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Standpunkt
Fintech treibt das M&A-Geschäft
Strategien und Visionen
Von der Best-Practice zur
Next-Best-Practice: Integration von
verhaltenstheoretischen Aspekten
in den M&A-Prozess
Bewertung und Kapitalmärkte
Die finanzorientierte Bewertung
von Software
Bewertung und Kapitalmärkte
M&A – Deutschland im Spannungs-
feld zwischen USA, China und einer
zunehmend aktiven Industriepolitik
International Column
M&A-Markt Q4 2016: Behauptung
des Marktes trotz politischer
Unsicherheiten
Austria Column
Österreichischer M&A-Markt 2016
weiter gewachsen
M&A Aktuell
M&A-Markt 2016: Politische Trends
ändern Rahmenbedingungen für
M&A-Transaktionen
Deal des Monats
Luxottica und Essilor krempeln
mit Milliarden-Fusion den
Brillenmarkt um
www.ma-review.de			 Publikationsorgan des
28. Jahrgang	 1-2/2017
Strategien und Visionen
M&A Purchase Price
Disputes: Sicher durch
turbulente Zeiten
navigieren
2 M&A REVIEW 1-2/2017 • 28. Jahrgang
REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN
M&A Purchase Price Disputes:
Sicher durch turbulente Zeiten navigieren
Ingo Schleis, KPMG AG, Frankfurt & Prof. Dr. Mareike Kühne,Technische Hochschule Brandenburg, Berlin
1.	Einleitung
	 Unternehmenstransaktionen sind eine komplexe
Angelegenheit. Kommt es zu Unstimmigkeiten, liegen
die Ansprüche der Unternehmen rasch im Millio­
nenbereich. Auch nach sorgfältigen Verhandlungen
bieten M&A-Transaktionen und Verträge häufig
Anlass zu Diskussionen und Streitigkeiten aufgrund
unterschiedlicher Interpretationen des Kaufpreis­me­
chanismus sowie Gewährleistungs- und Garantie­
regelungen.
Für die beteiligten Parteien ist dies eine außerge­
wöhnliche Herausforderung. Tatsächlich haben Kauf­
preisstreitigkeiten im Rahmen von nationalen sowie
grenzüberschreitenden Übernahmen und Zusam­
menschlüssen in den vergangenen Jahren zugenom­
men, wie auch unsere eigenen Erhebungen zeigen.
Mittlerweile kommt es bei 10 bis 15% aller Un­
ternehmenstransaktionen nach Unterzeichnung des
Kaufvertrages zu einem M&A-Disput. Dieser kann sich
über Monate oder Jahre hinziehen.
Die Zunahme von M&A-Streitigkeiten kommt nicht
überraschend. Für Unternehmen werden hohe Preise
gezahlt. Enttäuschte Erwartungen auf Käuferseite und
eine weniger zurückhaltende, eher pragmatische
Sichtweise befeuern im aktuellen Marktumfeld das
Potenzial für Auseinandersetzungen zwischen den
Vertragsparteien. Diese enden teilweise erst im Schieds­
verfahren oder vor staatlichen Gerichten.
Die Zunahme an Streitigkeiten sollte nicht über den
folgenden Punkt hinwegtäuschen: Im Zusammenhang
mit M&A-Transaktionen gehen Unternehmen äußerst
professionell an die Schritte bis zur Unterzeichnung
des Kaufvertrages heran. Jedoch fehlt oftmals ein
ähnlich professionell gestalteter Rahmen bezüglich der
Identifizierung, Geltendmachung und Durchsetzung
von Ansprüchen nach „Signing“ – also der Zeitraum
nach Unterschrift/Abschluss des Kaufvertrags. Eine
gezielte Post-Signing-Analyse findet in der Praxis
kaum statt. In der verblüffenden Konsequenz be­
deutet dies, dass sich Unternehmen in den seltensten
Fällen systematisch mit der Frage beschäftigen, ob
ihre akribisch ausgehandelten vertraglichen An­sprü­
che tatsächlich erfüllt wurden. Aus unternehmerischer
Perspektive erscheint das unverständlich, da eine pro­
fessionelle und systematische Aufarbeitung sowie die
anschließende Verfolgung von Ansprüchen ein hohes
Erfolgspotenzial verspricht.
Grundsätzlich gilt, dass sich sowohl Käufer- als auch
Verkäuferseite häufig unsicher sind, wie sie zielge­
richtet mit einem M&A-Streitfall umgehen und ihre
Ansprüche durchsetzen können.
Im Folgenden beleuchten wir aus verschiedenen Blick­
wickeln die Ursachen, Hintergründe und Heraus­for­
derungen im Rahmen von Kaufpreisstreitigkeiten:
Welche vertraglichen Vereinbarungen können zu
Strei­tigkeiten führen? Welche Chancen und Risiken
sollten die Transaktionsparteien im Auge behalten?
Wie und in welchen Phasen läuft ein typischer Kauf­
preisdisput ab? Und welche konkreten Handlungs­
empfehlungen lassen sich daraus ableiten?
2.	 Wiederkehrende Ursachen und Hintergründe
von M&A-Streitigkeiten
Kein M&A-Disput gleicht dem anderen: Die Ursachen
und Hintergründe für Streitigkeiten sind so komplex
und vielfältig wie Unternehmenstransaktionen selbst.
Wie kann man sich dem Themengebiet trotzdem
systematisch annähern? Der beste Weg, um die
Hintergründe von M&A-Streitigkeiten zu verstehen, ist,
sich die häufigsten Streitpunkte vor Augen zu führen.
Gemäß unserer Erfahrung bilden unterschiedliche
Inter­pretationen der Kaufpreisklauseln im Unter­neh­
menskaufvertrag, die Ermittlung von rechnungsle­
gungs­bezogenen kaufpreisrelevanten Finanzkenn­zah­
328. Jahrgang • M&A REVIEW 1-2/2017
STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT
len sowie Gewährleistungs- und Garantieregelungen
am häufigsten Anlass zu Diskussionen.
Bei einer Unternehmenstransaktion gehört der Kauf­
preis zu den zentralen Verhandlungspunkten zwischen
Käufer und Verkäufer. Daher ist es nicht verwunderlich,
dass variabel ausgestaltete und zum Closing-Zeitpunkt
oder später zu ermittelnde Kaufpreisparameter zu un­
terschiedlichen Interpretationen führen können. Oft­
mals sind hier rechnungslegungsbezogene Themen,
rechtliche Fragenstellungen sowie Bewertungsaspekte
sehr eng miteinander verknüpft und erhöhen den
Komplexitätsgrad zusätzlich.
Komplexität allein erklärt aber noch nicht die Streit­
anfälligkeit von Unternehmenstransaktionen. Häufig
sind enttäuschte Erwartungen auf Käuferseite Auslöser
dafür, dass sich der Erwerber auf die Suche nach
Möglichkeiten zur Geltendmachung von Ansprüchen
begibt. Für diesen Fall bieten Kaufpreisklauseln,
Garantie- und Gewährleistungsansprüche eine willkom­
mene Anspruchsgrundlage. Entsprechende Klauseln
sind jedoch bei M&A-Transaktionen unverzichtbar,
sodass für beide Seiten gilt, möglichst intelligent und
weitsichtig hiermit umzugehen.
2.1	 Zeitraum zwischen Signing und Closing
Notwendigkeit und Inhalt von Kaufpreis(anpassungs)
klauseln bei M&A-Transaktionen werden verständlich,
wenn man diese vor dem Hintergrund des Bewer­
tungsmodells und der Zeitspanne zwischen Signing und
Closing (Vollzug Kaufvertrag/Kontrollübergang) inter­
pretiert.
Je nach Größe, Struktur und Ausgestaltung der Trans­
aktion können mehrere Wochen oder gar Monate
zwischen dem Stichtag der letzten Finanzzahlen als
Bewertungsgrundlage, Signing und Closing liegen.
Diese Zeitspanne ist den organisatorischen, rechtlichen
und tatsächlichen Rahmenbedingung einer M&A-
Transaktion geschuldet: Kartellfreigaben und andere
öffentlich-rechtliche Genehmigungen sind einzuholen,
gesellschaftsrechtliche Organe bzw. Gremien müssen
zustimmen, Verträge sind aufzulösen, abzuschließen
oder anzupassen, Umstrukturierungsmaßnahmen sind
für die Transaktion vorzunehmen, unvollständige oder
veraltete Bewertungsgrundlagen sind zu aktualisieren.
Der Käufer hatte Gelegenheit, auf Basis der letztver­
fügbaren Finanzzahlen eine Bewertung des Trans­
aktionsobjekts vor Signing vorzunehmen. Unter Um­
ständen ist der Käufer aber im Zeitraum bis Closing
Wertänderungen des Transaktionsobjekts voll aus­
gesetzt, obwohl die Geschäftsführung noch unter dem
alten Eigentümer erfolgt.
Die Wertänderungen, Ergebnispartizipation sowie an­
dere Risiken und Chancen, die sich aus dem Über­
gangszeitraum ergeben, werden im Unterneh­
menskaufvertrag über Kaufpreis(anpassungs)klauseln,
Covenant- und Leakage-Regelungen sowie über be­
stimmte Garantien und Gewährleistungen geregelt.
2.2	 Kaufpreis(anpassungs)klauseln im
Unternehmenskaufvertrag
Die Festlegung des Kaufpreismechanismus und der
-anpassungsklauseln im Unternehmenskaufvertrag
reflektiert das zugrunde liegende Bewertungsmodell
und die individuell zu bestimmende Risiko- und
Chancenposition der beteiligten Vertragsparteien.
Den Parteien steht es frei, einen fixen Kaufpreis auf
Basis der zuletzt verfügbaren Finanzinformationen
zu vereinbaren (Locked-Box-Mechanismus). Risiken
und Chancen gehen auf den Käufer hier bereits
zum Signing oder einem vorgelagerten „Locked-Box-
Date“ über und nicht erst bei Closing. Die Ge­
schäftsführung erfolgt bis Closing allerdings noch unter
dem alten Eigentümer. Zum Schutz des Käufers werden
be­stimmte Ver­mögensabflüsse (Leakage) oder
4 M&A REVIEW 1-2/2017 • 28. Jahrgang
REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN
Verhaltensregelungen (Covenants) zwischen Locked-
Box-Date und Closing vertraglich ausgeschlossen und
mit einer Schadlos­haltungsregelung zugunsten des
Käufers verbunden.
Wie unsere Praxiserfahrung und diverse Marktanalysen
zeigen, weist die Mehrzahl von Unternehmens­kauf­
verträgen jedoch – zumindest partiell – variabel ausge­
staltete Kaufpreisparameter auf. Solange der Verkäufer
die Kontrolle über das Transaktionsobjekt hat (bis
Closing), ist es zumindest aus Käufersicht auch sinnvoll,
ihn mit dem Wertänderungsrisiko zu belasten, um
Anreize für eine erfolgreiche und effiziente Unter­
nehmensführung zu schaffen.1
Hier kann ein Closing-Accounts-Mechanismus in seiner
Reinform zum Tragen kommen, der vorsieht, dass der
Kaufpreis auf Basis einer im Vertrag fest determinier­
ten Kaufpreisformel (z.B. EBITDA x Faktor 10 abzgl.
Finanzschulden) zum Closing ermittelt wird. Deutlich
häufiger wird jedoch ein vorläufiger Kaufpreis mit ei­
ner fixen Kaufpreiskomponente (i.d.R. auf Basis des
Enterprise Value) zum Signing vereinbart, der zum
Closing auf Basis des Nettoumlaufvermögens (Net
Working Capital) und Nettoverschuldung (Net Debt)
anzupassen ist.
Davon abzugrenzen sind Earn-out-Regelungen, die
sich auf Finanzkennzahlen (meist Erfolgsgrößen wie
EBITDA) in zukünftigen Perioden beziehen. Diese
können Differenzen in der Bewertung sowie hinsichtlich
der Annahmen der zukünftigen Entwicklung des
Transaktionsobjekts zwischen Käufer und Verkäufer
überbrücken. Diese variablen Earn-out-Kaufpreis­be­
standteile werden erst deutlich nach Closing ermittelt.
Allen Kaufpreismechanismen und -anpassungsklauseln
ist gemein, dass diese an Finanzkennzahlen des
Transaktionsobjekts anknüpfen, die nach nationalen
(z.B. HGB) oder internationalen (IFRS, US-GAAP) Rech­
nungslegungsnormen zu ermitteln sind.
Dabei sollte man sich bewusst sein, dass Rechnungs­
legungsnormen zum einen komplex sind und zum
anderen auch stark auslegungsbehaftete Elemente
enthalten. Ermessensspielräume und damit eine unver­
meidliche Subjektivität führen nicht selten zu abwei­
chenden Bilanzierungs- und Bewertungseinschätzungen
der Vertragsparteien.
Divergierende Interpretationsmöglichkeiten von Kauf­
preis(anpassungs-)klauseln im Kaufvertrag, aber auch
unklare Lebenssachverhalte sowie subjektive Ermes­
sens­spielräume bei der Ermittlung von rechnungsle­
gungsbezogenen Finanzkennzahlen und die Komplexi­
tät von Rechnungslegungsnormen selbst können eine
Unternehmenstransaktion in einen M&A-Disput mün­
den lassen.
1 	 Habersack/Tröger: Preisfeststellung durch Schiedsgutachten beim Unternehmenskauf. In:
Der Betrieb, Heft 01/02, 2009, S. 45.
2.3	 Garantien, Gewährleistungen und
Freistellungen
Garantien und Gewährleistungen sichern insbesondere
den Käufer ab und betreffen regelmäßig finanzielle,
rechtliche und tatsächliche Eigenschaften des
Transaktionsobjekts.2
Beispiele sind Garantien hinsicht­
lichJahresabschlüssenundandererFinanzinformationen,
bestimmter Rechtsverhältnisse, Vermögenswerte und
Schulden, Genehmigungen, Arbeitsverhältnisse sowie
die Einhaltung von bestimmten Compliance-Rege­
lungen. Hier kommt es in der Praxis häufig zu unter­
schiedlichen Auffassungen, ob und inwieweit die
zugesicherten Eigenschaften des Transaktionsobjekts
tatsächlich gegeben sind.
Der Kaufpreis sowie die Unternehmensbewertung
des Transaktionsobjekts beruhen regelmäßig auf
Finanz­kennzahlen, die aus historischen Konzern- und
Jahresabschlüssen abgeleitet wurden. Die Richtigkeit
und Verlässlichkeit dieser Finanzzahlen ist für den
Käufer von zentraler Bedeutung und wird mittels der
sogenannten Bilanzgarantie im Kaufvertrag sicher­
gestellt.3
Ein anderes Vertragsinstrument für die Risikoverteilung
zwischen Käufer und Verkäufer stellen Freistellungs­
klauseln dar. Diese ordnen genau zu definierende
Risiken Käufer oder Verkäufer zu und stellen die jeweils
andere Seite entsprechend davon frei. In der M&A-
Praxis häufig anzutreffende Freistellungen sichern den
Käufer etwa vor Umweltrisiken, Rückforderungen von
öffentlichen Zuschüssen, potenziellen Strafzahlungen
und Steuernachzahlungen ab. Besondere Bedeutung
haben regelmäßig Steuerfreistellungen, die den
Käufer von Steuernachzahlungen freistellen, die aus
Veranlagungszeiträumen resultieren, in denen das
Transaktionsobjekt noch vom Verkäufer geführt wurde.4
3.	 Typische Streitthemen aus der M&A-Praxis
Obwohl M&A-Transaktionen in ihrer Ausprägung viel­
fältig sind und Unternehmenskaufverträge individuell
ausgehandelt werden, lassen sich wiederkehrende
Streitthemen bei der Kaufpreisbemessung identifi­
zieren. Die in der M&A-Praxis aus unserer Sicht häufig
vorkommenden Streitpunkte haben wir in Abbildung 1
zusammengefasst.
4.	 Ansprüche identifizieren und geltend
machen
Aus Verkäuferperspektive sollte es selbstverständlich
sein, dass Finanzinformationen sorgfältig aufbereitet
werden und Kaufpreisanpassungen nachvollziehbar
ermittelt oder analysiert werden. Auch hier erweist es
2 	 Beisel/Klumpp: Der Unternehmenskauf. 7.Aufl., C.H. Beck, München, 2016, § 16 Rn. 87.
3 	 Bruski: Kaufpreisbemessung und Kaufpreisanpassung im Unternehmenskaufvertrag. In:
BB Special Nr 7 (zu BB Heft 30, 2005), S. 23.
4 	 Hilgard: Der Freistellungsanspruch beim Unternehmenskauf. In: BB, Heft 21, 2016,
S. 1218-1219.
528. Jahrgang • M&A REVIEW 1-2/2017
STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT
sich in der Praxis als hilfreich, mögliche Interpre­
tationsspielräume vorausschauend im Blick zu haben
und diese aufzubereiten.
Wie eingangs angemerkt, haben sich für die Auf­
deckung, Geltendmachung und Durchsetzung von
Ansprüchen nach Signing bisher keine adäquaten
unternehmerischen Standards und Prozesse etabliert.
Für die meisten Unternehmen existiert schlicht kein
nennenswerter organisatorischer Rahmen, der die Auf­
deckung von Ansprüchen nach Signing gewährleistet.
Die Identifikation materieller Ansprüche wird so oft
vernachlässigt und letztlich dem Zufall überlassen. Das
erscheint überraschend, da das Management entspre­
chend seinen rechtlichen Sorgfaltspflichten eigentlich
gehalten ist, potenziellen Ansprüchen nachzugehen
und diese gegebenenfalls zu verfolgen.
Wenn sich potenzielle Ansprüche erkennen lassen, ist es
wichtig, die relevanten Fakten und Sachverhalte auf­
zuarbeiten, die daraus resultierenden finanziellen
Implikationen abzuschätzen sowie die vertraglichen
Anspruchsgrundlagen zu identifizieren.
Der erste Schritt ist deshalb, eine professionelle und
systematische Analyse möglicher Ansprüche vorzu­
nehmen. Streitigkeiten werden selten öffentlich aus­
getragen, sodass direkt einsehbare Sammlungen
vergleichbarer Sachverhalte und Streitfälle nicht vor­
liegen. Dennoch sind durch hinzugezogene Experten
meist recht gute Einschätzungen möglich. In einem
zweiten Schritt ist zu überlegen, ob potenzielle An­
sprüche gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht
werden. Bei der Entscheidung spielt eine Rolle, wie hoch
der verfolgte Anspruch und seine Erfolgsaussichten
sind.
5.	 Eskalation und der anschließende
Streitbeilegungsprozess
Hat man sich für die Geltendmachung von Ansprüchen
entschieden und die Gegenseite lenkt nicht ein, wird
zur Beilegung von Streitigkeiten häufig ein vertraulich
gehandhabtes Schiedsverfahren gewählt. Die Aufar­
beitung von M&A-Transaktionen vor staatlichen Ge­
richten stellt eher die Ausnahme dar.5
Zu beachten ist, dass der Fokus eines eventuellen
schiedsgerichtlichen Verfahrens auf der Auslegung
rechtlicher Streitpunkte im engeren Sinne liegt. Beispiele
hierfür sind Fragen hinsichtlich der Auslegung von
Garantieklauseln und Gewährleistungen ohne Bezug
zu Finanzinformationen oder Unklarheiten bezüglich
der Einhaltung von Fristen.
Hiervon zu unterscheiden sind die oben erläuterten
Aspekte von Kaufpreisstreitigkeiten, die die abschlie­
ßende Kaufpreisbemessung betreffen und eine Ver­
bindung zu finanz- bzw. rechnungslegungsbezo­genen
Themen aufweisen. Für eine Beilegung dieser Fragen ist
betriebswirtschaftlicher bzw. rechnungslegungsbe­zo­
gener sowie M&A-Sachverstand essenziell.
In der Praxis wird hierfür regelmäßig ein unabhängiger,
sachkundiger Schiedsgutachter (der sogenannte
5 	 Findeisen: Die Sorgfaltspflichten des Erwerbers beim Unternehmenskauf. In: BB, Heft 45,
2015, S. 2700.
Abb. 1 •	Typische Streitthemen bei der Kaufpreisbemessung
Quelle: KPMG Analyse
• Accounting-Hierarchie (GAAP vs. Past Practice vs.Accounting Guidelines) • Klassifizierung von Verbindlichkeiten L&L vs. Rückstellungen
• Korrektur und Abbildung von Fehlern in Vorperioden • Ausübung von Bilanzierungswahlrechten
• Unpräzise Definition und Abgrenzung der Kaufpreisparameter • Bilanzierung von Leasing-Sachverhalten
• Wertberichtigungen von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen • Wesentlichkeitsüberlegungen
• Bewertung und Wertberichtigung von Vorräten • Bewertung von Pensionsrückstellungen
• Übliche Geschäftspraxis vs. SPA-Regelungen • Umsatzrealisierung
• Unterdotierung von Rückstellungen (stark ermessensbehaftet) • Für die Effective Date Accounts anwendbare Rechnungslegungsvorschriften
(Zeitpunkt/Version)
• Ausweis/Klassifizierung von Anlagevermögen vs. Vorräte
vs. sonstige Vermögensgegenstände
• Personalaufwendungen und -rückstellungen
• Berücksichtigung von Steuerrisiken • Ungenauigkeiten und Unschärfen bei der Bilanzierung
• Zeitliche Abgrenzungen und Werterhellungszeitraum • Unterjährige Abbildung von Discounts, Rabatten und
anderen Preisnachlässen (Umsatz und Wareneinsatz)
• POC Accounting (Percentage-of-Completion-Method, ermessensbehaftet) • Bilanzierungsänderung von in der Vergangenheit unwesentlichen Sachverhalten
• Passivierungspflicht (Ansatz) von Schulden/Rückstellungen
(Wahrscheinlichkeit >50%)
6 M&A REVIEW 1-2/2017 • 28. Jahrgang
REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN
Inde­pendent Expert oder Neutral Expert) herangezo­
gen. Dieser sollte M&A-Erfahrung, ein tiefes Verständnis
der Kaufpreisfindung im Kontext rechnungslegungsbe­
zogener Fragestellungen und gleichzeitig ein rechtliches
Verständnis von Unternehmenskaufverträgen mitbrin­
gen.
Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die genannten
finanz- bzw. rechnungslegungsbezogenen Kaufpreis­
streitigkeiten und ihre Beilegung unter Hinzuziehen
eines Independent Expert.
Der typisierte Ablauf eines Kaufpreis-Disputs ist in
Abbildung 2 illustrativ dargestellt.
Zum sogenannten Effective Date (oftmals deckungs­
gleich zum Closing) erstellt eine der Parteien (Käufer
oder Verkäufer) die Closing Statements und stellt die­
se der anderen Seite zur Analyse zur Verfügung.
Gleichzei­tig wird die Kaufpreisanpassung auf Basis des
im Kaufvertrag vereinbarten Mechanismus berechnet.
Die andere Partei analysiert, ob und inwieweit die
Closing Statements und die ermittelte Kaufpreis­an­
passung im Einklang mit den vertraglichen Regelungen
des Kaufvertrags und den darin spezifizierten Rech­
nungs­legungs- sowie sonstigen Ermittlungs­vor­schrif­
ten stehen.
An dieser Stelle können unterschiedliche Auffassungen
zu einzelnen Posten, Berechnungsparametern, An­
nahmen und Schätzungen im Kontext der Auslegung
von vertraglichen und rechnungslegungsspezifischen
Normen zutage treten. Mögliche Sachverhalte und
häufige Streitpunkte sind in Abbildung 1 dargestellt.
Ist die Gegenseite nicht mit der Kaufpreisabbildung
und -ermittlung einverstanden, legt sie ihr vertraglich
zugesichertes Veto ein und übermittelt der Gegenseite
die sogenannte Dispute Notice oder Notice of
Disagreement. Hier ist detailliert aufzulisten und zu
begründen, wo und warum die Closing Statements
bzw. die Kaufpreisermittlung nicht akzeptiert wird.
Die Vertragsparteien werden zunächst bestrebt sein,
informell einen Kompromiss zu finden. Hierzu sehen
Unternehmenskaufverträge zur Streitbeilegung regel­
mäßig die Möglichkeit von sogenannten Good Faith
Negotiations vor. Erst wenn diese gescheitert sind,
greifen die im Kaufvertrag vereinbarten Eskalations­­
me­chanismen und lösen die weiteren Schritte zur
Beilegung der Kaufpreisstreitigkeit aus.
Erfahrung zählt
Für den Independent Expert Process wird meist ein un­
abhängiger Wirtschaftsprüfer ausgewählt, der neben
rechnungslegungsbezogenen Kenntnissen über ein
Verständnis der Kaufpreismechanismen im Kontext der
Unternehmensbewertung im M&A-Umfeld verfügt. Ein
rechtliches Verständnis von Unternehmenskaufverträ­
gen sowie einschlägige Praxiserfahrung bei M&A-
Transaktionen und Streitfällen sind unabdingbar.
Parallel zur Aushandlung der konkreten Gestaltung des
Prozesses und dessen Ablaufs werden die Vertrags­
parteien intern bereits beginnen, eine Strategie für
den Independent-Expert-Prozess zu erarbeiten und
taktische Überlegungen zum Umgang mit einzelnen
Streitfragen anzustellen. Es gilt bereits vorab zu klären,
Abb. 2 •	Typisierter Ablauf eines Kaufpreis-Disputs
Quelle: KPMG Analyse
2–6 Wochen 2–4 Wochen 4–6 Wochen
Closing
Effective Date
Vorläufiger
Kaufpreis
Good Faith Negotiations
fehlgeschlagen
Independent Expert
zirkuliert Draft Report
Finale Entscheidung
Phase 1:
Erstellung/Review
Closing Statements
Phase 2:
Dispute Notice
Good Faith
Negotiations
Phase 3:
Independent Expert Process
Erstellung
der Closing
Statements
Berechnung
Kaufpreis-
anpassung
Analyse Closing
Statements durch
Gegenseite
Auswahl
Independent
Expert
und
Spezifizierung
Ablauf des
Independent
Expert
Process
Anhörung unter der Einbindung von Fachexperten:
– Analyse der Positionspapiere und Argumentationslinien
– Beantwortung Informationswünsche des Independent Expert
– Aufarbeitung und Widerlegung der Argumente der
GegenseiteAnalyse der
Garantien und
Gewährleistungen
Dispute Notice (Laufende) Kommunikation mit Independent Expert
Erarbeitung Strategie für
Independent Expert Process
und Verhandlungstaktik
Antwort auf
Independent Expert Opinion
(Entwurfsfassung)
Good Faith Negotiations Zurückweisung Dispute Notice
728. Jahrgang • M&A REVIEW 1-2/2017
STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT
welche Punkte als besonders wichtig erachtet werden
und welche aus verhandlungstaktischen Gründen ge­
gebenenfalls preisgegeben werden können. Andere zu
beantwortende Fragen sind: Wie werden die jeweiligen
Erfolgsaussichten eingeschätzt? Wo werden weitere
Beweise, Dokumente, Aufarbeitungen usw. benötigt?
Wie, wann und durch wen können diese bereitgestellt
werden?
Der Independent Expert Prozess im engeren Sinne
(Phase 3 im Schaubild) besteht aus der Kommunika­­
tion mit dem Independent Expert in Form von
Positionspapieren, Anhörungen und der Beantwortung
von in der Regel detaillierten Informationsanfragen zur
Sachverhaltsaufklärung. Der Independent Expert wird
den Vertragsparteien vor seiner endgültigen Ent­
scheidung oftmals einen Entwurf seiner Schluss­
folgerungen zukommen lassen. Dies hilft sicherzu­
stellen, dass die Positionen der Vertragsparteien richtig
erfasst wurden und den Parteien rechtliches Gehör
gewährt wurde. Anschließend erhalten die Parteien
die abschließende Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Streitbeilegungsprozess endet mit der Entscheidung
des Independent Expert, die nach typischer Vertrags­
gestaltung den Endpunkt des Streitbeilegungs­me­
chanismus bildet und für beide Seiten – abgesehen von
offensichtlichen Fehlern – verbindlich ist.6
6.	 Typische Fehler vermeiden, Chancen nutzen
Um bei Kaufpreisstreitigkeiten erfolgreich zu sein, soll­
ten die Parteien die ihnen zur Verfügung gestellten
Finanzinformationen (Closing Statements) eingehend
analysieren. Die unter Punkt 3 dargestellte Aufzählung
typischer Streitfragen kann eine systematische Auf­
arbeitung erleichtern.
Dabei sollte auch die Erfüllung der rechtlichen Sorg­
faltspflichten des Managements im Auge behalten
werden. Eine systematische, fokussierte und professio­
nelle Herangehensweise bei der Identifizierung,
Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen
ist essenziell für den späteren Erfolg.
Kaufpreisstreitigkeiten zu bewältigen erfordert:
•	 Erfahrung mit M&A-Transaktionen,
•	 ein rechtliches Verständnis von Unternehmenskauf­
verträgen,
•	 ein Verständnis der Kaufpreismechanismen sowie
Anpassungsklauseln im Kontext von Unternehmens­
bewertungen im M&A-Umfeld,
•	 exzellente Accounting-Kenntnisse, da Kaufpreisme­
chanismen und Garantien an Financials anknüpfen,
die nach bestimmten Rechnungslegungsvorschriften
(IFRS, HGB, US-GAAP, Past Practice) aufzustellen
sind, und
•	 Fachexpertise im Umgang mit M&A-Streitfällen.
6 	 Habersack/Tröger: Preisfeststellung durch Schiedsgutachten beim Unternehmenskauf. In:
Der Betrieb, Heft 01/02, 2009, S. 44ff.
Die unternehmensinternen Ressourcen sind bei Bedarf
mit M&A-Disput-Experten zu erweitern. Im Regelfall
werden hierfür externe Berater involviert, die mit ihren
einschlägigen Erfahrungen bei der Identifizierung und
Durchsetzung von vertraglichen Ansprüchen aus
Unternehmenskaufverträgen helfen.
Ein zentraler Aspekt ist die fokussierte und systemati­
sche Analyse möglicher Ansprüche. Anschließend sind
die identifizierten Wertpotenziale geltend zu machen
und erfolgreich durchzusetzen. Bei der Entscheidung
spielt eine Rolle, wie hoch die verfolgten Ansprüche
und ihre Erfolgsaussichten sind. Eine belastbare
Einschätzung und Orientierung können hinzugezogene
Experten geben.
Das gilt nicht nur für die initiale Analyse, sondern für
einen etwaigen Prozess zur Beilegung von Kaufpreis­
streitigkeiten insgesamt. Dieser sollte professionell
gestaltet werden. Das Handeln der Beteiligten ist auf­
einander abzustimmen, um eine stringente Argumen­
tationslinie zu ermöglichen. Sowohl die Dispute Notice
als auch sonstige Stellungnahmen sind von Beginn an
sorgfältig zu strukturieren und so zu gestalten, dass ein
unabhängiger Dritter (Independent Expert) hierdurch
überzeugt werden kann.
In der Kommunikation mit dem Independent Expert ist
nach größtmöglicher Klarheit zu streben, Argumen­
tationslinien sind nachvollziehbar zu gestalten und
durch Belege schlüssig zu unterlegen. Übersenden Sie
im Rahmen eines M&A-Kaufpreisdisputes nur Unter­
lagen und Stellungnahmen, die Ihre Position kraftvoll
und vollumfassend unterstreichen. Die Rücknahme
bzw. Änderung von Argumentationslinien ist stets mit
einem Glaubwürdigkeitsverlust verbunden.
Es bleibt festzuhalten, dass es sich lohnt, Kaufpreise
über den gesamten M&A-Prozess hinweg genau zu
prüfen. Allerdings wird eine eher halbherzige Analyse
und Abarbeitung nicht die gewünschten Erfolge her­
beiführen und gegebenenfalls ein Kaufpreisanpas­
sungs­potenzial in Millionenhöhe ungenutzt lassen.	
Ingo Schleis ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Direktor bei KPMG AG Wirtschafts­
prüfungsgesellschaft im Bereich Deal Advisory. Sein Beratungs­schwerpunkt liegt in
der umfassenden Betreuung von Mandanten, die sich im Nachgang zu einer Unter­
nehmenstransaktion in einem M&A-Disput befinden. Neben der Identifizierung und
Durchsetzung bzw.Abwehr von Ansprüchen aus Unternehmenskaufverträgen ist er
auch selbst schlichtend als neutraler Schiedsgutachter (Independent Expert) aktiv.
ingoschleis@kpmg.com
Prof. Dr. Mareike Kühne ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der
Technischen Hochschule Brandenburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Finanzbericht­
erstattung und Corporate Governance.Als ehemalige Senior Managerin der KPMG
AG und Projektmanagerin beim DRSC e.V. verfügt sie über langjährige Erfahrung im
Bereich der Internationalen Rechnungslegung. Sie ist freiberuflich als Beraterin und
Accounting Expert tätig, unter anderem für den Bereich Deal Advisory der KPMG AG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. mareike.kuehne@th-brandenburg.de

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M&A Purchase Price Disputes Sicher durch turbulente Zeiten navigieren

  • 1. Standpunkt Fintech treibt das M&A-Geschäft Strategien und Visionen Von der Best-Practice zur Next-Best-Practice: Integration von verhaltenstheoretischen Aspekten in den M&A-Prozess Bewertung und Kapitalmärkte Die finanzorientierte Bewertung von Software Bewertung und Kapitalmärkte M&A – Deutschland im Spannungs- feld zwischen USA, China und einer zunehmend aktiven Industriepolitik International Column M&A-Markt Q4 2016: Behauptung des Marktes trotz politischer Unsicherheiten Austria Column Österreichischer M&A-Markt 2016 weiter gewachsen M&A Aktuell M&A-Markt 2016: Politische Trends ändern Rahmenbedingungen für M&A-Transaktionen Deal des Monats Luxottica und Essilor krempeln mit Milliarden-Fusion den Brillenmarkt um www.ma-review.de Publikationsorgan des 28. Jahrgang 1-2/2017 Strategien und Visionen M&A Purchase Price Disputes: Sicher durch turbulente Zeiten navigieren
  • 2. 2 M&A REVIEW 1-2/2017 • 28. Jahrgang REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN M&A Purchase Price Disputes: Sicher durch turbulente Zeiten navigieren Ingo Schleis, KPMG AG, Frankfurt & Prof. Dr. Mareike Kühne,Technische Hochschule Brandenburg, Berlin 1. Einleitung Unternehmenstransaktionen sind eine komplexe Angelegenheit. Kommt es zu Unstimmigkeiten, liegen die Ansprüche der Unternehmen rasch im Millio­ nenbereich. Auch nach sorgfältigen Verhandlungen bieten M&A-Transaktionen und Verträge häufig Anlass zu Diskussionen und Streitigkeiten aufgrund unterschiedlicher Interpretationen des Kaufpreis­me­ chanismus sowie Gewährleistungs- und Garantie­ regelungen. Für die beteiligten Parteien ist dies eine außerge­ wöhnliche Herausforderung. Tatsächlich haben Kauf­ preisstreitigkeiten im Rahmen von nationalen sowie grenzüberschreitenden Übernahmen und Zusam­ menschlüssen in den vergangenen Jahren zugenom­ men, wie auch unsere eigenen Erhebungen zeigen. Mittlerweile kommt es bei 10 bis 15% aller Un­ ternehmenstransaktionen nach Unterzeichnung des Kaufvertrages zu einem M&A-Disput. Dieser kann sich über Monate oder Jahre hinziehen. Die Zunahme von M&A-Streitigkeiten kommt nicht überraschend. Für Unternehmen werden hohe Preise gezahlt. Enttäuschte Erwartungen auf Käuferseite und eine weniger zurückhaltende, eher pragmatische Sichtweise befeuern im aktuellen Marktumfeld das Potenzial für Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien. Diese enden teilweise erst im Schieds­ verfahren oder vor staatlichen Gerichten. Die Zunahme an Streitigkeiten sollte nicht über den folgenden Punkt hinwegtäuschen: Im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen gehen Unternehmen äußerst professionell an die Schritte bis zur Unterzeichnung des Kaufvertrages heran. Jedoch fehlt oftmals ein ähnlich professionell gestalteter Rahmen bezüglich der Identifizierung, Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen nach „Signing“ – also der Zeitraum nach Unterschrift/Abschluss des Kaufvertrags. Eine gezielte Post-Signing-Analyse findet in der Praxis kaum statt. In der verblüffenden Konsequenz be­ deutet dies, dass sich Unternehmen in den seltensten Fällen systematisch mit der Frage beschäftigen, ob ihre akribisch ausgehandelten vertraglichen An­sprü­ che tatsächlich erfüllt wurden. Aus unternehmerischer Perspektive erscheint das unverständlich, da eine pro­ fessionelle und systematische Aufarbeitung sowie die anschließende Verfolgung von Ansprüchen ein hohes Erfolgspotenzial verspricht. Grundsätzlich gilt, dass sich sowohl Käufer- als auch Verkäuferseite häufig unsicher sind, wie sie zielge­ richtet mit einem M&A-Streitfall umgehen und ihre Ansprüche durchsetzen können. Im Folgenden beleuchten wir aus verschiedenen Blick­ wickeln die Ursachen, Hintergründe und Heraus­for­ derungen im Rahmen von Kaufpreisstreitigkeiten: Welche vertraglichen Vereinbarungen können zu Strei­tigkeiten führen? Welche Chancen und Risiken sollten die Transaktionsparteien im Auge behalten? Wie und in welchen Phasen läuft ein typischer Kauf­ preisdisput ab? Und welche konkreten Handlungs­ empfehlungen lassen sich daraus ableiten? 2. Wiederkehrende Ursachen und Hintergründe von M&A-Streitigkeiten Kein M&A-Disput gleicht dem anderen: Die Ursachen und Hintergründe für Streitigkeiten sind so komplex und vielfältig wie Unternehmenstransaktionen selbst. Wie kann man sich dem Themengebiet trotzdem systematisch annähern? Der beste Weg, um die Hintergründe von M&A-Streitigkeiten zu verstehen, ist, sich die häufigsten Streitpunkte vor Augen zu führen. Gemäß unserer Erfahrung bilden unterschiedliche Inter­pretationen der Kaufpreisklauseln im Unter­neh­ menskaufvertrag, die Ermittlung von rechnungsle­ gungs­bezogenen kaufpreisrelevanten Finanzkenn­zah­
  • 3. 328. Jahrgang • M&A REVIEW 1-2/2017 STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT len sowie Gewährleistungs- und Garantieregelungen am häufigsten Anlass zu Diskussionen. Bei einer Unternehmenstransaktion gehört der Kauf­ preis zu den zentralen Verhandlungspunkten zwischen Käufer und Verkäufer. Daher ist es nicht verwunderlich, dass variabel ausgestaltete und zum Closing-Zeitpunkt oder später zu ermittelnde Kaufpreisparameter zu un­ terschiedlichen Interpretationen führen können. Oft­ mals sind hier rechnungslegungsbezogene Themen, rechtliche Fragenstellungen sowie Bewertungsaspekte sehr eng miteinander verknüpft und erhöhen den Komplexitätsgrad zusätzlich. Komplexität allein erklärt aber noch nicht die Streit­ anfälligkeit von Unternehmenstransaktionen. Häufig sind enttäuschte Erwartungen auf Käuferseite Auslöser dafür, dass sich der Erwerber auf die Suche nach Möglichkeiten zur Geltendmachung von Ansprüchen begibt. Für diesen Fall bieten Kaufpreisklauseln, Garantie- und Gewährleistungsansprüche eine willkom­ mene Anspruchsgrundlage. Entsprechende Klauseln sind jedoch bei M&A-Transaktionen unverzichtbar, sodass für beide Seiten gilt, möglichst intelligent und weitsichtig hiermit umzugehen. 2.1 Zeitraum zwischen Signing und Closing Notwendigkeit und Inhalt von Kaufpreis(anpassungs) klauseln bei M&A-Transaktionen werden verständlich, wenn man diese vor dem Hintergrund des Bewer­ tungsmodells und der Zeitspanne zwischen Signing und Closing (Vollzug Kaufvertrag/Kontrollübergang) inter­ pretiert. Je nach Größe, Struktur und Ausgestaltung der Trans­ aktion können mehrere Wochen oder gar Monate zwischen dem Stichtag der letzten Finanzzahlen als Bewertungsgrundlage, Signing und Closing liegen. Diese Zeitspanne ist den organisatorischen, rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingung einer M&A- Transaktion geschuldet: Kartellfreigaben und andere öffentlich-rechtliche Genehmigungen sind einzuholen, gesellschaftsrechtliche Organe bzw. Gremien müssen zustimmen, Verträge sind aufzulösen, abzuschließen oder anzupassen, Umstrukturierungsmaßnahmen sind für die Transaktion vorzunehmen, unvollständige oder veraltete Bewertungsgrundlagen sind zu aktualisieren. Der Käufer hatte Gelegenheit, auf Basis der letztver­ fügbaren Finanzzahlen eine Bewertung des Trans­ aktionsobjekts vor Signing vorzunehmen. Unter Um­ ständen ist der Käufer aber im Zeitraum bis Closing Wertänderungen des Transaktionsobjekts voll aus­ gesetzt, obwohl die Geschäftsführung noch unter dem alten Eigentümer erfolgt. Die Wertänderungen, Ergebnispartizipation sowie an­ dere Risiken und Chancen, die sich aus dem Über­ gangszeitraum ergeben, werden im Unterneh­ menskaufvertrag über Kaufpreis(anpassungs)klauseln, Covenant- und Leakage-Regelungen sowie über be­ stimmte Garantien und Gewährleistungen geregelt. 2.2 Kaufpreis(anpassungs)klauseln im Unternehmenskaufvertrag Die Festlegung des Kaufpreismechanismus und der -anpassungsklauseln im Unternehmenskaufvertrag reflektiert das zugrunde liegende Bewertungsmodell und die individuell zu bestimmende Risiko- und Chancenposition der beteiligten Vertragsparteien. Den Parteien steht es frei, einen fixen Kaufpreis auf Basis der zuletzt verfügbaren Finanzinformationen zu vereinbaren (Locked-Box-Mechanismus). Risiken und Chancen gehen auf den Käufer hier bereits zum Signing oder einem vorgelagerten „Locked-Box- Date“ über und nicht erst bei Closing. Die Ge­ schäftsführung erfolgt bis Closing allerdings noch unter dem alten Eigentümer. Zum Schutz des Käufers werden be­stimmte Ver­mögensabflüsse (Leakage) oder
  • 4. 4 M&A REVIEW 1-2/2017 • 28. Jahrgang REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN Verhaltensregelungen (Covenants) zwischen Locked- Box-Date und Closing vertraglich ausgeschlossen und mit einer Schadlos­haltungsregelung zugunsten des Käufers verbunden. Wie unsere Praxiserfahrung und diverse Marktanalysen zeigen, weist die Mehrzahl von Unternehmens­kauf­ verträgen jedoch – zumindest partiell – variabel ausge­ staltete Kaufpreisparameter auf. Solange der Verkäufer die Kontrolle über das Transaktionsobjekt hat (bis Closing), ist es zumindest aus Käufersicht auch sinnvoll, ihn mit dem Wertänderungsrisiko zu belasten, um Anreize für eine erfolgreiche und effiziente Unter­ nehmensführung zu schaffen.1 Hier kann ein Closing-Accounts-Mechanismus in seiner Reinform zum Tragen kommen, der vorsieht, dass der Kaufpreis auf Basis einer im Vertrag fest determinier­ ten Kaufpreisformel (z.B. EBITDA x Faktor 10 abzgl. Finanzschulden) zum Closing ermittelt wird. Deutlich häufiger wird jedoch ein vorläufiger Kaufpreis mit ei­ ner fixen Kaufpreiskomponente (i.d.R. auf Basis des Enterprise Value) zum Signing vereinbart, der zum Closing auf Basis des Nettoumlaufvermögens (Net Working Capital) und Nettoverschuldung (Net Debt) anzupassen ist. Davon abzugrenzen sind Earn-out-Regelungen, die sich auf Finanzkennzahlen (meist Erfolgsgrößen wie EBITDA) in zukünftigen Perioden beziehen. Diese können Differenzen in der Bewertung sowie hinsichtlich der Annahmen der zukünftigen Entwicklung des Transaktionsobjekts zwischen Käufer und Verkäufer überbrücken. Diese variablen Earn-out-Kaufpreis­be­ standteile werden erst deutlich nach Closing ermittelt. Allen Kaufpreismechanismen und -anpassungsklauseln ist gemein, dass diese an Finanzkennzahlen des Transaktionsobjekts anknüpfen, die nach nationalen (z.B. HGB) oder internationalen (IFRS, US-GAAP) Rech­ nungslegungsnormen zu ermitteln sind. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass Rechnungs­ legungsnormen zum einen komplex sind und zum anderen auch stark auslegungsbehaftete Elemente enthalten. Ermessensspielräume und damit eine unver­ meidliche Subjektivität führen nicht selten zu abwei­ chenden Bilanzierungs- und Bewertungseinschätzungen der Vertragsparteien. Divergierende Interpretationsmöglichkeiten von Kauf­ preis(anpassungs-)klauseln im Kaufvertrag, aber auch unklare Lebenssachverhalte sowie subjektive Ermes­ sens­spielräume bei der Ermittlung von rechnungsle­ gungsbezogenen Finanzkennzahlen und die Komplexi­ tät von Rechnungslegungsnormen selbst können eine Unternehmenstransaktion in einen M&A-Disput mün­ den lassen. 1 Habersack/Tröger: Preisfeststellung durch Schiedsgutachten beim Unternehmenskauf. In: Der Betrieb, Heft 01/02, 2009, S. 45. 2.3 Garantien, Gewährleistungen und Freistellungen Garantien und Gewährleistungen sichern insbesondere den Käufer ab und betreffen regelmäßig finanzielle, rechtliche und tatsächliche Eigenschaften des Transaktionsobjekts.2 Beispiele sind Garantien hinsicht­ lichJahresabschlüssenundandererFinanzinformationen, bestimmter Rechtsverhältnisse, Vermögenswerte und Schulden, Genehmigungen, Arbeitsverhältnisse sowie die Einhaltung von bestimmten Compliance-Rege­ lungen. Hier kommt es in der Praxis häufig zu unter­ schiedlichen Auffassungen, ob und inwieweit die zugesicherten Eigenschaften des Transaktionsobjekts tatsächlich gegeben sind. Der Kaufpreis sowie die Unternehmensbewertung des Transaktionsobjekts beruhen regelmäßig auf Finanz­kennzahlen, die aus historischen Konzern- und Jahresabschlüssen abgeleitet wurden. Die Richtigkeit und Verlässlichkeit dieser Finanzzahlen ist für den Käufer von zentraler Bedeutung und wird mittels der sogenannten Bilanzgarantie im Kaufvertrag sicher­ gestellt.3 Ein anderes Vertragsinstrument für die Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer stellen Freistellungs­ klauseln dar. Diese ordnen genau zu definierende Risiken Käufer oder Verkäufer zu und stellen die jeweils andere Seite entsprechend davon frei. In der M&A- Praxis häufig anzutreffende Freistellungen sichern den Käufer etwa vor Umweltrisiken, Rückforderungen von öffentlichen Zuschüssen, potenziellen Strafzahlungen und Steuernachzahlungen ab. Besondere Bedeutung haben regelmäßig Steuerfreistellungen, die den Käufer von Steuernachzahlungen freistellen, die aus Veranlagungszeiträumen resultieren, in denen das Transaktionsobjekt noch vom Verkäufer geführt wurde.4 3. Typische Streitthemen aus der M&A-Praxis Obwohl M&A-Transaktionen in ihrer Ausprägung viel­ fältig sind und Unternehmenskaufverträge individuell ausgehandelt werden, lassen sich wiederkehrende Streitthemen bei der Kaufpreisbemessung identifi­ zieren. Die in der M&A-Praxis aus unserer Sicht häufig vorkommenden Streitpunkte haben wir in Abbildung 1 zusammengefasst. 4. Ansprüche identifizieren und geltend machen Aus Verkäuferperspektive sollte es selbstverständlich sein, dass Finanzinformationen sorgfältig aufbereitet werden und Kaufpreisanpassungen nachvollziehbar ermittelt oder analysiert werden. Auch hier erweist es 2 Beisel/Klumpp: Der Unternehmenskauf. 7.Aufl., C.H. Beck, München, 2016, § 16 Rn. 87. 3 Bruski: Kaufpreisbemessung und Kaufpreisanpassung im Unternehmenskaufvertrag. In: BB Special Nr 7 (zu BB Heft 30, 2005), S. 23. 4 Hilgard: Der Freistellungsanspruch beim Unternehmenskauf. In: BB, Heft 21, 2016, S. 1218-1219.
  • 5. 528. Jahrgang • M&A REVIEW 1-2/2017 STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT sich in der Praxis als hilfreich, mögliche Interpre­ tationsspielräume vorausschauend im Blick zu haben und diese aufzubereiten. Wie eingangs angemerkt, haben sich für die Auf­ deckung, Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen nach Signing bisher keine adäquaten unternehmerischen Standards und Prozesse etabliert. Für die meisten Unternehmen existiert schlicht kein nennenswerter organisatorischer Rahmen, der die Auf­ deckung von Ansprüchen nach Signing gewährleistet. Die Identifikation materieller Ansprüche wird so oft vernachlässigt und letztlich dem Zufall überlassen. Das erscheint überraschend, da das Management entspre­ chend seinen rechtlichen Sorgfaltspflichten eigentlich gehalten ist, potenziellen Ansprüchen nachzugehen und diese gegebenenfalls zu verfolgen. Wenn sich potenzielle Ansprüche erkennen lassen, ist es wichtig, die relevanten Fakten und Sachverhalte auf­ zuarbeiten, die daraus resultierenden finanziellen Implikationen abzuschätzen sowie die vertraglichen Anspruchsgrundlagen zu identifizieren. Der erste Schritt ist deshalb, eine professionelle und systematische Analyse möglicher Ansprüche vorzu­ nehmen. Streitigkeiten werden selten öffentlich aus­ getragen, sodass direkt einsehbare Sammlungen vergleichbarer Sachverhalte und Streitfälle nicht vor­ liegen. Dennoch sind durch hinzugezogene Experten meist recht gute Einschätzungen möglich. In einem zweiten Schritt ist zu überlegen, ob potenzielle An­ sprüche gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden. Bei der Entscheidung spielt eine Rolle, wie hoch der verfolgte Anspruch und seine Erfolgsaussichten sind. 5. Eskalation und der anschließende Streitbeilegungsprozess Hat man sich für die Geltendmachung von Ansprüchen entschieden und die Gegenseite lenkt nicht ein, wird zur Beilegung von Streitigkeiten häufig ein vertraulich gehandhabtes Schiedsverfahren gewählt. Die Aufar­ beitung von M&A-Transaktionen vor staatlichen Ge­ richten stellt eher die Ausnahme dar.5 Zu beachten ist, dass der Fokus eines eventuellen schiedsgerichtlichen Verfahrens auf der Auslegung rechtlicher Streitpunkte im engeren Sinne liegt. Beispiele hierfür sind Fragen hinsichtlich der Auslegung von Garantieklauseln und Gewährleistungen ohne Bezug zu Finanzinformationen oder Unklarheiten bezüglich der Einhaltung von Fristen. Hiervon zu unterscheiden sind die oben erläuterten Aspekte von Kaufpreisstreitigkeiten, die die abschlie­ ßende Kaufpreisbemessung betreffen und eine Ver­ bindung zu finanz- bzw. rechnungslegungsbezo­genen Themen aufweisen. Für eine Beilegung dieser Fragen ist betriebswirtschaftlicher bzw. rechnungslegungsbe­zo­ gener sowie M&A-Sachverstand essenziell. In der Praxis wird hierfür regelmäßig ein unabhängiger, sachkundiger Schiedsgutachter (der sogenannte 5 Findeisen: Die Sorgfaltspflichten des Erwerbers beim Unternehmenskauf. In: BB, Heft 45, 2015, S. 2700. Abb. 1 • Typische Streitthemen bei der Kaufpreisbemessung Quelle: KPMG Analyse • Accounting-Hierarchie (GAAP vs. Past Practice vs.Accounting Guidelines) • Klassifizierung von Verbindlichkeiten L&L vs. Rückstellungen • Korrektur und Abbildung von Fehlern in Vorperioden • Ausübung von Bilanzierungswahlrechten • Unpräzise Definition und Abgrenzung der Kaufpreisparameter • Bilanzierung von Leasing-Sachverhalten • Wertberichtigungen von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen • Wesentlichkeitsüberlegungen • Bewertung und Wertberichtigung von Vorräten • Bewertung von Pensionsrückstellungen • Übliche Geschäftspraxis vs. SPA-Regelungen • Umsatzrealisierung • Unterdotierung von Rückstellungen (stark ermessensbehaftet) • Für die Effective Date Accounts anwendbare Rechnungslegungsvorschriften (Zeitpunkt/Version) • Ausweis/Klassifizierung von Anlagevermögen vs. Vorräte vs. sonstige Vermögensgegenstände • Personalaufwendungen und -rückstellungen • Berücksichtigung von Steuerrisiken • Ungenauigkeiten und Unschärfen bei der Bilanzierung • Zeitliche Abgrenzungen und Werterhellungszeitraum • Unterjährige Abbildung von Discounts, Rabatten und anderen Preisnachlässen (Umsatz und Wareneinsatz) • POC Accounting (Percentage-of-Completion-Method, ermessensbehaftet) • Bilanzierungsänderung von in der Vergangenheit unwesentlichen Sachverhalten • Passivierungspflicht (Ansatz) von Schulden/Rückstellungen (Wahrscheinlichkeit >50%)
  • 6. 6 M&A REVIEW 1-2/2017 • 28. Jahrgang REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN Inde­pendent Expert oder Neutral Expert) herangezo­ gen. Dieser sollte M&A-Erfahrung, ein tiefes Verständnis der Kaufpreisfindung im Kontext rechnungslegungsbe­ zogener Fragestellungen und gleichzeitig ein rechtliches Verständnis von Unternehmenskaufverträgen mitbrin­ gen. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die genannten finanz- bzw. rechnungslegungsbezogenen Kaufpreis­ streitigkeiten und ihre Beilegung unter Hinzuziehen eines Independent Expert. Der typisierte Ablauf eines Kaufpreis-Disputs ist in Abbildung 2 illustrativ dargestellt. Zum sogenannten Effective Date (oftmals deckungs­ gleich zum Closing) erstellt eine der Parteien (Käufer oder Verkäufer) die Closing Statements und stellt die­ se der anderen Seite zur Analyse zur Verfügung. Gleichzei­tig wird die Kaufpreisanpassung auf Basis des im Kaufvertrag vereinbarten Mechanismus berechnet. Die andere Partei analysiert, ob und inwieweit die Closing Statements und die ermittelte Kaufpreis­an­ passung im Einklang mit den vertraglichen Regelungen des Kaufvertrags und den darin spezifizierten Rech­ nungs­legungs- sowie sonstigen Ermittlungs­vor­schrif­ ten stehen. An dieser Stelle können unterschiedliche Auffassungen zu einzelnen Posten, Berechnungsparametern, An­ nahmen und Schätzungen im Kontext der Auslegung von vertraglichen und rechnungslegungsspezifischen Normen zutage treten. Mögliche Sachverhalte und häufige Streitpunkte sind in Abbildung 1 dargestellt. Ist die Gegenseite nicht mit der Kaufpreisabbildung und -ermittlung einverstanden, legt sie ihr vertraglich zugesichertes Veto ein und übermittelt der Gegenseite die sogenannte Dispute Notice oder Notice of Disagreement. Hier ist detailliert aufzulisten und zu begründen, wo und warum die Closing Statements bzw. die Kaufpreisermittlung nicht akzeptiert wird. Die Vertragsparteien werden zunächst bestrebt sein, informell einen Kompromiss zu finden. Hierzu sehen Unternehmenskaufverträge zur Streitbeilegung regel­ mäßig die Möglichkeit von sogenannten Good Faith Negotiations vor. Erst wenn diese gescheitert sind, greifen die im Kaufvertrag vereinbarten Eskalations­­ me­chanismen und lösen die weiteren Schritte zur Beilegung der Kaufpreisstreitigkeit aus. Erfahrung zählt Für den Independent Expert Process wird meist ein un­ abhängiger Wirtschaftsprüfer ausgewählt, der neben rechnungslegungsbezogenen Kenntnissen über ein Verständnis der Kaufpreismechanismen im Kontext der Unternehmensbewertung im M&A-Umfeld verfügt. Ein rechtliches Verständnis von Unternehmenskaufverträ­ gen sowie einschlägige Praxiserfahrung bei M&A- Transaktionen und Streitfällen sind unabdingbar. Parallel zur Aushandlung der konkreten Gestaltung des Prozesses und dessen Ablaufs werden die Vertrags­ parteien intern bereits beginnen, eine Strategie für den Independent-Expert-Prozess zu erarbeiten und taktische Überlegungen zum Umgang mit einzelnen Streitfragen anzustellen. Es gilt bereits vorab zu klären, Abb. 2 • Typisierter Ablauf eines Kaufpreis-Disputs Quelle: KPMG Analyse 2–6 Wochen 2–4 Wochen 4–6 Wochen Closing Effective Date Vorläufiger Kaufpreis Good Faith Negotiations fehlgeschlagen Independent Expert zirkuliert Draft Report Finale Entscheidung Phase 1: Erstellung/Review Closing Statements Phase 2: Dispute Notice Good Faith Negotiations Phase 3: Independent Expert Process Erstellung der Closing Statements Berechnung Kaufpreis- anpassung Analyse Closing Statements durch Gegenseite Auswahl Independent Expert und Spezifizierung Ablauf des Independent Expert Process Anhörung unter der Einbindung von Fachexperten: – Analyse der Positionspapiere und Argumentationslinien – Beantwortung Informationswünsche des Independent Expert – Aufarbeitung und Widerlegung der Argumente der GegenseiteAnalyse der Garantien und Gewährleistungen Dispute Notice (Laufende) Kommunikation mit Independent Expert Erarbeitung Strategie für Independent Expert Process und Verhandlungstaktik Antwort auf Independent Expert Opinion (Entwurfsfassung) Good Faith Negotiations Zurückweisung Dispute Notice
  • 7. 728. Jahrgang • M&A REVIEW 1-2/2017 STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT welche Punkte als besonders wichtig erachtet werden und welche aus verhandlungstaktischen Gründen ge­ gebenenfalls preisgegeben werden können. Andere zu beantwortende Fragen sind: Wie werden die jeweiligen Erfolgsaussichten eingeschätzt? Wo werden weitere Beweise, Dokumente, Aufarbeitungen usw. benötigt? Wie, wann und durch wen können diese bereitgestellt werden? Der Independent Expert Prozess im engeren Sinne (Phase 3 im Schaubild) besteht aus der Kommunika­­ tion mit dem Independent Expert in Form von Positionspapieren, Anhörungen und der Beantwortung von in der Regel detaillierten Informationsanfragen zur Sachverhaltsaufklärung. Der Independent Expert wird den Vertragsparteien vor seiner endgültigen Ent­ scheidung oftmals einen Entwurf seiner Schluss­ folgerungen zukommen lassen. Dies hilft sicherzu­ stellen, dass die Positionen der Vertragsparteien richtig erfasst wurden und den Parteien rechtliches Gehör gewährt wurde. Anschließend erhalten die Parteien die abschließende Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Streitbeilegungsprozess endet mit der Entscheidung des Independent Expert, die nach typischer Vertrags­ gestaltung den Endpunkt des Streitbeilegungs­me­ chanismus bildet und für beide Seiten – abgesehen von offensichtlichen Fehlern – verbindlich ist.6 6. Typische Fehler vermeiden, Chancen nutzen Um bei Kaufpreisstreitigkeiten erfolgreich zu sein, soll­ ten die Parteien die ihnen zur Verfügung gestellten Finanzinformationen (Closing Statements) eingehend analysieren. Die unter Punkt 3 dargestellte Aufzählung typischer Streitfragen kann eine systematische Auf­ arbeitung erleichtern. Dabei sollte auch die Erfüllung der rechtlichen Sorg­ faltspflichten des Managements im Auge behalten werden. Eine systematische, fokussierte und professio­ nelle Herangehensweise bei der Identifizierung, Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen ist essenziell für den späteren Erfolg. Kaufpreisstreitigkeiten zu bewältigen erfordert: • Erfahrung mit M&A-Transaktionen, • ein rechtliches Verständnis von Unternehmenskauf­ verträgen, • ein Verständnis der Kaufpreismechanismen sowie Anpassungsklauseln im Kontext von Unternehmens­ bewertungen im M&A-Umfeld, • exzellente Accounting-Kenntnisse, da Kaufpreisme­ chanismen und Garantien an Financials anknüpfen, die nach bestimmten Rechnungslegungsvorschriften (IFRS, HGB, US-GAAP, Past Practice) aufzustellen sind, und • Fachexpertise im Umgang mit M&A-Streitfällen. 6 Habersack/Tröger: Preisfeststellung durch Schiedsgutachten beim Unternehmenskauf. In: Der Betrieb, Heft 01/02, 2009, S. 44ff. Die unternehmensinternen Ressourcen sind bei Bedarf mit M&A-Disput-Experten zu erweitern. Im Regelfall werden hierfür externe Berater involviert, die mit ihren einschlägigen Erfahrungen bei der Identifizierung und Durchsetzung von vertraglichen Ansprüchen aus Unternehmenskaufverträgen helfen. Ein zentraler Aspekt ist die fokussierte und systemati­ sche Analyse möglicher Ansprüche. Anschließend sind die identifizierten Wertpotenziale geltend zu machen und erfolgreich durchzusetzen. Bei der Entscheidung spielt eine Rolle, wie hoch die verfolgten Ansprüche und ihre Erfolgsaussichten sind. Eine belastbare Einschätzung und Orientierung können hinzugezogene Experten geben. Das gilt nicht nur für die initiale Analyse, sondern für einen etwaigen Prozess zur Beilegung von Kaufpreis­ streitigkeiten insgesamt. Dieser sollte professionell gestaltet werden. Das Handeln der Beteiligten ist auf­ einander abzustimmen, um eine stringente Argumen­ tationslinie zu ermöglichen. Sowohl die Dispute Notice als auch sonstige Stellungnahmen sind von Beginn an sorgfältig zu strukturieren und so zu gestalten, dass ein unabhängiger Dritter (Independent Expert) hierdurch überzeugt werden kann. In der Kommunikation mit dem Independent Expert ist nach größtmöglicher Klarheit zu streben, Argumen­ tationslinien sind nachvollziehbar zu gestalten und durch Belege schlüssig zu unterlegen. Übersenden Sie im Rahmen eines M&A-Kaufpreisdisputes nur Unter­ lagen und Stellungnahmen, die Ihre Position kraftvoll und vollumfassend unterstreichen. Die Rücknahme bzw. Änderung von Argumentationslinien ist stets mit einem Glaubwürdigkeitsverlust verbunden. Es bleibt festzuhalten, dass es sich lohnt, Kaufpreise über den gesamten M&A-Prozess hinweg genau zu prüfen. Allerdings wird eine eher halbherzige Analyse und Abarbeitung nicht die gewünschten Erfolge her­ beiführen und gegebenenfalls ein Kaufpreisanpas­ sungs­potenzial in Millionenhöhe ungenutzt lassen. Ingo Schleis ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Direktor bei KPMG AG Wirtschafts­ prüfungsgesellschaft im Bereich Deal Advisory. Sein Beratungs­schwerpunkt liegt in der umfassenden Betreuung von Mandanten, die sich im Nachgang zu einer Unter­ nehmenstransaktion in einem M&A-Disput befinden. Neben der Identifizierung und Durchsetzung bzw.Abwehr von Ansprüchen aus Unternehmenskaufverträgen ist er auch selbst schlichtend als neutraler Schiedsgutachter (Independent Expert) aktiv. ingoschleis@kpmg.com Prof. Dr. Mareike Kühne ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Brandenburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Finanzbericht­ erstattung und Corporate Governance.Als ehemalige Senior Managerin der KPMG AG und Projektmanagerin beim DRSC e.V. verfügt sie über langjährige Erfahrung im Bereich der Internationalen Rechnungslegung. Sie ist freiberuflich als Beraterin und Accounting Expert tätig, unter anderem für den Bereich Deal Advisory der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. mareike.kuehne@th-brandenburg.de