1. Ticks
Folge 11: Finanztransaktionssteuer
Die globale Finanzkrise hat die Politik zur Überarbeitung der Regulierungsme-
chanismen innerhalb des Finanzsektors gezwungen. Ein immer wiederkehren-
der Aspekt dieser Neuordnung der Regulierungsmaßnahmen ist die Einführung Deutsche Börse AG
einer Finanztransaktionssteuer (Financial Transaction Tax – FTT). Media Relations
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Im Zuge der Finanzkrise haben sich die europäischen Mitgliedstaaten zu einer
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finanziellen „Rettung“ des Finanzsektors mithilfe von Steuergeldern verpflich-
tet. Dem Finanzsektor sollten insgesamt 4,6 Billionen Euro an Unterstützung Postanschrift
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zu kommen, was ca. 39% des europäischen BIP von 2009 entspricht. Rück-
wirkend soll der Finanzsektor nun einen „fairen“ Anteil dieser Kosten tragen. Telefon
+49-(0) 69-2 11-17854
Ziel ist zudem die Wiederherstellung wirtschaftlicher Stabilität und Effizienz
durch die Unterbindung unregelmäßiger Aktivitäten des Finanzsektors. Umfas- Fax
sende, harmonisierte Regulation soll zur Sicherung der Funktionsfähigkeit und +49-(0) 69-2 11-11501
Stärkung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen beitragen und so Internet
Wettbewerbsverzerrungen vermeiden und von riskanten Handelspraktiken ab- deutsche-boerse.com
halten.
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Eine FTT ist ganz allgemein gesprochen eine Steuer, die auf alle Finanztrans-
aktionen erhoben wird. Eine Finanztransaktion bezeichnet dabei den Aus-
tausch von Finanzinstrumenten zwischen Banken oder anderen Finanzinstitu-
ten. Nach Plan der Europäischen Kommission (EK) sollen alle in der EU nie-
dergelassenen Finanzinstitute (zur Verhinderung der Steuerumgehung deckt
die Definition eine breite Palette von Einrichtungen ab, insbesondere Wertpa-
pierunternehmen, geregelte Märkte, Kreditinstitute, Versicherungsunterneh-
men, Investmentfonds etc.) sowie die meisten Finanzinstrumente (Aktien, An-
leihen, Bonds etc.) und auf ihnen beruhende Transaktionen (Derivate, Optio-
nen, Swaps etc.) von der Steuer erfasst werden. Dabei soll die Steuer nicht
nur für den Handel in organisierten Märkten, sondern auch für andere Han-
delsformen, vor allem auch den außerbörslichen Handel (OTC) gelten. Der
Vorschlag einer EU-Rechtsvorschrift sieht einen Mindeststeuersatz von 0,01%
auf Derivate-Transaktionen und 0,1% auf andere steuerpflichtige Transaktio-
nen vor – Mitgliedstaaten stehe es frei, einen höheren Steuersatz anzusetzen.
Die Steuer würde von den Finanzinstituten, die die Transaktion veranlassen,
unmittelbar an die Mitgliedstaaten auf Grundlage des Bruttowertes der durch-
geführten Transaktionen entrichtet werden. Der Ort der Steuererhebung der
FTT richtet sich dabei nach dem Prinzip der steuerlichen Ansässigkeit des Fi-
nanzinstituts oder des Händlers.
2. Ticks
Das heißt, die Besteuerung würde in dem Mitgliedstaat erfolgen, in dem das
an der Transaktion beteiligte Finanzinstitut als ansässig gilt. Dies soll dazu
beitragen, die Gefahr der Standortverlagerung zu verringern, da Finanztransak-
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tionen unter Beteiligung mindestens einer in der EU ansässigen Person in je-
dem Fall besteuert werden sollen, auch wenn die Transaktion außerhalb der Media Relations
EU durchgeführt wird. Beide Transaktionsparteien würden ihren Teil der Steu-
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er folglich in dem Land, in dem sie ansässig sind oder als ansässig gelten, 65760 Eschborn
entrichten.
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Prognosen rechnen derzeit mit Einnahmen von 57 Mrd. Euro jährlich, sofern
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die Steuer EU-weit und nicht allein in der Euro-Zone eingeführt wird. Die Ein-
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nahmen sollen anteilig den Haushalten der Mitgliedstaaten und dem gemein-
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samen EU-Haushalt zugerechnet werden. Letzterer Anteil soll für Entwick-
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lungszusicherungen und zur Finanzierung der Bekämpfung des Klimawandels
aufgewendet werden. Internet
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Die EK erwartet einen allgemeinen EU-weiten Nutzen aufgrund der Beteili- E-Mail
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gung des Finanzsektors an den von ihm hervorgerufenen Kosten (sog. polluter
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pays principle - Verursacherprinzip) sowie durch die Wiederherstellung wirt-
schaftlicher Stabilität und Effizienz. Die EU rechnet mit einer Minderung risi-
kobehafteten Marktverhaltens und folglich einer Steigerung der Kapitalisierung
von Finanzdienstleistern, die im Falle einer erneuten Krise als finanzieller Buf-
fer sowohl für die einzelnen Institute als auch für den gesamten Sektor dienen
könne. Die Einführung der Steuer beschränke laut EU den Hochfrequenzhan-
del und trage so zu einer Minderung der Volatilität der Märkte bei. Allerdings
weißt die Folgenabschätzung auf den spekulativen Charakter dieses Faktors
hin, da der Einfluss von HFT auf die Marktvolatilität bislang nicht abschlie-
ßend geklärt ist.
Die EU tritt für eine gemeinschaftsrechtliche Lösung der Situation ein, um ei-
ne einheitliche Besteuerung in den einzelnen Mitgliedstaaten im Zuge der
Harmonisierung und Umsetzung des europäischen Binnenmarktes zu errei-
chen und so einen „Steuerwettbewerb“ und die damit verbundene Abwande-
rung von Instituten in andere Mitgliedstaaten oder Drittländer zu vermeiden.
Aufgrund der internationalen Vernetzung und der daraus resultierenden globa-
len Dimension der Finanzmärkte sieht auch die EU einen maximalen Nutzen
der Steuer nur dann, wenn ein globales System der Besteuerung entwickelt
werde.
3. Ticks
Trotzdem laufen derzeit Verhandlungen, die Steuer unter den EU-
Mitgliedstaaten oder allein in der Euro-Zone einzuführen. Aufgrund der anhal-
tenden Opposition Großbritanniens, Schweden und Tschechiens ist eine EU-
weiten Umsetzung allerdings unwahrscheinlich, in der Euro-Zone spricht sich Deutsche Börse AG
unter anderen Irland gegen einen Alleingang Europas aus. Unter den G20
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konnte in Bezug auf die Einführung einer globalen FTT bislang keine Einigkeit
erzielt werden. Der Internationale Währungsfonds lehnte die Einführung einer Mergenthalerallee 61
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globalen Transaktionssteuer als nicht geeignetes Mittel ab, auf den Finanz-
märkten für Stabilität, Sicherheit und Integrität zu sorgen. Postanschrift
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Hier schließt sich auch die Position der Deutsche Börse AG an. Die Deutsche
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Börse kann die politische Motivation der EU grundsätzlich nachvollziehen, +49-(0) 69-2 11-17854
Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftige Krisen zu verhindern und die Fi-
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nanzbranche angemessen zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte heran-
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zuziehen. Allerdings ist die Deutsche Börse nicht überzeugt, dass eine FTT ein
geeignetes Instrument ist, dieses Ziel zu erreichen oder die Transparenz, Sta- Internet
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bilität und Integrität der Finanzmärkte nachhaltig zu gewährleisten. Die Deut-
sche Börse erwartet von jeder Form der (auch steuerlichen) Regulierung des E-Mail
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Finanzsektors, dass diese nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt.
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Börsen sind durch die Bereitstellung von transparenten und regulierten
Marktinfrastrukturen in der Lage, eigenständig einen Beitrag zur Stabilisierung
der Märkte zu leisten. Eine Steuer auf Umsätze, die an regulierten, transpa-
renten Märkten generiert werden, wäre ein Geschenk an die unregulierten
Handelsplätze der Welt. Sie führt zur Verlagerung des Handels aus dem An-
wendungsgebiet in unregulierte Märkte und opake Nischen des OTC-Marktes,
wodurch sich diese Finanzaktivitäten dem Zugriff der europäischen Regulation
entziehen und einen Bedeutungsverlust derer nach sich ziehen würden. Selbst
eine globale Einführung einer einheitlichen Steuer auch auf Umsätze an OTC-
Märkten würde ihr Ziel verfehlen, da Voraussetzung für deren effektive Umset-
zung die Erfassung aller Finanztransaktionen ist, die mit hoher Wahrschein-
lichkeit lückenhaft bliebe oder nur durch einen enormen Aufwand unter hohen
Verwaltungsgebühren zu gewährleisten wäre. Resultat wäre eine deutliche
Schmälerung der eingenommenen Steuern.
Ein europäischer Alleingang würde zudem in der Geschäftsverlagerung in das
außereuropäische Ausland resultieren, womit das eigentliche Ziel der Generie-
rung von Einnahmen verfehlt wird. Stattdessen würde die Liquidität an euro-
päischen Märkten deutlich sinken, wodurch sich die Kapitalkosten für Unter-
nehmen und Investoren in der EU erhöht und die gesamteuropäische Volks-
wirtschaft geschwächt wird.
4. Ticks
Die Kosten der FTT würden nicht von den jeweiligen Instituten getragen, son-
dern auf Investoren und den Endverbraucher abgewälzt. Banken führen diesen
Punkt ebenfalls als Argument gegen eine Einführung der FTT an. Der zusätzli-
Deutsche Börse AG
che Kostenfaktor für die Marktteilnehmer würde Preise und Wettbewerb ver-
zerren, die Effizienz der Finanzmärkte beschränken und so in einer Verringe- Media Relations
rung des Wirtschaftswachstums und nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit
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Deutschlands resultieren. Vor allem auf kleine und mittelständige Unterneh- 65760 Eschborn
men würden erhöhte Kapitalbeschaffungskosten zukommen.
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Abgesehen von den negativen Effekten auf die europäischen Volkswirtschaften 60485 Frankfurt am Main
empfiehlt die GDB, die tatsächlichen Auswirkungen der FTT auf die europäi- Telefon
schen Rentner, Sparer und Haushalte zu bedenken. Empirische Studien ha- +49-(0) 69-2 11-17854
ben ergeben, dass durch die Einführung von Finanztransaktionssteuern die
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Attraktivität (Renditeerwartung, Kosteneffizienz) von Anlagen wie Aktien, An- +49-(0) 69-2 11-11501
leihen und Fonds sinkt. Sinkende Renditen treffen sowohl institutionelle wie
Internet
private Investoren. deutsche-boerse.com
Die Derivateindustrie stellt wichtige Risiko-Management-Instrumente zur Ver- E-Mail
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fügung, die dabei helfen, Wirtschaftswachstum zu generieren. Dies kommt
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einer Vielzahl von großen, mittleren und kleinen Unternehmen und Institutio-
nen zugute, die Derivateprodukte zur Steuerung von Zins-, Währungs- und
Gegenparteirisiken nutzen. Die GDB ist besorgt, dass die FTS letztlich die Kos-
ten zur Absicherung vor diesen Risiken erhöht. Die Steuerung von solchen
Risiken ist essenziell für das langfristige Wirtschaftswachstum und die Erho-
lung der europäischen Volkswirtschaften.