Beim Start vor zehn Jahren haben rund 155 Schulklassen die tunBasel besucht, 2019 waren es über 300. Mit dem Aus der muba mussten wir zudem die Suche nach einem nachhalti- gen und sinnvollen Austragungsort für die tunBasel starten. Wir freuen uns, dass wir mit dem Campus der Fachhochschule Nordwestschweiz eine neue Partnerin ge- funden haben. Dieser Austragungsort bie- tet ein ausgezeichnetes Umfeld für vielfäl- tige, interaktive Erlebnisse in einer realen und internationalen Forschungsumgebung. Wir prüfen nun, ob die tunBasel alternie- rend auch an der Universität Basel statt- finden kann. Wer sind die Partner der tunBasel? Dass die tunBasel in diesem Jahr das 10- Jahre-Jubiläum feiert, ist dem grossen En- gagement unserer Partner zu verdanken. Auf der einen Seite übernehmen regionale Unternehmen, Stiftungen und Bildungs- institutionen eine wichtige Aufgabe als Finanzierungspartner, aber vor allem auch als Aussteller und Entwickler der vielfältigen und spannenden Experimen- te. Auf der anderen Seite sind wir dank- bar, dass wir auf die Unterstützung der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft zählen dürfen. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir die tunBasel weiter, um noch viele Jahre lang Jugendli- che für MINT-Berufe zu begeistern. • ERFOLG HAT DREI BUCH- STABEN KARIN VALLONE, Leiterin Bildung k.vallone@hkbb.ch Die tunBasel wird aufgrund der aktuellen Situation mit Covid-19 auf Februar 2022 verschoben. Ein Alternativprogramm für Schulen ist in Planung, Durchführungs- partner wird auch im Jahr 2022 die FHNW mit dem Campus in Muttenz sein. www.tunbasel.ch STANDORT
  • 25. STANDORT WIE GEHT ES DEN UNTERNEHMEN? Die Coronakrise hat die Wirtschaft hart getroffen. Wie geht es nun den Unternehmen in unserer Region, wie blicken sie in die Zukunft? Unser Herbst-Stimmungsbarometer zeigt: Die Stimmung ist je nach Branche unterschiedlich, die Prognose für die nahe Zukunft verhalten. Die Unternehmen in der Region Basel sind bislang unterschiedlich hart von der Coronakrise betroffen und werten ihren aktuellen Geschäftsgang denn auch entsprechend. So beurteilt ein Drittel der Un- ternehmen den aktuellen Geschäftsgang mit «gut» und ein weiteres Drittel mit «befriedigend». Jedes fünfte Unternehmen wertet den aktuellen Geschäfts- gang mit «unbefriedigend» und jedes achte Unter- nehmen mit «schlecht». «Dieses Stimmungsbild deckt sich genau mit den Werten unserer Konjunktur- umfrage im Sommer», erklärt Andreas Meier, Abtei- lungsleiter Mitglieder Netzwerk. DIFFERENZIERUNG NACH BRANCHEN Am besten durch die Krise kommen die Unterneh- men aus dem Life Sciences-Bereich. Fast drei Vier- tel der Life Sciences-Unternehmen sprechen von ei- nem guten Geschäftsgang. Meier: «Damit wirkt die Leitbranche der Region einmal mehr stabilisierend auf die Gesamtwirtschaft.» Erfreulich ist, dass auch die Finanz- und Versicherungswirtschaft, die Im- mobilienwirtschaft, die Energiewirtschaft sowie das Baugewerbe die Krise bislang gut gemeistert haben. «Dass es in der Region Basel nie zu einer be- hördlich verordneten Schliessung der Baustellen kam, bewahrte die Baubranche vor Schlimmerem.» Detailhandel, Grosshandel, die Telekommunikations- und IT-Branche, das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die Dienstleister im Allgemeinen liegen im Schnitt der Gesamtbeurteilung. Am stärksten unter der Krise leiden bisher der Tou- rismus, die Gastronomie und Hotellerie sowie die Event-Branche. «In diesen Geschäftszweigen be- steht aufgrund behördlicher Vorgaben und der all- gemeinen Unsicherheit eine besondere Betroffen- heit. Einige Unternehmen in diesen Bereichen sind in ihrer Existenz bedroht.» Kritisch ist die Situation auch für die industriellen Betriebe sowie die Logis- tik- und Transportbranche: «Diese Branchen hängen stark von der Erholung unserer Nachbarn ab.» VERHALTENER BLICK IN DIE ZUKUNFT Mit Blick auf das kommende Halbjahr geben sich die Unternehmen zurückhaltend. Die Hälfte der Unter- nehmen gehen von einem gleichbleibenden Geschäfts- gang aus. Je rund ein Viertel prognostiziert einen schlechteren beziehungsweise einen besseren Ge- schäftsgang. Die schlechtesten Prognosen stammen aus dem Detailhandel, dem Grosshandel und wenig verwunderlich aus dem Tourismus, der Gastronomie und Hotellerie sowie der Event-Branche. WENIGER INVESTIEREN Covid-19 wirkt sich auch auf die Investitionstätigkeit aus. Über ein Drittel der Unternehmen wird weniger investieren: «Bei der Investitionstätigkeit der Unter- nehmen zeigt sich, dass je grösser das Unternehmen, desto eher bleiben die Investitionen stabil. Über die ganze Wirtschaft betrachtet ist das ein gutes Zei- chen.» Auch beim Personalbestand sieht die Ent- wicklung wenig optimistisch aus: Bei zwei Dritteln der Unternehmen wird der Personalbestand gleich- bleiben. Bei rund einem Fünftel der befragten Unter- nehmen wird es zu Personalabbau kommen. KLARHEIT SCHAFFEN «Auch wenn die Erholung nach dem ersten Lockdown besser verläuft als erwartet, bleibt die Unsicherheit bei den Unternehmen gross», resümiert Meier. «Was die Unternehmen nun brauchen, ist Planungssicher- heit. Politik und Verwaltung sind gefordert, für ent- sprechende Rahmenbedingungen zu sorgen.» • twice Herbst 2020 25 MEHR DAZU: ANDREAS MEIER, Abteilungsleiter Mitglieder Netzwerk a.meier@hkbb.ch
  • 26. 26 twice Herbst 2020 Damit die ICT-Branche in unserer Region wachsen kann, braucht sie vor allem eines: Fachkräfte. Denn der Bedarf an Informations- und Kommunikationstech- nologie-Dienstleistungen nimmt stark zu. Mit dem ICT Campus Handelskammer beider Basel stärken wir die Förderung junger ICT-Talente und sorgen dafür, dass den Unternehmen auch zukünftig IT-Fachkräfte zur Verfügung stehen. 26 twice Herbst 2020 AUS DER ’KAMMER «Unternehmer berichten mir immer wieder, dass sie händeringend nach ICT- Nachwuchskräften suchen», erläutert Deborah Strub, die die Abteilung Cluster Initiativen der Handelskammer leitet. «Auch die Zah- len verdeutlichen dies. Während die ICT-Ausbildungs- und -Arbeitsplätze in der Region Zürich und Bern zunehmen, sind diese bei uns seit Jahren rückläufig. Deshalb ist es uns ein grosses Anliegen, mit geziel- ten Massnahmen dem Fachkräftemangel in unserer Region entgegenzuwirken und die ICT-Branche zu stärken. Gemeinsam mit den Partnern unserer Platt- form ‹be-digital› entwickeln wir deshalb Lösungen, um junge ICT-Talente zu fördern.» TALENTE FINDEN Eine Massnahme ist der ICT Campus Handelskam- mer beider Basel. «Am Campus können junge Nach- wuchstalente neben der Schule ihre ICT-Kenntnisse und -Fertigkeiten erweitern», so Strub. Das Projekt funktioniert ähnlich wie die Talentsuche im Sport: Scouts besuchen die 1. Klassen an verschiedenen Se- kundarschulen in den beiden Basel. Die Schülerin- nen und Schüler nehmen an einem vierstündigen Programmierworkshop teil. Jugendliche, die dabei ein besonderes Flair zeigen, werden an den Campus eingeladen, wo sich rund 100 junge Talente jeden zweiten Samstag treffen, um eigene ICT-Projekte zu planen und umzusetzen. Die Jugendlichen bestim- men und arbeiten selbstständig an ihren Projekten. Sie sollen ihr Talent entdecken, es frei entfalten und Gleichgesinnte kennenlernen. EINZIGARTIGER ANSATZ Begleitet werden die 13- bis 16-jährigen Jugendlichen von Mentorinnen und Mentoren. Das Team des ICT Campus fördert die Talente gezielt und bereitet sie im Campus auf eine ICT-Karriere vor. «Wir betreiben eine grundlegend neue Art der Informatik-Talentfindung und -förderung», erklärt Rolf Schaub, Geschäftsführer Verein ICT Scouts/Campus: «Unser Ansatz unterschei- det sich von anderen MINT-Förderprogrammen, weil wir das einzige in der Schweiz sind, das mit den ICT Scouts Jugendliche nach einem systematischen Ver- fahren an den Volksschulen aufspürt und diese über mehrere Jahre kontinuierlich im Campus fördert und begleitet. Rund die Hälfte der Campus-Teilnehmenden sind übrigens Mädchen.» DREIFACHER GEWINN Ziel ist auch, den Unternehmen Zugang zu talentier- ten Jugendlichen zu gewähren und mehr ICT-Ausbil- dungsplätze in der Region zu schaffen. Strub: «Wir wollen den Campus bei den Unternehmen noch be- kannter machen und dazu beitragen, dass mehr ICT-Lehrstellen in unserer Region geschaffen wer- den. Denn es ist für die Ausbildungsbetriebe nicht einfach, aus einem Berg an Bewerbungsdossiers die passenden Auszubildenden herauszufiltern.» Der ICT Campus Handelskammer beider Basel ist also ein grosser Gewinn für die Jugendlichen, die Unterneh- men und die ICT-Branche in der Region. • FACHKRÄFTE VON MORGEN SICHERN DEBORAH STRUB, Abteilungsleiterin Cluster Initiativen d.strub@hkbb.ch
  • 27. twice Herbst 2020 27 E-MAIL- SCHLACHT ODER AGILE AND LEAN? Mit «be-digital» bieten wir spezifisch auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene, praxisbezogene Weiterbildungen zur digitalen Transformation an, um Sie und Ihr Unternehmen weiterzubringen. Die Digitalisierung ist ein fortlaufender Verände- rungsprozess, der neben Technologien auch Arbeits- und Führungsmethoden auf den Kopf stellt. Damit Sie das volle Potenzial der Digitalisierung und der damit verbundenen Chancen ausschöpfen können, hat die Handelskammer beider Basel ein praxisbezo- genes Weiterbildungsangebot aufgebaut. Denn wir alle kennen es: Die Mailbox läuft über, das Meeting dauert zu kurz, um dort alle Themen zu be- sprechen, und die Zeit fehlt, um Innovation voranzu- treiben, neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Gleichzeitig verstecken sich hinter dem Wort Digitalisierung so viele Themen und Möglich- keiten, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Genau da setzt das «be-digital»-Weiter- bildungsangebot an. Experten aus der Praxis neh- men sich Ihrer Herausforderungen an und zeigen Ihnen Lösungswege auf. «Denn effizient, zeitgemäss und mit Vertrauen und Wertschätzung zu führen so- wie die Innovation zur DNA eines Unternehmens zu machen, sind wichtiger denn je, um mittel- und lang- fristig kompetitiv zu bleiben», ist Andreas Maeder, Projektleiter von «be-digital» überzeugt. IN WISSEN INVESTIEREN Die digitale Transformation verschärft den Fach- kräftemangel und so ist es umso wichtiger, dass Ar- beitgeberinnen und Arbeitgeber in die kontinuierli- che Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren. «Aus- und Weiterbildungen tragen dazu bei, Verän- derungen und Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt mit einem positiven Resultat zu bewältigen», so Maeder. «In Arbeitswelten, die sich schneller denn je verän- dern, ist es wichtig, dass Arbeitgebende ihren Mitar- beitenden die Möglichkeit für Weiterbildungen bie- ten.» Denn Weiterbildungen ermöglichen es uns, heute und zukünftig fit zu bleiben und den kontinu- ierlichen Wandel aktiv mitzugestalten. «Wer die Of- fenheit mitbringt, ein Leben lang zu lernen, steigert seine Attraktivität am Arbeitsmarkt. Umgekehrt werden aber auch Unternehmen, die ihren Mitarbei- tenden Weiterbildungen ermöglichen, auf dem Ar- beitsmarkt als attraktive Arbeitgeber angesehen», hält Maeder fest. ZUR RICHTIGEN WEITERBILDUNG Bei unserem Weiterbildungsangebot stehen Sie und Ihre spezifischen Bedürfnisse im Mittelpunkt. Set- zen Sie in unserem Kurs-Assessment Ihren persön- lichen Fokus und finden Sie jene Weiterbildungsan- gebote, die für Sie am besten passen und Sie weiter- bringen. Wir starten mit einem Angebot zu Themen wie Agiles Führen und Arbeiten, digitale Transformation und Change sowie Strategie und Unternehmensführung. Als Mitglied der Handelskammer beider Basel profi- tieren Sie von Vorzugspreisen. • MEHR DAZU » ANDREAS MAEDER, Projektleiter be-digital a.maeder@hkbb.ch
  • 28. 28 twice Herbst 2020 NACHHALTIG INVESTIEREN Damit die Region Basel ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt, müssen wir Voraussetzungen schaffen, die anziehend auf Unternehmen wirken. Dazu gehört ein wirtschaftsfreundliches Steuer- und Finanzsystem. Und genau dafür setzt sich die Finanz- und Steuerkommission der Handelskammer beider Basel ein. «Wir vergleichen unsere Region mit anderen Kantonen und dem Ausland und leiten da- raus Handlungsempfehlungen für die Re- gion Basel ab», so Luca Urgese, Leiter Steuern und Finanzen der Handelskam- mer beider Basel. GESUNDER STAATSHAUSHALT In der Kommission setzen sich Vertrete- rinnen und Vertreter aus unterschiedli- chen Branchen gemeinsam für einen ge- sunden Staatshaushalt ein. «Wir achten bei der Zusammensetzung darauf, mög- lichst viele Branchen mit einzubeziehen, um einen umfassenden Blick zu erhalten. So kommen bei uns Steuerexperten aus Pharma, Chemie, Grosshandel, Banken, Bürgschaftswesen und Wirtschaftsprü- fung zusammen. Gut vertreten sind der- zeit aber auch Steueranwälte», so Urgese. Gemeinsam beraten die Kommissionsmit- glieder über finanz- und steuerpolitische Themen, die für die Unternehmen in un- serer Region relevant sind. Urs Inder- mühle, Präsident der Finanz- und Steuer- kommission: «Für Unternehmen hat die Region nach Annahme der Steuervorlage bereits an Attraktivität zugelegt. Nun brauchen wir auch für Private ein attrak- tives Umfeld, um den Zuzug von hoch aus- gebildeten Fachkräften in die Region wei- ter zu fördern. Dazu gehört unter anderem auch eine Überarbeitung der Vermögens- steuer.» Daneben sei beispielsweise auch die Steuerbelastung ein wichtiges Thema. «Wir beleuchten die Ausgabenseite der beiden Basler Kantone. Ein gesunder Staatshaushalt ist uns wichtig, damit die Kantone die notwendigen Investitionen für einen attraktiven Standort tätigen können», resümiert Urgese. So befasse sich die Kommission derzeit intensiv mit den Kantonsfinanzen von Basel-Stadt und veröffentliche dazu demnächst ein The- mendossier: «Dabei werfen wir einen Blick auf die Ausgabenstruktur und ver- gleichen die Steuerbelastung von natürli- chen Personen. Zudem beleuchten wir das Finanzvermögen und die Schuldensituati- on des Kantons. Wir sind überzeugt, dass wir da spannende Erkenntnisse präsen- tieren können.» WETTBEWERBSFÄHIGKEIT VERBESSERT Für Indermühle ist klar: «Der Kanton Ba- sel-Stadt zeigte in den letzten 15 Jahren ein erfreuliches Wirtschaftswachstum. Mit dem daraus erzielten Überschuss und der erfolgreichen Umsetzung der Steuer- vorlage 17 konnte die steuerliche Wett- bewerbsfähigkeit des Kantons und der Region signifikant verbessert werden.» Doch steht für den Präsidenten auch fest: «Aufgrund von möglichen Steuerausfällen durch Covid-19 und von erforderlichen Unterstützungsmassnahmen sowie durch die schwer abzuschätzenden Auswirkun- gen der internationalen Bestrebungen sei- tens der EU und der OECD müssen nun auch die Kantonsausgaben weiter angepackt wer- den. Attraktive Steuermassnahmen sollen weiter gefördert werden, um Steuerein- nahmen sicherzustellen.» Urgese ergänzt: «Wir versuchen, neue Entwicklungen früh- zeitig zu erkennen. So ist die OECD-Steu- erreform schon lange auf unserem Radar, weil die Auswirkungen sowohl auf unsere international tätigen Mitgliedunterneh- men als auch auf die Steuereinnahmen der Kantone erheblich sein können.» Da absehbar ist, dass der internationale Druck auf die Steuersätze und das Steuersubst- rat zunehmen wird, tut unsere Region also gut daran, auch auf andere Standortfakto- ren ein Augenmerk zu richten und in ihre Attraktivität zu investieren. • URS INDERMÜHLE ist Präsident der Steuer- und Finanzkommission der Handelskammer beider Basel und Partner und Sitzleiter Basel bei EY. Die Finanz- und Steuerkommission der Handelskammer beider Basel setzt sich für einen gesunden Staatshaushalt ein, damit die Kantone die nötigen Investitionen für einen attraktiven Wirtschaftsstandort weiter- hin tätigen können. AUS DER ’KAMMER
  • 29. twice Herbst 2020 29 Ihr Kompetenzpartner Nr.1 für Import- und Exportfragen FACHKRÄFTE IM AUSSENHANDEL SIND GEFRAGT. Wir bringen Karrieren in Import- und Exportberufen voran, seit 1985. Absolvieren Sie jetzt eine dieser Weiterbildungen:  Aussenhandelsfachmann/-frau  Aussenhandelsleiter/-in  Exportsachbearbeiter/-in  Importmanager/-in  Zollsachbearbeiter/-in AB S TIMMUNG E N Eidgenössische Vorlagen NEIN • zur Unternehmens-Verantwortungs-Initiative • zum Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten Basel-Stadt JA • zum Hafenbecken 3 • zum Wohnraumfördergesetz Basel-Landschaft JA • zur Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen an die Mieter von Geschäftsräumlichkeiten im Zusammenhang mit Covid-19 2020 29November
  • 30. AUS DER ’KAMMER 30 twice Herbst 2020 STARKE PARTNERSCHAFT Um Jungunternehmen in unserer Region zu fördern, bieten wir Startups neu aus dem Begleit- programm der Startup Academy Basel und Liestal eine exklusive Mitgliedschaft zu Sonderkon- ditionen an. Startups profitieren dabei insbesondere von unse- rem starken Netzwerk und weiteren attraktiven Vorteilen. Dank unserer Partnerschaft mit Startup- Academy bieten wir Startups für 85 Fran- ken pro Jahr eine exklusive Mitgliedschaft für drei Jahre an – vorausgesetzt, das Un- ternehmen ist bereits formell gegründet. «Wir ermöglichen den Jungunternehmern damit Zugang zu unserem starken Netz- werk, wo sie sich mit Entscheidungsträgern und Meinungsführerinnen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik austauschen und wertvolle Kontakte knüpfen können», er- läutert Andreas Meier, Abteilungsleiter Mit- glieder Netzwerk. Daneben ergeben sich für die Startups weitere Vorteile: «Jungun- ternehmerinnen und Jungunternehmer pro- fitieren beispielsweise von äusserst günsti- gen Verwaltungskosten der Ausgleichs- kasse Arbeitgeber Basel (ak40). Dadurch ergeben sich grosse Einsparmöglichkei- ten für die Startups», so Meier. «Wir bie- ten aber auch vielfältige Informationsge- fässe und Netzwerkanlässe an, die vor allem für Startups wertvoll sind, um da- mit in der Region geschäftlich Fuss fassen zu können.» WIRKUNGSVOLLE AUSTAUSCHPLATTFORM «Die neue Partnerschaft mit der Startup Academy ermöglicht uns den Dialog mit vielen Neugründerinnen und Neugrün- dern. Sie ist die grösste Begleitorganisati- on für Startups im Raum Basel und hat in den vergangenen Jahren bereits über 700 neue Arbeitsplätze geschaffen», so Meier weiter. Auch für Markus Fischer, Ge- schäftsführer der Startup Academy, ist die Kooperation ein grosser Gewinn: «Mit der Handelskammer haben wir neu eine starke und bestens vernetzte Partnerin zur Seite, die in Sachen Unterstützung für die Unter- nehmen und wirtschaftlicher Entwicklung der Region gleiche Ziele verfolgt. Den Start­ ups eröffnet sich ein Netzwerk von etab- lierten Unternehmen und eine weitere, leistungsfähige Plattform mit vielen An- knüpfungspunkten betreffend Wissens- vermittlung und Geschäftsentwicklung.» VERLÄSSLICHE PARTNER Denn gerade Jungunternehmen würden sich häufig mit Risiken konfrontiert sehen und da seien verlässliche Partner sehr wichtig, ist Fischer überzeugt. Um Men- schen mit guten Geschäftsideen unterstüt- zen zu können, stellt die Startup Academy ihr Wissen und ihre Erfahrungen zur Ver- fügung. Viele Jungunternehmen würden sich beispielsweise mit Schwierigkeiten bei der Finanz- und Liquiditätsplanung konfrontiert sehen: «Dabei geht es häufig um die Frage, wie lange das Unternehmen unter Berücksichtigung der getätigten In- vestitionen und laufenden Ausgaben mit zu Beginn keinen oder geringen Einnah- men finanziell überleben kann. Mancher guten Geschäftsidee ist deswegen schon ‹die Luft ausgegangen›, bevor diese erst richtig zur Entfaltung kommen konnte», so Fischer. «Wir weisen deshalb auch auf Schwachstel- len und Probleme hin, um ein realistisches Gesamtbild zu ermöglichen.» • www.startup-academy.ch ANDREAS MEIER, Abteilungsleiter Mitglieder Netzwerk a.meier@hkbb.ch
  • 31. twice Herbst 2020 31 In Baselland treffen sich Unter- nehmerinnen und Unternehmer regelmässig an Zusammenkünf- ten verschiedenster Formate. Die Handelskammer ist mitten- drin, sei es als Initiantin, Co- Organisatorin, Mitglied oder Impulsgeberin. Sich austauschen, sich informieren, sich eine Meinung bilden – genau darauf zie- len unsere Unternehmertreffen in Basel- land ab. Wir organisieren abwechlungs- reiche Veranstaltungen und bieten unseren Mitgliedern und weiteren Interessierten PULS DER UNTERNEHMEN SPÜREN Gelegenheit, sich über aktuelle Themen auszutauschen und sich mit Persönlich- keiten aus Wirtschaft, Politik und Gesell- schaft zu vernetzen. «An unseren Unter- nehmertreffen spüren wir den Puls der Unternehmen im Baselbiet und lernen ihre Erfolge und Sorgen kennen», so Andreas Meier, Abteilungsleiter Mitglie- der Netzwerk der Handelskammer bei- der Basel. «Dies ist für uns als Wirt- schaftsverband sehr wichtig, um unsere Arbeit gezielt auch auf die Bedürfnisse unserer Mitgliedunternehmen ausrichten zu können. Zurzeit tüfteln wir übrigens an einem ähnlichen Veranstaltungsfor- mat für Basel-Stadt.» Die Unternehmertreffen gehören mittler- weile zum festen Termin in der Agenda der Baselbieter Unternehmer. «Wir freuen uns sehr über das grosse Interesse und sind überzeugt, damit eine wichtige Platt- form den Unternehmen zum Austausch und Networking zu bieten.» • AGENDA Sind Sie interessiert an unseren Veranstaltungen? Dann werfen Sie einen Blick auf unsere Agenda, die wir laufend aktualisieren. Aufgrund der aktuellen Situation bieten wir zahl- reiche Veranstaltungen auch online an. www.hkbb.ch/events
  • 32. Handelskammer beider Basel St. Jakobs-Strasse 25 Postfach 4010 Basel T +41 61 270 60 60 F +41 61 270 60 05 E-Mail: info@hkbb.ch www.hkbb.ch informiert. fokussiert. vernetzt. Die nächste twice-Ausgabe erscheint im Frühjahr 2021. Folgen Sie uns auf Social Media.