Die Sprachgrenzen gliedern die Welt und begründen Kulturkreise
Artikel in Der Nordschleswiger
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Vibeke Schlaikjer Bruhn, Frederiks-
berg/Gjenner, 51 Jahre;
Marie Margrethe Petersen, Eken,
93 Jahre;
Ingeborg Andresen, Augustenburg,
96 Jahre;
Jan Linnet Christensen, Apenrade,
59 Jahre;
Grethe Harborg Thomsen geb. Jacob-
sen, Sonderburg, 86 Jahre;
Anders Christian Sørensen, Quars,
67 Jahre.
„Hast du einen Polizisten im Bauch?
Wir wären gerne die Hebamme!“
DiePolizeiausSüddänemarkundNord-
schleswig sucht nach neuen Kollegen
undwirbtdamitaufihremTwitter-Kon-
to für ein Infotreffen.
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Lesen Sie Harboe Kardels
Tagebuch gesammelt unter
nordschleswiger.dk/kardel
26. Oktober 1916
Iseghem ist eine Stadt von 17.000 Ein-
wohnern. Meistens wird flämisch ge-
sprochen, dass wir Deutschen bei eini-
ger Aufmerksamkeit gut verstehen kön-
nen. Die Batterie liegt weit verstreut in
der ganzen Stadt, ich in der Rousselae-
restr. 73, in der Nähe der Feldküche.
Man gibt hier sehr viel Geld aus. Tags-
über bummelt man in den Straßen um-
her, besieht die Schaufenster und emp-
findetstetsdenWunsch,diesoderjenes
zu kaufen. Abends war ich schon zwei
Mal mit Kriegeris am Markt bei den bei-
den „Grünen“, die so niedlich deutsch
sprechen und mit uns Deutschen wie
mit Kameraden verkehren. Gestern war
auch der Wachtmeister, jetzt Off. Stell-
vertreter mit. Wir bewältigten eine
MengeBierund„Cuisiniers“undgingen
sehr heiter nach Haus. Das war mal wie-
der etwas anderes. Schmutz gibt‘s hier
auchgenug.Aberwermagsichdaranbe-
sudeln? Alle zweifelhaften Lokale sind
für Militärpersonen verboten.
SONDERBURG/SØNDERBORG Die
Schauspielerin Bodil Jørgensen ist zu
Gast im Alsion und wird dort auf „Syn-
nejysk“ aus ihrem Leben und von den
Erfahrungen berichten, die sie gemacht
hat. Dabei geht es um die Liebe ebenso
wie um das Älterwerden. Begleitet wird
sie von dem Pianisten Bjarne Sahl.
„ÆSynnejyskForening“lädtzuderVer-
anstaltung ein, die am Montag, 21. No-
vember, von 15 bis 17 Uhr stattfindet.
EintrittskartensindüberdieInternetsei-
tewww.sonderborgbilletten.dkzueinem
Preis von 210 Kronen erhältlich.
Ab 13 Uhr gibt es im Café des Alsion
Kaffee und Kuchen. jrp
Bodil Jørgensen bald im Alsion JANGMARK
Mathilde Hornung-Nissen nahm sich der Zweisprachigkeit als Thema ihrer Masterarbeit an / Viele Vorteile durch den Wechsel des Sprachcodes
NORDSCHLESWIG/AARHUS
Die meisten von uns kennen es
– besonders in einem zweispra-
chigen Grenzgebiet wie Nord-
schleswig: Manchmal taucht,
mehr oder weniger unbewusst,
ein Wort aus der anderen Spra-
che plötzlich in einem Satz auf,
mitten im Gespräch. „Det
sker bare“ – vielleicht bemer-
ken wir es nicht mal. Aber war-
um machen Menschen, die
mehr als eine Sprache beherr-
schen, das eigentlich? Das Phä-
nomen nennt sich Code-Swit-
ching: Es geht darum, den
sprachlichen Code mitten in ei-
nem Satz oder einem Gespräch
zu wechseln.
Wenn es um Code-Switching
geht, sind viele Kritiker der
Meinung, dass das Phänomen
nur ein sprachliches Misch-
masch darstelle, das aus-
schließlich auf fehlende oder
noch nicht entwickelte lingu-
istische Fähigkeiten hindeute.
Jedoch ist es anhand der Un-
tersuchungen meiner Master-
arbeit – sowie auch zahlreicher
ähnlicherForschungsprojekte–
deutlich geworden, dass Code-
Switching nicht nur ein zufälli-
ger Umgang mit den Spra-
cheneinerbi-odermultilingua-
len Person ist. Für bilinguale
Menschen kann Code-Swit-
ching ein wesentlicher Faktor
der Identitätsbildung sein:
Durch die beiden Sprachen, die
eine bilinguale Person be-
herrscht, kann diejenige Per-
son ausdrücken, dass sie sich
mit beiden Nationalitäten als
auch in beiden Kulturen wohl-
fühlt. Deswegen wird in sol-
chen Fällen auch von bikultu-
reller Identität gesprochen; die
Menschen tragen beide Kultu-
ren in sich und können dies in
ihrer Kommunikation mit der
Umwelt durch die Wahl von
sprachlichen Codes zeigen.
Code-Switching fördert
die kulturelleToleranz
In den beiden bilingualen
Schulen in Hadersleben und
Flensburg, in denen ich die In-
terviews für meine Masterar-
beitdurchführte,istesdeutlich,
dass das alltägliche ständige
Vermischen von Dänisch und
Deutsch sowohl eine kommu-
nikative Ressource für die
Schüler als auch ein spielender
Umgang mit den Sprachen dar-
stellt. Die Schüler haben ihre
ganz eigene Mischung von den
beiden Sprachen kreiert, die
ohne Zweifel deren Toleranz
anderen Kulturen, Sprachen
und Nationalitäten gegenüber
stärkt.Esistmehrfacherwiesen
worden, dass Kinder, die in bi-
kulturellen und/oder bilingua-
len Umgebungen aufwachsen,
eine Fähigkeit fürs Leben ler-
nen und sich auch später im Le-
ben einfacher neuen (sprachli-
chen) Situationen anpassen
können. In dieser Hinsicht ist
der Umgang mit mehr als einer
Sprache in einer frühen Phase
des Lebens ein großer Vorteil.
Das Thema Code-Switching
ist Teil der immer aktuellen
Diskussion darüber, ob Bilin-
gualismus als Vorteil oder
Nachteil angesehen werden
soll. Ich werde an dieser Stelle
nicht alle Argumente für und
gegen auflisten, nur hervorhe-
ben, dass es den Ergebnissen
meinerUntersuchungenzufol-
ge keinen Grund zur Sorge
gibt: Die Schüler in den bilin-
gualen Schulen sind nicht
sprachlich verwirrt, wenn sie
die Schule verlassen, sondern
völlig imstande, beurteilen zu
können, wann welcher sprach-
liche Code passend ist. Dazu
kommt auch, dass die bilingua-
len Schüler leichter und schnel-
ler als monolinguale eine dritte
oder vierte Sprache dazulernen
– dank ihrer frühen Erfahrung
aus dem Spracherwerb.
Umfassende
Forschung zum Thema
Die Forschungsliteratur zum
Thema Bilingualismus und
Code-Switching ist sehr um-
fassend, und die Meinungen
teilen sich oft in zwei Lager,
wenn die Fragen der kogniti-
ven Folgen des Bilingualismus
in der frühen Kindheit disku-
tiert werden. Manche (sozio-
)linguistische Forscher sind
überzeugt, dass der Wort-
schatz eines monolingualen
Kindes größer ist als der des
bilingualen Kindes, und außer-
dem dass der Spracherwerb
des bilingualen Kindes langsa-
merstattfindetalsbeidemmo-
nolingualen Kind. Diese The-
sen sind jedoch in zahlreichen
akademischen Untersuchun-
gen widerlegt worden, und es
scheint deswegen schwierig,
zu einem konkreten Fazit zu
gelangen. Ein Faktor, der je-
doch immer wieder hervorge-
hoben wird, wenn es um Erfolg
von bilingualer Erziehung
geht, ist die Wichtigkeit des-
sen, dass die Eltern sich be-
wusst sind, wie sie mit der lin-
guistischen Sozialisation des
Kindes umgehen werden. Zu
diesem Thema ist die weit ver-
breitete One Parent One Lan-
guage(OPOL)Methodedieam
meisten verwendete und emp-
fohlene; d. h. dass jedes Eltern-
teil konsequent nur die eigene
Muttersprache mit dem Kind
spricht. Auf diese Weise lernt
das Kind zwischen den beiden
sprachlichen und kulturellen
Welten zu unterscheiden und
gewöhnt sich in einem frühen
Alter daran, stets den sprachli-
chenCodedemGesprächspart-
ner und/oder der Gesprächssi-
tuationanzupassen.DieserMe-
thode ist auch in der bilingua-
len Schule zu folgen: Hier ist es
genauso wichtig, dass der Leh-
rerimmernurdensprachlichen
Code verwendet, der gerade
passend ist (z. B. nur englisch
im Englischunterricht).
Code-Switching
schafft Identität
Ich selber bin halb dänisch
und halb deutsch, jedoch nicht
bilingual erzogen, weshalb
mich das Thema Bilingualis-
mus immer interessiert hat.
Meine deutsche Mutter hatte
ohne Zweifel ihre Gründe, be-
sonders soziohistorische, der
dänischen Sprache Monopol in
Bezug auf meiner linguistische
Sozialisation zu geben. Mit
meinen deutschen Freunden
und Freundinnen aus der Du-
borg-Schule in Flensburg
wechsle ich oft „frem og tilba-
ge“ zwischen den beiden Spra-
chen, und als ich über das For-
schungsgebiet Code-Swit-
ching stolperte, wusste ich
deswegen sofort, womit ich
mein Masterarbeit-Semester
an der Universität in Aarhus
verbringen wollte. Mit Hilfe
und Unterstützung von zwei
bilingualen Schulen in dem
deutsch-dänischen Grenzge-
biet wurde die Arbeit sowohl
spannend als auch aufschluss-
reich.IchhabeSchülerundAn-
gestellte an den beiden Schu-
len interviewt mit der Frage
im Hinterkopf, wie bewusst
das alltägliche Code-Switching
zwischen Dänisch und
Deutsch stattfindet: Wissen
die Schüler überhaupt, wann
sie code-switchen und wann
nicht? Für die meisten Schüler
war das Phänomen vom Code-
Switching an sich bekannt, je-
doch der Begriff als solches
nicht – also passiert das
sprachliche Wechseln haupt-
sächlich unbewusst und vor al-
lem ohne dass die Schüler ge-
nau wissen, warum sie so spre-
chen. Dabei kann der Ge-
brauch von Code-Switching in
einem Gespräch mit einem lin-
guistisch gesehen, ähnlichen
Gesprächspartner viele unter-
schiedliche Funktionen aus-
drücken. Vor allem wird da-
durch, wie oben erwähnt, eine
Anknüpfung zu der Gruppe von
Bilingualen gezeigt und der
Code-Switcher stellt auf diese
Weise seine duale Identität dar.
Mathilde Hornung-Nissen PRIVAT
Zu diesem Thema sind der So-
ziolinguist John J. Gumperz
und seine Theorie von we-code
und they-code erwähnenswert,
in der die Wahl von sprachli-
chem Code die Umgebung ent-
weder in- oder exkludiert.
Anhand der Sprache hat eine
bilinguale Person sozusagen
die Möglichkeit, ihre Identität
zu untermauern. Darüber hin-
aus wurde es in meinen Unter-
suchungendeutlich,dassCode-
Switching öfters in informellen
Situationen,wiez.B.inderPau-
se auf dem Schulhof, als in for-
mellen Situationen, wie z.B. zu
einer Prüfung, vorkommt. Das
ständige Vermischen der bei-
den Sprachen unter den Schü-
lern ist einfach ein natürlicher
Teil ihres sozialen und sprach-
lichen Umgangs miteinander
im Alltag und passiert, wie
oben erwähnt, oft unbewusst;
viele von den Schülern äußer-
ten, dass sie einfach auf diese
Weise miteinander sprechen.
Code-Switching
wird bewusst angewendet
Darauf entsteht die Frage,
inwiefern die Schüler überfor-
dert sind, wenn sie außerhalb
des Schulgebäudes mit mono-
lingualen Personen ins Ge-
spräch kommen? Die unmittel-
bare Antwort lautet, nein: Fast
alle Schüler und Angestellten
haben in meinen Untersu-
chungen geantwortet, dass die
jugendlichen Bilingualen ohne
Probleme durch die alltägli-
chen sprachlichen Situationen
navigieren – sie werden sich
schnell bewusst, welche
sprachlichen Codes in welchen
Situationen gemäß sind, und
passen ihren Kommunikati-
onsstil dementsprechend an.
Eine außergewöhnliche Fähig-
keit und ein linguistischer Ge-
winn in einem sehr frühen Al-
ter, der dazu führt, dass die Ju-
gendlichen anpassungsfähiger
sind als viele andere in ihrem
Alter. Diese Anpassungsfähig-
keit wird bestimmt kein Nach-
teil sein, wenn sie später ihr
Berufsleben beginnen.
Also – denken Sie darüber
nach, das nächste Mal, wenn
Sie eine Mischung von Dänisch
und Deutsch auf der Straße hö-
ren, die scheinbar ein Durch-
einander von Sprachen ist: Es
stecken viele Motivationen
und Funktionen hinter diesem
Code-Switching, und das For-
schungsfeld muss noch ausgie-
big erforscht werden.
Mathilde Hornung-Nissen
cand.ling.merc.,
Aarhus
APENRADE/AABENRAA Dreizehn Se-
nioren der sorbischen und nordschles-
wigschen Minderheiten treffen sich in
der kommenden Woche, um gemein-
sam zu kochen.
Im Rahmen des sorbischen Jahres ha-
ben der Bund Deutscher Nordschleswi-
ger (BDN) und der Sozialdienst für
Nordschleswig zu der Veranstaltung
eingeladen. Am Dienstag kommen nun
neun Senioren der sorbischen Minder-
heit und werden vier Nächte im Haus
Quickborn verbringen. „Mittwoch und
DonnerstagwirdinderKüchederDeut-
schen Schule Tingleff gekocht. An ei-
nem Tag sorbische Gerichte, am ande-
ren Tag nordschleswigsche“, berichtet
BDN-Kulturkonsulent Uffe Iwersen.
Doch nicht nur die Kochkultur wollen
die Senioren kennenlernen und teilen.
Auf dem Programm stehen unter ande-
rem ein Ausflug auf die Insel Röm und
der Besuch des Teater Møllen, wo das
grenzüberschreitende mehrsprachige
Theaterprojekt „Adding Sights“ gas-
tiert. „Und natürlich werden die Gäste
auch die nordschleswigsche Kaffeetafel
sowie Grünkohl kennenlernen“, berich-
tet Iwersen.
Den Einkauf für ihre Rezepte machen
dieTeilnehmerselbst.„NurwennesZu-
taten gibt, die es bei uns nicht zu kaufen
gibt, müssen die Gäste diese selbst aus
der Heimat mitbringen“, erklärt der
Kulturkonsulent.
Am Sonnabend schließen die Senio-
ren ihren Besuch mit der Teilnahme des
Deutschen Tages in Tingleff und der
Einweihung der renovierten Aula des
Deutschen Gymnasiums ab. jrp
Todesfälle im Grenzland
Spruch des Tages
Synnejysk mit
Bodil Jørgensen
Code-Switching – ich bin mit
Deutsch und Dänisch aufgewachsen
Senioren der sorbischen Minderheit erleben
nordschleswigsche Kultur – und kochen mit Nordschleswigern
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NordschleswigApenrade – Tingleff – Tondern – Hadersleben
MITTWOCH, 26. OKTOBER 2016 NOS SEITE 7
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