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Prof. Dr. Otto Seifert, Leipzig
Heinrich Himmler - Mystiker, Verehrer von Dalai Lama oder
selbstherrlicher, kalter Politiker und Vollstrecker Hitlers als Chef einer
Gliederung der NSDAP
Über Heinrich Himmler und die Schutzstaffel der NSDAP, die SS, entstanden
besonders nach 1947 einige ausgezeichnete Analysen. Aber in der gleichen Zeit, in
der sich der kalte Krieg entwickelte, wuchsen in der Politik, besonders im Westen,
unterstützt von ehemaligen SS-Führer und Politiker, Legenden um Himmler, den
Reichsführer SS und seine sich bis Ende 1944 expandierenden Schutzstaffel der
NSDAP.
Peter Longerich richtete in seiner Biographie über Heinrich Himmler (München,
2008) auf den ersten hundert Seiten die Aufmerksamkeit auf Probleme in Himmlers
frühe Entwicklung, die seine Person mit geprägt haben könnten.
So schreibt er von Minderwertigkeitsgefühlen, sich zurückgesetzt fühlend in seinen
jungen Jahren, Frustrationen sowie Problemen mit dem anderen Geschlecht.
Longerich verwies auf Ziele aus Himmlers Leben bis 1924, die er nur halb oder gar
nicht erreichte.
Seine frühen, zeitweiligen fanatischen Aktivitäten für die katholische Kirche, so
Longerich, könnten Hinweise auf seine spätere Heldenverehrung und den
Ordensgedanken, mit dem Heiratsbefehl für die SS, geben. Ebenso prägte seine
Flucht in die Politik der Rechtsextremen in Bayern sowie in den extremen
Antisemitismus, verbunden mit einer wachsenden Feindschaft zu demokratischen
Veränderungen, schon frühzeitig sein Denken und Handeln. Schließlich spielte der
Drang bei Himmler, Soldat und Offizier zu sein sowie zum Krieg eine wichtige Rolle.
Im November 1923 wurde für den Fahnenträger der Reichskriegsflagge in München,
unter Ernst Röhm, nach dem gescheiterten Hitlerputsch, dieses Ziel zeitweise
erschwert. Aber der Wunsch, ein mit Macht ausgestatteter Offizier zu sein, andere
zu kommandieren und sich im Krieg zu bewähren, blieb bei Himmler erhalten. Er
sollte vielleicht auch seine inneren sowie seine äußeren Probleme mit seinem Gesicht
verdrängen.
Himmlers Schutzstaffel erhielt beim Überfall auf Polen 1939, zu den innenpolitischen
Aufgaben, schon einige militärische Aufträge, aber vor allen noch „polizeiliche“
Funktionen zur Unterdrückung von Polen und der Zerstörung des polnischen Staates.
Hinzu kam, dass die SS, alle aus den geheimen Zusatzverträgen zwischen
Deutschland und der UdSSR von 1939 festgelegten Maßnahmen, den Austausch von
Interessengebieten, Deutschland über lies der UdSSR nachträglich das gesamte
Baltikum und bekam dafür größere Gebiet Polens zugesprochen, sowie die
Umsetzung des geheimen Umsiedlungsvertrages zu organisieren hatte. Das betraf
Hilfe bei Aussiedlung von Angehörigen der UdSSR und Russen sowie die
1
Umsiedlung aller Deutsche aus den sowjetischen Interessengebieten.
Damit übergab Deutschland der UdSSR die gesamten baltischen Staaten „als
Interessengebiet“. Dem entsprechend siedelte Deutschland mit Hilfe der SS alle
Volksdeutschen aus diesen traditionell von Deutschen bewohnten Regionen in das
„Reich“ um und gab große deutsche Siedlungsgebiete auf. Die SS wurde nach und
nach für die Volksdeutschen im Ausland zuständig.
Das landwirtschaftliches Praktikum und Studium Himmler nutzte die NSDAP schon
1923, um ihn als als „Agrarexperte“ in Bayern einzusetzen. Dabei entstanden bei
ihm Gedanken über ein pedantisch vorgegebenes Leitbild für die Landwirtschaft (von
den Betriebsgrößen der Höfe, dem Anbau von Pflanzen bis zur Gestaltung des Dorfes
und des Friedhofes), auf das er dann als Reichsführer SS und Reichskommissar für
die Festigung des Deutschen Volkstums gegenüber den Volksdeutschen zurückgriff.
(Vgl.: Allgemeinen Anordnung Nr. 7/II vom 26. November 1940 und Nr. 20/VI/42
vom 21.12. 1942 für die Volksdeutschen in den „eingegliederten Ostgebieten“). Vor
allem ab 1940 zog er dann Agrarexperten und auch Wissenschaftler der TU Dresden
zur Ausarbeitung von Weisungen mit heran.
Schon am 7. 4. 1942 befahl der Reichsführer SS Himmler, bei der Ansiedlung im
Osten die „germanischen Freiwilligen“ in der SS genauso wie Deutsche
zu behandeln. (Der Befehl, Herausgeber NSDAP Arbeitsbereich Osten, Folge 2,
1943, NfD.) Die geheimen Zahlen, der nach dem Sieg auszusiedelnden Slawen und
Balten, blieben bestehen. Heinrich Himmler, jetzt auch noch Reichskommissar für
die Festigung des deutschen Volkstums, entwickelte sich zum oberster Herrscher aller
deutschen Kolonisten im Osten.
In der besetzten Ukraine konzentriere sich dann ein SS-Einsatzkommando R auf
mehr als 22 000 „Schwarzmeerdeutsche“ in und um Odessa. Aus über 270 Dörfern
nördlich von Odessa wurden zudem 124 900, als Volksdeutsche (I. und II.)
anerkannte, besonders Bauern, von Einsatzkommandos in rund 250 vorher
„gesäuberte“ Dörfer im Süden der Ukraine angesiedelt.
Die Selbstschutzeinheiten von Volksdeutschen leitete und bewaffnete der SD und die
Ordnungspolizei. (Weisung des Reichskommissars für die Ukraine zur Anordnung
der vom 2. 4.1942, Zentralblatt des Reichskommissars für die Ukraine). Bewaffneter
Dienst war für alle männliche Russlanddeutschen Pflicht, die damit in den Krieg im
Osten mit einbezogen wurden. Für die wehrfähigen Russlanddeutschen in
„Selbstschutzeinheiten“ (oder auch Freiwilliger Selbstschutz), ließ die SS in
deutschen Dörfern ein Stabsgebäude, eine Kaserne, ein Fuhrpark, ein Exerzierplatz,
ein Krankenhaus und ein Heldenfriedhof, nach Plänen der SS und Vorstellungen von
Himmler, errichteten. (Der Deutsche in Transnistrien, Odessa, 8. 11. 1942 u. 25. 4.
1943).
Die Krim, die wegen ihrer strategischen Lage, Bedeutung für die Versorgung,
russischen Tradition, Bevölkerungsstruktur (44% Russen, 23 % Krimtataren, 10%
Ukrainer, 5,7% Deutsche und einige andere Minderheiten wie 17 600 Juden,
Griechen, Krimtschaken, Zigeuner) sowie als „ehemaliges Siedlungsgebiet der
Goten“, nicht in den vom Ostminister verwalteten „Generalbezirk Taurin“
2
eingegliedert, sondern der Wehrmacht, mit einem SS-Kommando, später der Marine,
unterstellt wurde, plante ursprünglich Himmlers Stab, fast ausschließlich mit
Deutschen und Volksdeutschen (eventuell auch Südtiroler) sie zu besiedeln - einen
bäuerlichen Wall, von Odessa beginnend, für das Deutschtum im Süden der Ukraine
und Russlands, eventuell bis zum Kaukasus, zu errichten.
Der Reichsführer SS gab dazu extra ein Leitheft (NfD), 7. Jhg., Kriegsausgabe, (6 b),
„Das Germanenreich am Schwarzen Meer“, heraus. In den „SS Germanischen
Leitheften 3/4 1942 entwickelten der Reichsführer SS und das SS Hauptamt auf
mehreren Seiten zusätzliche Leitlinien, um „von der Ostsee bis zum Schwarzen
Meer“ mit „germanischen Stämmen“ ein „Bollwerk gegen den Bolschewismus“ zu
errichten.
Das SS-Sonderkommando 11b, Feldgendarmerie, der Fuhrpark der Wehrmacht,
Tataren in der Wehrmacht und der SS sowie Teile eines Polizeiregiments
veranstalteten im Januar 1941, in der Nähe von Sewastopol, das „Sinferopol-
Masacker“, bei dem sie 10 600 Juden, 1500 Krimtschaken, 600 Zigeuner sowie
nichtregistrierte Kommunisten, Angehörige der Roten Armee und Angestellte der
Sowjetverwaltung grausam ermordeten. Mit der Beseitigung von „Gegnern“ schaffte
die SS Raum für Siedler.
Auf der Krim und Teilen des Südostens der Ukraine gewann die SS rund
10 000 Tataren für ihre Einheiten, um „gutes deutsches Blut zu schonen“. Der
Verantwortliche für Diversion in der UdSSR, Oberst Gehlen, der spätere Chef der
von den USA finanzieren und gesteuerten OG Gehlen, dann des BND, lies sogar ca.
200 000 Tataren in die Wehrmacht eingliedern. Auch hier im Osten gab es Absichten,
den „Heiligen Krieg“ des Islam gegen Russland zu organisieren. Dabei muss beachtet
werden, das Himmler die „Turkvölker“ in der Ukraine und in südlichen Gebieten der
UdSSR nur als zeitweise Verbündete betrachtete. Im Kaukasus galten sie, nach
Himmler, als mögliche langfristige Verbündete für die geplante NS-Herrschaft. Ob
Gehlen und die SS-Führer auf den späteren „Heiligen Krieg“ der USA in Afghanistan
Einfluss hatte, ist nicht bekannt, dagegen operierte er nach 1945 schon wieder
verdeckt, im Osten Europas.
Die kroatische Regierung und ihre deutsche Schutzmacht waren sich einig, Kroatien
ethnisch zu säubern und zum Teil neu zu besiedeln. Ein großer Teil der Serben wurde
aus dem Land vertrieben. In Kroatien mussten auf auf Grund einer Verfügung der
kroatischen Regierung und der deutschen Vertretung vom August 1941alle
wehrfähigen Deutschen Dienst in der Ustascha, der Wehrmacht, der SS oder in den
deutschen FS-Einheiten tun. Die „deutsche Volksgruppe“ wurde vom
Volksgruppenführer, Branimir Altgayer, der einen mittleren SS-Dienstgrad besaß,
geführt.
Die Volksgruppenführung (die SS) „siedelte“ einen Teil der Volksdeutschen Kroatiens
an die westliche Grenze Kroatiens in Wehrdörfer um. Andere dirigierte die SS, im
Januar 1942, rund 12 000 Gottscher Deutsche, dann im Spätherbst 1942 nochmals
zusätzlich über 20 000 Deutsche, vorwiegend von gutgehenden Bauernhöfen südlich
der Save, an die nun deutsche Reichsgrenze im Norden von Kroatien. Sie sollten als
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deutsche Bauern einen „unüberwindlichen Schutzwall“ für das nationalsozialistische
Reich im Süden durch ein Gebiet von „Wehrbauern“ bilden.
Himmler zerstörte und zersiedelte nicht nur gewachsene bäuerliche Siedlungsräume
und Strukturen, sondern er verheizte die Siedler im Rahmen seiner Ideen und des
Vernichtungskriegs in Europa. In diesem Vorgehen spiegelt sich nicht nur Himmlers
Auffassung vom Germanentum, sondern auch der Einfluss von Bauernverbände aus
den zwanziger Jahren mit einem aufkommenden Bauernkult, einem Rückgriffen auf
das späte Mittelalter, gegen das Industriezeitalter wider.
Pedantisch, wie für die Ukraine, geplante Himmler für das Baltikum, ganz Russland,
den Balkan und Westeuropa die Vernichtung aller Juden, die Aussiedlung oder den
Massenmord von „nicht zu Integrierende“ (besonders Slawen), verbunden mit der
Idee von der germanische Kolonisierung ganz Europas.
In der später immer problematischer werdenden Lage für den deutschen Faschismus,
wies Himmler Führungskräfte des Reiches am 6. 10. 1943 auf einer geheimen Tagung
an, „mit allen Mitteln russische Generäle“ für den Kampf gegen den Kommunismus
zu gewinnen, aber ja langfristig „aus Slawen kein großes Programm machen“.
Der NS-Agitator und Führer von zwanzig SS-Männer 1924, war 1942 Chef der
deutschen Polizei mit zahlreichen Dienststelle und Einheiten, der KZs, eigener
Betriebe, Verlage, des größten Spitzelsystems, bestimmte was gelesen, gedruckt und
und in Europa gesendet wurde. Er verfügte, neben seinen SS Apparat über 500 000
deutsche, ausgezeichnet bewaffnete SS-Männer sowie Panzerverbände. Dazu kamen,
als Herr über alle „Volksdeutschen“, ab Oktober 1939 300 000 Volksdeutsche und ca.
200 000 „europäischen“ Waffen SS-Männer, darunter auch viele Ukrainer und
Kroaten sowie zahlreiche Polizeiregimenter zur „Säuberung und Sicherung der
gewonnener Gebiete“ besonders im Osten und Südosten. Himmler hatte sich eine
eigen große Armee aufgebaut.
Der Reichsführer SS behandelte zu dem Regionen, wie das Sudetengebiet,
Tschechien, Slowenien, z.T. Kroatien und besonders den gesamten Süden der Ukraine
als zukünftigen von der SS beherrschten Teil eines SS-Europa.
Erneut stellt sich die Frage, warum wird Himmler als Mystiker, verklemmter
Ahnenforscher und Hühnerzüchter hingestellt und nicht als Reichsführer der
Terrororganisation der NSDAP, Hitlers?
Heinrich Himmler, Reichsführer SS, veröffentlichte 1936 in München „Die
Schutzstaffel als antibolschewistische Kampforganisation“. Auf Seite 20 schrieb er:
„Ich darf zur Schutzstaffel selbst kommen, die ein Teil dieser von Adolf Hitler
geschaffenen und erzogenen Nationalsozialstichen Arbeiterpartei ist und die im
Rahmen der Bewegung vom Führer ihre besondere Aufgabe der Sicherung der
Reiches nach innen erhalten hat.“ Auf den folgenden Seiten legt er die Pflichten eines
SS Mannes fest. Auf Seite 28 faste er damals zusammen, die SS ist im Inneren des
Reiches das „gnadenlose Richtschwert“.
Am 14. Dezember 1938, im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Krieges, erließ
„Der Stellvertreter des Führers R. Heß“ die „Anordnung Nr. 201/38“ über den
4
Sicherheitsdienst des Reichsführers SS für die NSADAP, die nicht zur
Veröffentlichung zugelassen war. Der SD wurde als eine „Einrichtung der Partei“
bezeichnet, deren organisatorischer Träger die SS, eine Gliederung der Partei sei. Für
sie habe er das Material zu beschaffen. Die Gauleiter der NSDAP seien berechtigt
den SD-Dienststellen Aufträge zu erteilen, die über eine Bearbeitungsstelle verfügen.
Die SS galt als eine Gliederung der Partei. Deshalb befahl Heß in der Anordnung Nr.
24/36l nochmals, dass der SD kein Recht besitze, die Partei zu überwachen.
Fast zum gleichen Zeitpunkt erließ der Stellvertreter des Führers die Anordnung Nr.
200/38 über die Geheime Staatspolizei und deren Zusammenarbeit mit den
Dienststellen der Partei. Die Gestapo habe vom Führer den Auftrag erhalten, die
Feinde des nationalsozialistischen Staates zu überwachen und unschädlich zu
machen. Ihr sei dazu, Hilfe zu leisten. Da die Partei selbst keine Überwachungen
durchführe, müssten alle die geheime Staatspolizei als Instrument der Partei,
unterstützen. Zugleich sei es Aufgabe der vom Reichsführer SS geleiteten
Dienststellen und der NSDAP, vertrauensvoll zusammen zu arbeiten.
Eindeutig geht auch aus diesen Anordnungen hervor, dass die SS und ihre Teile als
eine Gliederung der NSDAP galt. Das traf ebenso auf die Waffen SS zu. Himmler
ließ dazu nochmals 1943, neben zahlreichen Erklärungen in den „SS-Leitheften“,
selbst verbreiten: „Die Waffen SS ist der waffentragende Teil der Schutzstaffel der
NSDAP.“ (Dich ruft die SS, Verantwortlicher Herausgeber: Der Reichsführer SS,
Berlin 1943, S. 23.)
Zugleich lassen diese Anordnungen erkennen, der schon frühzeitig riesige SS-
Apparat wurde nochmals demonstrativ als Gliederung der Partei bezeichnet und der
Partei untergeordnete, um seine Verselbständigung zu verhinderte. Selbst der
Ostregierung mit ihren Zweigen im Baltikum, Weißrussland und in der Ukraine
wurde eine Parteiorganisation der NSDAP vorgeschaltet, die kontrollierte, eigen
Weisungen gab oder andere bestätigte. Hitler und die Reichsleiter der NSDAP
sicherten damit ihre Machtposition.
Die Waffen SS, mit 500 000 Deutsche, 300 000 Volksdeutsche und 200 000
Ausländern (den „Selbstschutz“ nicht eingerechnet) galt als Teil der SS somit als
Gliederung der NSDAP. Hinzu kommen die Mitarbeiter des SS-Apparates, der
Gestapo, des SD, der Allgemeinen SS und die FM-Mitglieder (Fördermitglieder). So
verfügte Himmler 1943/44 über fast drei Millionen Menschen, die in seiner
Gliederung der Partei vereint waren.
In diesem Zusammenhang ist es völlig unverständlich, dass ein ausgebildeter Jurist
und Bundeskanzler der Bundesrepublik, Dr. Konrad Adenauer, dem SS-
Oberstgruppenführer Paul Hausser, einem führenden Mitglied der SS und der SS-
Organisation in der Bundesrepublik, HIAG, schriftlich am 17. 12. 1952, das noch als
„Generaloberst a. D.“, zusicherte, dass er und die SS „als Soldaten ehrenvoll für
Deutschland gekämpft“ hätten. Verschleierte Adenauer bewusst die juristische
Stellung der SS als verbrecherische Gliederung einer Partei oder gab es andere
Gründe?
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Der Bundesminister für Justiz, Fritz Schäfer, CDU, versprach am 2. Januar 1961 dem
belasteten SS-Obersturmbannführer, Joachim Peiper, dass die Urteile des
Internationalen Militärgerichtshof „keine Rechtswirkung“ in der Bundesrepublik für
die ehemaligen „Angehörigen der SS und Waffen SS“ hätten.
Noch wenige Monate vor der Wende im Osten Deutschlands dankte „Der
Freiwillige“, die Zeitschrift der SS vom Juli/August 1989, dem Bundesminister Hans
Klein für sein „mutiges Auftreten im Bundestag“, weil er dort die SS als kämpfende
Truppe, der Wehrmacht gleich, behandelte. Im Sprachrohr des Bundeskanzlers, dem
„Deutschland-Magazin Nr. 6, 1989 , rief sogar Heinrich Lummer, MdB der CDU,
auf, die Republikaner zu schützen und die Antifaschisten zu bekämpfen.
Damit könnte man schlussfolgern, die Bundesregierung garantierte den legalen
Fortbestand einer großen Gliederung der NSDAP und ihres Geistes und spekulierte
mit ihr. Kurz danach erlangte die Mannschaft Kohls, die Zulassung der HIAG und
anderer pro-faschistischer Gruppen im Osten Deutschlands.
Ralph Giordano bezeichnete diese Entwicklung wenige Tage vorher (1989) als
„großen Frieden mit den Tätern oder die zweite Schuld der Bundesrepublik“.
Kürzlich wird wohl kaum Papst Franziskus in Auschwitz dieser „westlichen
Wertegemeinschaft“ in seinem Gebt gedacht haben.
Himmler begann ab 1934/35, nach und nach die verschiedensten Bereiche der
Gesellschaft mit sein SS-Mitgliedern zu unterwandern und diese zu steuern. So
beauftragte er den NS-Studentenführer von Heidelberg und Südwest, Gustav Adolf
Scheel, der 1934/35 als SS-Brigadeführer bereits die erste Schule des SD in
Deutschland leitete, 1935 mit der „Neuorganisation und Befriedung des deutschen
Studentum“. (Deutsche Studentenzeitung, Berlin, 11. 11. 1936). 1936 wurde er zum
Reichsstudentenführer berufen. Gleichzeitig wirkte er als Chef des SD Süd/Ost, wo er
auch für das Pogrom im November 1938 zuständig war. Dafür erhielt er das Goldene
Ehrenzeichen der NSDAP verliehen. Den nun SS-Oberführer und Höheren SS- und
Polizeiführer Scheel, der nach außen immer noch als Reichsstudentenführer erschien,
setzte Himmler 1940/41 als Leiter der Sicherheitspolizei und des SD im besetzten
Elsas ein. Scheel säuberte den Elsass von politischen Gegnern, Franzosen, Juden,
kontrollierte die Enteignung und die Vernichtung von französischer und
humanistischer Literatur sowie die Beseitigung alles Französische in der
Öffentlichkeit. Dafür erhielt er das Kriegsverdienstkreuz. Schließlich ernannte
Himmler ihn zum SS-Obergruppenführer und Höheren SS- und Polizeiführer in
Salzburg. Hitler sah Scheel in seinem Testament als Kultusminister in seiner
Nachfolgeregierung vor. Ein Gericht in der BRD sprach ihn, der weiter aktiv für die
Nazis wirkt, von aller Schuld frei.
Über den Weg, mittels ergebenen Personen, durchsetze Himmler den gesamten
Sicherheitsapparat, große Bereiche der Öffentlichkeit, die Medien, die Hochschulen
und wissenschaftliche Einrichtungen. Himmler konnte sich auf eine ergebene Garde
bei der Beherrschung der Gesellschaft in Deutschland ab 1937/38 stützen.
Seine in Staat, besonders Recht, Wissenschaft, Wissenschaft, Besatzungssystem und
Partei untergekommenen Führungskräfte bedankten sich Himmler mit einer
6
„Festgabe für Heinrich Himmler“ zu seinem 40. Geburtstag am 17, Juni 1941. In der
Festgabe für Himmler tauchen Namen wie Reinhard Höhn, Werner Best und in den
Zeitschriften z.B. Theodor Maunz u. a. auf, die später wieder Rang und Ansehen im
Westen erhielten und Bereiche des öffentlichen Lebens mitbestimmten.
Himmler besaß nicht nur einen Terrorapparat mit seiner SS, sondern einen
Mechanismus, der Strategien, Herrschaftspläne für Europa, die Vernichtung der Juden
in Europa, die Kolonisierung Russlands und selbst die Steuerung kleinster Räume des
Lebens entwarf und sie begann zu verwirklichen. Die Fülle der Macht Himmlers war
außerordentlich angestiegen.
Unübersehbar begann die NS-Propaganda den „Dschihad“, einen heiligen Krieg von
Moslems an Seite der Faschisten, ab 1941 selbst in ihrer regionalen Presse zu
propagieren.
Himmler lies dazu ab Ende 1943 in Kroatien, mit geistiger Hilfe des Großmuftis von
Jerusalem, Mohammed Amin elf-Hussein, die 13. Waffen-SS-Gebirgs-Division,
„Handschar“, aufbauen, die im Februar 1944 mit einer Stärke von über 21 000 Mann
zum Einsatz kam. Kurz darauf stampfte die SS aus kroatischen „Muselmannen“ eine
zweite Division (eine Gliederung der Partei) aus den Boden, die ebenfalls im
„heiligen Krieg“ gegen „Ungläubige und Briten“ kämpfen sollte, jedoch auch sehr
grausam im eigenem Land vorgingen.
Die nationalsozialistische „ Alarm, Südost-Illustrierte“, beschrieb in ihrem
Augustheft vom 1943 sehr ausgiebig den Kampf des „Halbmondes gegen das
britische Joch und den Sowjetstern“. Schließlich schuf die SS unter den
„Muselmannen Kroatiens“ „Selbstschutzeinheiten“ und bewaffnete sie. Aber auch die
Wehrmacht verteilte im Dezember 1943 an Albaner, „Moslems“, Waffen. (Alarm,
Südost-Illustrierte, N. 40, 1943 (Dezemberheft). Die deutsche Zeitung in Kroatien,
Agram, vom 9. Januar 1944 verbreitete sogar auf einer ganzen Seite: „Das Schwert
des Islam“ habe nun in Kroatien „zum heiligen Krieg“ aufgerufen.
Sollte die angebliche starke Neigung zur Mystik und „Tibetverehrung“ Himmlers, der
als einer der grausamsten sowie dem Führer unmittelbar unterstehender Reichsführer
des NS-Systems von 1939 bis 1945 in die Geschichte einging, noch ganz andere
Probleme verdecken?
Ernst Röhm, Stabschef der SA, beschaffte Waffen und finanzierte, in seiner
Eigenschaft als Offizier der 21 Schürzenbrigade in München, die Hitlerbewegung
von 1919 an. Himmler selbst war Agent der Reichswehr, wie so viele in der SA.
Röhm förderte und finanziert „geheim“ auch Himmler. Die Feme spielte in dieser
Zeit bei Verrätern der „schwarzen Reichswehr“ und ihren Kameraden eine Rolle.
Nach dem gescheiterten Hitlerputsch im November 1923, besuchte Himmler, als
treuer Untergebener und Kamerad, im Februar 1924 seinen Vorgesetzten, Hauptmann
Röhm, im Gefängnis. Dort überreichte er ihm „Zeitungen sowie Orangen“ und
versicherte Röhm seine soldatische Treue. (Peter Longerich, Heinrich Himmler,
München 2008, S. 77). Himmler arbeitete auch im Parteiapparat als stellvertretender
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Reichspropagandaleiter der NSDAP. Im Januar 1929 beförderte ihn Hitler zum
Reichsführer SS, mit kapp 300 Mann, zu seinem Schutz, aber auch zum Schutz vor
revoltierenden SA-Männer und zu ihrer Überwachung.
Himmlers Verhältnis zur Obersten SA-Führung und zu Röhm war dabei wie das eines
Parteisoldaten. Auch als Himmler den ehemaligen Offizier der Marien, Reinhard
Heydrich, als Chef des Nachrichten- und Überwachungsdienstes in der SS aufbaute,
gab es keine größeren Konflikte, da dieser auch den hohen SA-Führern sowie Hitler
diente.
Schon längere Zeit bestanden jedoch in der SA und Teilen ihrer Führung, besonders
bei Weltkriegsoffiziere, gegensätzliche Auffassungen über die zukünftige Rolle der
SA, besonders nach der Machtergreifung.
Hitler, als treuer ehemaliger Agitator der Reichswehr war für deren sicheren
Fortbestand. Er stellte sich deshalb frühzeitig offen in „Mein Kampf“ auf die Seite
der Reichswehr. Einige SA-Führer wollte dagegen aus der SA ein Massenheer
entstehen lassen und gut besoldete Positionen und Anteile an der Macht erlangen.
Hitlers Taktik, ähnlich wie Mussolini, eine straff geführte Massenpartei, verknüpft
mit militanten Massenorganisationen, zu schaffen, um zur Macht zu gelangen, hatte
zweifellos Auswirkungen auf den Stellenwert der SA und SS.
So unterstützten ab 1925 nicht nur allein die Terrororganisationen Hitlers bestreben.
In München wirkten zahlreiche, einflussreiche Verlage für Hitler. So der Verlag Hugo
Bruckmann, der Verlag Karl Bauer, der Hoheneichenverlag, der Deutsche
Volksverlag, der Ludendorffs-Volkswarte-Verlag und andere. Hinzu kamen noch die
nationalsozialistischen Verlage. Der Besitzer des große Julius F. Lehmann - Verlag,
mit seinen medizinischen Schriften, aber ebenso rechtsradikalen und antisemitischen
Massenliteratur, förderte Hitler und seine Führungsriege finanziell und ganz
persönlich sowie über seine Funktion bei den Alldeutschen. Später verbreitete er auch
Schriften von Himmler.
Klaus Rösch bemerkt in seiner Schrift „Die Münchner NSDAP 1925 -1933“
(München 2002), dass von den 171 Buch- und Presseverlagen in München eine sehr
große Gruppe die NSDAP direkt und indirekt unterstützt hätten.
Die Verlage, zum Beispiele in Hamburg, Leipzig und Berlin, die den Weg Hitlers mit
geebnet hatten, können hier in ihrer Vielzahl nicht aufgeführt werden.
Hitler veranlasste, dass Alfred Rosenberg eine Nationalsozialistische Gesellschaft für
Deutsche Kultur, später Kampfbund, 1928 gründete. Freiherr Hans von Wolzogen,
Herausgeber der „ Bayreuther Blätter“, vertrauter Wagners und Leiter des Richard
Wagner Vereins, entwarf den Gründungsaufruf und unterzeichnete ihn. Weitere
öffentliche Förderer dieser Gründung waren Eva Chamberlain - Wagner, Winifred
Wagner, Daniela Thade aus dem „Bayreuther geistigen Zentrum der NSDAP“.
Der Kampfbund baute danach nationalsozialistische Gruppen mit Förderern in den
Bereichern Musik, Theater, bildende Kunst, Literatur und Wissenschaft auf, um in
diesen, zum Teil noch konservativ beherrschten Bereichen, die geistige Vormacht zu
übernehmen.
8
Interessant ist in diesem Zusammenhang der große Einfluss der Nationalsozialisten in
Thüringen, den damals rechtskonservative Akademiker sowie Teile der
evangelischen Kirche förderten. So veranstaltete die NSDAP auch ihren ersten
großangelegten Parteitag 1926 in Weimar. In Weimar, die Stadt, die Hitler sehr oft
besuchte, beteiligte sich die NSDAP schon 1923 an der Thüringer Landesregierung.
Später übernahm sie sogar die Landesregierung in Thüringen. Mit ihr erprobte sie die
Verfolgung und Vertreibung von Andersdenkenden bereits im großen Rahmen. Ach
hier offenbart sich die verändert Taktik Hitler, mit einer Massenpartei und militanten
Massenorganisationen über Wahlen an die Macht zu kommen. Dazu benötigte Hitler
und seine Partei immer mehr finanzielle Unterstützung.
Hitler und seine Führungsriege suchten deshalb ab 1925 nicht nur nach geistigen
Helfern, sondern besonders auch nach vielen finanziellen Förderern.
Bei der Suche nach geistigen und finanziellen Helfern, begleitete ihn und sein
getreuer Himmler mit der Schutzstaffel. Himmler gründete dabei, vorausschauend,
bereits 1926 einen eigenen finanziellen Förderverein, „FM“. Er wuchs nach der
Machtergreifung zu einer Teilorganisation der SS mit eigener Zeitschrift heran. Er
wurde jedoch später durch den „Freundeskreise Himmler“ in den Schatten gestellt.
Bereits vor Kriegsbeginn saßen die wichtigsten Vertreter der Industrie, der Banken,
der Regierung, des Propagandaapparates Deutschlands und der SS im Freundeskreis
Himmler. Er nahm starken Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaft, der Rüstung,
der Politik, der Propaganda und finanzierte die SS großzügig. Mit dem Überfall auf
Polen, stieg, getragen von den KZ, die SS zu einer relativ großen, eigenständigen
Wirtschaftsmacht auf. Später vermietete die SS zudem die Insassen von KZ an die
Wirtschaft zur Vernichtung durch Arbeit.
Mit Hilfe des Freundeskreises von Himmler entstand in Niederschlesien und den
neugeschaffenen Gauen auf ehemaligen polnischen Gebieten ein neues
Rüstungszentrum, das angeblich frei von Luftschlägen sei. Neben Auschwitz
entstanden dort unzählige kleinere Arbeitslager. Selbst Militärbefehlshaber
deportierte in dieses Gebiet Juden, Widerstandskämpfer, unliebsame Elemente und
Geiseln. Die Erlasse des Militärbefehlshaber in Frankreich, General Otto von
Stülbnagel, spiegeln dies besonders ab September 1941, veröffentlicht zum Teil im
„Soldat im Westen“, der „Tageszeitung der Armee“, und in der „Pariser Zeitung“ klar
wider. Massendeportation von Juden und Widerstandskämpfern in die Ostgebiete
gehörten zur tagtäglichen Erscheinung. So half dann auch die Armee mit die Lager
der SS zu füllen. Nicht nur in den großen KZ wurden Menschen ermordet, sondern
auch in den zahllosen Arbeitslager „durch Arbeit vernichtet“.
Im August 1943 informierte das Verordnungsblatt der NSDAP (15), Gau
Niederschlesien auf Seite 5: „Durch die Hereinbringung jüdischer Arbeitskommandos
in den Gau ist die Frage der Beerdigung verstorbener Juden aufgetaucht. Da die
Unterbringung in unseren Friedhöfen nicht in Frage kommt....empfiehlt es sich, mit
den Kommandanten der Kriegsgefangenenlager Fühlung aufzunehmen. Die Juden
können zweckmäßig mit den zu bestattenden Sowjetkriegsgefangenen begraben
9
werden.“ „Lichtenstein, Gauamtsleiter“. Die „Förderung“ der Industrie durch
„Arbeitskräfte“ sah letztendlich auch die Art der Beerdigung mit vor.
Himmler war ein eiskalter Stratege der Macht geworden.
Aber warum umgab sich Himmler vor allem ab 1934/35 mit einer gewissen Mystik?
Die SA, der Hitler auch die Machtübernahme 1933 verdankte, war von Anfang 1933
mit über 400 000 Mann auf 2,5 Millionen Ende 1933 angewachsen (Die SA,
Sonderdruck 4, 1941). Durch die Eingliederung des Stahlhelm und großer Teile des
Kyffhäuserbundes erreichte sie im Frühjahr 1934 angeblich, nach Angaben von SA-
Obergruppenführer Max Jüttner, eine Stärke von 4,5 Millionen Personen. Hermann
Göring stellte für sich aus SA-Angehörigen ein Wachregiment auf, setzte 50 000
Angehörige der SA als Hilfspolizisten in Preußen ein, erhob aber ebenso
50 000 bewaffnete Mitglieder des Stahlhelm zu Hilfspolizisten, von denen ein Teil
die Rundfunkanlagen zu bewachen hatten.
Allein in Berlin verfügte der SA-Obergruppenführer Karl Ernst über mehr bewaffnete
und gut organisierte Kräfte, als die Reichswehr. Neben eine Stab von erfahrenen
Weltkriegsoffizieren, besaß die SA zudem eigene Nachrichteneinheiten,
Fahrzeugabteilungen, Wachbataillone, Spezialeinheiten, wie die Reiter- und Gebirgs-
SA, KZ, war Polizeibehörde usw. Ab 1934 finanzierte das Innenministerium große
Teile de SA. Der Chef der SA, Ernst Röhm, entwickelte sogar einige außenpolitische
Aktivitäten.
Unzufriedenheiten und Unsicherheiten über die Zukunft kamen im Stahlhelm
besonders Ende 1933 auf. Aber auch in der SA gärte es. Während einige unzufrieden
mit dem Anteil an der Macht waren, wollten anderen die Reichswehr ablösen. Hinzu
entstanden Diskussionen über die Führung und die grundsätzliche Stellung der SA.
Die SA und ihre Führung erschien der Reichswehr, den Großen der Wirtschaft, Teilen
des Adels und vielen ausländischen Regierungen als ein großer wachsender
Unsicherheitsfaktor.
Es breitete sich eine, zum Teil hochgespielte, Angst vor einer „zweiten Revolution“
aus, obwohl Hitler die „Revolution“ offiziell als abgeschlossen erklärt hatte. Selbst
Mussolini riet dem „Führer“, Ordnung im Hause zu schaffen.
Jan Francios, L'affäre Roehm - Hitler, erschienen 1939 in Paris, erregte großes
Aufsehen. Diese aufschlussreiche Schrift über die Hintergründe des angeblichen
Putsches von Röhm, wurde in Deutschland sofort verboten und nach dem Einmarsch
der Deutschen in Frankreich verfolgt. Sie landete im Juli 1942 auf der „Liste Otto,
unerwünschte französische Literatur“ der deutschen Besatzung in Frankreich.
Jan Francois Veröffentlichung konnte dann erst 1949 in Berlin, in deutscher Sprache,
herausgegeben werden.
In ihr schilderte er, dass Hitler mit der Reichswehr schon länger verhandelt habe und
ab Juni 1934 mit dem General und Reichswehrminister Werner von Blomberg und
General Werner Freiherr von Fritsch eine „Lösung“ fand. Die Reichswehr ging ab
Ende Juni in Bereitschaft und stellte der SS Waffen und Fahrzeuge zur Verfügung.
Hitler befahl der SA ab 1. Juli 1934 einen Monat Urlaub, verknüpft mit dem Verbot,
Uniformen zu tragen. Zugleich rief er die SA-Führer zu einem angeblich Großen Rat
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nach München zusammen.
Am 29. Juni traf sich Hitler zur Absprache bei einem „Essen mit der Ruheindustrie“,
so Jan Francois, und ernannte am gleichen Abend Viktor Lutze zum neuen Chef des
Stabes der SA und Obergruppenführer. Lutze soll vorher SA-Führer Nord und
Polizeipräsident in Hannover sowie Göring bekannt gewesen sein.
Als Hitler Himmler am 6. Januar 1929 zum Reichsführer SS ernannte, hatte er von
ihm gefordert, eine „in jedem Falle verlässliche Truppe, eine Elitetruppe der Partei zu
formen.“ (Alquen, Gunter d, Die SS, Berlin 1939, S .8. G. d`Alquen war SS-
Standartenführer und ab 1935 Chef des Schwarzen Korps.)
Am 20. Juli 1934 trennte Hitler die SS von der SA-Führung und ernannte sie zu einer
„dem Führer direkt unterstellten Gliederung der Partei“, die schon durch ihre
schwarze Uniform äußerlich von der SA getrennt war. Die SS soll nach offiziellen
Angaben im Januar 1933 52 000 und im Januar 1935 164 883 Mitglieder besessen
haben. Hinzu kam, dass sich schon 1934 viele Polizeidienststellen und Einheiten in
Händen der SS befanden.
Reinhard Heydrich, Chef des Sicherheitsdienstes der SS und NSDAP in Berlin, hatte
vorher die Listen für die Liquidierung von unliebsamen SA-Führer und konservativen
Politikern, den angeblichen Verschwörern und Feinden, zusammengestellt.
Am 30. Juni schwärmten, die mit Waffen und Fahrzeugen von der Reichswehr
unterstützten, SS-Exekutionskommandos in ganz Deutschland aus. Hitler flog nach
München. In München und Umgebung wurde Röhm, der Chef der SA und ein Teil
der SA Obergruppenführer und Gruppenführer am 30. Juni 1934 sofort ermordet.
Größere Exekutionen gab es zur gleichen Zeit in Berlin. Sogenannte Kampfgefährten
mordeten in ganz Deutschland ehemalige Kampfgenossen Hitlers.
Am nächsten Tag waren die Tageszeitungen mit Meldungen über
„Säuberungsaktionen“, Verhaftungen und Liquidierungen vom angeblichen
Hochverrätern sowie von einem angeblichen Putsch voll. Zugleich veröffentlichte die
NS-Führung einen Befehl und eine Meldung Hitlers. Am Ende rief die Meldung zum
absoluten „Gehorsam“ auf.
Die gesteuerte Presse sprach anfangs von Röhm, der angeblich Widerstand geleistete
habe und „sieben SA-Führer“ sowie General Schleicher, die erschossen wurden sein.
Von sieben Ermordeten verbot Himmler noch am 30. Juni 1934 alle
Veröffentlichungen, rund 28 Schriften, sogar auch alle gedruckte Quellen über sie.
Sie sollten aus dem Gedächtnis der Menschen in Deutschland gestrichen werden.
Kurz danach nannte man in Nazideutschland 20 bis 30 Verräter. Hitler selbst sprach
dann vor dem Reichstag am 13. Juli 1934 von 77 Toten. Solide Untersuchungen
nennen 1000 Opfer. Gorden Williamsen meint in „Die SS Hitlers Instrument der
Macht“, Klagenfurt 2000, dass die Zahl der Ermordeten von 1934 wahrscheinlich viel
höher als 1000 gewesen sei.
In den Reihen von SA-Angehörigen herrschte Unsicherheit, unter ehemaligen
Mitgliedern des Stahlhelm sogar Unruhe und Angst um die Zukunft. In einigen
konservativen Kreisen und Verbänden war man, ohne groß drüber zu sprechen,
schockiert. Zugleich nahmen Verfolgungen und Drohungen im NS-Reich zu.
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So verging keine Rede des neuen Chefs der SA, Lutze, wo er nicht lautstark
verkündete, „Wer uns bekämpft, den schlagen wir nieder, wer uns provoziert den
greifen wir an.“ So in „Reden an die SA“, erscheinen in München 1936.
Himmler, der die Morde an seinen ehemalige Förderern und Kameraden leitete und
von seinen germanischen Helden durchführen lies, sah sich danach gezwungen, sein
Ansehen sowie das der SS, das der Massenmord an „Kameraden“ angeschlagen hatte,
aufzubessern.
Neben der Angst, die die Morde von 1934 verbreiteten, entwickelten sich auch
Zweifel bei einzelnen Sympathisanten an der „Kameradschaft“ und nicht offen
ausgesprochene Enttäuschungen im kleinbürgerlichen Milieu über die Morde.
Unter den ehemaligen Angehörigen der Schwarzen Reichswehr, nationalistischen
Verbänden und den Bergsteigervereinen war die Treue unter den Kameraden, ihr
Zusammenhalt bis zum Einsatz des Lebens, eine verbreitete Regel. Der Verrat von
Kameraden, ja sogar organisierter Massenmord unter Kameraden galt eigentlich als
etwas Unvorstellbares. Die Angst um das eigene Leben und auch um die eigene
Karriere ließen in diesen Kreisen meist keinen offenen Protest aufkommen. Himmler
musste jedoch nach dem 1. Juli für sich und die SS etwas tun.
Er umgab deshalb die SS mit dem Schein eines Ordens, treuer Germanen und „einer
verschworenen Gemeinschaft nationalsozialistischer Weltanschauung“ sowie mit
einem sich wandelnden Mythos. So hieß es im Alquens Schrift 1935 „Die SS“:
„Kernsatz der SS: So sind wir angetreten und marschieren nach unabänderlichen
Gesetzten als ein nationalsozialistischer, soldatischer Orden nordisch-bestimmter
Männer und als geschworene Gemeinschaft ihrer Sippe ...“
Das SS-Leitheft, Nr. 2, Februar 1943, (NfD), widmete sogar eine ganze Ausgaben
nochmals dem „SS-Ordensgedanke“. So sei die „SS eine „Ordensgemeinschaft“,
“dem Führer verschworen“, „ein weltanschaulicher Orden“, „Sippengemeinschaft“
und „soldatische Kampfgemeinschaft“. Nirgends taucht auch nur in Ansätzen die
Überlegung der SS-Führung auf, dass sie so etwas wie die Wehrmacht sei.
1935 gründete Himmler das „Ahnenerbe“ als privaten (propagandistischen,
scheinwissenschaftlichen) Verein, um seine SS mit einem „Heilgenschein“ zu
umhüllen sowie seiner „ Forschung“ und Aufklärung ein wissenschaftliches Ansehen
zu geben. Gezielt widmete sich dabei Himmler mit seinem SS-Apparat
Bergsteigerkreisen, Alpenvereinen, Traditionsvereinen, um ihrem Elitegeist und ihr
Standesbewusstsein für den Einfuß der SS und in der SS zu nutzen. In seiner
Dissertation „Nationalsozialistische Expeditionspolitik deutsche Asien -
Expeditionen 1933- 1945 (München 2006) hebt Peter Mierau hervor, dass es
Himmler dabei um die bergsteigerischen Eliten ging, die fast alle
Weltkriegsteilnehmer gewesen waren und einen Mannschaftsgeist einer
Grabengemeinschaft und des Einsatzes für den Kameraden entwickelt hätten.
Das Germanentum, der Adel und die Ritterorden waren weitere zentrale
Ausgangspunkte im Konzept „der Erziehung der SS zur Elite“. Dies lieferte auch
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später die Scheinbegründungen für den Raub von „Siedlungsräumen“ für Söldner,
die Sammlung von bewaffneten volksdeutschen Parteisoldaten sowie Moslems für
einen „heiligen Krieg“ in Teilen der UdSSR und besonders in der Ukraine. Versuche,
Bewohner von Tibet und Afghanistan für die SS zugewinnen, waren im Grunde
erfolglos.
Ab 1935 hatte Himmler auch mit Totenferien, Fahnenkult, Ausgrabungen von
angeblichen Germanen begonnen, um die SS als ein besonderen Orden erscheinen zu
lassen. Himmler suchte auch nach größeren „geheimnisvollen“ Kultobjekten. So
baute er ab 1934 die Wewelsburg bei Paderborn, mit großen Aufwand und einem
extra KZ mit billige Lohnsklaven, zur Ordensburg der SS um.
Auf ihr fanden noch kurz vor Kriegsbeginn einige Tagungen und Schulungen der
statt. Immer mehr wurde aber Raubgut, erst aus Deutschland, später aus Europa in ihr
eingelagert. Eine relativ große „SS-Bibliothek“ mit geraubten Büchern, nutzte
Himmlers Führung im Verlaufe des Krieges jedoch kaum. Der Leiter der Bibliothek,
SS-Führer Hans-Peter (Jean-Pierre) Des Coudres, musste später eine SS-Division
einrücken.
Insbesondere nach 1934 erweiterte die SS ihren Einfluss gezielt auf den elitären
Akademischen Alpenverein, auf die Deutsch Himalaja-Stiftung sowie auf den
Deutschen und Österreichischen Alpenverein. Zudem rückten andere lokale
Bergsteigervereine in das Visier. Nach außen, begann sich die SS, an der Förderung
des internationalen Wettstreites über die Bezwingung von Gipfeln zu beteiligen.
Dabei besaß Großbritannischen durch seine Kolonien bestimmte Vorteile im
asiatisch-indischen Raum sowie besonders in Tibet.
Bereits bei der Vorbereitung des 1. Weltkrieges rückte Tibet als „Schlüsselstellung“
zwischen Russland, den englischen Kolonien und China in die deutschen strategische
Überlegungen. So wurde im März 1914 ein Leutnant zum Großen Generalstab
befohlen, der dann im Auftrag des Auswärtigen Amtes nach Afghanistan und Tibet,
„in das von Russen und Engländern beeinflusste Gebiet“ eindringen sollte. Dem
Offizier gelang es, „sich bis nach Herat und Kabul“ durchzuschlagen, wo er dann bei
einen Emir untertauchte. Unter schwierigen Umständen konnte er nach zehn Monaten
aus Afghanistan, ohne große Erfolge, über China und Japan zurückzukehren.
Eine „schriftliche Information“ über den Verlauf des Auftrages des Generalstabes
verfasste nachträglich Werner-Otto Hentig unter der Überschrift „Ins verschlossene
Land“. Das Oberkommando der Wehrmacht und der NS-Führungsstab in Dresden
ließ sie, die angeblich nach einer nur für die Reichswehr von 1928 verfasste Schrift,
drucken. Sie durfte jedoch nur über den Dienstweg vom OKW angefordert werden.
Diese Schrift des OKW informierte zudem, dass die Regierung Österreichs 1914
sogar zwei Offiziere in das Gebiet Tibet - Afghanistan geschickt habe. Von ihnen sei
einer umgekommen, der andere, erst nach sehr lange Zeit, über China zurückgekehrt.
Damit wurde das Interesse von Deutschland und Österreich an Tibet und Afghanistan
sowie an möglichen Verbündeten im Kampf gegen England und Russland schon kurz
vor dem Ausbruch des Krieges 1914 deutlich.
Der von Himmler als private Verein, am 1. Juli 1935 gegründete „Das Ahnenerbe“,
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widmete sich anfangs dem „Volksbrauchtum“, germanischer Vorgeschichte und
Ahnenforschung. Er verstand sich im Grunde als ein ideologisches sowie politisches
nationalsozialistisches Zentrum. Der Einfluss und die Aufgaben des „privaten
Vereins“ Himmlers wuchsen schnell, ebenso schnell wuchsen die Forschungsgebiete
über die Rassenbiologie hinaus, so u.a, die „Goldsuche“ oder die „Zucht von
winterharten Pferden“. Damit nahm die Kontrolle und der direkte Einfluss der SS auf
die Forschung, besonders die Kriegsforschung, schrittweise zu.
Gleichzeitig entstanden die Lehr- und Forschungsstätte Innerasien und Expeditionen
(Reichsinstitut Sven Hedin), die Forschungsstätte für Karst und Höhlenforschung
sowie sogar eine für Luftfahrttechnische Untersuchungen. Ab 1940 wurden fast die
gesamten Forschungsthemen kriegswichtig und geheim, einige von ihnen, vor allem
die Forschung an Menschen, in KZs verlagert.
Alle von der SS geförderte und propagandistisch hochgespielte Nanga-Parbat-
Expetitionen ab 1934 bis 1937/38 führten eine Katastrophe.
So auch die unter Leitung von Hans Hartmann vom Mai 1937 bis zum 13. Juni 1937,
wo sieben Deutsche und neun Träger umkamen. Diese Expedition galt nur intern als
ein Erfolg für die geheime Forschung der Luftwaffe.
Der Bergsteiger Hans Hartmann, Mitglied der NSDAP, war seit 1934 an der
Luftfahrtmedizinnischen Forschungsanstalt des Reichsluftfahrtministeriums
angestellt. Er beschäftigte sich mit massenpsychologischen Untersuchungen,
Auswirkungen von Höhen auf den menschlichen Organismus, Grenzen des
Höhenfluges für den Menschen und damit wichtigen Fragen für die Luftwaffe. 1937
wurde Hartmann vom Reichsminister Göring zum Regierungsrat ernannt und schloss
seine Forschung im Labor mit einer Habilitationsschrift ab. Nun sollten seine
Erkenntnisse im Labor in der Praxis, im Hochgebirge an Menschen und Maschinen
überprüft werden.
Zwar trägt das Buch von „Hans Hartmann +“ unter dem Titel „Ziel Nanga Parbat“,
in Berlin 1942 in 2. Auflage erschienen, den Charakter von Tagesbuchblätter eines
gescheiterten Bergsteigerunternehmen, jedoch schon auf Seite 35 des Tagebuches von
Hartmann finden sich verdeckt Bemerkungen zum eigentlichen Auftrag.
„Im vorläufigen Hauptlager (3700). Große Packerei, 2 Tage Untersuchungen an
Sherbas und Träger...“. „1. Juni Hauptlager (4000)“ ... „Für unsere Wissenshaft ist es
außerordentlich günstig, dass rund 8 Tage nach dem Beginn des Angriffs nochmals
alle Männer hier unten ums Mikroskop versammelt sind und wir ihnen beliebig Blut
abzapfen können. Ganz toll sind die Blutkörperchenzunahmen ...“. Zum Lager über
5600 bis 5880 Meter Höhe hießt es, „neue Untersuchungen“... „am 6. Juni in 6200“
Meter. Das war kurz vor der Katastrophe.
1938 lässt das Ahnenerbe eine neue Expedition, mit großzügiger finanzieller
Ausstattung, unter Leitung von Paul Bauer nach Tibet starten. Ihr gehörten acht
(neun ?) Personen an. Sie trafen am 31. Mai 1938 ein und bezogen bereits kurz
danach ihr Basislager zur Expedition zum Nanga Parbat. Die Mannschaft baute vier
Lager auf und kämpften sich hoch. Zur Förderung der Expedition sowie Belieferung
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der Basislager stand eine Ju 52 zur Verfügung. Bereits am 6. August ließ Bauer
wegen anhaltender Kälte, Schneemassen und schlechtem Wetter die Expedition
abbrechen. Der Versuch, den Berg von der SS zu bezwingen, war wieder gescheitert.
Nach außen wird der Einsatz einer Ju 52 als Hilfsinstrument und Transportmittel zur
Erleichterung der Arbeit am Berg hingestellt. Da von den Engländern das
Bergsteigen und auch das Fliegen in ihrem Einflussgebiet genehmigt werden musste,
bekam die deutsche Mannschaft für die Flüge der Ju im Raum von Nanga Parbat
einen englischen Fliegerhauptmann als Verbindungsoffizier für die Expedition und
Flüge zugeordnet.
Damit stoßen wir auf einen weiteren Grund, die Expedition „mystisch“ und als
„Sport“ von Seiten der SS zu tarnen. Bei einer Durchsicht des Berichtes von
Flugkapitän und Dipl.- Ing. für Luftfahrt, Alexander Thönes, über den „Einsatz der
JU D - AWBR in Naga Parbat“ ist jedoch eine enge Zusammenarbeit von SS und
dem Luftfahrtministerium unter Göring für die Luftfahrtforschung, den Einsatz der Ju
und der Erkundung der Region zu bemerken.
Thönes testete die JU beim Starten und Landen auf einer abfallenden Hochfläche in
1600 Meter Meereshöhe und schufen sich dort eine leistungsfähige Anlagen für
Funkverbindungen in großen Höhen.
Seine Mannschaft plante und erprobte die Einsätze von Brennstoff und Sauerstoff.
Sie erkundeten auch den notwendige Bedarf von Sauerstoff und Pelzbekleidung.
In seinem Bericht vermerkte Thönes extra: „Die gute Ju ist hier oben in 6000 Meter
ebenso wendig wie unten...Die Last liegt ruhig.“ (Nanga Parbat, Ein Bericht über den
Einsatz der D-AWBR, Von Flugkapitän Dipl.- Ing. Thönes, Soldat der Luftwaffe,
Oktober 1938, H. 10, S. 238). Mit der Ju wurde besonders der Transport von
Personen und Lasten getestet, mehrfach der zielgenaue Anflug sowie Abwurf von
Versorgungsgütern und Benzin auf vorgegebene Punkte in 6200 Meter Höhe.
Die Anflüge und die Abwürfe auf verschiedene Lager fotografierte die Mannschaft ra
und zusätzlich „über einem Gewirr von Lichtbildkammern“. Auch Abwürfe bei
niedrigem Anflug auf das Lager testete Thönes. Schließlich schilderte der Bericht
mehrfach die Arbeit des Funkers und des Bordtechnikers mit Kameras bei fast allen
Flügen in der Region. So testeten sie die Luftbildkameras bei langen An- und
Versorgungsflügen in der gesamten Region.
Somit war die Unterstützung der Bergexpedition, die abgebrochen wurde, durch ein
Flugzeug mit Flugkapitän Alexander Thönes, Bordwart Otto Spengler und
Bordfunker (Fotograf) Rudolf Mense in Wirklichkeit ein großer Erfolg für die
Erkundung der Region, ein wichtiger Test für die Ju beim Einsatz in großen Höhen
im Krieg und für die weitere Luftfahrtrüstung. Die Expedition zum Dach der Welt
war ein Teil der Kriegsvorbereitung der deutschen Faschisten.
Die deutsche Luftwaffe hatte extra 1938 eine Luftbild - Fliegerschule gegründet.
Sogar bei zivilen Flügen wurden Kameras zur Aufklärung eingesetzt.
Im Juni 1936 schickte Hitler die Legion Condor mit einer Stärke von über 6 000
Mann zur Unterstützung des Putsches von Franco nach Spanien. Die vier
Kampfstaffeln Ju 52, transportierten 12 000 Marokkaner und Waffen für Francos
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Krieg nach Spanien und warfen Bomben auf Zivilisten ab . Vier Kampfstaffel He 51,
eine Aufklärungsstaffel sowie eine Seestaffel erprobten zudem in Spanien den
Einsatz im Krieg. Dabei war die „Luftbilderfassung“ ein wichtiger Bestandteil für
ihre Erfolge für Franco und zugleich ein großer Test für den September 1939.
Der Bereich Fernaufklärung Luft der deutschen Luftwaffe (die zivile Luftfahrt
eingeschlossen) meldete kurz vor Beginn des Krieges 1939, das 13 Mill. qm Häfen,
Schiffe usw., 6 435 Bahnhöfe und 12 000 Flughäfen erfasst und für kommende
Einsätze zu verwenden seien .
Das nächste SS-Kommando, unter Leitung des SS-Sturbannführer, Mitglied des
Freundeskreises Himmler, Ornithologe (Zoologen), Dr. Ernst Schäfer, brach am 21.
April 1929 von Europa nach „Himalaja“ auf. Dieser Expedition gehörten zudem
Hauptsturmführer und Mitglied des persönlichen Stabes Himmlers, Bruno Beger,
Anthropologe, an, der später seine Forschung während des II. Weltkrieges im KZ
Auschwitz weiterführte. In der ausgewählten SS-Mannschaft wirkten noch der
Angehörige der SS, Edmund Geer, als „Karawanenführer“ und technischer Leiter,
Ernst Krause als Geograph und Kameramann sowie SS-Hauptsturmführer und
Mitarbeiter des SS-Ahnenerbe, Dr. Karl Wienert, als Geophysiker und Geograph.
In der NS-Presse erschienen über den gesamten Verlauf des Unternehmens
ausgewählte sowie sehr unterschiedliche Angaben. Nach Berichten habe die SS-
Truppe ca. sechs Monate in Sikkim gewirkt. Informationen dazu fehlen, weil die
Erkundung für mögliche Kriegshandlungen im asiatisch-indischen Raum (UdSSR,
China, Afghanistan, Indien und Japan) im Mittelpunkt standen. Für Tibet selbst besaß
SS-Expetition keine Aufenthaltsgenehmigung der britisch-indischen Regierung. Über
nicht genante Kanäle erhielt aber Schäfers Mannschaft eine Einladung der Regierung
von Lhasa für einen Aufenthalt von 50 Tagen in Tibet und zum Besuch von Batang
und andere Regionen.
Ihnen gelang es auch Kontakt zum jungen Regenten Reting Rinpoche aufzunehmen,
der angeblich einen Brief an Hitler geschrieben habe. Den Brief, den Hitler nie
beantwortete, nutzten die NS-Ideologen für ihre NS-Tibet Legendenbildung von einer
angeblichen nazifreudlichen Gesinnung von Tibetanern und möglichen Verbündeten.
Aus vielen Meldungen geht hervor, Schäfer sollte angeblich neue Getreidekörner,
Samen, robuste Pferde u.a. für die Kriegsvorbereitung auffinden, Beger, für die
Rassentheorie, fleißig Schädel messen und Körper von Tibetern untersuchen. Aber
der Uhrarier konnte nicht aufgefunden werden. Was die anderen drei Teilnehmer für
Aufgaben hatten und was sie besonders als Geographen taten, blieb für die
Öffentlichkeit geheim.
Viele Jahre danach zeigte eine andere Großmacht an dieser Schlüsselregion Interesse
und soll sogar den Dalai Lama als Agent geworben haben.
Aus der heiligen Stadt und der zugänglichen Region brachte die SS-Truppe
Geschenke mit, so eine alte Schrift, getrocknete Schafe, Fotos von Hafenkreuzen
usw. Später stellte das Ahnenerbe sogar einige dieser „Trophäen“ aus.
Nur wenige Tage vor Kriegsbeginn holte Himmler seine „SS -Tibet - Expedition“
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zurück und begrüßte sie selbst gerade noch am 4. August auf dem Fluglatz. Die
„Schlesische Tageszeitung“ vom 5. 8. 1939 feierte die SS-Führer sogar als „die ersten
Deutsche in Lhasa“. Der Propagandarummel um Tibet und die SS wurde jedoch
durch die massive geistige und direkte Kriegsvorbereitung unterbrochen.
Später verlegte Schäfer seine Versuchen an Menschen auf Juden im KZ, bevor er
wieder in der „westlichen Wertegemeinschaft“ zum Experte aufstieg. Berger diente
ab 1943 im KZ Auschwitz.
SS-Sturmbannführer Dr. Ernst Schäfer trat aber auch als Propagandist der SS-
Führung und des Ahnenerbe während des Krieges auf.
Gustav Adolf Scheel, Reichsstundenführer, Inspekteur der Sicherheitspolizei und des
SD im Wehrkreis Stuttgart und 1939 für die Liquidierung der Juden zuständig, SD-
Chef im besetzten Elsass, ab April 1941 Chef der Sicherheitspolizei und des SD in
München, Generalmajor der Polizei, berief Hitler am 1. Dezember zum
Reichsstatthalter vom Gau Salzburg. Himmler ernannte ihn zu SS-Obergruppenführer
und zugleich zum Reichskommissar für die Festigung des des deutsche Volkstums in
diesem Gau. Er sollte zudem das Hinterland von Hitlers Obersalzberg und die
Ostmark mit der SS absichern sowie die Stadt Salzburg zu einem Zentrum der SS und
deren Propaganda gestalten. Scheel führte seinen Gau nach „rassischen
Lebensgesetzen“ und entwickelte für ihn extra „Grundsätze eines Salzburger
Kulturprogramms“ nach „rassischen Lebensgesetzen“ (NSG, 100/42, Gau Salzburg,
14. 5. 1942, S. 2-3.)
In der Stadt tagten unter Scheel öfter SS-Führer, Militärattachés aus der Slowakei,
Italien, Japan, Spanien, Finnland, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Argentinien,
Schweiz und Thailand, NS-Dichter u. a. Salzburg entwickelt sich zu einem Ziel für
Reisen vieler führender Nazis aus dem Reich.
Im Westen Deutschlands stufte Scheel ein Gericht nach 1945 als nur minder belastet
und frei ein.
Der SS-Standartenführer und Reichsgeschäftsführer des pseudowissenschaftlichen
SS-Ahnenerbe, Wolfram Sievers, richtete nach 1938 ein Zentrum des SS-Ahnenerbe
im „Haus der Natur“ der Stadt Salzburg ein. Es leitete der ehemalige Salzburger
Professor, SS-Obersturmbannführer Eduard Tratz. Diese Einrichtung im Gau
Salzburg entwickelte sich nach und nach auch zu einer wichtigen Sammelstelle von
Beutegut der SS.
SS-Obergruppenführer und General der Polizei Scheel aktivierte als „Schirmherr“ das
„Hauses der Natur“, um den Einfluss der SS im ehemaligen Österreich und besonders
in den südosteuropäischen Ländern zu erhöhen.
In diesem Zusammenhang wurde festgelegt, dass im „Haus der Natur“, unter
Ehrenschutz von Scheel, der „Tibetforscher Dr. Ernst Schäfer, am 12. Dezember
1942, einen großen Expedition-Vortragsabend über die „Dritte große Tibetexpetition
in das verbotene Land, Lhasa“, „gefördert vom Reichsführer SS “, durchführt.
Zum 17. Januar 1943 stellte zudem SS- Sturmbannführer und Vertrauter Himmlers,
Ernst Schäfer, im „Haus der Natur“ einen „großen Bildbericht der SS-Expetition“,
Ausstellung) vor. Hervorgehoben wurde, dass Schäfer als Mönch und und ein großes
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Hakenkreuz als Symbol zusehen sei.
Auf der Veranstaltung im Dezember lobte Schäfer die angeblichen großen Leistungen
und Fördermittel von Himmler für die Expeditionen nach Tibet und insgesamt für die
Entwicklung der Völkerkunde. Im Vortrag, so auch später in der Salzburger Zeitung
vom 12. Dezember 1942, wurden insbesondere herausgestellt, dass sich die SS-
Männer im „verbotenen Land Lhasa“ frei bewegen konnten und „freundschaftlich“
von den Fürsten und Priestern empfangen wurden. Die Referenten betonten dagegen
eine Abneigung der Kaste gegen die englische Herrschaft. Aber Erkundungen der
Region spielt hier bereits eine größere Rolle, als in vorangegangen Beratungen. Der
Krieg im Osten zog sich schon wie in Schatten durch die Veranstaltung. Erste
kritische Bemerkungen über das „verbotene Land “ tauchten auf.
Am 17. Januar 1943 übernahmen Ministerialdirektor, SS-Brigadefüher und Präsident
der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Dr. Rudolf Mentzel gemeinsam mit
Gauleiter Scheel den Ehrenschutz für eine erneute, jedoch größere Veranstaltung über
Tibet im „Haus der Natur“. Diesmal referierte Dr. Schäfer gemeinsam mit dem
„Tibetforscher“, den Schweden Sven Hedin und dessen Frau Frau, ergänzt durch
einige zusätzliche Beiträge geladener Wissenschaftler und SS-Führer.
Diese Tagung am 17. Januar 1943 im „Haus der Natur“ in Salzburg fand jedoch
unter veränderten Bedingungen statt. Es waren viel mehr höhere SS-Führer sowie
NS-Forscher anwesend, als zu der im Dezember. Vor allem sollte der „schwedischen
Tibetforscher, Sven Hedin“ sowie seine Frau das Ansehen der SS, den
Vernichtungskrieg und die Rassentheorie aufwerten und die „Heimatfront“ festigen.
Es muss bemerkt werden, dass Hedin seit vielen Jahren als Propagandist und
„Kämpfer“ für den deutschen Faschismus wirkte. Er hielt nicht nur Vorträge, sondern
schrieb in der Presse in Deutschland, den Armeezeitungen und den Zeitungen in den
von Deutschen besetzten Gebieten. So erschien zum Beispiel von „Dr. Sven Hedin“
ein Leitartikel am 13. November 1941 in der „Pariser Zeitung“, dem Sprachorgan der
Militärregierung von Frankreich, mit der Überschrift „Kreuzzug gegen Lenin“. In
ihm sprach er von Deutschlands notwendigen Krieg gegen den Bolschewismus, vom
Kreuzzug gegen die „russische Gefahr“, einem Ausrottungskrieg gegen „Dschingis
Kahns Erbe“, sowie vom Krieg gegen Churchill und Stalin. Sein großes Lob galt
Adolf Hitler.
Die Werkzeitschrift von F. A. Brockhaus, Leipzig, „Der Fabianer“, vom Juli 1941
gab dazu einen weiteren Einblick. Auf ihrer Titelseite war eine Büste von Sven
Hedin mit der Überschrift: „Ein Telegramm des Führers“ abgebildet . In der
Zeitschrift wurde berichtet, dass der Autor und Freund den Verlag Anfang 1941
besucht hätte und der größte lebende Bildhauer Klimsch dabei eine Büste von Hedin
angefertigt habe. Einen „Abguss“ davon hätte die Unternehmer Adolf Hitler zum
Geburtstag geschenkt. Hitler soll sich herzlich bedankt haben.
Das Schrifttumsverzeichnis der Zentrale der Frontbuchhandlungen 1941, Berlin, bot
für die Frontbuchhandlungen der Wehrmacht für das genannte Jahr 11 Titel von
Hedin als wichtige Literatur an. Die Frontbuchhandlung, die allein 1943 einen
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Umsatz von 35 000 000 RM erzielte, verlegte auch schon 1941 ca. 10 Titel vom
norwegischen Schriftsteller Knut Hansum, der, unterstützt von seiner Familie, sogar
offen mit den Spitzen der faschistischen Besatzungsmacht in Norwegen
zusammenarbeitete. (Vgl.: Tore Hansum, Mein Vater Knut Hansum, Deutsche
Monatshefte in Norwegen, Oslo, H. 9, 1944).
Die Bedingungen für die deutsche Kriegführung hatten sich innerhalb weniger
Monaten grundsätzlich verändert. Der Blitzkrieg war gescheitert und Stalingrad
drohte, zu einer katastrophalen Niederlage zu werden. Eine Wende des Krieges zeigte
sich bereits im Januar 1942 an.
Auch im besetzten Westen konnte zum Beispiel die Militärregierung unter General
von Stülpnagel, die bis dahin den Widerstand besonders durch die Feldgendarmerie
mit Erschießungen, Massendeportationen nach dem Osten und „Liquidierung ganzer
Personenkreise“ nur reduzierte, die militärischen Aufgaben im Land,zum Kampf
gegen den anwachsenden Widerstand, im Norden und Süden eine drohende
Intervention zu verhindern, allein allein nicht mehr lösen. Frankreich erhielt eine
zusätzliche SS-Besatzung unter SS-Gruppenführer Carl-Albrecht Oberg und
Spezialisten des SD. Hitler, sein Generalstab und Himmler erhofften sich zu diesem
Zeitpunkt Ruhe im Westen und auf dem Balkan.
Die Massenmanipulation erhielt einen neuen Stellenwert. Auch die Schutzstaffel der
NSDAP stand vor neuen Aufgaben. Das spiegelte sich bereits schon auf dieser
Tagung im Januar 1943 in Salzburg wieder.
Wie einst wurden zwar wieder die großen Verdienste Himmlers für die
„völkerkundliche Forschung“ in Tibet hervorgehoben und über die Bewohner
gesprochen. Der Schwerpunkt lag dagegen, was sich auch in der Berichterstattung
zeigte, auf militärischen Aspekten.
So meldetet die Salzburger Zeitung vom 18. Januar 1943, im Mittelpunkt der
Referenten und von Beträge habe „das Problem Tibet als Schlüsselstellung gegenüber
der Sowjetunion, China, Indien und England“ gestanden.
Der Überfall der UdSSR hatte jedoch bereits im Juni/Juli 1941 verhindert, dass
Himmler eine Gruppe von SS-Männer mit Waffen nach Tibet senden konnte. Nun,
Anfang 1943 war es auf Grund der militärischen Lage für Deutschland grundsätzlich
nicht möglich, über konkrete Aktionen in diesem Raum zu sprechen. So referierte
man dann ganz allgemein von „Freiheitshelden in Tibet“ gegen England. Die
„Sehnsucht nach Tibet“ dämpften dagegen Referenten und Forscher.
So schätzen sie ein, in Tibet seien keine ausreichende Lebensmittel vorhanden und
würden auch nicht genügend produziert. Es gäbe auch keinerlei Anzeichen für
Erkundungen von Erzlager und Ansätze für ihren möglichen Abbau.
Währen über die Herrscher in Tibet, die Religion und Lebenslage der Menschen ganz
allgemein „geschwärmt“ wurde, sprachen einige Referenten Tibet für die nächsten
Jahre jede „moderne Fortentwicklung“ ab. Viel öfter als vorher, wurde die „Kaste der
Priester“ als das Haupthindernis für Veränderungen in Tibet, für „moderne
Entwicklungen“ und damit für Ansätze für die SS hingestellt.
Tibet war für Himmler und seine Elite einst Gegenstand der Propaganda sowie ein
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wichtige strategische Schnittstelle zwischen der UdSSR und den englischen
Kolonien. Unter den neuen militärischen Bedingungen verschwand Tibet nach und
nach aus der aktuellen Propaganda und den taktischen Konzepten für den Krieg. Die
SS musste zu Beginn des Jahres 1943 bereits auf Eckpunkte alter Strategien und
ihrer Massenmanipulation verzichten.
Gehlen und der SD verfolgten noch einige Monate die Träume vom Hitler und dem
Minister für die Ostgebiete, Alfred Rosenberg, die er einst als Moskauer Student bei
seine Ferien 1917 auf der Krim von der Region träumte. Für die Wehrmacht und
Gehlen zerfiel in wenigen Wochen, mit der Niederlage von Stalingrad, der Plan von
einem von ihr gesteuerten islamischen Kaukasus. Die SS wollte die Krim, das Land
der „Goten“ und den gesamten Süden der Ukraine als Siedlungsgebiet für Deutsche,
SS-Männer und sogar Südtiroler nach dem Sieg, nutzen, um den Süden Russlands zu
germanisieren. Auch die Idee vom deutschen Reich am Schwarzen Meer bröckelte
bereits auf der angeblichen Tagung zur Forschung des SS Ahnenerbe und brach
Monate darauf zusammen.
Himmler faste die unmittelbar nächsten Aufgaben der Schutzstaffel auf eine Tagung
für Sicherheitsfragen zusammen. (RFSS H. Himmler, Sicherheitsfragen, Vortrag vor
Befehlshabern am 14.0ktober 1943, NfD, Hrsg. NS-Führungsstab beim OKW, S. 12 -
29.)
1. Bereitstellung von Kräften und „ungefähr 20 Polizeiregimenter zur Partisanen
Bekämpfung.
2. Strenges Vorgehen gegen Verstöße gegen Rassengesetze im Frontgebiet, auch
bei Frauen. „In schlimmen Fällen wird vor Ort und Stelle gehängt.“
3. Den überlegenen Siegesgedanke gegenüber Slawen aufrechterhalten. „Das was
wir jetzt auszuhalten haben, den kommenden Winter, in dem wir bestimmt
noch zwei bis drei Millionen Russen abschlagen und abschlachten müssen, das
sind ja alles – so schwer sie sein mögen – nur Zeitabschnitte, die wir
überstehen müssen...“
4. Ich verlange „Härte gegen Offiziere und Soldaten im Dienst“.
Von 1942 an bis 1944 lies Himmler, Jahr für Jahr ansteigend, Volksdeutsche aus dem
Osten zurückführen. Die „Rücksiedlung“ erfolge in Gruppen und in verschiedene
Gebiete Ostdeutschlands, die vor allem von 1939 bis 1940 „in das Reich
eingegliedert“ wurden. Für diese Maßnahmen gab Himmler an, „gutes deutsches Blut
für den Endkampf zu retten“. Diskussionen über die hohen Opfer unter den
Volksdeutschen bei den schwierigen Aktionen lehnte er und sein Stab als feindlich
oder kriegsschädigend ab. Auf alle Fälle erfolgte die Rückführung nicht aus
humanitären gründen.
Himmlers Macht wuchs mit den Niederlagen des deutschen Faschismus. Er übte sie
mit volle Härte und mit einer Genugtuung gegen die Offiziere aus, die am 20 Juli
gegen Hitler geputscht hatten.
20
Himmlers Entwicklung ist ab 1925 gekennzeichnet vom Wille zur Macht. Dabei nutzt
er jede Gelegenheit aus, seine Macht zu festigen und rücksichtslos zu erweitern.
Während er in jungen Jahren Schwierigkeiten besaß, sich anzupassen, gelang das ihm
später gegenüber Personen und Situationen, auf dem Weg zum größten Architekten
des Massenmordes und Organisator von Kriegen seiner Zeit, viel besser.
Seine SS entwickelte sich zu einem Staat im Staat, aber auch zu dem Rückgrat der
Herrschaft Hitlers. Himmler stiegt im Grunde zum zweitmächtigsten Mann des
deutschen Faschismus und zum grausamen Herrscher über große Teile Europas auf.
Dafür schuf er sich einen eigenen Apparat sowie eine Kriegsmaschine, die er stetig
erweiterte. Zugleich entwarf er für Hitler Pläne zum Ausbau des Machtapparates
sowie für dessen totalen Krieg. Dabei spielte sein Hass gegen Slawen, Kommunisten
und Juden eine Rolle.
Himmler führte die SS in den Krieg mit dem Befehl, nicht unterschrieben mit Heil
Hitler, sondern mit „Gott mit uns“. Aber eine wirkliche religiöse Bindung, ein
Verhältnis zu Gott ist bei ihm nie ernsthaft zu spüren. Religionen nutzt er vielmehr als
Spielball für seine Interessen. Himmler stellte sich und dann seine SS über alles, als
die bestimmende Elite hin. Gewissenslos übte er seine Herrschaft aus. Er entwickelte
eine elitäre Arroganz zum Morden.
Als sich eine Niederlage des Krieges und seiner Herrschaftskonzeption abzeichnete,
begann er, nicht nur „sein deutsches Volk“, sondern auch die „nordischen Männer“
für sein etwas längeres Überleben zu opfern. Bein Suchen nach Wegen, um zu
überleben, verriet er sogar seien „geliebten Führer“. Himmler endete durch
Selbstmord mit Gift.
Auch bei einigen anderen hohen Führern des Faschismus zeigten sich ähnliche
Tendenzen. So sprach der Reichsminister Goebbels schon in einer geheimen Rede
vor dem NS-Führungsstab beim Generalstab, am 25, Januar 1944, davon, dass es am
Ende bei „ungeheuren Krisen“ davon abhänge, ob wir die „Vernichteten“ oder die
„Überlebenden“ sein werden. (Reichsminister Dr. Goebbels, Der Krieg als
Weltanschauungskampf, Rede in Posen 25. Januar 1944, NfD).
Die großen Faschisten ahnten das Ende, verheizten aber Deutschland.
21

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Heinrich Himmler - Mystiker, Verehrer von Dalai Lama oder selbstherrlicher, kalter Politiker und Vollstrecker Hitlers als Chef einer Gliederung der NSDAP

  • 1. Prof. Dr. Otto Seifert, Leipzig Heinrich Himmler - Mystiker, Verehrer von Dalai Lama oder selbstherrlicher, kalter Politiker und Vollstrecker Hitlers als Chef einer Gliederung der NSDAP Über Heinrich Himmler und die Schutzstaffel der NSDAP, die SS, entstanden besonders nach 1947 einige ausgezeichnete Analysen. Aber in der gleichen Zeit, in der sich der kalte Krieg entwickelte, wuchsen in der Politik, besonders im Westen, unterstützt von ehemaligen SS-Führer und Politiker, Legenden um Himmler, den Reichsführer SS und seine sich bis Ende 1944 expandierenden Schutzstaffel der NSDAP. Peter Longerich richtete in seiner Biographie über Heinrich Himmler (München, 2008) auf den ersten hundert Seiten die Aufmerksamkeit auf Probleme in Himmlers frühe Entwicklung, die seine Person mit geprägt haben könnten. So schreibt er von Minderwertigkeitsgefühlen, sich zurückgesetzt fühlend in seinen jungen Jahren, Frustrationen sowie Problemen mit dem anderen Geschlecht. Longerich verwies auf Ziele aus Himmlers Leben bis 1924, die er nur halb oder gar nicht erreichte. Seine frühen, zeitweiligen fanatischen Aktivitäten für die katholische Kirche, so Longerich, könnten Hinweise auf seine spätere Heldenverehrung und den Ordensgedanken, mit dem Heiratsbefehl für die SS, geben. Ebenso prägte seine Flucht in die Politik der Rechtsextremen in Bayern sowie in den extremen Antisemitismus, verbunden mit einer wachsenden Feindschaft zu demokratischen Veränderungen, schon frühzeitig sein Denken und Handeln. Schließlich spielte der Drang bei Himmler, Soldat und Offizier zu sein sowie zum Krieg eine wichtige Rolle. Im November 1923 wurde für den Fahnenträger der Reichskriegsflagge in München, unter Ernst Röhm, nach dem gescheiterten Hitlerputsch, dieses Ziel zeitweise erschwert. Aber der Wunsch, ein mit Macht ausgestatteter Offizier zu sein, andere zu kommandieren und sich im Krieg zu bewähren, blieb bei Himmler erhalten. Er sollte vielleicht auch seine inneren sowie seine äußeren Probleme mit seinem Gesicht verdrängen. Himmlers Schutzstaffel erhielt beim Überfall auf Polen 1939, zu den innenpolitischen Aufgaben, schon einige militärische Aufträge, aber vor allen noch „polizeiliche“ Funktionen zur Unterdrückung von Polen und der Zerstörung des polnischen Staates. Hinzu kam, dass die SS, alle aus den geheimen Zusatzverträgen zwischen Deutschland und der UdSSR von 1939 festgelegten Maßnahmen, den Austausch von Interessengebieten, Deutschland über lies der UdSSR nachträglich das gesamte Baltikum und bekam dafür größere Gebiet Polens zugesprochen, sowie die Umsetzung des geheimen Umsiedlungsvertrages zu organisieren hatte. Das betraf Hilfe bei Aussiedlung von Angehörigen der UdSSR und Russen sowie die 1
  • 2. Umsiedlung aller Deutsche aus den sowjetischen Interessengebieten. Damit übergab Deutschland der UdSSR die gesamten baltischen Staaten „als Interessengebiet“. Dem entsprechend siedelte Deutschland mit Hilfe der SS alle Volksdeutschen aus diesen traditionell von Deutschen bewohnten Regionen in das „Reich“ um und gab große deutsche Siedlungsgebiete auf. Die SS wurde nach und nach für die Volksdeutschen im Ausland zuständig. Das landwirtschaftliches Praktikum und Studium Himmler nutzte die NSDAP schon 1923, um ihn als als „Agrarexperte“ in Bayern einzusetzen. Dabei entstanden bei ihm Gedanken über ein pedantisch vorgegebenes Leitbild für die Landwirtschaft (von den Betriebsgrößen der Höfe, dem Anbau von Pflanzen bis zur Gestaltung des Dorfes und des Friedhofes), auf das er dann als Reichsführer SS und Reichskommissar für die Festigung des Deutschen Volkstums gegenüber den Volksdeutschen zurückgriff. (Vgl.: Allgemeinen Anordnung Nr. 7/II vom 26. November 1940 und Nr. 20/VI/42 vom 21.12. 1942 für die Volksdeutschen in den „eingegliederten Ostgebieten“). Vor allem ab 1940 zog er dann Agrarexperten und auch Wissenschaftler der TU Dresden zur Ausarbeitung von Weisungen mit heran. Schon am 7. 4. 1942 befahl der Reichsführer SS Himmler, bei der Ansiedlung im Osten die „germanischen Freiwilligen“ in der SS genauso wie Deutsche zu behandeln. (Der Befehl, Herausgeber NSDAP Arbeitsbereich Osten, Folge 2, 1943, NfD.) Die geheimen Zahlen, der nach dem Sieg auszusiedelnden Slawen und Balten, blieben bestehen. Heinrich Himmler, jetzt auch noch Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums, entwickelte sich zum oberster Herrscher aller deutschen Kolonisten im Osten. In der besetzten Ukraine konzentriere sich dann ein SS-Einsatzkommando R auf mehr als 22 000 „Schwarzmeerdeutsche“ in und um Odessa. Aus über 270 Dörfern nördlich von Odessa wurden zudem 124 900, als Volksdeutsche (I. und II.) anerkannte, besonders Bauern, von Einsatzkommandos in rund 250 vorher „gesäuberte“ Dörfer im Süden der Ukraine angesiedelt. Die Selbstschutzeinheiten von Volksdeutschen leitete und bewaffnete der SD und die Ordnungspolizei. (Weisung des Reichskommissars für die Ukraine zur Anordnung der vom 2. 4.1942, Zentralblatt des Reichskommissars für die Ukraine). Bewaffneter Dienst war für alle männliche Russlanddeutschen Pflicht, die damit in den Krieg im Osten mit einbezogen wurden. Für die wehrfähigen Russlanddeutschen in „Selbstschutzeinheiten“ (oder auch Freiwilliger Selbstschutz), ließ die SS in deutschen Dörfern ein Stabsgebäude, eine Kaserne, ein Fuhrpark, ein Exerzierplatz, ein Krankenhaus und ein Heldenfriedhof, nach Plänen der SS und Vorstellungen von Himmler, errichteten. (Der Deutsche in Transnistrien, Odessa, 8. 11. 1942 u. 25. 4. 1943). Die Krim, die wegen ihrer strategischen Lage, Bedeutung für die Versorgung, russischen Tradition, Bevölkerungsstruktur (44% Russen, 23 % Krimtataren, 10% Ukrainer, 5,7% Deutsche und einige andere Minderheiten wie 17 600 Juden, Griechen, Krimtschaken, Zigeuner) sowie als „ehemaliges Siedlungsgebiet der Goten“, nicht in den vom Ostminister verwalteten „Generalbezirk Taurin“ 2
  • 3. eingegliedert, sondern der Wehrmacht, mit einem SS-Kommando, später der Marine, unterstellt wurde, plante ursprünglich Himmlers Stab, fast ausschließlich mit Deutschen und Volksdeutschen (eventuell auch Südtiroler) sie zu besiedeln - einen bäuerlichen Wall, von Odessa beginnend, für das Deutschtum im Süden der Ukraine und Russlands, eventuell bis zum Kaukasus, zu errichten. Der Reichsführer SS gab dazu extra ein Leitheft (NfD), 7. Jhg., Kriegsausgabe, (6 b), „Das Germanenreich am Schwarzen Meer“, heraus. In den „SS Germanischen Leitheften 3/4 1942 entwickelten der Reichsführer SS und das SS Hauptamt auf mehreren Seiten zusätzliche Leitlinien, um „von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer“ mit „germanischen Stämmen“ ein „Bollwerk gegen den Bolschewismus“ zu errichten. Das SS-Sonderkommando 11b, Feldgendarmerie, der Fuhrpark der Wehrmacht, Tataren in der Wehrmacht und der SS sowie Teile eines Polizeiregiments veranstalteten im Januar 1941, in der Nähe von Sewastopol, das „Sinferopol- Masacker“, bei dem sie 10 600 Juden, 1500 Krimtschaken, 600 Zigeuner sowie nichtregistrierte Kommunisten, Angehörige der Roten Armee und Angestellte der Sowjetverwaltung grausam ermordeten. Mit der Beseitigung von „Gegnern“ schaffte die SS Raum für Siedler. Auf der Krim und Teilen des Südostens der Ukraine gewann die SS rund 10 000 Tataren für ihre Einheiten, um „gutes deutsches Blut zu schonen“. Der Verantwortliche für Diversion in der UdSSR, Oberst Gehlen, der spätere Chef der von den USA finanzieren und gesteuerten OG Gehlen, dann des BND, lies sogar ca. 200 000 Tataren in die Wehrmacht eingliedern. Auch hier im Osten gab es Absichten, den „Heiligen Krieg“ des Islam gegen Russland zu organisieren. Dabei muss beachtet werden, das Himmler die „Turkvölker“ in der Ukraine und in südlichen Gebieten der UdSSR nur als zeitweise Verbündete betrachtete. Im Kaukasus galten sie, nach Himmler, als mögliche langfristige Verbündete für die geplante NS-Herrschaft. Ob Gehlen und die SS-Führer auf den späteren „Heiligen Krieg“ der USA in Afghanistan Einfluss hatte, ist nicht bekannt, dagegen operierte er nach 1945 schon wieder verdeckt, im Osten Europas. Die kroatische Regierung und ihre deutsche Schutzmacht waren sich einig, Kroatien ethnisch zu säubern und zum Teil neu zu besiedeln. Ein großer Teil der Serben wurde aus dem Land vertrieben. In Kroatien mussten auf auf Grund einer Verfügung der kroatischen Regierung und der deutschen Vertretung vom August 1941alle wehrfähigen Deutschen Dienst in der Ustascha, der Wehrmacht, der SS oder in den deutschen FS-Einheiten tun. Die „deutsche Volksgruppe“ wurde vom Volksgruppenführer, Branimir Altgayer, der einen mittleren SS-Dienstgrad besaß, geführt. Die Volksgruppenführung (die SS) „siedelte“ einen Teil der Volksdeutschen Kroatiens an die westliche Grenze Kroatiens in Wehrdörfer um. Andere dirigierte die SS, im Januar 1942, rund 12 000 Gottscher Deutsche, dann im Spätherbst 1942 nochmals zusätzlich über 20 000 Deutsche, vorwiegend von gutgehenden Bauernhöfen südlich der Save, an die nun deutsche Reichsgrenze im Norden von Kroatien. Sie sollten als 3
  • 4. deutsche Bauern einen „unüberwindlichen Schutzwall“ für das nationalsozialistische Reich im Süden durch ein Gebiet von „Wehrbauern“ bilden. Himmler zerstörte und zersiedelte nicht nur gewachsene bäuerliche Siedlungsräume und Strukturen, sondern er verheizte die Siedler im Rahmen seiner Ideen und des Vernichtungskriegs in Europa. In diesem Vorgehen spiegelt sich nicht nur Himmlers Auffassung vom Germanentum, sondern auch der Einfluss von Bauernverbände aus den zwanziger Jahren mit einem aufkommenden Bauernkult, einem Rückgriffen auf das späte Mittelalter, gegen das Industriezeitalter wider. Pedantisch, wie für die Ukraine, geplante Himmler für das Baltikum, ganz Russland, den Balkan und Westeuropa die Vernichtung aller Juden, die Aussiedlung oder den Massenmord von „nicht zu Integrierende“ (besonders Slawen), verbunden mit der Idee von der germanische Kolonisierung ganz Europas. In der später immer problematischer werdenden Lage für den deutschen Faschismus, wies Himmler Führungskräfte des Reiches am 6. 10. 1943 auf einer geheimen Tagung an, „mit allen Mitteln russische Generäle“ für den Kampf gegen den Kommunismus zu gewinnen, aber ja langfristig „aus Slawen kein großes Programm machen“. Der NS-Agitator und Führer von zwanzig SS-Männer 1924, war 1942 Chef der deutschen Polizei mit zahlreichen Dienststelle und Einheiten, der KZs, eigener Betriebe, Verlage, des größten Spitzelsystems, bestimmte was gelesen, gedruckt und und in Europa gesendet wurde. Er verfügte, neben seinen SS Apparat über 500 000 deutsche, ausgezeichnet bewaffnete SS-Männer sowie Panzerverbände. Dazu kamen, als Herr über alle „Volksdeutschen“, ab Oktober 1939 300 000 Volksdeutsche und ca. 200 000 „europäischen“ Waffen SS-Männer, darunter auch viele Ukrainer und Kroaten sowie zahlreiche Polizeiregimenter zur „Säuberung und Sicherung der gewonnener Gebiete“ besonders im Osten und Südosten. Himmler hatte sich eine eigen große Armee aufgebaut. Der Reichsführer SS behandelte zu dem Regionen, wie das Sudetengebiet, Tschechien, Slowenien, z.T. Kroatien und besonders den gesamten Süden der Ukraine als zukünftigen von der SS beherrschten Teil eines SS-Europa. Erneut stellt sich die Frage, warum wird Himmler als Mystiker, verklemmter Ahnenforscher und Hühnerzüchter hingestellt und nicht als Reichsführer der Terrororganisation der NSDAP, Hitlers? Heinrich Himmler, Reichsführer SS, veröffentlichte 1936 in München „Die Schutzstaffel als antibolschewistische Kampforganisation“. Auf Seite 20 schrieb er: „Ich darf zur Schutzstaffel selbst kommen, die ein Teil dieser von Adolf Hitler geschaffenen und erzogenen Nationalsozialstichen Arbeiterpartei ist und die im Rahmen der Bewegung vom Führer ihre besondere Aufgabe der Sicherung der Reiches nach innen erhalten hat.“ Auf den folgenden Seiten legt er die Pflichten eines SS Mannes fest. Auf Seite 28 faste er damals zusammen, die SS ist im Inneren des Reiches das „gnadenlose Richtschwert“. Am 14. Dezember 1938, im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Krieges, erließ „Der Stellvertreter des Führers R. Heß“ die „Anordnung Nr. 201/38“ über den 4
  • 5. Sicherheitsdienst des Reichsführers SS für die NSADAP, die nicht zur Veröffentlichung zugelassen war. Der SD wurde als eine „Einrichtung der Partei“ bezeichnet, deren organisatorischer Träger die SS, eine Gliederung der Partei sei. Für sie habe er das Material zu beschaffen. Die Gauleiter der NSDAP seien berechtigt den SD-Dienststellen Aufträge zu erteilen, die über eine Bearbeitungsstelle verfügen. Die SS galt als eine Gliederung der Partei. Deshalb befahl Heß in der Anordnung Nr. 24/36l nochmals, dass der SD kein Recht besitze, die Partei zu überwachen. Fast zum gleichen Zeitpunkt erließ der Stellvertreter des Führers die Anordnung Nr. 200/38 über die Geheime Staatspolizei und deren Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Partei. Die Gestapo habe vom Führer den Auftrag erhalten, die Feinde des nationalsozialistischen Staates zu überwachen und unschädlich zu machen. Ihr sei dazu, Hilfe zu leisten. Da die Partei selbst keine Überwachungen durchführe, müssten alle die geheime Staatspolizei als Instrument der Partei, unterstützen. Zugleich sei es Aufgabe der vom Reichsführer SS geleiteten Dienststellen und der NSDAP, vertrauensvoll zusammen zu arbeiten. Eindeutig geht auch aus diesen Anordnungen hervor, dass die SS und ihre Teile als eine Gliederung der NSDAP galt. Das traf ebenso auf die Waffen SS zu. Himmler ließ dazu nochmals 1943, neben zahlreichen Erklärungen in den „SS-Leitheften“, selbst verbreiten: „Die Waffen SS ist der waffentragende Teil der Schutzstaffel der NSDAP.“ (Dich ruft die SS, Verantwortlicher Herausgeber: Der Reichsführer SS, Berlin 1943, S. 23.) Zugleich lassen diese Anordnungen erkennen, der schon frühzeitig riesige SS- Apparat wurde nochmals demonstrativ als Gliederung der Partei bezeichnet und der Partei untergeordnete, um seine Verselbständigung zu verhinderte. Selbst der Ostregierung mit ihren Zweigen im Baltikum, Weißrussland und in der Ukraine wurde eine Parteiorganisation der NSDAP vorgeschaltet, die kontrollierte, eigen Weisungen gab oder andere bestätigte. Hitler und die Reichsleiter der NSDAP sicherten damit ihre Machtposition. Die Waffen SS, mit 500 000 Deutsche, 300 000 Volksdeutsche und 200 000 Ausländern (den „Selbstschutz“ nicht eingerechnet) galt als Teil der SS somit als Gliederung der NSDAP. Hinzu kommen die Mitarbeiter des SS-Apparates, der Gestapo, des SD, der Allgemeinen SS und die FM-Mitglieder (Fördermitglieder). So verfügte Himmler 1943/44 über fast drei Millionen Menschen, die in seiner Gliederung der Partei vereint waren. In diesem Zusammenhang ist es völlig unverständlich, dass ein ausgebildeter Jurist und Bundeskanzler der Bundesrepublik, Dr. Konrad Adenauer, dem SS- Oberstgruppenführer Paul Hausser, einem führenden Mitglied der SS und der SS- Organisation in der Bundesrepublik, HIAG, schriftlich am 17. 12. 1952, das noch als „Generaloberst a. D.“, zusicherte, dass er und die SS „als Soldaten ehrenvoll für Deutschland gekämpft“ hätten. Verschleierte Adenauer bewusst die juristische Stellung der SS als verbrecherische Gliederung einer Partei oder gab es andere Gründe? 5
  • 6. Der Bundesminister für Justiz, Fritz Schäfer, CDU, versprach am 2. Januar 1961 dem belasteten SS-Obersturmbannführer, Joachim Peiper, dass die Urteile des Internationalen Militärgerichtshof „keine Rechtswirkung“ in der Bundesrepublik für die ehemaligen „Angehörigen der SS und Waffen SS“ hätten. Noch wenige Monate vor der Wende im Osten Deutschlands dankte „Der Freiwillige“, die Zeitschrift der SS vom Juli/August 1989, dem Bundesminister Hans Klein für sein „mutiges Auftreten im Bundestag“, weil er dort die SS als kämpfende Truppe, der Wehrmacht gleich, behandelte. Im Sprachrohr des Bundeskanzlers, dem „Deutschland-Magazin Nr. 6, 1989 , rief sogar Heinrich Lummer, MdB der CDU, auf, die Republikaner zu schützen und die Antifaschisten zu bekämpfen. Damit könnte man schlussfolgern, die Bundesregierung garantierte den legalen Fortbestand einer großen Gliederung der NSDAP und ihres Geistes und spekulierte mit ihr. Kurz danach erlangte die Mannschaft Kohls, die Zulassung der HIAG und anderer pro-faschistischer Gruppen im Osten Deutschlands. Ralph Giordano bezeichnete diese Entwicklung wenige Tage vorher (1989) als „großen Frieden mit den Tätern oder die zweite Schuld der Bundesrepublik“. Kürzlich wird wohl kaum Papst Franziskus in Auschwitz dieser „westlichen Wertegemeinschaft“ in seinem Gebt gedacht haben. Himmler begann ab 1934/35, nach und nach die verschiedensten Bereiche der Gesellschaft mit sein SS-Mitgliedern zu unterwandern und diese zu steuern. So beauftragte er den NS-Studentenführer von Heidelberg und Südwest, Gustav Adolf Scheel, der 1934/35 als SS-Brigadeführer bereits die erste Schule des SD in Deutschland leitete, 1935 mit der „Neuorganisation und Befriedung des deutschen Studentum“. (Deutsche Studentenzeitung, Berlin, 11. 11. 1936). 1936 wurde er zum Reichsstudentenführer berufen. Gleichzeitig wirkte er als Chef des SD Süd/Ost, wo er auch für das Pogrom im November 1938 zuständig war. Dafür erhielt er das Goldene Ehrenzeichen der NSDAP verliehen. Den nun SS-Oberführer und Höheren SS- und Polizeiführer Scheel, der nach außen immer noch als Reichsstudentenführer erschien, setzte Himmler 1940/41 als Leiter der Sicherheitspolizei und des SD im besetzten Elsas ein. Scheel säuberte den Elsass von politischen Gegnern, Franzosen, Juden, kontrollierte die Enteignung und die Vernichtung von französischer und humanistischer Literatur sowie die Beseitigung alles Französische in der Öffentlichkeit. Dafür erhielt er das Kriegsverdienstkreuz. Schließlich ernannte Himmler ihn zum SS-Obergruppenführer und Höheren SS- und Polizeiführer in Salzburg. Hitler sah Scheel in seinem Testament als Kultusminister in seiner Nachfolgeregierung vor. Ein Gericht in der BRD sprach ihn, der weiter aktiv für die Nazis wirkt, von aller Schuld frei. Über den Weg, mittels ergebenen Personen, durchsetze Himmler den gesamten Sicherheitsapparat, große Bereiche der Öffentlichkeit, die Medien, die Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen. Himmler konnte sich auf eine ergebene Garde bei der Beherrschung der Gesellschaft in Deutschland ab 1937/38 stützen. Seine in Staat, besonders Recht, Wissenschaft, Wissenschaft, Besatzungssystem und Partei untergekommenen Führungskräfte bedankten sich Himmler mit einer 6
  • 7. „Festgabe für Heinrich Himmler“ zu seinem 40. Geburtstag am 17, Juni 1941. In der Festgabe für Himmler tauchen Namen wie Reinhard Höhn, Werner Best und in den Zeitschriften z.B. Theodor Maunz u. a. auf, die später wieder Rang und Ansehen im Westen erhielten und Bereiche des öffentlichen Lebens mitbestimmten. Himmler besaß nicht nur einen Terrorapparat mit seiner SS, sondern einen Mechanismus, der Strategien, Herrschaftspläne für Europa, die Vernichtung der Juden in Europa, die Kolonisierung Russlands und selbst die Steuerung kleinster Räume des Lebens entwarf und sie begann zu verwirklichen. Die Fülle der Macht Himmlers war außerordentlich angestiegen. Unübersehbar begann die NS-Propaganda den „Dschihad“, einen heiligen Krieg von Moslems an Seite der Faschisten, ab 1941 selbst in ihrer regionalen Presse zu propagieren. Himmler lies dazu ab Ende 1943 in Kroatien, mit geistiger Hilfe des Großmuftis von Jerusalem, Mohammed Amin elf-Hussein, die 13. Waffen-SS-Gebirgs-Division, „Handschar“, aufbauen, die im Februar 1944 mit einer Stärke von über 21 000 Mann zum Einsatz kam. Kurz darauf stampfte die SS aus kroatischen „Muselmannen“ eine zweite Division (eine Gliederung der Partei) aus den Boden, die ebenfalls im „heiligen Krieg“ gegen „Ungläubige und Briten“ kämpfen sollte, jedoch auch sehr grausam im eigenem Land vorgingen. Die nationalsozialistische „ Alarm, Südost-Illustrierte“, beschrieb in ihrem Augustheft vom 1943 sehr ausgiebig den Kampf des „Halbmondes gegen das britische Joch und den Sowjetstern“. Schließlich schuf die SS unter den „Muselmannen Kroatiens“ „Selbstschutzeinheiten“ und bewaffnete sie. Aber auch die Wehrmacht verteilte im Dezember 1943 an Albaner, „Moslems“, Waffen. (Alarm, Südost-Illustrierte, N. 40, 1943 (Dezemberheft). Die deutsche Zeitung in Kroatien, Agram, vom 9. Januar 1944 verbreitete sogar auf einer ganzen Seite: „Das Schwert des Islam“ habe nun in Kroatien „zum heiligen Krieg“ aufgerufen. Sollte die angebliche starke Neigung zur Mystik und „Tibetverehrung“ Himmlers, der als einer der grausamsten sowie dem Führer unmittelbar unterstehender Reichsführer des NS-Systems von 1939 bis 1945 in die Geschichte einging, noch ganz andere Probleme verdecken? Ernst Röhm, Stabschef der SA, beschaffte Waffen und finanzierte, in seiner Eigenschaft als Offizier der 21 Schürzenbrigade in München, die Hitlerbewegung von 1919 an. Himmler selbst war Agent der Reichswehr, wie so viele in der SA. Röhm förderte und finanziert „geheim“ auch Himmler. Die Feme spielte in dieser Zeit bei Verrätern der „schwarzen Reichswehr“ und ihren Kameraden eine Rolle. Nach dem gescheiterten Hitlerputsch im November 1923, besuchte Himmler, als treuer Untergebener und Kamerad, im Februar 1924 seinen Vorgesetzten, Hauptmann Röhm, im Gefängnis. Dort überreichte er ihm „Zeitungen sowie Orangen“ und versicherte Röhm seine soldatische Treue. (Peter Longerich, Heinrich Himmler, München 2008, S. 77). Himmler arbeitete auch im Parteiapparat als stellvertretender 7
  • 8. Reichspropagandaleiter der NSDAP. Im Januar 1929 beförderte ihn Hitler zum Reichsführer SS, mit kapp 300 Mann, zu seinem Schutz, aber auch zum Schutz vor revoltierenden SA-Männer und zu ihrer Überwachung. Himmlers Verhältnis zur Obersten SA-Führung und zu Röhm war dabei wie das eines Parteisoldaten. Auch als Himmler den ehemaligen Offizier der Marien, Reinhard Heydrich, als Chef des Nachrichten- und Überwachungsdienstes in der SS aufbaute, gab es keine größeren Konflikte, da dieser auch den hohen SA-Führern sowie Hitler diente. Schon längere Zeit bestanden jedoch in der SA und Teilen ihrer Führung, besonders bei Weltkriegsoffiziere, gegensätzliche Auffassungen über die zukünftige Rolle der SA, besonders nach der Machtergreifung. Hitler, als treuer ehemaliger Agitator der Reichswehr war für deren sicheren Fortbestand. Er stellte sich deshalb frühzeitig offen in „Mein Kampf“ auf die Seite der Reichswehr. Einige SA-Führer wollte dagegen aus der SA ein Massenheer entstehen lassen und gut besoldete Positionen und Anteile an der Macht erlangen. Hitlers Taktik, ähnlich wie Mussolini, eine straff geführte Massenpartei, verknüpft mit militanten Massenorganisationen, zu schaffen, um zur Macht zu gelangen, hatte zweifellos Auswirkungen auf den Stellenwert der SA und SS. So unterstützten ab 1925 nicht nur allein die Terrororganisationen Hitlers bestreben. In München wirkten zahlreiche, einflussreiche Verlage für Hitler. So der Verlag Hugo Bruckmann, der Verlag Karl Bauer, der Hoheneichenverlag, der Deutsche Volksverlag, der Ludendorffs-Volkswarte-Verlag und andere. Hinzu kamen noch die nationalsozialistischen Verlage. Der Besitzer des große Julius F. Lehmann - Verlag, mit seinen medizinischen Schriften, aber ebenso rechtsradikalen und antisemitischen Massenliteratur, förderte Hitler und seine Führungsriege finanziell und ganz persönlich sowie über seine Funktion bei den Alldeutschen. Später verbreitete er auch Schriften von Himmler. Klaus Rösch bemerkt in seiner Schrift „Die Münchner NSDAP 1925 -1933“ (München 2002), dass von den 171 Buch- und Presseverlagen in München eine sehr große Gruppe die NSDAP direkt und indirekt unterstützt hätten. Die Verlage, zum Beispiele in Hamburg, Leipzig und Berlin, die den Weg Hitlers mit geebnet hatten, können hier in ihrer Vielzahl nicht aufgeführt werden. Hitler veranlasste, dass Alfred Rosenberg eine Nationalsozialistische Gesellschaft für Deutsche Kultur, später Kampfbund, 1928 gründete. Freiherr Hans von Wolzogen, Herausgeber der „ Bayreuther Blätter“, vertrauter Wagners und Leiter des Richard Wagner Vereins, entwarf den Gründungsaufruf und unterzeichnete ihn. Weitere öffentliche Förderer dieser Gründung waren Eva Chamberlain - Wagner, Winifred Wagner, Daniela Thade aus dem „Bayreuther geistigen Zentrum der NSDAP“. Der Kampfbund baute danach nationalsozialistische Gruppen mit Förderern in den Bereichern Musik, Theater, bildende Kunst, Literatur und Wissenschaft auf, um in diesen, zum Teil noch konservativ beherrschten Bereichen, die geistige Vormacht zu übernehmen. 8
  • 9. Interessant ist in diesem Zusammenhang der große Einfluss der Nationalsozialisten in Thüringen, den damals rechtskonservative Akademiker sowie Teile der evangelischen Kirche förderten. So veranstaltete die NSDAP auch ihren ersten großangelegten Parteitag 1926 in Weimar. In Weimar, die Stadt, die Hitler sehr oft besuchte, beteiligte sich die NSDAP schon 1923 an der Thüringer Landesregierung. Später übernahm sie sogar die Landesregierung in Thüringen. Mit ihr erprobte sie die Verfolgung und Vertreibung von Andersdenkenden bereits im großen Rahmen. Ach hier offenbart sich die verändert Taktik Hitler, mit einer Massenpartei und militanten Massenorganisationen über Wahlen an die Macht zu kommen. Dazu benötigte Hitler und seine Partei immer mehr finanzielle Unterstützung. Hitler und seine Führungsriege suchten deshalb ab 1925 nicht nur nach geistigen Helfern, sondern besonders auch nach vielen finanziellen Förderern. Bei der Suche nach geistigen und finanziellen Helfern, begleitete ihn und sein getreuer Himmler mit der Schutzstaffel. Himmler gründete dabei, vorausschauend, bereits 1926 einen eigenen finanziellen Förderverein, „FM“. Er wuchs nach der Machtergreifung zu einer Teilorganisation der SS mit eigener Zeitschrift heran. Er wurde jedoch später durch den „Freundeskreise Himmler“ in den Schatten gestellt. Bereits vor Kriegsbeginn saßen die wichtigsten Vertreter der Industrie, der Banken, der Regierung, des Propagandaapparates Deutschlands und der SS im Freundeskreis Himmler. Er nahm starken Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaft, der Rüstung, der Politik, der Propaganda und finanzierte die SS großzügig. Mit dem Überfall auf Polen, stieg, getragen von den KZ, die SS zu einer relativ großen, eigenständigen Wirtschaftsmacht auf. Später vermietete die SS zudem die Insassen von KZ an die Wirtschaft zur Vernichtung durch Arbeit. Mit Hilfe des Freundeskreises von Himmler entstand in Niederschlesien und den neugeschaffenen Gauen auf ehemaligen polnischen Gebieten ein neues Rüstungszentrum, das angeblich frei von Luftschlägen sei. Neben Auschwitz entstanden dort unzählige kleinere Arbeitslager. Selbst Militärbefehlshaber deportierte in dieses Gebiet Juden, Widerstandskämpfer, unliebsame Elemente und Geiseln. Die Erlasse des Militärbefehlshaber in Frankreich, General Otto von Stülbnagel, spiegeln dies besonders ab September 1941, veröffentlicht zum Teil im „Soldat im Westen“, der „Tageszeitung der Armee“, und in der „Pariser Zeitung“ klar wider. Massendeportation von Juden und Widerstandskämpfern in die Ostgebiete gehörten zur tagtäglichen Erscheinung. So half dann auch die Armee mit die Lager der SS zu füllen. Nicht nur in den großen KZ wurden Menschen ermordet, sondern auch in den zahllosen Arbeitslager „durch Arbeit vernichtet“. Im August 1943 informierte das Verordnungsblatt der NSDAP (15), Gau Niederschlesien auf Seite 5: „Durch die Hereinbringung jüdischer Arbeitskommandos in den Gau ist die Frage der Beerdigung verstorbener Juden aufgetaucht. Da die Unterbringung in unseren Friedhöfen nicht in Frage kommt....empfiehlt es sich, mit den Kommandanten der Kriegsgefangenenlager Fühlung aufzunehmen. Die Juden können zweckmäßig mit den zu bestattenden Sowjetkriegsgefangenen begraben 9
  • 10. werden.“ „Lichtenstein, Gauamtsleiter“. Die „Förderung“ der Industrie durch „Arbeitskräfte“ sah letztendlich auch die Art der Beerdigung mit vor. Himmler war ein eiskalter Stratege der Macht geworden. Aber warum umgab sich Himmler vor allem ab 1934/35 mit einer gewissen Mystik? Die SA, der Hitler auch die Machtübernahme 1933 verdankte, war von Anfang 1933 mit über 400 000 Mann auf 2,5 Millionen Ende 1933 angewachsen (Die SA, Sonderdruck 4, 1941). Durch die Eingliederung des Stahlhelm und großer Teile des Kyffhäuserbundes erreichte sie im Frühjahr 1934 angeblich, nach Angaben von SA- Obergruppenführer Max Jüttner, eine Stärke von 4,5 Millionen Personen. Hermann Göring stellte für sich aus SA-Angehörigen ein Wachregiment auf, setzte 50 000 Angehörige der SA als Hilfspolizisten in Preußen ein, erhob aber ebenso 50 000 bewaffnete Mitglieder des Stahlhelm zu Hilfspolizisten, von denen ein Teil die Rundfunkanlagen zu bewachen hatten. Allein in Berlin verfügte der SA-Obergruppenführer Karl Ernst über mehr bewaffnete und gut organisierte Kräfte, als die Reichswehr. Neben eine Stab von erfahrenen Weltkriegsoffizieren, besaß die SA zudem eigene Nachrichteneinheiten, Fahrzeugabteilungen, Wachbataillone, Spezialeinheiten, wie die Reiter- und Gebirgs- SA, KZ, war Polizeibehörde usw. Ab 1934 finanzierte das Innenministerium große Teile de SA. Der Chef der SA, Ernst Röhm, entwickelte sogar einige außenpolitische Aktivitäten. Unzufriedenheiten und Unsicherheiten über die Zukunft kamen im Stahlhelm besonders Ende 1933 auf. Aber auch in der SA gärte es. Während einige unzufrieden mit dem Anteil an der Macht waren, wollten anderen die Reichswehr ablösen. Hinzu entstanden Diskussionen über die Führung und die grundsätzliche Stellung der SA. Die SA und ihre Führung erschien der Reichswehr, den Großen der Wirtschaft, Teilen des Adels und vielen ausländischen Regierungen als ein großer wachsender Unsicherheitsfaktor. Es breitete sich eine, zum Teil hochgespielte, Angst vor einer „zweiten Revolution“ aus, obwohl Hitler die „Revolution“ offiziell als abgeschlossen erklärt hatte. Selbst Mussolini riet dem „Führer“, Ordnung im Hause zu schaffen. Jan Francios, L'affäre Roehm - Hitler, erschienen 1939 in Paris, erregte großes Aufsehen. Diese aufschlussreiche Schrift über die Hintergründe des angeblichen Putsches von Röhm, wurde in Deutschland sofort verboten und nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich verfolgt. Sie landete im Juli 1942 auf der „Liste Otto, unerwünschte französische Literatur“ der deutschen Besatzung in Frankreich. Jan Francois Veröffentlichung konnte dann erst 1949 in Berlin, in deutscher Sprache, herausgegeben werden. In ihr schilderte er, dass Hitler mit der Reichswehr schon länger verhandelt habe und ab Juni 1934 mit dem General und Reichswehrminister Werner von Blomberg und General Werner Freiherr von Fritsch eine „Lösung“ fand. Die Reichswehr ging ab Ende Juni in Bereitschaft und stellte der SS Waffen und Fahrzeuge zur Verfügung. Hitler befahl der SA ab 1. Juli 1934 einen Monat Urlaub, verknüpft mit dem Verbot, Uniformen zu tragen. Zugleich rief er die SA-Führer zu einem angeblich Großen Rat 10
  • 11. nach München zusammen. Am 29. Juni traf sich Hitler zur Absprache bei einem „Essen mit der Ruheindustrie“, so Jan Francois, und ernannte am gleichen Abend Viktor Lutze zum neuen Chef des Stabes der SA und Obergruppenführer. Lutze soll vorher SA-Führer Nord und Polizeipräsident in Hannover sowie Göring bekannt gewesen sein. Als Hitler Himmler am 6. Januar 1929 zum Reichsführer SS ernannte, hatte er von ihm gefordert, eine „in jedem Falle verlässliche Truppe, eine Elitetruppe der Partei zu formen.“ (Alquen, Gunter d, Die SS, Berlin 1939, S .8. G. d`Alquen war SS- Standartenführer und ab 1935 Chef des Schwarzen Korps.) Am 20. Juli 1934 trennte Hitler die SS von der SA-Führung und ernannte sie zu einer „dem Führer direkt unterstellten Gliederung der Partei“, die schon durch ihre schwarze Uniform äußerlich von der SA getrennt war. Die SS soll nach offiziellen Angaben im Januar 1933 52 000 und im Januar 1935 164 883 Mitglieder besessen haben. Hinzu kam, dass sich schon 1934 viele Polizeidienststellen und Einheiten in Händen der SS befanden. Reinhard Heydrich, Chef des Sicherheitsdienstes der SS und NSDAP in Berlin, hatte vorher die Listen für die Liquidierung von unliebsamen SA-Führer und konservativen Politikern, den angeblichen Verschwörern und Feinden, zusammengestellt. Am 30. Juni schwärmten, die mit Waffen und Fahrzeugen von der Reichswehr unterstützten, SS-Exekutionskommandos in ganz Deutschland aus. Hitler flog nach München. In München und Umgebung wurde Röhm, der Chef der SA und ein Teil der SA Obergruppenführer und Gruppenführer am 30. Juni 1934 sofort ermordet. Größere Exekutionen gab es zur gleichen Zeit in Berlin. Sogenannte Kampfgefährten mordeten in ganz Deutschland ehemalige Kampfgenossen Hitlers. Am nächsten Tag waren die Tageszeitungen mit Meldungen über „Säuberungsaktionen“, Verhaftungen und Liquidierungen vom angeblichen Hochverrätern sowie von einem angeblichen Putsch voll. Zugleich veröffentlichte die NS-Führung einen Befehl und eine Meldung Hitlers. Am Ende rief die Meldung zum absoluten „Gehorsam“ auf. Die gesteuerte Presse sprach anfangs von Röhm, der angeblich Widerstand geleistete habe und „sieben SA-Führer“ sowie General Schleicher, die erschossen wurden sein. Von sieben Ermordeten verbot Himmler noch am 30. Juni 1934 alle Veröffentlichungen, rund 28 Schriften, sogar auch alle gedruckte Quellen über sie. Sie sollten aus dem Gedächtnis der Menschen in Deutschland gestrichen werden. Kurz danach nannte man in Nazideutschland 20 bis 30 Verräter. Hitler selbst sprach dann vor dem Reichstag am 13. Juli 1934 von 77 Toten. Solide Untersuchungen nennen 1000 Opfer. Gorden Williamsen meint in „Die SS Hitlers Instrument der Macht“, Klagenfurt 2000, dass die Zahl der Ermordeten von 1934 wahrscheinlich viel höher als 1000 gewesen sei. In den Reihen von SA-Angehörigen herrschte Unsicherheit, unter ehemaligen Mitgliedern des Stahlhelm sogar Unruhe und Angst um die Zukunft. In einigen konservativen Kreisen und Verbänden war man, ohne groß drüber zu sprechen, schockiert. Zugleich nahmen Verfolgungen und Drohungen im NS-Reich zu. 11
  • 12. So verging keine Rede des neuen Chefs der SA, Lutze, wo er nicht lautstark verkündete, „Wer uns bekämpft, den schlagen wir nieder, wer uns provoziert den greifen wir an.“ So in „Reden an die SA“, erscheinen in München 1936. Himmler, der die Morde an seinen ehemalige Förderern und Kameraden leitete und von seinen germanischen Helden durchführen lies, sah sich danach gezwungen, sein Ansehen sowie das der SS, das der Massenmord an „Kameraden“ angeschlagen hatte, aufzubessern. Neben der Angst, die die Morde von 1934 verbreiteten, entwickelten sich auch Zweifel bei einzelnen Sympathisanten an der „Kameradschaft“ und nicht offen ausgesprochene Enttäuschungen im kleinbürgerlichen Milieu über die Morde. Unter den ehemaligen Angehörigen der Schwarzen Reichswehr, nationalistischen Verbänden und den Bergsteigervereinen war die Treue unter den Kameraden, ihr Zusammenhalt bis zum Einsatz des Lebens, eine verbreitete Regel. Der Verrat von Kameraden, ja sogar organisierter Massenmord unter Kameraden galt eigentlich als etwas Unvorstellbares. Die Angst um das eigene Leben und auch um die eigene Karriere ließen in diesen Kreisen meist keinen offenen Protest aufkommen. Himmler musste jedoch nach dem 1. Juli für sich und die SS etwas tun. Er umgab deshalb die SS mit dem Schein eines Ordens, treuer Germanen und „einer verschworenen Gemeinschaft nationalsozialistischer Weltanschauung“ sowie mit einem sich wandelnden Mythos. So hieß es im Alquens Schrift 1935 „Die SS“: „Kernsatz der SS: So sind wir angetreten und marschieren nach unabänderlichen Gesetzten als ein nationalsozialistischer, soldatischer Orden nordisch-bestimmter Männer und als geschworene Gemeinschaft ihrer Sippe ...“ Das SS-Leitheft, Nr. 2, Februar 1943, (NfD), widmete sogar eine ganze Ausgaben nochmals dem „SS-Ordensgedanke“. So sei die „SS eine „Ordensgemeinschaft“, “dem Führer verschworen“, „ein weltanschaulicher Orden“, „Sippengemeinschaft“ und „soldatische Kampfgemeinschaft“. Nirgends taucht auch nur in Ansätzen die Überlegung der SS-Führung auf, dass sie so etwas wie die Wehrmacht sei. 1935 gründete Himmler das „Ahnenerbe“ als privaten (propagandistischen, scheinwissenschaftlichen) Verein, um seine SS mit einem „Heilgenschein“ zu umhüllen sowie seiner „ Forschung“ und Aufklärung ein wissenschaftliches Ansehen zu geben. Gezielt widmete sich dabei Himmler mit seinem SS-Apparat Bergsteigerkreisen, Alpenvereinen, Traditionsvereinen, um ihrem Elitegeist und ihr Standesbewusstsein für den Einfuß der SS und in der SS zu nutzen. In seiner Dissertation „Nationalsozialistische Expeditionspolitik deutsche Asien - Expeditionen 1933- 1945 (München 2006) hebt Peter Mierau hervor, dass es Himmler dabei um die bergsteigerischen Eliten ging, die fast alle Weltkriegsteilnehmer gewesen waren und einen Mannschaftsgeist einer Grabengemeinschaft und des Einsatzes für den Kameraden entwickelt hätten. Das Germanentum, der Adel und die Ritterorden waren weitere zentrale Ausgangspunkte im Konzept „der Erziehung der SS zur Elite“. Dies lieferte auch 12
  • 13. später die Scheinbegründungen für den Raub von „Siedlungsräumen“ für Söldner, die Sammlung von bewaffneten volksdeutschen Parteisoldaten sowie Moslems für einen „heiligen Krieg“ in Teilen der UdSSR und besonders in der Ukraine. Versuche, Bewohner von Tibet und Afghanistan für die SS zugewinnen, waren im Grunde erfolglos. Ab 1935 hatte Himmler auch mit Totenferien, Fahnenkult, Ausgrabungen von angeblichen Germanen begonnen, um die SS als ein besonderen Orden erscheinen zu lassen. Himmler suchte auch nach größeren „geheimnisvollen“ Kultobjekten. So baute er ab 1934 die Wewelsburg bei Paderborn, mit großen Aufwand und einem extra KZ mit billige Lohnsklaven, zur Ordensburg der SS um. Auf ihr fanden noch kurz vor Kriegsbeginn einige Tagungen und Schulungen der statt. Immer mehr wurde aber Raubgut, erst aus Deutschland, später aus Europa in ihr eingelagert. Eine relativ große „SS-Bibliothek“ mit geraubten Büchern, nutzte Himmlers Führung im Verlaufe des Krieges jedoch kaum. Der Leiter der Bibliothek, SS-Führer Hans-Peter (Jean-Pierre) Des Coudres, musste später eine SS-Division einrücken. Insbesondere nach 1934 erweiterte die SS ihren Einfluss gezielt auf den elitären Akademischen Alpenverein, auf die Deutsch Himalaja-Stiftung sowie auf den Deutschen und Österreichischen Alpenverein. Zudem rückten andere lokale Bergsteigervereine in das Visier. Nach außen, begann sich die SS, an der Förderung des internationalen Wettstreites über die Bezwingung von Gipfeln zu beteiligen. Dabei besaß Großbritannischen durch seine Kolonien bestimmte Vorteile im asiatisch-indischen Raum sowie besonders in Tibet. Bereits bei der Vorbereitung des 1. Weltkrieges rückte Tibet als „Schlüsselstellung“ zwischen Russland, den englischen Kolonien und China in die deutschen strategische Überlegungen. So wurde im März 1914 ein Leutnant zum Großen Generalstab befohlen, der dann im Auftrag des Auswärtigen Amtes nach Afghanistan und Tibet, „in das von Russen und Engländern beeinflusste Gebiet“ eindringen sollte. Dem Offizier gelang es, „sich bis nach Herat und Kabul“ durchzuschlagen, wo er dann bei einen Emir untertauchte. Unter schwierigen Umständen konnte er nach zehn Monaten aus Afghanistan, ohne große Erfolge, über China und Japan zurückzukehren. Eine „schriftliche Information“ über den Verlauf des Auftrages des Generalstabes verfasste nachträglich Werner-Otto Hentig unter der Überschrift „Ins verschlossene Land“. Das Oberkommando der Wehrmacht und der NS-Führungsstab in Dresden ließ sie, die angeblich nach einer nur für die Reichswehr von 1928 verfasste Schrift, drucken. Sie durfte jedoch nur über den Dienstweg vom OKW angefordert werden. Diese Schrift des OKW informierte zudem, dass die Regierung Österreichs 1914 sogar zwei Offiziere in das Gebiet Tibet - Afghanistan geschickt habe. Von ihnen sei einer umgekommen, der andere, erst nach sehr lange Zeit, über China zurückgekehrt. Damit wurde das Interesse von Deutschland und Österreich an Tibet und Afghanistan sowie an möglichen Verbündeten im Kampf gegen England und Russland schon kurz vor dem Ausbruch des Krieges 1914 deutlich. Der von Himmler als private Verein, am 1. Juli 1935 gegründete „Das Ahnenerbe“, 13
  • 14. widmete sich anfangs dem „Volksbrauchtum“, germanischer Vorgeschichte und Ahnenforschung. Er verstand sich im Grunde als ein ideologisches sowie politisches nationalsozialistisches Zentrum. Der Einfluss und die Aufgaben des „privaten Vereins“ Himmlers wuchsen schnell, ebenso schnell wuchsen die Forschungsgebiete über die Rassenbiologie hinaus, so u.a, die „Goldsuche“ oder die „Zucht von winterharten Pferden“. Damit nahm die Kontrolle und der direkte Einfluss der SS auf die Forschung, besonders die Kriegsforschung, schrittweise zu. Gleichzeitig entstanden die Lehr- und Forschungsstätte Innerasien und Expeditionen (Reichsinstitut Sven Hedin), die Forschungsstätte für Karst und Höhlenforschung sowie sogar eine für Luftfahrttechnische Untersuchungen. Ab 1940 wurden fast die gesamten Forschungsthemen kriegswichtig und geheim, einige von ihnen, vor allem die Forschung an Menschen, in KZs verlagert. Alle von der SS geförderte und propagandistisch hochgespielte Nanga-Parbat- Expetitionen ab 1934 bis 1937/38 führten eine Katastrophe. So auch die unter Leitung von Hans Hartmann vom Mai 1937 bis zum 13. Juni 1937, wo sieben Deutsche und neun Träger umkamen. Diese Expedition galt nur intern als ein Erfolg für die geheime Forschung der Luftwaffe. Der Bergsteiger Hans Hartmann, Mitglied der NSDAP, war seit 1934 an der Luftfahrtmedizinnischen Forschungsanstalt des Reichsluftfahrtministeriums angestellt. Er beschäftigte sich mit massenpsychologischen Untersuchungen, Auswirkungen von Höhen auf den menschlichen Organismus, Grenzen des Höhenfluges für den Menschen und damit wichtigen Fragen für die Luftwaffe. 1937 wurde Hartmann vom Reichsminister Göring zum Regierungsrat ernannt und schloss seine Forschung im Labor mit einer Habilitationsschrift ab. Nun sollten seine Erkenntnisse im Labor in der Praxis, im Hochgebirge an Menschen und Maschinen überprüft werden. Zwar trägt das Buch von „Hans Hartmann +“ unter dem Titel „Ziel Nanga Parbat“, in Berlin 1942 in 2. Auflage erschienen, den Charakter von Tagesbuchblätter eines gescheiterten Bergsteigerunternehmen, jedoch schon auf Seite 35 des Tagebuches von Hartmann finden sich verdeckt Bemerkungen zum eigentlichen Auftrag. „Im vorläufigen Hauptlager (3700). Große Packerei, 2 Tage Untersuchungen an Sherbas und Träger...“. „1. Juni Hauptlager (4000)“ ... „Für unsere Wissenshaft ist es außerordentlich günstig, dass rund 8 Tage nach dem Beginn des Angriffs nochmals alle Männer hier unten ums Mikroskop versammelt sind und wir ihnen beliebig Blut abzapfen können. Ganz toll sind die Blutkörperchenzunahmen ...“. Zum Lager über 5600 bis 5880 Meter Höhe hießt es, „neue Untersuchungen“... „am 6. Juni in 6200“ Meter. Das war kurz vor der Katastrophe. 1938 lässt das Ahnenerbe eine neue Expedition, mit großzügiger finanzieller Ausstattung, unter Leitung von Paul Bauer nach Tibet starten. Ihr gehörten acht (neun ?) Personen an. Sie trafen am 31. Mai 1938 ein und bezogen bereits kurz danach ihr Basislager zur Expedition zum Nanga Parbat. Die Mannschaft baute vier Lager auf und kämpften sich hoch. Zur Förderung der Expedition sowie Belieferung 14
  • 15. der Basislager stand eine Ju 52 zur Verfügung. Bereits am 6. August ließ Bauer wegen anhaltender Kälte, Schneemassen und schlechtem Wetter die Expedition abbrechen. Der Versuch, den Berg von der SS zu bezwingen, war wieder gescheitert. Nach außen wird der Einsatz einer Ju 52 als Hilfsinstrument und Transportmittel zur Erleichterung der Arbeit am Berg hingestellt. Da von den Engländern das Bergsteigen und auch das Fliegen in ihrem Einflussgebiet genehmigt werden musste, bekam die deutsche Mannschaft für die Flüge der Ju im Raum von Nanga Parbat einen englischen Fliegerhauptmann als Verbindungsoffizier für die Expedition und Flüge zugeordnet. Damit stoßen wir auf einen weiteren Grund, die Expedition „mystisch“ und als „Sport“ von Seiten der SS zu tarnen. Bei einer Durchsicht des Berichtes von Flugkapitän und Dipl.- Ing. für Luftfahrt, Alexander Thönes, über den „Einsatz der JU D - AWBR in Naga Parbat“ ist jedoch eine enge Zusammenarbeit von SS und dem Luftfahrtministerium unter Göring für die Luftfahrtforschung, den Einsatz der Ju und der Erkundung der Region zu bemerken. Thönes testete die JU beim Starten und Landen auf einer abfallenden Hochfläche in 1600 Meter Meereshöhe und schufen sich dort eine leistungsfähige Anlagen für Funkverbindungen in großen Höhen. Seine Mannschaft plante und erprobte die Einsätze von Brennstoff und Sauerstoff. Sie erkundeten auch den notwendige Bedarf von Sauerstoff und Pelzbekleidung. In seinem Bericht vermerkte Thönes extra: „Die gute Ju ist hier oben in 6000 Meter ebenso wendig wie unten...Die Last liegt ruhig.“ (Nanga Parbat, Ein Bericht über den Einsatz der D-AWBR, Von Flugkapitän Dipl.- Ing. Thönes, Soldat der Luftwaffe, Oktober 1938, H. 10, S. 238). Mit der Ju wurde besonders der Transport von Personen und Lasten getestet, mehrfach der zielgenaue Anflug sowie Abwurf von Versorgungsgütern und Benzin auf vorgegebene Punkte in 6200 Meter Höhe. Die Anflüge und die Abwürfe auf verschiedene Lager fotografierte die Mannschaft ra und zusätzlich „über einem Gewirr von Lichtbildkammern“. Auch Abwürfe bei niedrigem Anflug auf das Lager testete Thönes. Schließlich schilderte der Bericht mehrfach die Arbeit des Funkers und des Bordtechnikers mit Kameras bei fast allen Flügen in der Region. So testeten sie die Luftbildkameras bei langen An- und Versorgungsflügen in der gesamten Region. Somit war die Unterstützung der Bergexpedition, die abgebrochen wurde, durch ein Flugzeug mit Flugkapitän Alexander Thönes, Bordwart Otto Spengler und Bordfunker (Fotograf) Rudolf Mense in Wirklichkeit ein großer Erfolg für die Erkundung der Region, ein wichtiger Test für die Ju beim Einsatz in großen Höhen im Krieg und für die weitere Luftfahrtrüstung. Die Expedition zum Dach der Welt war ein Teil der Kriegsvorbereitung der deutschen Faschisten. Die deutsche Luftwaffe hatte extra 1938 eine Luftbild - Fliegerschule gegründet. Sogar bei zivilen Flügen wurden Kameras zur Aufklärung eingesetzt. Im Juni 1936 schickte Hitler die Legion Condor mit einer Stärke von über 6 000 Mann zur Unterstützung des Putsches von Franco nach Spanien. Die vier Kampfstaffeln Ju 52, transportierten 12 000 Marokkaner und Waffen für Francos 15
  • 16. Krieg nach Spanien und warfen Bomben auf Zivilisten ab . Vier Kampfstaffel He 51, eine Aufklärungsstaffel sowie eine Seestaffel erprobten zudem in Spanien den Einsatz im Krieg. Dabei war die „Luftbilderfassung“ ein wichtiger Bestandteil für ihre Erfolge für Franco und zugleich ein großer Test für den September 1939. Der Bereich Fernaufklärung Luft der deutschen Luftwaffe (die zivile Luftfahrt eingeschlossen) meldete kurz vor Beginn des Krieges 1939, das 13 Mill. qm Häfen, Schiffe usw., 6 435 Bahnhöfe und 12 000 Flughäfen erfasst und für kommende Einsätze zu verwenden seien . Das nächste SS-Kommando, unter Leitung des SS-Sturbannführer, Mitglied des Freundeskreises Himmler, Ornithologe (Zoologen), Dr. Ernst Schäfer, brach am 21. April 1929 von Europa nach „Himalaja“ auf. Dieser Expedition gehörten zudem Hauptsturmführer und Mitglied des persönlichen Stabes Himmlers, Bruno Beger, Anthropologe, an, der später seine Forschung während des II. Weltkrieges im KZ Auschwitz weiterführte. In der ausgewählten SS-Mannschaft wirkten noch der Angehörige der SS, Edmund Geer, als „Karawanenführer“ und technischer Leiter, Ernst Krause als Geograph und Kameramann sowie SS-Hauptsturmführer und Mitarbeiter des SS-Ahnenerbe, Dr. Karl Wienert, als Geophysiker und Geograph. In der NS-Presse erschienen über den gesamten Verlauf des Unternehmens ausgewählte sowie sehr unterschiedliche Angaben. Nach Berichten habe die SS- Truppe ca. sechs Monate in Sikkim gewirkt. Informationen dazu fehlen, weil die Erkundung für mögliche Kriegshandlungen im asiatisch-indischen Raum (UdSSR, China, Afghanistan, Indien und Japan) im Mittelpunkt standen. Für Tibet selbst besaß SS-Expetition keine Aufenthaltsgenehmigung der britisch-indischen Regierung. Über nicht genante Kanäle erhielt aber Schäfers Mannschaft eine Einladung der Regierung von Lhasa für einen Aufenthalt von 50 Tagen in Tibet und zum Besuch von Batang und andere Regionen. Ihnen gelang es auch Kontakt zum jungen Regenten Reting Rinpoche aufzunehmen, der angeblich einen Brief an Hitler geschrieben habe. Den Brief, den Hitler nie beantwortete, nutzten die NS-Ideologen für ihre NS-Tibet Legendenbildung von einer angeblichen nazifreudlichen Gesinnung von Tibetanern und möglichen Verbündeten. Aus vielen Meldungen geht hervor, Schäfer sollte angeblich neue Getreidekörner, Samen, robuste Pferde u.a. für die Kriegsvorbereitung auffinden, Beger, für die Rassentheorie, fleißig Schädel messen und Körper von Tibetern untersuchen. Aber der Uhrarier konnte nicht aufgefunden werden. Was die anderen drei Teilnehmer für Aufgaben hatten und was sie besonders als Geographen taten, blieb für die Öffentlichkeit geheim. Viele Jahre danach zeigte eine andere Großmacht an dieser Schlüsselregion Interesse und soll sogar den Dalai Lama als Agent geworben haben. Aus der heiligen Stadt und der zugänglichen Region brachte die SS-Truppe Geschenke mit, so eine alte Schrift, getrocknete Schafe, Fotos von Hafenkreuzen usw. Später stellte das Ahnenerbe sogar einige dieser „Trophäen“ aus. Nur wenige Tage vor Kriegsbeginn holte Himmler seine „SS -Tibet - Expedition“ 16
  • 17. zurück und begrüßte sie selbst gerade noch am 4. August auf dem Fluglatz. Die „Schlesische Tageszeitung“ vom 5. 8. 1939 feierte die SS-Führer sogar als „die ersten Deutsche in Lhasa“. Der Propagandarummel um Tibet und die SS wurde jedoch durch die massive geistige und direkte Kriegsvorbereitung unterbrochen. Später verlegte Schäfer seine Versuchen an Menschen auf Juden im KZ, bevor er wieder in der „westlichen Wertegemeinschaft“ zum Experte aufstieg. Berger diente ab 1943 im KZ Auschwitz. SS-Sturmbannführer Dr. Ernst Schäfer trat aber auch als Propagandist der SS- Führung und des Ahnenerbe während des Krieges auf. Gustav Adolf Scheel, Reichsstundenführer, Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD im Wehrkreis Stuttgart und 1939 für die Liquidierung der Juden zuständig, SD- Chef im besetzten Elsass, ab April 1941 Chef der Sicherheitspolizei und des SD in München, Generalmajor der Polizei, berief Hitler am 1. Dezember zum Reichsstatthalter vom Gau Salzburg. Himmler ernannte ihn zu SS-Obergruppenführer und zugleich zum Reichskommissar für die Festigung des des deutsche Volkstums in diesem Gau. Er sollte zudem das Hinterland von Hitlers Obersalzberg und die Ostmark mit der SS absichern sowie die Stadt Salzburg zu einem Zentrum der SS und deren Propaganda gestalten. Scheel führte seinen Gau nach „rassischen Lebensgesetzen“ und entwickelte für ihn extra „Grundsätze eines Salzburger Kulturprogramms“ nach „rassischen Lebensgesetzen“ (NSG, 100/42, Gau Salzburg, 14. 5. 1942, S. 2-3.) In der Stadt tagten unter Scheel öfter SS-Führer, Militärattachés aus der Slowakei, Italien, Japan, Spanien, Finnland, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Argentinien, Schweiz und Thailand, NS-Dichter u. a. Salzburg entwickelt sich zu einem Ziel für Reisen vieler führender Nazis aus dem Reich. Im Westen Deutschlands stufte Scheel ein Gericht nach 1945 als nur minder belastet und frei ein. Der SS-Standartenführer und Reichsgeschäftsführer des pseudowissenschaftlichen SS-Ahnenerbe, Wolfram Sievers, richtete nach 1938 ein Zentrum des SS-Ahnenerbe im „Haus der Natur“ der Stadt Salzburg ein. Es leitete der ehemalige Salzburger Professor, SS-Obersturmbannführer Eduard Tratz. Diese Einrichtung im Gau Salzburg entwickelte sich nach und nach auch zu einer wichtigen Sammelstelle von Beutegut der SS. SS-Obergruppenführer und General der Polizei Scheel aktivierte als „Schirmherr“ das „Hauses der Natur“, um den Einfluss der SS im ehemaligen Österreich und besonders in den südosteuropäischen Ländern zu erhöhen. In diesem Zusammenhang wurde festgelegt, dass im „Haus der Natur“, unter Ehrenschutz von Scheel, der „Tibetforscher Dr. Ernst Schäfer, am 12. Dezember 1942, einen großen Expedition-Vortragsabend über die „Dritte große Tibetexpetition in das verbotene Land, Lhasa“, „gefördert vom Reichsführer SS “, durchführt. Zum 17. Januar 1943 stellte zudem SS- Sturmbannführer und Vertrauter Himmlers, Ernst Schäfer, im „Haus der Natur“ einen „großen Bildbericht der SS-Expetition“, Ausstellung) vor. Hervorgehoben wurde, dass Schäfer als Mönch und und ein großes 17
  • 18. Hakenkreuz als Symbol zusehen sei. Auf der Veranstaltung im Dezember lobte Schäfer die angeblichen großen Leistungen und Fördermittel von Himmler für die Expeditionen nach Tibet und insgesamt für die Entwicklung der Völkerkunde. Im Vortrag, so auch später in der Salzburger Zeitung vom 12. Dezember 1942, wurden insbesondere herausgestellt, dass sich die SS- Männer im „verbotenen Land Lhasa“ frei bewegen konnten und „freundschaftlich“ von den Fürsten und Priestern empfangen wurden. Die Referenten betonten dagegen eine Abneigung der Kaste gegen die englische Herrschaft. Aber Erkundungen der Region spielt hier bereits eine größere Rolle, als in vorangegangen Beratungen. Der Krieg im Osten zog sich schon wie in Schatten durch die Veranstaltung. Erste kritische Bemerkungen über das „verbotene Land “ tauchten auf. Am 17. Januar 1943 übernahmen Ministerialdirektor, SS-Brigadefüher und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Dr. Rudolf Mentzel gemeinsam mit Gauleiter Scheel den Ehrenschutz für eine erneute, jedoch größere Veranstaltung über Tibet im „Haus der Natur“. Diesmal referierte Dr. Schäfer gemeinsam mit dem „Tibetforscher“, den Schweden Sven Hedin und dessen Frau Frau, ergänzt durch einige zusätzliche Beiträge geladener Wissenschaftler und SS-Führer. Diese Tagung am 17. Januar 1943 im „Haus der Natur“ in Salzburg fand jedoch unter veränderten Bedingungen statt. Es waren viel mehr höhere SS-Führer sowie NS-Forscher anwesend, als zu der im Dezember. Vor allem sollte der „schwedischen Tibetforscher, Sven Hedin“ sowie seine Frau das Ansehen der SS, den Vernichtungskrieg und die Rassentheorie aufwerten und die „Heimatfront“ festigen. Es muss bemerkt werden, dass Hedin seit vielen Jahren als Propagandist und „Kämpfer“ für den deutschen Faschismus wirkte. Er hielt nicht nur Vorträge, sondern schrieb in der Presse in Deutschland, den Armeezeitungen und den Zeitungen in den von Deutschen besetzten Gebieten. So erschien zum Beispiel von „Dr. Sven Hedin“ ein Leitartikel am 13. November 1941 in der „Pariser Zeitung“, dem Sprachorgan der Militärregierung von Frankreich, mit der Überschrift „Kreuzzug gegen Lenin“. In ihm sprach er von Deutschlands notwendigen Krieg gegen den Bolschewismus, vom Kreuzzug gegen die „russische Gefahr“, einem Ausrottungskrieg gegen „Dschingis Kahns Erbe“, sowie vom Krieg gegen Churchill und Stalin. Sein großes Lob galt Adolf Hitler. Die Werkzeitschrift von F. A. Brockhaus, Leipzig, „Der Fabianer“, vom Juli 1941 gab dazu einen weiteren Einblick. Auf ihrer Titelseite war eine Büste von Sven Hedin mit der Überschrift: „Ein Telegramm des Führers“ abgebildet . In der Zeitschrift wurde berichtet, dass der Autor und Freund den Verlag Anfang 1941 besucht hätte und der größte lebende Bildhauer Klimsch dabei eine Büste von Hedin angefertigt habe. Einen „Abguss“ davon hätte die Unternehmer Adolf Hitler zum Geburtstag geschenkt. Hitler soll sich herzlich bedankt haben. Das Schrifttumsverzeichnis der Zentrale der Frontbuchhandlungen 1941, Berlin, bot für die Frontbuchhandlungen der Wehrmacht für das genannte Jahr 11 Titel von Hedin als wichtige Literatur an. Die Frontbuchhandlung, die allein 1943 einen 18
  • 19. Umsatz von 35 000 000 RM erzielte, verlegte auch schon 1941 ca. 10 Titel vom norwegischen Schriftsteller Knut Hansum, der, unterstützt von seiner Familie, sogar offen mit den Spitzen der faschistischen Besatzungsmacht in Norwegen zusammenarbeitete. (Vgl.: Tore Hansum, Mein Vater Knut Hansum, Deutsche Monatshefte in Norwegen, Oslo, H. 9, 1944). Die Bedingungen für die deutsche Kriegführung hatten sich innerhalb weniger Monaten grundsätzlich verändert. Der Blitzkrieg war gescheitert und Stalingrad drohte, zu einer katastrophalen Niederlage zu werden. Eine Wende des Krieges zeigte sich bereits im Januar 1942 an. Auch im besetzten Westen konnte zum Beispiel die Militärregierung unter General von Stülpnagel, die bis dahin den Widerstand besonders durch die Feldgendarmerie mit Erschießungen, Massendeportationen nach dem Osten und „Liquidierung ganzer Personenkreise“ nur reduzierte, die militärischen Aufgaben im Land,zum Kampf gegen den anwachsenden Widerstand, im Norden und Süden eine drohende Intervention zu verhindern, allein allein nicht mehr lösen. Frankreich erhielt eine zusätzliche SS-Besatzung unter SS-Gruppenführer Carl-Albrecht Oberg und Spezialisten des SD. Hitler, sein Generalstab und Himmler erhofften sich zu diesem Zeitpunkt Ruhe im Westen und auf dem Balkan. Die Massenmanipulation erhielt einen neuen Stellenwert. Auch die Schutzstaffel der NSDAP stand vor neuen Aufgaben. Das spiegelte sich bereits schon auf dieser Tagung im Januar 1943 in Salzburg wieder. Wie einst wurden zwar wieder die großen Verdienste Himmlers für die „völkerkundliche Forschung“ in Tibet hervorgehoben und über die Bewohner gesprochen. Der Schwerpunkt lag dagegen, was sich auch in der Berichterstattung zeigte, auf militärischen Aspekten. So meldetet die Salzburger Zeitung vom 18. Januar 1943, im Mittelpunkt der Referenten und von Beträge habe „das Problem Tibet als Schlüsselstellung gegenüber der Sowjetunion, China, Indien und England“ gestanden. Der Überfall der UdSSR hatte jedoch bereits im Juni/Juli 1941 verhindert, dass Himmler eine Gruppe von SS-Männer mit Waffen nach Tibet senden konnte. Nun, Anfang 1943 war es auf Grund der militärischen Lage für Deutschland grundsätzlich nicht möglich, über konkrete Aktionen in diesem Raum zu sprechen. So referierte man dann ganz allgemein von „Freiheitshelden in Tibet“ gegen England. Die „Sehnsucht nach Tibet“ dämpften dagegen Referenten und Forscher. So schätzen sie ein, in Tibet seien keine ausreichende Lebensmittel vorhanden und würden auch nicht genügend produziert. Es gäbe auch keinerlei Anzeichen für Erkundungen von Erzlager und Ansätze für ihren möglichen Abbau. Währen über die Herrscher in Tibet, die Religion und Lebenslage der Menschen ganz allgemein „geschwärmt“ wurde, sprachen einige Referenten Tibet für die nächsten Jahre jede „moderne Fortentwicklung“ ab. Viel öfter als vorher, wurde die „Kaste der Priester“ als das Haupthindernis für Veränderungen in Tibet, für „moderne Entwicklungen“ und damit für Ansätze für die SS hingestellt. Tibet war für Himmler und seine Elite einst Gegenstand der Propaganda sowie ein 19
  • 20. wichtige strategische Schnittstelle zwischen der UdSSR und den englischen Kolonien. Unter den neuen militärischen Bedingungen verschwand Tibet nach und nach aus der aktuellen Propaganda und den taktischen Konzepten für den Krieg. Die SS musste zu Beginn des Jahres 1943 bereits auf Eckpunkte alter Strategien und ihrer Massenmanipulation verzichten. Gehlen und der SD verfolgten noch einige Monate die Träume vom Hitler und dem Minister für die Ostgebiete, Alfred Rosenberg, die er einst als Moskauer Student bei seine Ferien 1917 auf der Krim von der Region träumte. Für die Wehrmacht und Gehlen zerfiel in wenigen Wochen, mit der Niederlage von Stalingrad, der Plan von einem von ihr gesteuerten islamischen Kaukasus. Die SS wollte die Krim, das Land der „Goten“ und den gesamten Süden der Ukraine als Siedlungsgebiet für Deutsche, SS-Männer und sogar Südtiroler nach dem Sieg, nutzen, um den Süden Russlands zu germanisieren. Auch die Idee vom deutschen Reich am Schwarzen Meer bröckelte bereits auf der angeblichen Tagung zur Forschung des SS Ahnenerbe und brach Monate darauf zusammen. Himmler faste die unmittelbar nächsten Aufgaben der Schutzstaffel auf eine Tagung für Sicherheitsfragen zusammen. (RFSS H. Himmler, Sicherheitsfragen, Vortrag vor Befehlshabern am 14.0ktober 1943, NfD, Hrsg. NS-Führungsstab beim OKW, S. 12 - 29.) 1. Bereitstellung von Kräften und „ungefähr 20 Polizeiregimenter zur Partisanen Bekämpfung. 2. Strenges Vorgehen gegen Verstöße gegen Rassengesetze im Frontgebiet, auch bei Frauen. „In schlimmen Fällen wird vor Ort und Stelle gehängt.“ 3. Den überlegenen Siegesgedanke gegenüber Slawen aufrechterhalten. „Das was wir jetzt auszuhalten haben, den kommenden Winter, in dem wir bestimmt noch zwei bis drei Millionen Russen abschlagen und abschlachten müssen, das sind ja alles – so schwer sie sein mögen – nur Zeitabschnitte, die wir überstehen müssen...“ 4. Ich verlange „Härte gegen Offiziere und Soldaten im Dienst“. Von 1942 an bis 1944 lies Himmler, Jahr für Jahr ansteigend, Volksdeutsche aus dem Osten zurückführen. Die „Rücksiedlung“ erfolge in Gruppen und in verschiedene Gebiete Ostdeutschlands, die vor allem von 1939 bis 1940 „in das Reich eingegliedert“ wurden. Für diese Maßnahmen gab Himmler an, „gutes deutsches Blut für den Endkampf zu retten“. Diskussionen über die hohen Opfer unter den Volksdeutschen bei den schwierigen Aktionen lehnte er und sein Stab als feindlich oder kriegsschädigend ab. Auf alle Fälle erfolgte die Rückführung nicht aus humanitären gründen. Himmlers Macht wuchs mit den Niederlagen des deutschen Faschismus. Er übte sie mit volle Härte und mit einer Genugtuung gegen die Offiziere aus, die am 20 Juli gegen Hitler geputscht hatten. 20
  • 21. Himmlers Entwicklung ist ab 1925 gekennzeichnet vom Wille zur Macht. Dabei nutzt er jede Gelegenheit aus, seine Macht zu festigen und rücksichtslos zu erweitern. Während er in jungen Jahren Schwierigkeiten besaß, sich anzupassen, gelang das ihm später gegenüber Personen und Situationen, auf dem Weg zum größten Architekten des Massenmordes und Organisator von Kriegen seiner Zeit, viel besser. Seine SS entwickelte sich zu einem Staat im Staat, aber auch zu dem Rückgrat der Herrschaft Hitlers. Himmler stiegt im Grunde zum zweitmächtigsten Mann des deutschen Faschismus und zum grausamen Herrscher über große Teile Europas auf. Dafür schuf er sich einen eigenen Apparat sowie eine Kriegsmaschine, die er stetig erweiterte. Zugleich entwarf er für Hitler Pläne zum Ausbau des Machtapparates sowie für dessen totalen Krieg. Dabei spielte sein Hass gegen Slawen, Kommunisten und Juden eine Rolle. Himmler führte die SS in den Krieg mit dem Befehl, nicht unterschrieben mit Heil Hitler, sondern mit „Gott mit uns“. Aber eine wirkliche religiöse Bindung, ein Verhältnis zu Gott ist bei ihm nie ernsthaft zu spüren. Religionen nutzt er vielmehr als Spielball für seine Interessen. Himmler stellte sich und dann seine SS über alles, als die bestimmende Elite hin. Gewissenslos übte er seine Herrschaft aus. Er entwickelte eine elitäre Arroganz zum Morden. Als sich eine Niederlage des Krieges und seiner Herrschaftskonzeption abzeichnete, begann er, nicht nur „sein deutsches Volk“, sondern auch die „nordischen Männer“ für sein etwas längeres Überleben zu opfern. Bein Suchen nach Wegen, um zu überleben, verriet er sogar seien „geliebten Führer“. Himmler endete durch Selbstmord mit Gift. Auch bei einigen anderen hohen Führern des Faschismus zeigten sich ähnliche Tendenzen. So sprach der Reichsminister Goebbels schon in einer geheimen Rede vor dem NS-Führungsstab beim Generalstab, am 25, Januar 1944, davon, dass es am Ende bei „ungeheuren Krisen“ davon abhänge, ob wir die „Vernichteten“ oder die „Überlebenden“ sein werden. (Reichsminister Dr. Goebbels, Der Krieg als Weltanschauungskampf, Rede in Posen 25. Januar 1944, NfD). Die großen Faschisten ahnten das Ende, verheizten aber Deutschland. 21