2. Leitthema
Tab. 1 Charakteristika effektiven Feedbacks
Charakteristikum
Beispiel
Spezifität
Beschreibt ein präzises Beispiel
oder Verhalten
Frequenz und Timing
Häufig und zeitnahe zum
Ereignis
Beschreibt das Ziel von Feedback besser als der Begriff
„positives“ Feedback
Nimmt emotionale Bindung
vom „Negativem“ weg
Übergang vom Beschreiben
und Reflektieren zu möglichen
Änderungen
Ist das Ziel von Feedback,
kommt vom Lernenden selbst
Vorrausetzungen für effektives
Feedback
Verstärkend
Korrigierend
Reaktion auf Feedback
Aktionsplan
Lernklima, -ziele, Evaluation
„Ich denke, dein Zugang verursacht Probleme“ vs. „Du machst
das falsch“
„Was willst du beibehalten –
ausbauen?“
„Was willst du nicht mehr
machen?“
„Kannst du mit dem Beschriebenen etwas anfangen?“
„Was werden deine nächsten
Schritte sein?“
Edukative Schleife (s. Abb.1)
Tab. 2 Feedback-Regeln
Feedback geben
– Alle beobachteten Punkte sind Ressourcen
– Wertschätzung (Feedback ist ein Geschenk)
– Feedback persönlich direkt an Empfänger
– Sachlich, konkrete Beispiele und Wahrnehmungen
– Keine Vermutungen
– Nichts stehen lassen
– Stärken stärken
– Schwächen schwächen
Feedback annehmen
– Niemand muss Feedback nehmen
– Ruhig bis zum Ende anhören
– Verständnisfragen stellen
– Keine Erklärungen oder Rechtfertigungen
– In eigene Worte fassen
– Veränderungsplan für Zukunft überlegen
– Vorschläge ausprobieren
chenden Lernzielen, gibt dem Feedback
erst die eigentliche Bedeutung im kontinuierlichen Lernprozess.
Wie wichtig Feedback für die persönliche Weiterentwicklung im Sinne des lebenslangen Lernens ist, zeigt eine Metaanalyse von Davis et al., in der bei 20 Vergleichen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung nur 7-mal eine positive Assoziation gefunden wurde [5]. Das Alarmierende an den Ergebnissen ist aber v. a.,
dass die schlechteste Übereinstimmung
bei den am wenigsten kompetenten Ärzten nachgewiesen wurde und dass diese
sich aber am besten eingeschätzt hatten.
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Notfall + Rettungsmedizin 3 · 2012
Was sind die Charakteristika
effektiven Feedbacks?
Als übergeordnetes Prinzip sollte die positive Wertschätzung allem Feedback zugrunde liegen. Dieses Prinzip sollte bei
vielen der empfohlenen „Techniken“ eine
Anpassung an die spezifische FeedbackSituation ermöglichen (. Tab. 1, [6]).
Spezifität
Durch das präzise Beschreiben von spezifischem Verhalten durch den Trainer
kann Beobachtetes widergespiegelt werden [1]. Durch die Konzentration auf das
konkrete Verhalten, bewegt sich das Feedback weg von der Persönlichkeit des Lernenden (und evtl. vorhandenen Vorurteilen). So kann es dem Empfänger des Feedbacks leichter fallen, dies anzunehmen
und mögliche Verhaltensänderungen zu
prüfen. Vom Prinzip her stellt Feedback
eine externe Perspektive für konkretes
Verhalten zur Verfügung. Den Charakter oder die Persönlichkeit der Menschen
werden wir hingegen mit Feedback kaum
ändern können.
Frequenz, Zeitpunkt und Umfang
Feedback wird effektiv, wenn es häufig
und zeitnahe zum Ereignis gegeben wird.
Das Verhalten ist dem Lernenden dann
besser in Erinnerung und kann genauer reflektiert werden. Tage später ist es
oft schwer, sich der konkreten Situation
und der emotionalen Verstrickung zu erinnern. Ausnahme davon wäre ein emotional sehr belastendes Ereignis, das erst
nach emotionaler Verarbeitung durch die
Betroffenen reflektiert und analysiert werden kann [3].
Feedback zu einem einzelnen Zeitpunkt ist dem wiederholt gegebenen
Feedback unterlegen, weil häufige kleinere Korrekturen leichter umzusetzen sind
und eine allmähliche Annäherung an das
erwartete Lernziel ermöglicht wird [1, 11].
Dies ist umso bedeutsamer, je eher der
Gegenstand des Feedbacks im Bereich
von haltungsbezogenen Lernzielen liegt.
Einschränkend muss aber erwähnt werden, dass zu häufiges Feedback vom Lerner als einengend empfunden werden
kann oder auch eine Abhängigkeit vom
Lehrer schaffen kann. Dauernde Interventionen der Trainer erschweren die Selbsteinschätzung der Lernenden und erlauben es nicht, dass Lernende unabhängig
und selbstständig werden.
Verstärkendes und
korrigierendes Feedback
Beide Formen sind für Lernende nützlich,
wenn das Feedback zielorientiert ist. Verstärkendes Feedback (auch als „Positives“
bezeichnet) vor korrigierendem (auch
„Negatives“ genannt) erhöht die Aufmerksamkeit beim Empfänger. Darüber
hinaus stärkt es die Wahrnehmung des
4. Leitthema
minimales
verhaltensbezogenes
Feedback
interaktives
Evaluation
Lernziele
Lernklima
Evaluation
Abb. 2 8 Säulen für effektives Feedback. Die
verschiedenen Ebenen von Feedback können
erst effektiv sein, wenn das Lernklima ein Gespräch im gegenseitigen Vertrauen zulässt. Die
Lernziele als Grundlage der Beobachtung und
der Einschätzung müssen bekannt sein, um
einerseits Evaluationskriterien zu haben und andererseits neue Lernziele (einen „Aktionsplan“)
zu formulieren
Diese durch Körpersprache und Mimik
vermittelten „indirekten“ Feedbacks bergen die Gefahr, unklar oder doppeldeutig
zu sein bzw. vom Lernenden nicht wahrgenommen zu werden. Minimales Feedback ist in der Regel unidirektional, d. h.,
dass sich der Feedback-Geber hinsichtlich
des Effekts kaum rückversichern kann.
Vorteilhaft ist natürlich der geringe Zeitbedarf, der in entsprechenden Situationen
immerhin hilfreich sein kann.
Beispiel für minimales Feedback:
„ja –gut – das ist korrekt“ – oder: „du
machst einen Fehler“
Beschreibendes Feedback
Nun spiegelt der Trainer direkt Beobachtetes, indem er die Performanz des Lernenden konkret beschreibt. Er teilt zudem
mit, warum er die Performanz für korrekt
oder falsch hält und begründet somit seine Bewertung. Daraus können dann Verbesserungsansätze abgeleitet werden.
Beispiele für verhaltensbezogenes Feedback:
„Deine Fallpräsentation war klar und
gut strukturiert.“
„Deinem Bericht fehlen wesentliche
Untersuchungsergebnisse.“
„Ich stimme dir zu, da…“
“… das nächste Mal würde ich Folgendes machen…“
Interaktives Feedback
Hier wird der Lernende aufgefordert zu artikulieren, was das zuvor gegebene Feedback bei ihm auslöst und wie er oder sie sich
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„Was beibehalten?”
„Was beenden?”
„Nächste Schritte?”
Aktionsplan
„Womit starten?”
Abb. 3 8Von der Evaluation zum Aktionsplan. Während des Evaluationsprozesses beobachtet die Lehrkraft („L“) die Interaktion der Studierenden („S“)
mit dem Inhalt des Unterrichts („I“) und bekommt entsprechende Information
über die Performanz zurück. Im Feedback kann nun gemeinsam analysiert und
reflektiert werden, was beibehalten („Stärken stärken“) und was beendet oder
verändert werden soll („Schwächen schwächen“). Daraus können dann die Lernenden ihre nächsten Schritte herausarbeiten und gelangen mit Unterstützung der Lehrkraft zum Aktionsplan künftiger Veränderungen
diesbezüglich selbst einzuschätzt. Es kann
dann im Anschluss dazu ein Feedback zu
dieser Selbsteinschätzung gegeben werden
und sich aus der Diskussion zwischen Feedback-Geber und -Nehmer ein Aktionsplan
für die Zukunft entwickeln. Wenn der resultierende Aktionsplan vom Lernenden
selbst kommt, steigert das die Akzeptanz
für eine Verhaltensänderung enorm. Dies
leitet hin zum zuvor schon beschriebenen
Konzept des Feed-Forward [4].
Interaktives Feedback soll die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung fördern. Wesentliche Defizite sind hier empirisch belegt (wie bereits erwähnt) und auch außerhalb der Medizin beobachtet worden [5, 8,
16]. Daher gilt es als effektiver, wenn ein
Aktionsplan nicht allein aufgrund eigener
Einschätzungen, sondern gemeinsam mit
dem Trainer entwickelt wird („monitored
self-directed learning“; [9]).
Beispiele für interaktives Feedback:
„Wie schätzt du deine Leistung ein? – Ich
sehe das auch so.“
“… stimmst du meiner Beobachtung zu?“
„Was möchtest du ändern?“
Praktisches zum „eigenen“
Aktionsplan zum Erlernen
von effektivem Feedback
Ganz sicherlich kann effektives Feedback
nicht durch das Lesen eines Artikels oder
durch pures Beobachten anderer erlernt
werden (. Tab. 2, [2, 12]). Das muss in
der Praxis geschehen [13], in Workshops
zum Erarbeiten und Üben von Feedback
und v. a., indem wir Feedback zu unserem Feedback einholen. So können auch
wir uns überlegen, was unsere nächsten
Schritte sein sollen [2, 10, 18].
Auf jeden Fall müssen wir uns auf eine
Beziehung mit den Lernenden einlassen
[21]. Man kann das gut als „Konversation“ darstellen, in der der Fokus auf spezifisch veränderbarem Verhalten liegt und
nicht auf dem Charakter der Person (Milan Teaching and Learning in Medicine,
. Tab. 3, PEARLS). Das kann gelingen,
wenn Inhalt und Beziehung möglichst
nicht vermischt werden.
Hinsichtlich des Informationsumfangs
funktioniert Feedback nicht als reiner
„Download“ von beobachteten Fakten. Das
führt lediglich zu einem „Overload“ von
Information, sodass schließlich gar nichts
mehr aufgenommen und verändert werden kann. Der Feedback-Geber muss die
Schwerpunkte setzen, die aus seiner Sicht
am wichtigsten sind.
„Feedback-Geben“ sollte deutlich explizit gemacht werden, damit es als solches
wahrgenommen werden kann. Mehrere
Untersuchungen haben aufgezeigt, dass
Lernende angeben, sich Feedback öfter zu
wünschen, es aber viel zu selten bekommen. Im Gegensatz dazu geben Lehrer an,
durchaus häufig Feedback zu geben [19].
Genauso wichtig ist es, sich Zeit zu
nehmen für Evaluation und Einschätzung.
5. Tab. 3 Effektives Feedback geben – das „PEARLS“-Konzept nach [14, 15]: Um eine Bezie-
hung aufzubauen sind folgende Punkte entscheidend
Partnership (Partnerschaft):
Empathy (Einfühlungsvermögen):
Apology (Entschuldigung):
Respect (Respekt):
Legitimation (Rechtfertigung):
Support (Unterstützung):
Bei kontinuierlichem Feedback besteht
die Gelegenheit zu wiederholter Performanz und wiederholtem Feedback, wodurch Kompetenzen und Verhalten sukzessive verfeinert werden können.
Wenn möglich, sollte Augenmerk auf
das Etablieren von kontinuierlichem Feedback gelegt werden. K.A. Ericsson beschäftigte sich mit der essenziellen Bedeutung
von kontinuierlichem Feedback im Zusammenhang mit dem von ihm als „deliberate practice“ bezeichneten Verhalten. Damit
wird eine Form von „zielgerichteter Praxis“
beschrieben, in der der Trainer die Übungen so arrangiert, dass der Plan zur Verbesserung der spezifischen Kompetenzen ständig neu angepasst wird. „Deliberate practice“ macht letztlich den Unterschied zwischen Weiterentwicklung und Stagnation
aus (oder gar den Abfall vom bereits erworbenen Kompetenzniveau; [7]).
Feedback ist gerade wegen unserer
Schwierigkeiten in der Selbsteinschätzung als „Außenwahrnehmung“ so wichtig. Das Konzept des lebenslangen Lernens geht ja davon aus, dass eigene Kompetenzlücken wahrgenommen werden
und diese durch entsprechende Lernaktivitäten aufgefüllt werden.
Fazit für die Praxis
F er Zweck von effektivem Feedback,
D
wie schon eingangs erwähnt, ist
1tärken zu stärken und
S
1chwächen zu schwächen.
S
F eedback geben kann erlernt werden,
F
und zwar auf der Ebene von Wissen,
Fertigkeiten und Haltungen. In der
Interaktion mit dem Lernenden soll
ein Perspektivenabgleich zwischen
spezifischer, zeitnaher Beschreibung
eines beobachteten Verhaltens mit
einem vorgegeben Standard erfolgen, mit dem Ziel einen Plan zur Ver-
„Ich schätze es, mit dir an dem Projekt zu
arbeiten“
„Es klingt frustrierend, sich so abzumühen“
„Es tut mir leid, von deinen Schwierigkeiten zu
hören“
„Danke, dass du deine Ansichten mit uns teilst“
„Das ist wirklich eine schwierige Aufgabe“
„Mal schauen, wie ich dir dabei helfen kann“
haltensänderung zu formulieren.
Effektives Feedback ermöglicht letztendlich
1en Lernenden ihr Wissen, ihre
d
Fertigkeiten und ihre Haltungen zu
verbessern,
1en Lehrenden zu erfahren, wie sie
d
ihren Unterricht effektiver gestalten können.
Korrespondenzadresse
Dr. J. Breckwoldt
Klinik für Anästhesiologie
mit Schwerpunkt operative
Intensivmedizin, Charite –
Universitätsmedizin Berlin,
Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30,
12200 Berlin
jan.breckwoldt@charite.deDanksagung. Viele Gedanken dieses Artikels stammen aus der publizierten Literatur, aber noch viel mehr aus den vielen
Gelegenheiten zu Feedback im Unterricht. So möchten wir uns besonders bei allen Lernenden bedanken,
die unsere Erkenntnisse im Feedback erweitert haben.
Speziellen Einfluss hatten sicherlich auch die Erfahrungen aus den Kursen des European Resucitation Councils und aus den Workshops des „Stanford Faculty Development Center for Medical Teachers“ (http://sfdc.
stanford.edu/; [17]), das die theoretische Grundlage für
den Artikel geliefert hat.
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
5. Davis DA, Mazmanian PE, Fordis M et al (2006) Accuracy of physician self-assessment compared
with observed measures of competence: a systematic review. JAMA 296:1094–1102
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8. Eva K, Regehr G (2005) Self-Assessment in the
Health Professions: A Reformulation and Research
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9. Eva K, Regehr G (2011) Exploring the divergence
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10. Griffith CH (2000) Evidenced-based educational
practice: the case for faculty development in teaching. Am J Med 109:749–752
11. Henderson P, Ferguson-Smith AC, Johnson MH
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framework for teaching and learning about feedback. BMC Med Educ;5:11 doi:10.1186/1472-69205-11
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13. Kruidering-Hall M, O’Sullivan PS, Chou CL (2009)
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long-term skill retention and accuracy of student
self-assessment. J Gen Intern Med 24:721–726
14. Milan F, Parish S, Reichgott M (2006) A Model for
Educational Feedback Based on Clinical Communication Skills Strategies: Beyond the „Feedback
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15. Prochaska JO, DiClemente CC, Norcross JC (1992)
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addictive behaviors. Am Psychol 47:1102–1114
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