Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Dr. Steven Engelsman: Rechtliche Verselbstständigung der staatlichen Museen in den Niederlanden
1. Best Practice J 2.1
Fallstudien aus dem Ausland
Rechtliche Verselbstständigung der
staatlichen Museen in den Niederlanden
Dr. Steven Engelsman
Die meisten der 21 staatlichen Museen der Niederlande befanden sich Ende der 1980er-Jahre in
einem sehr schlechten Zustand. Das galt vor allem für die Sammlungen, auch die Organisation der
Museen zeigte sich dringend reformbedürftig. Das niederländische Kultusministerium initiierte die
wirtschaftliche und rechtliche Verselbstständigung der Museen, die sich über mehrere Jahre hinweg
in einem mehrstufigen Prozess vollzog.
Gliederung Seite
1. Anlass, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen 2
1.1 Die Lage der niederländischen „Rijksmusea“ in den 1980er-Jahren 2
1.2 Der Bericht des niederländischen Rechnungshofes 3
1.3 Zielsetzungen und Rahmenbedingungen 3
2. Die Phasen der Verselbstständigung 4
2.1 Phase 1: Prüfung der Hypothese „Verselbstständigung ist erwünscht“ 4
2.2 Phase 2: Testlauf mit sechs Museen 4
2.3 Phase 3: Testlauf der 21 Museen, Verselbstständigungsgesetz wird verabschiedet 5
2.4 Phase 4: Verselbstständigungen finden in drei Tranchen statt 6
3. Instrumente 6
3.1 Ermächtigungsgesetz 7
3.2 Tarifvertrag 7
3.3 Satzung der Museumsstiftungen 7
3.4 Verwaltungsvertrag für die staatlichen Sammlungen 8
3.5 Mietvertrag für die Museumsgebäude 8
3.6 Subventionsvereinbarung – „bekostigingsbesluit“ 9
4. Sammlungsverluste und ISO 9001 – 1994/2000 9
4.1 Der Deltaplan für das kulturelle Erbe 11
4.2 Sammlungsverluste 11
4.3 Zertifizierung und Öffnung 12
5. Erfolgsfaktoren 12
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2. J 2.1 Best Practice
Fallstudien aus dem Ausland
1. Anlass, Zielsetzungen und
Rahmenbedingungen
Im Dezember 1988 gab der damalige Kultusminister der Niederlande,
Eelco Brinkman, bekannt, er wolle alle staatlichen Museen verselbst-
ständigen.1 Es dauerte allerdings noch weitere sechs Jahre, bis dieses
Vorhaben in die Tat umgesetzt wurde. Erst im Juli 1995 wurden die
letzten drei der 17 Rijksmusea von staatlichen Dienststellen in Stif-
tungen umgewandelt.
Anfangs hatte man die Befürchtung, dass die finanziellen Zuwendun-
gen des Staates an die Museen eher zu- als abnehmen würden. Dies
hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Nach einem guten Jahrzehnt der
Erfahrungen und Erkenntnisse stuft man diese Verselbstständigung als
insgesamt sehr erfolgreich ein. Begründet wird diese Einschätzung
damit, dass sie zum einen den Museen eine Handlungs- und Entschei-
dungsfreiheit gebracht hat, die ihrerseits zu großartigen Neuentwick-
lungen führte. Zum anderen wurden die Beziehungen zwischen Kul-
tusminister und Museumsdirektoren sowie zwischen dem Kultusminis-
terium und den Museen erheblich transparenter und spürbar unauf-
wendiger.
Das niederländische Modell der Verselbstständigung ist inzwischen
ein Vorbild für Strukturreformen in ganz Europa.
1.1 Die Lage der niederländischen „Rijksmusea“ in
den 1980er-Jahren
Seit den ersten Museumsgründungen Anfang des 19. Jahrhunderts
waren Reichsmuseen in den Niederlanden Dienststellen der staatli-
chen Verwaltung. In den 1980er-Jahren war das „Ministerie van Wel-
zijn, Volksgezondheid en Cultuur“2 für die Museen zuständig.3
Hoher Zudem waren die Museen drei weiteren Ministerien unterstellt. Sie
Abstimmungsbedarf mussten die Einnahmen an das Finanzministerium abgeben, für bauli-
che Angelegenheiten – von grundsätzlichen Baumaßnahmen bis hin zu
Detailmaßnahmen wie dem Einbau von Steckdosen – war der „Rijks-
gebouwendienst des Ministeriums voor Volkshuisvesting“ zuständig,
und Personalangelegenheiten4 mussten mit dem Innenministerium
abgestimmt werden.
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3. Best Practice J 2.1
Fallstudien aus dem Ausland
1.2 Der Bericht des niederländischen
Rechnungshofes
Im Jahre 1988 publizierte die „Algemene Rekenkamer“5 einen aus-
führlichen und kritischen Bericht über die wirtschaftliche Lage der
staatlichen Museen. Der Bericht war insbesondere hinsichtlich Orga-
nisation und Sammlungspflege vernichtend.
Nach Erkenntnissen des Rechnungshofes agierten die Museen un- Hohe Defizite
zweckmäßig, die Verwaltung sei nicht mehr zeitgemäß, Kompetenzen
und Verantwortungen seien unklar zugeordnet. Zudem stellte er fest,
dass die staatlichen Sammlungen bis auf wenige Ausnahmen mangel-
haft bis ungenügend betreut würden. So legte er beispielsweise offen,
dass das „Museum für Völkerkunde“ in Leiden seine weltberühmte
Indonesien- und Japansammlung in feuchten Kellern und staubigen
Dachböden aufbewahrte.
Durch den Bericht des Rechnungshofes kamen diese beiden Dinge
schlagartig auf die politische Tagesordnung. Das Parlament stellte
Fragen, der Kultusminister war gefordert. Auffallend war, dass in der
politischen Diskussion die Frage nach dem „Schwarzen Peter“ kaum
gestellt wurde. Offensichtlich war man sich einig darin, dass es sich
hier um langjährige Versäumnisse aller politischen Parteien handelte.
Dies ist somit bereits ein erster Erfolgsfaktor – es wurde keine Zeit
und Energie auf die politische Schuldfrage vergeudet.6
1.3 Zielsetzungen und Rahmenbedingungen
Bereits Ende 1988 gab der Kultusminister bekannt, wie er auf die vom
Rechnungshof festgestellten Schwächen in den Museen reagieren
wolle: Er strebe die wirtschaftliche und rechtliche Verselbstständigung
der staatlichen Museen an. Er wolle dazu vor allem die Handlungsfä-
higkeit der Museumsdirektoren erweitern, indem er ihnen zukünftig
die gesamte Führung des Hauses übertrage. Das Kultusministerium
solle sich dagegen auf grundsätzliche Vorgaben für Beiträge der Mu-
seen zur nationalen Kulturpolitik beschränken.
Dies war der Ansatz für eine durchgreifende Klärung der Beziehungen Museen und Ministerium
zwischen Museen und Ministerium. Zentrale Vorgabe für die Ver-
selbstständigung war zudem, dass Sammlungen und Museumsgebäude
Staatseigentum bleiben sollten.
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4. J 2.1 Best Practice
Fallstudien aus dem Ausland
2. Die Phasen der Verselbstständigung
2.1 Phase 1: Prüfung der Hypothese
„Verselbstständigung ist erwünscht“
Dezember 1988–Juni 1999
Alle Museumsdirektoren wurden vom Kultusminister beauftragt, ei-
nen Businessplan für ihr Haus zu erstellen. Das Kultusministerium
stellte ihnen dazu Unternehmensberater zur Seite, um Basiskenntnisse
und Grundbegriffe des wirtschaftlichen Unternehmertums zu vermit-
teln. In dem Businessplan sollten die Produkte des Museums benannt
und sämtliche Kosten des Museums aufgelistet werden.
Handlungs- und Die Businesspläne ermöglichten es den Museumsdirektoren, die wirt-
Entscheidungs- schaftlichen Defizite der Museen zu identifizieren und entsprechend
kompetenz zu kennzeichnen. So konnten sie zum einen Handlungsbedarfe kennt-
lich machen und zum anderen überprüfen, ob für sie eine Verselbst-
ständigung auch erstrebenswert ist. Die Businesspläne beschrieben
somit Anforderungen unter anderem von Bauleistungen, Personalka-
pazitäten und EDV-Investitionen.
Im Frühling 1989 erlebten die Niederlande eine Regierungskrise, die
zu vorgezogenen Neuwahlen und einer neuen Regierungskoalition
führte. Der amtierende Kultusminister trat zurück, beantragte aber
zuvor bei der Zweiten Kammer des Parlamentes noch, dass die Über-
prüfung einer Verselbstständigung der Museen weitergeführt würde.
Damit trug er ganz wesentlich dazu bei, dass sich auch die Nachfolge-
regierung einer Verselbstständigung der Museen widmete.
2.2 Phase 2: Testlauf mit sechs Museen
1990–1991
Die Lage in den Museen war höchst unterschiedlich – einige Museen
zeigten sich sehr gut aufgestellt, andere wiederum wiesen erhebliche
Defizite in Organisation und Führung auf. Folglich konnten einige
Museen sofort mit der Vorbereitung der Verselbstständigung beginnen,
andere Direktoren mussten zunächst ihr Haus in all seinen Grund-
strukturen ordnen.
Project Maximale Dieser Unterschied wurde klug genutzt: Die sechs Museen, die sich
Zelfstandigheid bereits gut geordnet präsentierten7, durften bereits ab dem 1. Januar
1990 im Rahmen des Projektes „Project Maximale Zelfstandigheid“
(PMZ) eine Verselbstständigung umfänglich simulieren. Die anderen
15 Museen hatten dagegen zunächst die Aufgabe, die eigene Organisa-
tion zu optimieren.
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