SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 16
Downloaden Sie, um offline zu lesen
Digitalisierung oder Mediatisierung?
Der analytische Blick auf die
Transformation der Sozialen Arbeit
Online‐Vortrag auf der Tagung „Digitalisierung und Soziale Arbeit“
22.10.2020 an der FernUniversität Hagen
Prof. Dr. Alexander Unger ‐ Hochschule Darmstadt
Aufbau
1. Medien und gesellschaftlicher Wandel
2. „Digitalisierungsdispositiv“
3. Mediatisierungstheorie
1. Historische Verortung
2. Entgrenzung durch Mediatisierung
4. Beispiel: (Online‐)Beratung
Medien und gesellschaftlicher Wandel
• Medien als „Motor“ gesellschaftlichen Wandel
• Verbreitung Geräte + Infrastruktur (Smartphone, 5G)
• Nutzungszahlen (JIM‐/KIM; ARD/ZDF Online‐Studie)
• Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche
• Kein abgetrennter Medienbereich
• Sozialisationsinstanz Medien
• Niederschlag von „Medien“ in der Soziale Arbeit
• Lebenswelt Klientel
• Nutzung + „Soziale Problemlagen“
• Medieneinsatz in den Handlungsfeldern
• Kinder‐/Jugendarbeit, Beratung usw. (vgl. Lerche 2010, Helbig 2014)
Medien und gesellschaftlicher Wandel
• Wie den Wandel interpretieren?
• Unterschiedliche Beschreibungsansätze: Digitalisierung und Mediatisierung
• Öffentliche + politische Debatte
• Wissenschaftliche Debatte + Diskurs SA
• Beschreibungsansätze als „Dispositive“ (Foucault/Deleuze)
• Netz aus Elementen wie Gesetze, Maßnahmen, Grundannahmen usw.
• (vgl. Wimmer 2012)
• Machtvolle Struktur die Realität formt
• Sprachregelung: was wie gesagt und was nicht gesagt werden kann
• Rahmt polit. Maßnahmen + Entscheidungen
„Digitalisierungsdispositiv“
http://digitaler‐bildungspakt.de
Der Digital Index „zeigt auf empirischer Grundlage auf, wie die
Gesellschaft die Veränderungen durch die Digitalisierung
adaptiert. Die Studie dient als Basis für aktuelle und zukünftige
Entscheidungen durch politische, wirtschaftliche,
zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche AkteurInnen.“
(Initiative D21 2020, 7)
„Digitalisierungsdispositiv“
• Wirtschaftlicher Fokus
• Bestehen im internationalen Wettbewerb
• Digitale (Bedien‐)Kompetenzen
• (Per se) Hinterherhinken
• Zeitlicher Druck/ Digitalisierungsdruck
• Schnelles + „blindes“ Aufholen
• Einseitiger Fokus auf „Digitalisierung“
• Ausblendung anderer Thematiken
• Neu + Vorbildlos
• Digitale Technik als Lösung
• Geräte + Infrastruktur
• Mensch als Add‐on
Metaprozesse
• Metaprozesse (Krotz 2007: 25ff.)
• Umfassender sozialer‐kulturellen Wandel
• Durchschlagen von Makro‐ und Micro‐Ebene und umgekehrt
• Globalisierung + flexibler Mensch (Sennett)
• Pluralistischer Ansatz
• Wechselverhältnis mit anderen Metaprozessen
• Globalisierung, Individualisierung usw.
• Öffnung für Themenfelder der SA
• Mediatisierung als Metaprozess
• Verbreitung virtueller Kommunikation
Historische Perspektive
• Verknüpfung gesell.
Entwicklung mit
Medienevolution
• Neue Medien + neue
Medientypen
• Unterschiedliche Phasen
• Transformation der Face‐
to‐Face Kommunikation
• Phasen qualitativ
vergleichen
• Nichts vollkommen Neues
• Konstanz des Wandels
• Qualitative Veränderung
• „Lessons learned“
• Phase der „Durchsetzung
digitaler Kommunikation“
• (Krotz 2007: 38)
Faulstich 2006: 13
Bedeutungserzeugung durch Kommunikation
• Welt als symbolisches Bedeutungsgewebe (Krotz 2007: 51)
• Durch Kommunikation in leiblicher Anwesenheit erzeugt
• Kommunikation im Zentrum der Weltkonstitution
• Orientierung für (soziales) Handeln
• „Witz“ der Mediatisierungstheorie
• Medien nicht nur als Instrumente
• die zu Handlungen hinzu kommen
• Bedeutungserzeugung per se medial gerahmt 
• „Primärmedium“ Sprache
• Auswirkung auf sozial‐kulturelle Verfassung als Ganzes
Entgrenzung durch digitale Kommunikation
• Entgrenzung zeitlicher, räumlicher und situativer
Strukturen (Krotz 2007: 94ff.; Hepp 2010: 67)
• Menschen nutzen Medien
• zu immer mehr Zeiten
• Streaming
• An immer mehr Orten  virtuelle Orte
• Kommunikation in Medien
• In immer mehr sozialen Kontexten
• Freundschaftspflege über SNS
• Transformation sozialer Kontexte
Mediatisierung und Onlineberatung
• Onlineberatung
• Zeitlich, räumlich, situativ entgrenzt
• Mediatisierungsphasen:
• Telefonische Beratung  Onlineberatung (Engelhardt/Reindel 2016)
• „Neue Medien“: Gesprochene Sprache  asynchrone Schriftlichkeit (E‐Mail, Chat)
• „Herausforderungsbündel“ (Lange/Klimsa 2019: 167 ff.)
• Entgrenzung Arbeitsbedingungen + Organisationsstruktur
• Entgrenzung Klientel
• Thematische Entgrenzung (+ Vertiefung)
• Methodische Entgrenzung (Gespräch  Schriftlichkeit)
• Disziplinäre Herausforderung
• Unter‐ oder Nebenordnung
• Professionelles Selbstverständnis
• Entgrenzung institutionalisierter Praxis/Handlungsfeld als Ganzes
• Analyse + Reflexion  Gestaltung
• Blended Counseling (Engelhardt/Riedel 2016: 136)
• Geht über Digitalisierungsdispositiv hinaus
Blendend Counseling
• „Blended Counseling bedeutet, sich systematisch der Vielfalt
unterschiedlicher Kommunikationskanäle zu bedienen, sei es im
Distance Counseling per Telefon, Onlineberatung, videogestütztem
Verfahren etc., oder im direkten Gespräch vor Ort […]“
(Engelhardt/Riedel 2016: 136).
• Erweiterung Professionalität durch Mediatisierung (vgl. Wenzel 2015)
• Situative Wahl Kommunikationsmedium für aktuelle Beratungsphase Phase
• Förderlichen Prozess  Bedürfnisse/Situation Klient
• Hybrider Ansatz: Verzahnung der Medien
• Auf Basis professioneller Kompetenz
• Nicht auf Digitalisierungsdruck bzw. auf Softwarelösung ausgerichtet
• Über normativer Debatte hinaus: reale vs. virtuelle Kommunikation
• Analyse der Entgrenzung durch Mediatisierung in anderen
Handlungsfeldern SA
AB12
AB13
AB14
AB15
Zusammenfassung
• Analysemodell für Transformation sozialer Praxis
• Erweiterung der Analysedimensionen
• (Methodik, prof. Selbstverständnis usw.)
• Entzerrung des Digitalisierungsdrucks
• Aus geschichtsloser, instrumenteller Logik heraus
• Verortung in historischem Prozess (Stadien)
• Lessons Learned
• Normative Entscheidung  (reflexive) Gestaltungsoptionen
• Blick über technische Lösungen hinaus
• Gestaltung sozialer Praxis
• Mehrwert Klientel
• Nicht neuste digitale Technologie
Literatur
• Bretsche, Oliver/ Como‐Zipfel, Frank (2016): Sozialpädagogische Perspektiven auf die Digitalisierung. Soziale Passagen 8, S. 235‐254.
• Foucault, Michel (2000): Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Merve: Berlin.
• Initiative D 21 e. V. (2020): Wie digital ist Deutschland? D21 Digitale Index 19/20. Stuttgart: Hochschule der Medien.
• Helbig, C. (2014). Medienpädagogik in der Sozialen Arbeit. Konsequenzen aus der Mediatisierung für Theorie und Praxis. München: kopaed.
• Krotz, Friedrich (2006): Konnektivität der Medien: Konzepte, Bedingungen und Konsequenzen. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Moores,
Shaun/Winter, Carsten (Hrsg.): Konnektivität, Netzwerk und Fluss. Wiesbaden: VS, S. 21–42.
• Krotz, Friedrich (2007): Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag.
• Krotz, Friedrich/ Hepp, Andreas (Hrsg.) (2012): Mediatisierte Welten. Wiesbaden: Springer: VS.
• Krotz, Friedrich/ Despotović, Cathrin/ Kruse. Merle‐Marie (Hrsg.) (2014): Die Mediatisierung sozialer Welten. Synergien empirischer Forschung.
Wiesbaden: Springer VS.
• Lange, Andreas/Klimsa, Anja (2019): Medien in der sozialen Arbeit. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.
• Lerche, Ulrike (2010): Soziale Arbeit, Bildung und Medien. In: Cleppien, Georg/Lerche, Ulrike (Hrsg.): Soziale Arbeit und Medien. Wiesbaden:
Springer VS, S. 85‐104
• Marotzki, Winfried/Jörissen, B.enjamin(2009): Medienbildung ‐ Eine Einführung. Theorie ‐ Methoden ‐ Analysen. Stuttgart
• Stüwe, Gerd/Ermel, Nicole (2019): Lehrbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung. Weinheim: Beltz Juventa.
• Wimmer, Mario (2012): Dispositiv. In: Frietsch, Ute (Hrsg.): Praxeologische Begriffe. Ein Handwörterbuch der Historischen Kulturwissenschaften.
Bielefeld: Transcript.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Prof. Dr. Alexander Unger
alexander.unger@h‐da.de

Weitere ähnliche Inhalte

Ähnlich wie Digitalisierung oder Mediatisierung?.pdf

Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"
Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"
Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"Franco Rau
 
Vortrag düsseldorf 2011_print
Vortrag düsseldorf 2011_printVortrag düsseldorf 2011_print
Vortrag düsseldorf 2011_printJan Schmidt
 
Kommunikationswissenschaftliche Onlineforschung
Kommunikationswissenschaftliche OnlineforschungKommunikationswissenschaftliche Onlineforschung
Kommunikationswissenschaftliche OnlineforschungJan Schmidt
 
Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen
Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen
Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen Jan Schmidt
 
#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos
#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos
#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos#onkomm13
 
Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...
Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...
Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...Jochen Robes
 
Digital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der Schule
Digital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der SchuleDigital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der Schule
Digital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der SchuleTanja Jadin
 
Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...
Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...
Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...Jochen Robes
 
Kommunikationswandel hamburg 2010_print
Kommunikationswandel hamburg 2010_printKommunikationswandel hamburg 2010_print
Kommunikationswandel hamburg 2010_printJan Schmidt
 
Digitale Kompetenzmodelle
Digitale KompetenzmodelleDigitale Kompetenzmodelle
Digitale Kompetenzmodelledavidroethler
 
Social Media in der Verwaltung
Social Media in der VerwaltungSocial Media in der Verwaltung
Social Media in der Verwaltungdavidroethler
 
Social What? Zur Theorie der Webpraktiken
Social What? Zur Theorie der WebpraktikenSocial What? Zur Theorie der Webpraktiken
Social What? Zur Theorie der WebpraktikenNele Heise
 
Multimedia Production
Multimedia ProductionMultimedia Production
Multimedia ProductionNina Rebele
 
Lernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizieren
Lernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizierenLernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizieren
Lernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizierenLisa Rosa
 
Merz thomas 2016_frankfurt_pdf
Merz thomas 2016_frankfurt_pdfMerz thomas 2016_frankfurt_pdf
Merz thomas 2016_frankfurt_pdfvonspecht-esw
 
Lissabon janschmidt 2011_print
Lissabon janschmidt 2011_printLissabon janschmidt 2011_print
Lissabon janschmidt 2011_printJan Schmidt
 
Fragen zu Gestaltung in Zeiten der Mediatisierung
Fragen zu Gestaltung in Zeiten der MediatisierungFragen zu Gestaltung in Zeiten der Mediatisierung
Fragen zu Gestaltung in Zeiten der MediatisierungKlaus Rummler
 

Ähnlich wie Digitalisierung oder Mediatisierung?.pdf (20)

Die Rolle von Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess
Die Rolle von Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess Die Rolle von Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess
Die Rolle von Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess
 
Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"
Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"
Digitale Kompetenz - Forum "Digitale Interaktive Didaktik"
 
Vortrag düsseldorf 2011_print
Vortrag düsseldorf 2011_printVortrag düsseldorf 2011_print
Vortrag düsseldorf 2011_print
 
Social Media
Social Media Social Media
Social Media
 
Kommunikationswissenschaftliche Onlineforschung
Kommunikationswissenschaftliche OnlineforschungKommunikationswissenschaftliche Onlineforschung
Kommunikationswissenschaftliche Onlineforschung
 
Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen
Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen
Schöne neue Welt? Web 2.0 – Veränderungen, Herausforderungen, Chancen
 
#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos
#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos
#onkomm13 - Panel 2 - Swaran Sandhu (Hochschule der Medien): Dialog als Mythos
 
Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...
Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...
Vernetzt, digital, personalisiert: neues Lehren und Lernen für neue Zielgrupp...
 
Digital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der Schule
Digital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der SchuleDigital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der Schule
Digital Life: Smartphone und Co: Digitale Medienbildung in der Schule
 
Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...
Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...
Social Media und Internet: Wo stehen wir heute, welche Trends und Visionen ko...
 
Diversität und Spaltung - Digitale Medien in der Gesellschaft
Diversität und Spaltung - Digitale Medien in der GesellschaftDiversität und Spaltung - Digitale Medien in der Gesellschaft
Diversität und Spaltung - Digitale Medien in der Gesellschaft
 
Kommunikationswandel hamburg 2010_print
Kommunikationswandel hamburg 2010_printKommunikationswandel hamburg 2010_print
Kommunikationswandel hamburg 2010_print
 
Digitale Kompetenzmodelle
Digitale KompetenzmodelleDigitale Kompetenzmodelle
Digitale Kompetenzmodelle
 
Social Media in der Verwaltung
Social Media in der VerwaltungSocial Media in der Verwaltung
Social Media in der Verwaltung
 
Social What? Zur Theorie der Webpraktiken
Social What? Zur Theorie der WebpraktikenSocial What? Zur Theorie der Webpraktiken
Social What? Zur Theorie der Webpraktiken
 
Multimedia Production
Multimedia ProductionMultimedia Production
Multimedia Production
 
Lernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizieren
Lernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizierenLernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizieren
Lernen anleiten im digitalen Zeitalter. Verstehen und praktizieren
 
Merz thomas 2016_frankfurt_pdf
Merz thomas 2016_frankfurt_pdfMerz thomas 2016_frankfurt_pdf
Merz thomas 2016_frankfurt_pdf
 
Lissabon janschmidt 2011_print
Lissabon janschmidt 2011_printLissabon janschmidt 2011_print
Lissabon janschmidt 2011_print
 
Fragen zu Gestaltung in Zeiten der Mediatisierung
Fragen zu Gestaltung in Zeiten der MediatisierungFragen zu Gestaltung in Zeiten der Mediatisierung
Fragen zu Gestaltung in Zeiten der Mediatisierung
 

Digitalisierung oder Mediatisierung?.pdf

  • 1. Digitalisierung oder Mediatisierung? Der analytische Blick auf die Transformation der Sozialen Arbeit Online‐Vortrag auf der Tagung „Digitalisierung und Soziale Arbeit“ 22.10.2020 an der FernUniversität Hagen Prof. Dr. Alexander Unger ‐ Hochschule Darmstadt
  • 2. Aufbau 1. Medien und gesellschaftlicher Wandel 2. „Digitalisierungsdispositiv“ 3. Mediatisierungstheorie 1. Historische Verortung 2. Entgrenzung durch Mediatisierung 4. Beispiel: (Online‐)Beratung
  • 3. Medien und gesellschaftlicher Wandel • Medien als „Motor“ gesellschaftlichen Wandel • Verbreitung Geräte + Infrastruktur (Smartphone, 5G) • Nutzungszahlen (JIM‐/KIM; ARD/ZDF Online‐Studie) • Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche • Kein abgetrennter Medienbereich • Sozialisationsinstanz Medien • Niederschlag von „Medien“ in der Soziale Arbeit • Lebenswelt Klientel • Nutzung + „Soziale Problemlagen“ • Medieneinsatz in den Handlungsfeldern • Kinder‐/Jugendarbeit, Beratung usw. (vgl. Lerche 2010, Helbig 2014)
  • 4. Medien und gesellschaftlicher Wandel • Wie den Wandel interpretieren? • Unterschiedliche Beschreibungsansätze: Digitalisierung und Mediatisierung • Öffentliche + politische Debatte • Wissenschaftliche Debatte + Diskurs SA • Beschreibungsansätze als „Dispositive“ (Foucault/Deleuze) • Netz aus Elementen wie Gesetze, Maßnahmen, Grundannahmen usw. • (vgl. Wimmer 2012) • Machtvolle Struktur die Realität formt • Sprachregelung: was wie gesagt und was nicht gesagt werden kann • Rahmt polit. Maßnahmen + Entscheidungen
  • 6. Der Digital Index „zeigt auf empirischer Grundlage auf, wie die Gesellschaft die Veränderungen durch die Digitalisierung adaptiert. Die Studie dient als Basis für aktuelle und zukünftige Entscheidungen durch politische, wirtschaftliche, zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche AkteurInnen.“ (Initiative D21 2020, 7)
  • 7. „Digitalisierungsdispositiv“ • Wirtschaftlicher Fokus • Bestehen im internationalen Wettbewerb • Digitale (Bedien‐)Kompetenzen • (Per se) Hinterherhinken • Zeitlicher Druck/ Digitalisierungsdruck • Schnelles + „blindes“ Aufholen • Einseitiger Fokus auf „Digitalisierung“ • Ausblendung anderer Thematiken • Neu + Vorbildlos • Digitale Technik als Lösung • Geräte + Infrastruktur • Mensch als Add‐on
  • 8. Metaprozesse • Metaprozesse (Krotz 2007: 25ff.) • Umfassender sozialer‐kulturellen Wandel • Durchschlagen von Makro‐ und Micro‐Ebene und umgekehrt • Globalisierung + flexibler Mensch (Sennett) • Pluralistischer Ansatz • Wechselverhältnis mit anderen Metaprozessen • Globalisierung, Individualisierung usw. • Öffnung für Themenfelder der SA • Mediatisierung als Metaprozess • Verbreitung virtueller Kommunikation
  • 9. Historische Perspektive • Verknüpfung gesell. Entwicklung mit Medienevolution • Neue Medien + neue Medientypen • Unterschiedliche Phasen • Transformation der Face‐ to‐Face Kommunikation • Phasen qualitativ vergleichen • Nichts vollkommen Neues • Konstanz des Wandels • Qualitative Veränderung • „Lessons learned“ • Phase der „Durchsetzung digitaler Kommunikation“ • (Krotz 2007: 38) Faulstich 2006: 13
  • 10. Bedeutungserzeugung durch Kommunikation • Welt als symbolisches Bedeutungsgewebe (Krotz 2007: 51) • Durch Kommunikation in leiblicher Anwesenheit erzeugt • Kommunikation im Zentrum der Weltkonstitution • Orientierung für (soziales) Handeln • „Witz“ der Mediatisierungstheorie • Medien nicht nur als Instrumente • die zu Handlungen hinzu kommen • Bedeutungserzeugung per se medial gerahmt  • „Primärmedium“ Sprache • Auswirkung auf sozial‐kulturelle Verfassung als Ganzes
  • 11. Entgrenzung durch digitale Kommunikation • Entgrenzung zeitlicher, räumlicher und situativer Strukturen (Krotz 2007: 94ff.; Hepp 2010: 67) • Menschen nutzen Medien • zu immer mehr Zeiten • Streaming • An immer mehr Orten  virtuelle Orte • Kommunikation in Medien • In immer mehr sozialen Kontexten • Freundschaftspflege über SNS • Transformation sozialer Kontexte
  • 12. Mediatisierung und Onlineberatung • Onlineberatung • Zeitlich, räumlich, situativ entgrenzt • Mediatisierungsphasen: • Telefonische Beratung  Onlineberatung (Engelhardt/Reindel 2016) • „Neue Medien“: Gesprochene Sprache  asynchrone Schriftlichkeit (E‐Mail, Chat) • „Herausforderungsbündel“ (Lange/Klimsa 2019: 167 ff.) • Entgrenzung Arbeitsbedingungen + Organisationsstruktur • Entgrenzung Klientel • Thematische Entgrenzung (+ Vertiefung) • Methodische Entgrenzung (Gespräch  Schriftlichkeit) • Disziplinäre Herausforderung • Unter‐ oder Nebenordnung • Professionelles Selbstverständnis • Entgrenzung institutionalisierter Praxis/Handlungsfeld als Ganzes • Analyse + Reflexion  Gestaltung • Blended Counseling (Engelhardt/Riedel 2016: 136) • Geht über Digitalisierungsdispositiv hinaus
  • 13. Blendend Counseling • „Blended Counseling bedeutet, sich systematisch der Vielfalt unterschiedlicher Kommunikationskanäle zu bedienen, sei es im Distance Counseling per Telefon, Onlineberatung, videogestütztem Verfahren etc., oder im direkten Gespräch vor Ort […]“ (Engelhardt/Riedel 2016: 136). • Erweiterung Professionalität durch Mediatisierung (vgl. Wenzel 2015) • Situative Wahl Kommunikationsmedium für aktuelle Beratungsphase Phase • Förderlichen Prozess  Bedürfnisse/Situation Klient • Hybrider Ansatz: Verzahnung der Medien • Auf Basis professioneller Kompetenz • Nicht auf Digitalisierungsdruck bzw. auf Softwarelösung ausgerichtet • Über normativer Debatte hinaus: reale vs. virtuelle Kommunikation • Analyse der Entgrenzung durch Mediatisierung in anderen Handlungsfeldern SA AB12 AB13 AB14 AB15
  • 14. Zusammenfassung • Analysemodell für Transformation sozialer Praxis • Erweiterung der Analysedimensionen • (Methodik, prof. Selbstverständnis usw.) • Entzerrung des Digitalisierungsdrucks • Aus geschichtsloser, instrumenteller Logik heraus • Verortung in historischem Prozess (Stadien) • Lessons Learned • Normative Entscheidung  (reflexive) Gestaltungsoptionen • Blick über technische Lösungen hinaus • Gestaltung sozialer Praxis • Mehrwert Klientel • Nicht neuste digitale Technologie
  • 15. Literatur • Bretsche, Oliver/ Como‐Zipfel, Frank (2016): Sozialpädagogische Perspektiven auf die Digitalisierung. Soziale Passagen 8, S. 235‐254. • Foucault, Michel (2000): Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Merve: Berlin. • Initiative D 21 e. V. (2020): Wie digital ist Deutschland? D21 Digitale Index 19/20. Stuttgart: Hochschule der Medien. • Helbig, C. (2014). Medienpädagogik in der Sozialen Arbeit. Konsequenzen aus der Mediatisierung für Theorie und Praxis. München: kopaed. • Krotz, Friedrich (2006): Konnektivität der Medien: Konzepte, Bedingungen und Konsequenzen. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Moores, Shaun/Winter, Carsten (Hrsg.): Konnektivität, Netzwerk und Fluss. Wiesbaden: VS, S. 21–42. • Krotz, Friedrich (2007): Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag. • Krotz, Friedrich/ Hepp, Andreas (Hrsg.) (2012): Mediatisierte Welten. Wiesbaden: Springer: VS. • Krotz, Friedrich/ Despotović, Cathrin/ Kruse. Merle‐Marie (Hrsg.) (2014): Die Mediatisierung sozialer Welten. Synergien empirischer Forschung. Wiesbaden: Springer VS. • Lange, Andreas/Klimsa, Anja (2019): Medien in der sozialen Arbeit. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. • Lerche, Ulrike (2010): Soziale Arbeit, Bildung und Medien. In: Cleppien, Georg/Lerche, Ulrike (Hrsg.): Soziale Arbeit und Medien. Wiesbaden: Springer VS, S. 85‐104 • Marotzki, Winfried/Jörissen, B.enjamin(2009): Medienbildung ‐ Eine Einführung. Theorie ‐ Methoden ‐ Analysen. Stuttgart • Stüwe, Gerd/Ermel, Nicole (2019): Lehrbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung. Weinheim: Beltz Juventa. • Wimmer, Mario (2012): Dispositiv. In: Frietsch, Ute (Hrsg.): Praxeologische Begriffe. Ein Handwörterbuch der Historischen Kulturwissenschaften. Bielefeld: Transcript.
  • 16. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Prof. Dr. Alexander Unger alexander.unger@h‐da.de