1. Demografiemanagement
Perspektive eines nachhaltigen HRM
Robert J. Zaugg
1 Ausgangslage
Verschiedene Trends weisen darauf hin, dass sich der Arbeitsmarkt in seiner
Zusammensetzung und in seiner Ergiebigkeit in den kommenden Jahren grund-legend
verändern wird. Das hängt unter anderem mit der demografischen Ent-wicklung
(vgl. Brachinger/Carnazzi/Thom/Blum 1997), mit der Migration, mit
veränderten Wertemodellen und mit der Konjunktur zusammen. Diese Entwick-lungen
können sich von Wirtschaftsraum zu Wirtschaftsraum unterscheiden.
Aufgrund eines in vielen Berufsgruppen ausgetrockneten Arbeitsmarktes sind
Unternehmen und öffentliche Institutionen gefordert, neben klassischen Bewer-bergruppen
(z. B. Einsteiger ins Berufsleben, Professionals) weitere Zielgruppen
anzusprechen (z. B. Wiedereinsteigerinnen, ältere Mitarbeitende, Migrierende).
Nur so können sie ihren Bedarf an qualifizierten Fach- und Nachwuchskräften
decken. Aber nicht nur die Gewinnung von Mitarbeitenden verändert sich, auch
der Umgang mit dem bestehenden Personal ist einem Wandel unterworfen. Da
sich ungewollte Abgänge nur schwer ersetzen lassen, schenken Unternehmen der
Retention und der Entwicklung grössere Beachtung.
Es lässt sich somit festhalten, dass sich das Arbeitskräftepotenzial und die
Belegschaft einer Unternehmung zukünftig deutlich heterogener präsentieren
als heute. Die homogene Belegschaft gibt es nicht mehr. Entsprechend grei-fen
auch Personalmanagement-Systeme, die alle Mitarbeitenden über einen
Leisten schlagen, zu kurz. Eine Individualisierung des HRM1 in praktisch allen
1 Die Begriffe Personalmanagement, Personalarbeit und Human Resource Management
(HRM) werden im vorliegenden Beitrag synonym verwendet.
2. 338 Robert J. Zaugg
wertschöpfenden Funktionen tut not. Die Diskussionen um Diversität zeigen,
dass Theorie und Praxis den Wert einer vielfältigen Mitarbeiterschaft erkannt
haben und sich auch der diesbezüglichen Herausforderungen bewusst sind.
Verschiedene Kriterien wie das Geschlecht, der Familienstand, das Herkunfts-land
und die damit verbundene Kultur, das Wertesystem, der Werdegang, die
Erfahrungen etc. erlauben einen spezifischen Blick auf das HRM. Der vorlie-gende
Beitrag konzentriert sich auf das Kriterium Alter und beleuchtet, wie
sich das Personalmanagement auf eine Belegschaft einstellen kann, die alters-mässig
sehr heterogen zusammengesetzt ist. Diese neue Perspektive auf das
HRM wird Demografiemanagement genannt. Dabei ist wichtig, dass nicht nur
von älteren Mitarbeitenden die Rede ist (vgl. Moser/Egger/Thom 2008), son-dern
von allen Alterskategorien.
2 Demografiemanagement als Perspektive eines
nachhaltigen Personalmanagements
Demografiemanagement ist keine neue personalwirtschaftliche Funktion. Es
ist vielmehr eine altersgruppenspezifische Betrachtung des HRM, die fast alle
bestehenden Personalfunktionen betrifft. Die verschiedenen Altersgruppen
werden in dieser neuen Perspektive als eigenständige Zielgruppen wahrge-nommen
und differenziert behandelt. Damit trägt das Personalmanagement
der Tatsache Rechnung, dass Menschen in verschiedenen Alterskategorien
unterschiedliche Bedürfnisse, Kompetenzen und Ressourcen aufweisen. Der
häufig anzutreffende Begriff des Age Managements wird bewusst nicht verwen-det,
weil damit meistens der Umgang mit älteren Mitarbeitenden gemeint ist
(vgl. Grün 2007: 339 f.). Eine durchaus wichtige Thematik, die aber hier zu
kurz greift. Die systematische Analyse des Demografiemanagements erfordert
zweierlei: Erstens die Beschreibung eines HRM-Systems als Strukturierungs-grundlage
für personalwirtschaftliche Funktionen und zweitens die Erarbei-tung
eines Klassifizierungsmodells hinsichtlich Alterskategorien.
Das Personalmanagement ist dann nachhaltig, wenn es den folgenden
sechs Kriterien genügt: Partizipation, Wertschöpfungsorientierung, Strate-gieorientierung,
Kompetenz- und Wissensorientierung, Anspruchsgruppen-orientierung
und Flexibilität (vgl. Zaugg 2009: 121 ff.). Bezogen auf das Demo-grafiemanagement
können diese Kriterien das Folgende bedeuten:
3. Demografiemanagement 339
fPartizipation: Mitarbeitende aller Alterskategorien übernehmen Verant-wortung
für die eigene Entwicklung und können die Gestaltung ihrer
Arbeitssysteme mitbestimmen.
fWertschöpfungsorientierung: Der Wettbewerbsdruck zwingt zu einem effi-zienten
Ressourceneinsatz und zu wertschöpfenden Aktivitäten. Das HRM
muss – auch unter demografisch erschwerten Bedingungen – jederzeit in
der Lage sein, die Unternehmung mit qualifizierten und motivierten Mit-arbeitenden
zu versorgen.
fStrategieorientierung: Die grosse Bedeutung des intellektuellen Kapitals
bzw. der Humanressourcen erfordert eine strategische Orientierung. Die
Personalfunktion soll demografische Herausforderungen antizipieren
und rechtzeitig geeignete Massnahmen einleiten. Das Strategic Workforce
Management ist dafür ein Beispiel.
fKompetenz- und Wissensorientierung: Unterschiedliche Altersgruppen ver-fügen
über unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Erfahrungen.
Diese Kompetenzen gilt es zu identifizieren, zu rekrutieren, zu entwi-ckeln,
zugänglich zu machen, zu nutzen, mit der Strategie abzustimmen,
zu bewerten und zu sichern (vgl. Zaugg 2006: 4). Demografiemanagement
trägt viel zur Bewirtschaftung des Wettbewerbsfaktors Wissen bei.
fAnspruchsgruppenorientierung: Das individuelle Eingehen auf die spezifi-schen
Bedürfnisse verschiedener Altersgruppen schafft eine hohe Akzep-tanz
bei den Betroffenen und steigert deren Motivation.
fFlexibilität: Die Individualisierung oder zielgruppenspezifische Differen-zierung
der Personalarbeit dürfte zum Teil einen höheren Aufwand zur
Folge haben. Als Nutzen resultiert aber gleichzeitig eine höhere Flexibili-tät,
weil verschiedene Personengruppen mit verschiedenen Ressourcen zur
Verfügung stehen, die sich in unterschiedlichen Situationen wirkungsvoll
einsetzen lassen.
Das Demografiemanagement ist somit in hohem Masse nachhaltig. Es führt
zum Aufbau, zur Entwicklung und zum Erhalt strategischer Kompeten-zen,
«(…) die zur Wertschöpfung der Unternehmung beitragen, die Arbeits-marktfähigkeit
der Mitarbeitenden sicherstellen und gesellschaftliche Werte
berücksichtigen. (…) Im Verständnis einer kontinuierlichen Organisations-entwicklung
trägt das (nachhaltige) Personalmanagement zur Steigerung der
Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit der Organisation bei.
Dadurch erhöht sich die organisationale Flexibilität. Durch die Unterstützung
4. 340 Robert J. Zaugg
des organisationalen Lernens fördert das Personalmanagement zudem die
Wissensgenerierung» (Zaugg 2009: 61).
Die Funktionen eines nachhaltigen Personalmanagements sind in Abbil-dung
1 zusammengefasst. Dieses Modell wird durch Metafunktionen, Prozess-und
Querschnittsfunktionen sowie eine Servicefunktion gebildet. Die Meta-funktionen
weisen einen übergreifenden Charakter auf. Sie beeinflussen das
gesamte HRM-System und sind eher strategisch ausgerichtet. Es handelt sich
um Funktionen, die idealerweise von einem zentralen HRM-Kompetenzzen-trum
oder spezialisierten Dienstleistern erbracht werden.
Strategisches
Personalmanagement
Kommunikation
Wissens -
management
Personalpflege
Personalgewinnung
Personalentwicklung
HRM-Services
Personal führung
MD
Personal marketing
Personal organisation
Personal controlling
Interne
Wandel und
Transformation
Personaleinsatz
Personalerhaltung
Personalplanung
Abbildung 1: Systematik des Personalmanagements (Zaugg 2009: 197)
Personalfreistellung
Die klassischen personalwirtschaftlichen Tätigkeiten sind in den Prozessfunk-tionen
(«HRM-Lifecycle») zusammengefasst. Sie charakterisieren den idealty-pischen
Entwicklungsprozess eines Mitarbeitenden im Unternehmen. Die drei
Querschnittsfunktionen (Personalmarketing, Personalorganisation und Perso-nalcontrolling)
sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ausgeprägte Schnittstel-len
zu allen anderen Funktionen aufweisen. In der HRM-Servicefunktion sind
schliesslich alle operativen, standardisierbaren und zum Teil auch digitalisierba-ren
HRM-Prozesse zusammengefasst. Sie können durch ein internes HRM-Servi-
5. Demografiemanagement 341
ce-Center, externe Dienstleister und/oder elektronische Systeme erbracht werden.
Während strategische Aufgaben eher im «Kopf» des HRM-Modells angesiedelt
sind, finden sich operative Prozesse vor allem an dessen Basis, in den HRM-Servi-ces.
Alle Prozess- und Querschnittsfunktionen weisen Schnittstellen zu den strate-gischen
Aufgaben im oberen Teil des HRM-Gebäudes und Schnittstellen zu stan-dardisierbaren
Prozessen im unteren Teil auf. In einem nächsten Schritt werden
jetzt Alterskategorien gebildet und anschliessend in einer Matrix den verschiede-nen
Funktionen gegenübergestellt. Daraus resultieren Hinweise darauf, wie per-sonalwirtschaftliche
Funktionen altersspezifisch auszugestalten sind.
3 Demografiemanagement-Modell
3.1 Alterskategorien
In Anlehnung an biosoziale und berufliche Lebenszyklusmodelle (vgl. Graf: 2002
und Graf 2007: 267 ff.) wird zwischen den folgenden vier Phasen bzw. Alters-gruppen
differenziert (vgl. Abbildung 2): Einführung (unter 30 Jahre), Entwick-lung
(30 bis 45 Jahre), Leistung (46 bis 60 Jahre) und Transfer (über 60 Jahre).
Entwicklungs-phasen
der Mit-arbeitenden
Einführung Entwicklung Leistung Transfer
Mitarbeiter-kategorie
Junior oder
Career-Starter
Professional Experienced
Professional
Senior
Professional
Alters-kategorien
unter 30 Jahre 30 bis 45 Jahre 46 bis 60 Jahre über 60 Jahre
Beschreibun-gen
Mitarbeitende,
die in das Be-rufsleben
ein-steigen,
Wissen
aufbauen und
Erfahrungen
sammeln.
Mitarbeitende,
die ihr Tätig-keitsfeld
gut
kennen, sich
weiterentwi-ckeln
(Lauf-bahn)
und eine
hohe Leistung
erbringen.
Mitarbeitende, die an ihrer
Zielposition angekommen
sind und sich umfang-reiches
Wissen erworben
haben. Gesundheit und
Life Domain Balance ge-winnen
an Bedeutung. Es
kann sich auch um Wie-dereinsteiger
handeln.
Mitarbeitende,
die ihr Wissen
und ihre Erfah-rungen
weiter-geben
sowie für
Spezialaufga-ben
zur Verfü-gung
stehen.
Abbildung 2: Demografiemanagement-Modell: Alterskategorien
6. 342 Robert J. Zaugg
Die Einteilung in Alterskategorien ist simplifizierend. Sie dient zur groben Typi-sierung.
Die Grenzen sind fliessend und die Merkmalsausprägungen in einer
Kategorie können sehr unterschiedlich sein («junge Alte» oder «alte Junge»).
Anhand der Zielsetzungen der Mitarbeiterkategorien lassen sich diese
Gruppen weiter spezifizieren. So sind Career-Starter oder Juniors daran inter-essiert,
Fähigkeiten und Kompetenzen aufzubauen sowie Erfahrungen zu sam-meln.
Diese Personen lassen sich auch durch Erlebnisse («Events») begeistern.
Die Professionals wollen Verantwortung übernehmen und in ihrer Laufbahn
weiterkommen. Es kann sich hierbei um eine Fach-, eine Projekt- oder eine
Linienlaufbahn handeln. Sie wollen ihre Kompetenzen ausbauen und lassen
sich durch Herausforderungen motivieren. Experienced Professionals trachten
danach, ihre Verantwortung auszubauen und ihre Leistungen zu optimieren.
Im Sinne einer ausgewogenen Ressourcenbeanspruchung streben sie zusätzlich
nach Life-Domain-Balance (vgl. Ulich/Wiese 2011: 41 ff.). Senior Professionals
wollen ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben. Sie können Spezialauf-gaben
übernehmen. Aufgrund einer wieder höheren Zeitsouveränität sind sie
flexibel einsetzbar.
Aufschlussreich ist auch, wie sich der Kompetenzfokus im Zeitablauf
ändert. Während der Einführung stehen die Fachkompetenz und die Ver-mittlung
der Unternehmenswerte im Vordergrund. Im Zuge der Entwicklung
gewinnen die Sozialkompetenz und die Führungskompetenz an Bedeutung.
Für diejenigen Mitarbeitenden, die sich für eine Fachkarriere entscheiden, gilt
es, die Fachkompetenz zu vertiefen. In der Phase Leistung, die mit einer grös-seren
Verantwortung einhergehen kann, ist die unternehmerische Kompe-tenz
(Leadership, Veränderungsfähigkeit, strategisches Denken etc.) besonders
wichtig. Die Phase Transfer verlangt von der Mitarbeitenden wiederum eine
besonders hohe Sozialkompetenz. Sie müssen in der Lage sein, ihr Wissen und
ihre Erfahrungen an jüngere Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben sowie
die Unternehmenswerte als Vorbilder zu leben.
3.2 Altersspezifische Betrachtung der HRM-Funktionen
Bei der altersgruppenspezifischen Betrachtung der verschiedenen Funktionen
des HRM zeigt sich zweierlei: Erstens weisen alle Funktionen diesbezügliche
Ansatzpunkte auf, und zweitens lassen sich die meisten Funktionen für ver-schiedene
Altersgruppen differenzieren. Dies gilt insbesondere für die HRM-Lifecycle-
Funktionen.
7. Demografiemanagement 343
Entwicklungs-phasen
Einführung Entwicklung Leistung Transfer
Strategisches
Personal-management
r Explizite Verankerung des Demografiemanagements in der Personalpolitik
(inkl. Nennung der verschiedenen Mitarbeitergruppen)
r Berücksichtigung des Demografiemanagements in der HR Balanced
Scorecard (HR-BSC)
r Kulturmassnahmen (z. B. «Edelmetall statt Alteisen») und Sensibilisierung
aller Altersgruppen
r Identifikation und Prüfung wichtiger Demografietrends
r Analyse alterspezifischer Fragestellungen in Mitarbeiterbefragungen
r Diversity Management
Personal -
führung und
Management
Development
(MD)
r Mitarbeiter-gespräch
und
Management-by-
Objektives
(MAG/MbO;
Fokus Kompe-tenzaufbau)
r Potenzialein-schätzung
r MAG/MbO
(Fokus
Entwicklung)
r Nachfolgepla-nung
(inkl.
Potenzialein-schätzung)
r Kaderentwick-lung
r 360-Grad-Feed-back
r Sensibilisierung
Vorgesetzte
r MAG/MbO
(Fokus
Leistung)
r Nachfolgepla-nung
r Kaderentwick-lung
r 360-Grad-Feed-back
r Sensibilisierung
Vorgesetzte
r MAG/MbO
(Fokus Transfer)
r Nachfolge-planung
Wissens-management
r Wissenstrans-fer
Jüngere Æ
Ältere
r Systematisches
Wissens- und
Kompetenz-management
r Systematisches
Wissens- und
Kompetenz-management
r Wissenstransfer
Ältere ´
Jüngere
Interne
Kommunikation
r Kommunikationskonzept (inkl. Wahl altersgerechter Kommunikationskanäle
und -formen)
r Altersspezifische Themenstellungen regelmässig in der Kommunikation
aufgreifen
Transformation
und Wandel
r Systematisches
Change Ma-nagement
r Systematisches
Change
Management
r Involvierung in
Veränderungs-projekte
r Systematisches
Change
Management
r Involvierung in
Veränderungs-projekte
(als
Projektleiter)
r Systematisches
Change
Management
r Involvierung in
Veränderungs-projekte
(als
Berater)
Personalpflege r Life Domain Balance
r Gesundheitsmanagement
r Well-being-Angebot
Abbildung 3: Ausgewählte Ansatzpunkte des Demografiemanagements (Teil 1)
8. 344 Robert J. Zaugg
Aus der Vielzahl möglicher Ansatzpunkte des Demografiemanagements wer-den
Beispiele aus dem strategischen Personalmanagement, dem Wissensma-nagement
und der Personalpflege hervorgehoben. Beim strategischen HRM
gilt es einerseits, das Demografiemanagement explizit in Grundsatzdokumen-ten
wie beispielsweise der Personalpolitik zu verankern. Andererseits sind die
damit verbundenen Werte (z. B. Offenheit, Kommunikation, Sensibilität für
unterschiedliche Lebensentwürfe und Einstellungen etc.) mittels geeigneter
Kulturmassnahmen zu fördern. Das Wissensmanagement ist darauf angewiesen,
dass Mitarbeitende aller Alterskategorien ihr Wissen teilen. Der Wissenstrans-fer
kann von älteren Mitarbeitenden zu jüngern und umgekehrt erfolgen (vgl.
z. B. das Stafettenmodell bei Blum/Zaugg 1999: 105). Die Sicherung einer aus-gewogenen
Life Domain Balance beginnt nicht erst im Alter (vgl. Ulich/Wiese
2011: 49 ff.). Bereits in frühen Entwicklungs- und Karrierephasen gilt es, dem
eigenen Ressourcenmanagement im Sinne der Selbstmanagement-Kompetenz
(vgl. Graf 2006: 247 ff.) Beachtung zu schenken. Die Personalpflege, die sich der
psychischen und physischen Gesundheit der Mitarbeitenden und deren Wohl-befinden
widmet, spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle.
Auch die Prozessfunktionen des HRM («HRM-Lifecycle») und die Quer-schnittsfunktionen
bieten vielfältige Ansatzpunkte für das Demografiemanage-ment
(vgl. Abbildungen 4 und 5). Mithilfe des Strategic Workforce Manage-ments
(SWM), das künftige qualitative und quantitative Anforderungen an die
Mitarbeitenden ermittelt und steuert, lässt sich eine altersgruppengerechte Per-sonalplanung
sicherstellen. Wenn frühzeitig bekannt ist, welche Kompetenzen
benötigt werden, können sich die Mitarbeitenden rechtzeitig darauf einstellen
und Massnahmen ergreifen. Die Personalentwicklung ist wohl die Königsdiszi-plin
des Demografiemanagements. «Mit der Ausrichtung der PE-Massnahmen
auf den individuellen Lebenszyklus erhält die Förderung der Mitarbeitenden
eine zusätzliche dynamische Komponente» (Graf 2007: 276). Diese Massnah-men
stellen sicher, dass junge Mitarbeitende rasch an ihre volle Leistungsfä-higkeit
herangeführt werden, dass Menschen der mittleren Alterskategorien
Karriereschritte unternehmen und ihre Leistungsfähigkeit ausbauen sowie
dass ältere Mitarbeitende möglichst lange eine hohe Leistungsfähigkeit erhal-ten
und ihre Ressourcen optimal einsetzen können. Arbeitszeitmodelle mit lan-gen
Bezugszeiträumen und hohen Flexibilitätsgraden bezüglich Chronologie
und Chronometrie erlauben es Mitarbeitenden, ihre beruflichen Aufgaben mit
ihren privaten Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Die Bandbreite flexibler
Arbeitszeitmodelle ist gross. Sie reicht von der variablen Arbeitszeit über Teil-
9. Demografiemanagement 345
zeitmodelle bis hin zur Jahresarbeitszeit und Lebensarbeitszeit. Sabbaticals
und Langzeitkonti sind Arbeitszeitmassnahmen, die sich gut mit den erwähn-ten
Modellen kombinieren lassen.
Entwicklungs-phasen
Einführung Entwicklung Leistung Transfer
Personal-planung
r Strategic Workforce Management
r Altersgruppenspezifisches Kompetenzmanagement
Personal-gewinnung
r E-Recruiting
r Social Media
r Professionelles
Bewerberma-nagement
r E-Recruiting
r Professionelles
Bewerberma-nagement
r Altersneutrale
Stellenaus-schreibungen
r Professionelles
Bewerberma-nagement
r Vertragsgestal-tung
für flexible
Einsätze
Personal-entwicklung
r Einstiegspro-gramme
r Aus- und Wei-terbildung
r Fach-, Linien-und
Projektkar-rieren
r Berufsbildung
r Weiterbildung
r Fach-, Linien-und
Projektkar-rieren
r Personalent-wicklung
r Weiterbildung
r Personalent-wicklung
r Weiterbildung
r Senior
Professional
Programm
Personaleinsatz r Flexible
Arbeitszeit-modelle
(Fokus:
Attraktivität)
r Flexible
Arbeitszeit-modelle
(Fokus:
Attraktivität)
r Auslandsent-sendungen
r Flexible
Arbeitszeit-modelle
(Fokus:
Flexibilität)
r Auslandsent-sendungen
r Flexible
Arbeitszeit-modelle
(Fokus:
Flexibilität)
r Gleitende
Pensionierung
Personal-erhaltung
und
Motivation
r Altersgerechtes
Lohn- und An-reizsystem
r Altersgerechtes
Lohn- und An-reizsystem
r Retention-Ma-nagement
r Altersgerechtes
Lohn- und An-reizsystem
r Pensionskasse
(Vorsorge)
r Altersgerechtes
Lohn- und An-reizsystem
Personal-freistellung
r Professioneller Trennungsprozess r Frühzeitige
und gleitende
Pensionierung
Abbildung 4: Ausgewählte Ansatzpunkte des Demografiemanagements (Teil 2)
Bei den Querschnittsfunktionen sind insbesondere die altersgruppenspezifi-sche
Ansprache der verschiedenen Bewerbergruppen im Rahmen des Perso-nalmarketings
und die Bereitstellung relevanter Führungsinformationen zum
Thema Demografie durch das Personalcontrolling, hervorzuheben. Wenn es
10. 346 Robert J. Zaugg
Unternehmen gelingt, die Employee Value Proposition altersgerecht zu spezifi-zieren,
werden sie ein wesentlich grösseres Erwerbskräftepotenzial ansprechen.
Führungskräfte, die aussagekräftige und interpretationsförderlich aufbereitete
Demografiedaten erhalten, werden diesbezügliche Massnahmen besser verste-hen
und unterstützen.
Entwicklungs-phasen
Einführung Entwicklung Leistung Transfer
Personal-marketing
r Employer Bran-ding
und Em-ployee
Value
Proposition für
jüngere Mit-arbeitende
r Nutzung von
«Jungen» als
Botschafter
r Präsenz Social
Media und
Internetauftritt
r Employer Bran-ding
und Em-ployee
Value
Proposition für
Fachleute und
Führungskräfte
r Nutzung Netz-werk
für die
Personalgewin-nung
r Nutzung Netz-werk
für die
Personalgewin-nung
Personal-controlling
r Bereitstellung und attraktive Aufbereitung relevanter Führungsinformationen
(zum Thema Demografie)
r Erfahrungsaustausch und Benchmarking im Bereich Demografiemanagement
HR-Organisation r Effiziente und effektive Prozesse in allen Bereichen des HRM
r Eindeutige Klärung der Ansprechpersonen («Single Point of Contact»)
HRM-Services r Professionelle Dienstleistungen für Mitarbeiter aller Alterskategorien
r Altersgruppenspezifische Beratung und Unterstützung durch Personalberater/
innen
Abbildung 5: Ausgewählte Ansatzpunkte des Demografiemanagements (Teil 3)
Bei der Personalorganisation und den HRM-Services kommt es darauf an, dass
Kommunikationskanäle gewählt werden, die eine altersgerechte Differenzie-rung
zulassen, da sich die Technologienutzung dieser Gruppen deutlich unter-scheiden
kann.
11. Demografiemanagement 347
4 Schlussfolgerungen
Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Belegschaft und
den Arbeitsmarkt sind weitreichend und bekannt. Gleichwohl scheint in vielen
Unternehmen immer noch ein mangelndes Dringlichkeitsgefühl zu bestehen,
wenn es um die Umsetzung entsprechender Massnahmen geht. Das kann fatale
Folgen haben. Diese Firmen laufen Gefahr, ihre Wettbewerbsposition im «War
for Talent» (wobei Talente aller Alterskategorien gemeint sind) zu verschlech-tern.
Diesbezügliche Rückstände sind sehr schwer aufzuholen, weil sich die
notwendigen Kulturen nicht innert kurzer Zeit aufbauen lassen. Die konse-quente
Umsetzung altersgruppenspezifischer Massnahmen in Rahmen eines
integrierten und umfassenden Demografiemanagements ist zwar wichtig, die
Aktivitäten werden aber nur dann zum Erfolg führen, wenn sie von einem ent-sprechenden
Führungsverständnis der Vorgesetzten sowie einer hohen Sensi-bilität
und Selbstverantwortung der Mitarbeitenden getragen sind. In diesem
Sinne ist das Demografiemanagement immer mit Kulturmassnahmen zu kom-binieren.
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