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KOMMENTAR AUS BERLIN
                                                                                 4 / Ostern 2010


Zum Lob der Spekulanten
Vorurteile oder Unwissen bestimmen bei vielen das Urteil über „Spekulation“ (von lat. speculari =
von einem erhöhten Punkt in die Ferne spähen). Indessen ist nicht nur unternehmerisches Han-
deln, sondern alles Handeln „Spekulation“. Wir entscheiden immer nur unter Wahrscheinlichkei-
ten, wägen Hoffnungen und Erfahrungen miteinander ab. Abgesehen vom persönlichen Tod, gibt
es eben keine absoluten Sicherheiten im menschlichen Leben. Es dient der Lebenserleichterung,
wenn es Personen oder Firmen gibt, die das Risiko unserer Entscheidungen reduzieren, z. B. die
privaten Versicherungen. Ein Unternehmer ist gesteigerter Unsicherheit ausgesetzt: eine Investition
steht immer nur unter der Annahme von Daten aus der Vergangenheit. Sie kann voll „daneben lie-
gen“. Dann muss der Unternehmer (Haftung!) die Verluste tragen. Die Märkte haben indessen
Fachleute hervorgebracht, die, arbeitsteilig, einen Teil dieses unternehmerischen Risikos abneh-
men, z. B. die Unsicherheit zukünftiger Preisentwicklungen bei Rohstoffen, Bonds, Devisen, Aktien
etc. Diese besondere Gruppe der „Spekulanten“ sind also professionelle Risikominderer. Der
Unternehmer verzichtet gegen die Abtretung des Preisrisikos auf sonst mögliche Gewinne, ist aber
auch gegen mögliche Verluste gesichert. Dazu dienen im Besonderen die sogenannten Hedge-
fonds, oder die traditionellen „Termingeschäfte“. Das Risiko eines Spekulanten: Wer nicht richtig
vorausblickt, verliert. Eine moderne Volkswirtschaft kann der Dienste dieser „Spekulation“ nicht
entraten. Dies betrifft auch die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens oder einer ganzen
Volkswirtschaft, die ständig durch die Märkte „geratet“ werden. Indem die Spekulanten Missstän-
den auf die Spur kommen, üben sie eine disziplinierende Wirkung. Michael Rasch (NZZ) schreibt
anschaulich: Noch bevor die Öffentlichkeit das Feuer erkennt, sehen Spekulanten Rauch aus einer
Firmenbilanz oder einem Staatshaushalt aufsteigen. Dies gilt sowohl für Unternehmen (Enron,
Lehman Brothers etc.) als auch für Staaten wie Griechenland. Die ungünstigen Daten lagen be-
reits vor, sie wurden nicht durch Spekulanten erzeugt! Diese handeln zwar im Eigeninteresse, leis-
ten aber damit einen Dienst an der Allgemeinheit (die Smith’sche Formel!). Nicht die EU-Kommis-
sion hat die finanzielle Verwahrlosung Griechenlands offenbar gemacht, es waren die Märkte bzw.
Spekulanten mittels stark steigender Risikoprämien für griechische Staatsanleihen.

Im Zeitalter eines sog. „Turbokapitalismus“ beschleunigen sich diese Vorgänge enorm. Zündstoff
findet die Spekulation durch die Machenschaften der Politik: den Missbrauch ihres Papiergeldmo-
nopols, der Politik des „billigen Geldes“, so dass Flutwellen ungedeckten Geldes die Welt über-
schwemmen. Jetzt gibt es viele jugendliche „Daytraders“ oder „Shortsellers“, die das Spekulati-
onsgeschäft als eine Art Spiel hektisch betreiben. Das mag man verurteilen.
Die Figur des „Spekulanten“ war wirtschaftsgeschichtlich gern der Sündenbock für ökonomisch
falsche Politik. Wenn sich z. B. eine zukünftige Knappheit an Lebensmitteln abzeichnet, sind es
die „Spekulanten“, die diese zukünftigen Knappheiten antizipieren, indem sie etwa Lebensmittel
aufkaufen. Sie erhöhen damit die Preise! Antwortet darauf die Regierung mit einem Preisstopp,
bildet sich ein „schwarzer“ Markt, in dem nach wahren Knappheiten gehandelt wird und die Ware
immer verfügbar ist. Gäbe es ihn nicht, würde sie (zu den „falschen“ Preisen) vollständig ver-
schwinden. So hat auch hier „Spekulation“ eine heilsame Wirkung. Der sparsame Umgang mit den
vorhandenen, zukünftig knappen Lebensmitteln und die Streckung des Lebensmittelangebotes in
diese Zukunft hinein.
Es ist eine österliche Hoffnung, dass es immer genug Kundige gibt, die den Spekulationskritikern
entgegentreten, denn der Sozialismus, der verspricht, absolute Sicherheit zu schaffen, die
Spekulation auszuschalten, kann immer nur in einer wirtschaftlichen Katastrophe enden – er ist das
größte Risiko moderner Gesellschaften überhaupt! Auf ihn sollte man in keinem Fall „spekulieren“.



DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V.   Tel.: 030 300 65-200
Prof. Dr. Gerd Habermann             Fax: 030 300 65-390
Tuteur Haus I Charlottenstraße 24    www.familienunternehmer.eu
10117 Berlin                         E-Mail: habermann@familienunternehmer.eu        Berlin, 1. April 2010

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