2. ger alle lumbalen Bandscheibenfächer in
gleicher Weise betreffen.
Degeneration der Bandscheibe
Der degenerative Prozess beginnt mit
einer Dehydrierung, begünstigt durch re-
petitive, einseitige Bewegungen, schweres
Heben, Adipositas oder mangelnde Bewe-
gung bei überwiegend sitzender Tätigkeit.
Als negativer Faktor wirkt sich auch Ziga-
rettenrauchen aus, was zusätzliche chemi-
sche Noxen als Ursache impliziert [1].
Wenn die Rede von einer Degene-
ration der Bandscheibe ist, unterschei-
det man 2 Prozesse, die jedoch aufgrund
der Tatsache, dass zahlreiche Gewebear-
ten am Aufbau des Bewegungssegments
beteiligt sind, eng ineinandergreifen. Die
bereits oben erwähnte Spondylosis defor-
mans betrifft den Anulus fibrosus, der aus
ca. 10 bis 15 Schichten fibrokartilaginären
Gewebes besteht, und die knöcherne Epi-
physe des Wirbelkörpers. Die Osteochon-
drose bezieht sich auf den Nucleus pulpo-
sus und die Endplatte.
Die chronische Diskopathie geht also
mit strukturellen Veränderungen einher,
die sich insbesondere MR-, aber auch CT-
tomographisch darstellen lassen:
F Höhenminderung des Bandscheiben-
fachs,
F irreguläre Kontur der Bandscheibe,
F fokale oder generalisierte Vorwöl-
bung,
F Gaseinschlüsse innerhalb des Band-
scheibengewebes,
F Osteophyten,
F Hypersklerosierung der Endplatte,
F chronische Veränderungen des Mar-
kraums.
Ein BSV kann allerdings auch ohne die
oben beschriebenen Veränderungen auf-
treten (. Abb. 2).
Kompensatorisch kommt es zu einer
Mehrbelastung der hinteren Säule, näm-
lich der Facettengelenke, der Ligg. fla-
va und interspinosa und der autochtho-
nen Rückenmuskulatur. Als Folge kommt
es zu einer segmentalen Instabilität mit
Listhese mit rotatorischen Komponente.
Spondylarthose, Verdickung der Ligg. fla-
va, Spondylose und eine Ankylosierung
der Facettengelenke sind häufige Befun-
de im Spätstadium. Eine Spinalkanalste-
nose, Neuroforamenstenose oder Einen-
gung der lateralen Rezessus sind neben
rezidivierenden Ergüssen der Facettenge-
lenke weitere Folgen.
Abb. 3 9 Nach kau-
dal gelappter mediola-
teraler Bandscheiben-
vorfall L3/4 mit Kom-
pression der ipsilate-
ralen L4-Nervenwur-
zel (Pfeil)
Abb. 2 9 Nucleus-pulpo-
sus-Prolaps ohne beglei-
tende degenerative Prozes-
se des Segments L5/S1 in
sagittaler (a) und axialer (b)
Schichtführung
1083Der Radiologe 11 · 2014 |
4. sich damit ein wenig ober- oder unter-
halb des Niveaus des Bandscheibe befin-
den. Findet man Bandscheibengewebe
ohne Kontinuität zum Bandscheibenfach,
spricht man von einem Sequester, der so-
wohl nach kranial und kaudal, aber auch
dorsal des Duralsacks dislozieren kann
(. Abb. 6).
Bei länger bestehenden Bandscheiben-
vorfällen kann man eine randständige
Kontrastmittelaufnahme beobachten, die
am ehesten als Ausdruck einer Neovasku-
larisation des reaktiven Gewebes anzuse-
hen ist. Schwierigkeiten kann diese Tatsa-
che im Hinblick auf die Abgrenzung zu
inflammatorischen Prozessen nach ope-
rativen Eingriffen bereiten.
Therapie
Die Beschwerden der Patienten bessern
sich in der Mehrzahl im Laufe der Zeit
unabhängig von der Art der Therapie. In
den meisten Fällen greifen konservative
Maßnahmen, die in erster Linie eine me-
dikamentöse Schmerztherapie beinhal-
ten. Wärmeanwendungen, vorüberge-
hende Ruhigstellung sowie krankengym-
nastische Maßnahmen spielen ebenfalls
eine Rolle.
Bei persistierenden Schmerzen kann
eine CT-gesteuerte periradikuläre The-
rapie der betroffenen Nervenwurzel mit
einem Lokalanästhetikum und/oder
einem Steroid erfolgen. Diese minimal-
invasive Technik kann zum einem thera-
peutisch angewendet werden, aber auch
unter diagnostischen Gesichtspunkten,
wenn die genaue radikuläre Zuordnung
des Schmerzsyndroms klinisch nicht ein-
deutig gelingt.
Nach Ausschöpfung der konservati-
ven Maßnahmen, d. h. bei Fehlen einer
durchgreifenden Besserung der Sympto-
matik nach 6 bis 8 Wochen, sollten entwe-
der eine Umstellung der Behandlung oder
eine operative Versorgung erfolgen [7].
Auch in der operativen Versorgung
werden zahlreiche minimal-invasive Ver-
fahren bei bestimmten Indikationsstellun-
gen erprobt, wie z. B. die perkutane Nuk-
leotomie. Nach einer Standardoperation
beträgt die Rezidivrate ca. 5–11%.
Fazit für die Praxis
F Der degenerativ bedingte Bandschei-
benvorfall ist eine häufige Ursache ra-
dikulärer Schmerzsyndrome und ggf.
neurologischer Ausfallserscheinun-
gen durch Kompression einer Nerven-
wurzel durch Austritt von Bandschei-
bengewebe nach intraspinal oder in-
traforaminär.
F Goldstandard der Bildgebung ist die
MRT, wobei eine sofortige Diagnostik
im Falle eines Kaudasyndroms oder
signifikanter oder rasch progredien-
ter Paresen erfolgen muss, um eine
zeitnaheTherapie zu gewährleisten.
F Die meisten symptomatischen Band-
scheibenvorfälle können jedoch mit
nichtchirurgischen Maßnahmen be-
herrscht werden. Neben der medika-
mentösenTherapie hat hierbei die
periradikuläreTherapie (PRT) einen
Stellenwert unter den minimal-invasi-
venVerfahren.
Korrespondenzadresse
Dr. A. Zimmer
Klinik für Diagnostische
und Interventionelle Neuroradiologie,
Universitätsklinikum des Saarlandes,
Kirrberger Str. 1, 66421 Homburg/Saar
anna.zimmer@uks.eu
Abb. 4 8 Kleiner intraforaminärer Bandscheibenvorfall L3/4 rechts (a, b) mit Kontakt zur Nervenwurzel im Neuroforamen
(Pfeil) sowie extraforaminärer Bandscheibenvorfall L3/4 links (c, Pfeilspitze)
Abb. 5 8 Freier Sequester in Höhe von LWK5
dorsolateral innerhalb des Spinalkanals mitVer-
lagerung des Duralsacks nach rechts. In dieser
Lokalisation und mit diesem Signalverhalten ist
eine Abgrenzung von Synovialzysten der Facet-
tengelenke manchmal schwierig
1085Der Radiologe 11 · 2014 |
5. Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. A. Zimmer undW. Reith geben
an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen
oderTieren.
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Abb. 6 8 Rezidiv eines Bandscheibenvorfalls nach Operation mit randständiger Kontrastmittelaufnahme
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1086 | Der Radiologe 11 · 2014
Leitthema: Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen