Zukunftsforschung - Wie wird sich technologiegestütztes Lernen entwickeln?
Lernservice-Engineering - Eine ökonomische Perspektive auf technologiegestütztes Lernen
1.
2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
besserten Leistungserstellungs- und Bereitstellungs-
1. Hintergrund
eines
betriebswirtscha3lichen
Service-‐
prozessen ermöglicht werden kann (Gabriel et al.,
verständnisses
von
technologiegestütztem
Lernen
2007). Beim Leistungserstellungs- und Bereitstel-
Das Bildungswesen ist seit einigen Jahren massiven lungsprozess können sich Vorteile durch eine
Veränderungen ausgesetzt. Dazu gehören im Hoch- größere Orts- und Zeitunabhängigkeit der Lehre
schulkontext unter anderem die Umstellung der uni- sowie die mögliche Wiederverwendbarkeit von tech-
versitären Abschlüsse im Rahmen des Bologna-Pro- niologiegestützten Lerninhalten zeigen (Gabriel et al.,
zesses, die Entwicklungen hin zu einem Konzept des 2008; Hofhues & Dürnberger, im Druck). Hin-
„lebenslangen Lernens“ sowie der zunehmende Ein- sichtlich der Leistungserstellungsprozesse und -ergeb-
fluss technologischer Impulse (zum Beispiel techno- nisse bietet technologiegestütztes Lernen zudem be-
logiegestütztes Lernen, Campus-Management- sonderes Potenzial im Hinblick auf innovative, bei-
Systeme, Online-Erhebungen und -Tests; Gabriel et spielsweise virtuelle kollaborative Lernformen, bei
al., 2007). denen größerer Raum für Interaktionen zwischen
Diese Veränderungen haben nicht nur didaktische und mit den Lernenden geschaffen wird, um die
und hochschulpolitische Konsequenzen, sondern Handlungskompetenz der Lernenden nachhaltig zu
auch ökonomische Relevanz, was sich im Hochschul- fördern (Brauchle, 2007, 2). Gleichzeitig stellen tech-
bereich vor allem durch sich ändernde Wertschöp- nologiegestützte Ansätze des Lehrens und Lernens
fungs- und Wettbewerbsstrukturen zeigt. Die bisher die Akteurinnen und Akteure aber auch vor enorme
dominierende Interpretation von Bildung als kultur- Herausforderungen. Auf Seiten der Anbieter sind
hoheitlichem Gut musste beziehungsweise durfte sich oftmals erhebliche Investitionen erforderlich, unter
nicht konsequent an ökonomischen Maßstäben anderem für den Aufbau des erforderlichen interdis-
messen und hat auf der Basis einer gesicherten öf- ziplinären Know-How und die erforderliche Infra-
fentlichen Finanzierung über Jahre das vorherr- struktur. Etablierte Abläufe müssen oft angepasst
schende Selbstverständnis der Akteurinnen und Ak- und neu abgestimmt werden (zum Beispiel Aner-
teure geprägt. Immer stärker müssen nun aber im kennung von Lehrdeputaten) und die Lehr- und
Hinblick auf eine nachhaltige, qualitative, zukunfts- Lernmaterialien bedürfen der kontinuierlichen Pflege
orientierte und zugleich wettbewerbsfähige Hoch- und Wartung.
schulbildung auch ökonomische Rahmenbedin- Technologisch unterstützte Ansätze des Lernens
gungen berücksichtigt und durch die Hochschulen und Lehrens werden daher im Folgenden in An-
selbst mitgestaltet werden. In der Konsequenz er- lehnung an Gabriel et al. (2008) als Lernservices –
fahren die Hochschulen, wie auch die hochschulin- und damit aus einem ökonomischen Blickwinkel –
ternen Akteure als Leistungserbringer, immer deut- thematisiert. Sie stellen große Potenziale in Aussicht,
licher die Bedeutung sowie die Herausforderungen müssen aber hinsichtlich Ihrer systematischen Er-
einer konsequenten Marktorientierung mit der Not- stellung und Verwendung ökonomischen An-
wendigkeit zur Erschließung individueller Effizienz- sprüchen genügen, um diese Potenziale nutzbar zu
und Effektivitätspotenziale als Basis nachhaltiger machen. Durch den Zusatz „Services“ (Englisch für
Wettbewerbsvorteile. In diesem Zusammenhang „Dienstleistungen“) wird diese unmittelbare Be-
kann technologiegestütztes Lernen den Hochschulen deutung ökonomischer Konzepte hervorgehoben.
e i n e n Wettbewerbsvorteil verschaffen, da neue Dies meint jedoch nicht, dass Lernservices ein aus-
Technologien erhebliche neue Gestaltungsspielräume schließlich ökonomisch geprägter Betrachtungsge-
bieten. genstand sind. Sie unterliegen stets auch mindestens
Nach Engelhardt (1966) können bei allen Leis- technischen, didaktischen sowie organisatorischen
tungen drei Leistungsdimensionen unterschieden Rahmenbedingungen. Durch die Nähe des Begriffs
werden: Lernservices zu dem der elektronischen Services soll
▸ die Bereitstellungsleistung, schließlich auch die Relevanz der technischen Unter-
▸ der Leistungserstellungsprozess und stützung von Lehr- und Lernprozessen herausgestellt
▸ das Leistungsergebnis. werden. Der Begriff „Lernservices“ bezieht sich
damit unmittelbar auf Konzepte des technologiege-
Technologiegestütztes Lernen hat dabei den entschei- stützten Lernens und stellt deren interdisziplinären
denden Vorteil, dass in Bezug auf das Absatzobjekt Charakter heraus.
Bildung ein verbessertes Leistungsergebnis (höhere
Lernzufriedenheit und höherer Lernerfolg) bei
gleichzeitig auch unter Kostengesichtspunkten ver-
3. Lernservice-‐Engineering.
Eine
ökonomische
PerspekBve
auf
technologiegestütztes
Lernen
—
3
2. Typen
technologiegestützter
Lerninhalte
Material für künftige Lernarrangements eingesetzt
Bevor näher auf die Gestaltung von Lernservices werden (Wheeler et al., 2008; Franklin & Van Har-
eingegangen wird, werden im Folgenden ver- melen, 2007).
schiedene Formen von technologiegestützten Lernin- Um durch den Einsatz von technologiegestütztem
halten definiert. Die dargestellte Klassifizierung und Lerninhalt den gewünschten Rahmen für die Leh-
die darin enthaltenen Typen von Lerninhalten stellen renden zu schaffen, muss die Wahl zwischen diesen
damit das inhaltliche Rüstzeug für die Erstellung von drei Inhaltsformen auch unter Effizienzgesichts-
Lernservices vor, bieten aber gleichzeitig auch eine punkten erfolgen. Ziel ist dabei ein möglichst posi-
Einschätzung über den mit den einzelnen Ausprä- tives Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Erstellung
gungen von Lernmaterialien verbundenen Erstel- und Nutzung, um die knappen Ressourcen der Leh-
lungsaufwand. renden und der Hochschule optimal einsetzen zu
Es werden dabei die drei Formen von technolo- können. Eine geeignete Grundlage hierfür bietet die
giegestützten Lernmaterialien, nämlich webba- Systematisierung der verschiedenen technologiege-
sierte Selbstlerneinheiten, rasch erstellte Lernmate- stützten Inhaltsformen hinsichtlich ihrer Erstellungs-
rialien („Rapid E-Learning-Content“) sowie von Ler- und Nutzungsprozesse. Aus dieser können konkrete
nenden erstellte Inhalte („Lernergenerierte Inhalte“) Handlungsempfehlungen für die Wahl bzw. Kombi-
unterschieden. Die Begriffe werden im Folgenden er- nation und den Einsatz der verschiedenen Inhalts-
läutert. arten in konkreten Lernarrangements abgeleitet
Webbasierte Selbstlerneinheiten oder Lern- werden.
module sind Lernprogramme, die auf Internet-Tech- Dazu lassen sich die Inhaltsarten anhand zweier
nologien basieren und werden auch als Web-Based Dimensionen systematisieren:
Trainings bezeichnet (Mair, 2005). Sie zeichnen sich ▸ Zum einen nach den Leistungserstellern: Erstellen
durch eine multimediale Darstellung der Lerninhalte die Lehrenden oder die Lernenden selbst die In-
aus. So können neben Texten auch Grafiken, Ta- halte?
bellen, Videos, Ton und (interaktive) Animationen für ▸ Zum anderen nach dem im Leistungserstellungs-
die Darstellung der Informationen verwendet prozess benötigten Ressourceneinsatz und der
werden. Qualität der so erstellen Leistungsangebote:
Technologiegestützte Lernmaterialien mit einem Werden aufwendig hochwertige Inhalte erstellt
beschleunigten Erstellungsprozess werden auch oder eher kurzfristig tendenziell einfachere?
als „Rapid E-Learning-Content“, also einer Wortzu-
sammensetzung aus Rapid Prototyping und E- Der erste Punkt entspricht der Unterscheidung von
Learning, bezeichnet. Dazu gehören digital aufbe- anbieter- und nachfragergenerierten Inhalten.
reitete Vorträge, oft als E-Lectures bezeichnet, die Web-Based Trainings und E-Lectures sind dabei an-
aus einer Kombination von Audio- bzw. Videoele- bietergenerierten Inhalten zuzuordnen, während
menten mit synchronisierten Text- und Bildele- Learner-Generated-Content nutzergeneriert ist. Die
menten bestehen (Gersch et al., 2010; Reinmann & zweite Dimension unterscheidet zwischen Fast- und
Mandl, 2009). Auf diesem Wege wird eine zeit- und Slow-Content. Dieser Begriff wird analog zur Ein-
kostengünstigere Erstellung von technologiege- teilung in Fast-Food und Slow-Food verwendet.
stützten Lerninhalten möglich, die zudem weniger Ebenso wie Fast-Food zeichnet sich Fast-Content
technische Kompetenz auf Seiten der Erstellenden (Rapid-E-Learning-Inhalte) durch schnelle Umsetz-
voraussetzt. barkeit aus, mit der jedoch Abstriche in der Qualität
Ähnliches gilt auch für von Lernenden erstellte einhergehen – ganz im Gegensatz zu Slow-Food bzw.
Lerninhalte. Das sind technologiegestützte Lernin- -Content, dessen längerfristig umgesetzter aber auch
halte, die im Rahmen von Lernarrangements durch ressourcenintensiverer Erstellungsprozess eine
die Lernenden selbst entwickelt und umgesetzt höhere Qualität der Inhalte in Aussicht stellt (Gabriel
werden. Hierzu eignet sich insbesondere der Einsatz et al., 2009; Gersch et al., 2010).
von Anwendungen wie Wikis oder Blogs, die es den Mit Hilfe der fünf Merkmale Qualität, Kollabo-
Lernenden ermöglichen, Inhalte kollaborativ mit den rativität, Produktionsaufwand, Flexibilität und Glaub-
Mitlernenden zu entwickeln und somit eine sehr viel würdigkeit können die Felder der so entstehenden
intensivere Auseinandersetzung mit den Lerninhalten Matrix detailliert beschrieben und differenziert
fördern. Die so erstellten Inhalte können zudem als werden, um so Handlungsempfehlungen für einen ef-
fizienten Einsatz der unterschiedlichen Typen tech-
nologiegestützter Lerninhalte zu erhalten.
4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
Anbietergenerierte
Inhalte Nachfragergenerierte
Inhalte
Slow Merkmal Webbasierte
Selbstlerneinheiten Wikibasierte
Lerninhalte
Content DidakBsch:
hoch
(beispielsweise
individuelle DidakBsch:
im
Erstellungsprozess
sehr
hoch
Qualität
Lernpfade) (ProdukBonsprozess
ist
Bestandteil
des
Lernpro-‐
MulBmedial:
hoch
(vielfälBge
mulBmediale zesses;
akBve
Auseinandersetzung
mit
den
In-‐
Darstellungsformen)
halten);
bei
der
erneuten
Anwendung
stark
vari-‐
Inhaltlich:
hoch
ierend
zwischen
den
verschiedenen
Wikis.
MulBmedial:
miPel
bis
hoch
(vielfälBge
mulB-‐
mediale
Darstellungsformen)
Inhaltlich:
abhängig
von
den
Lernenden
Kollabora-‐ Auf
Seiten
der
Lehrenden:
zur
Erstellung
hohe Auf
Seiten
der
Lehrenden:
Grad
der
Unterstüt-‐
Lvität KollaboraBvität
erforderlich
zung
der
Lernenden
je
nach
Lernarrangement
Auf
Seiten
der
Lernenden:
je
nach
didakB-‐ Auf
Seiten
der
Lernenden:
sehr
hoch
(entschei-‐
schem
Design,
tendenziell
gering
dend
für
die
Erstellung
der
Ergebnisse)
ProdukL-‐ Technisch:
hohe
Anforderungen
an
Hard-‐
und Technisch:
miPel
(abhängig
von
der
gewünsch-‐
onsauf-‐ SoXware
ten
MulBmedialität)
wand Personell:
hoch
(besondere
Anforderungen
an Personell:
auf
Seiten
der
Lehrenden
sehr
gering;
technische
und
didakBsche
Kompetenz)
auf
Seiten
der
Lernenden
eher
hoch
Zeitlich:
hoch
Zeitlich:
individuell
eher
gering;
lange
Wachs-‐
Kosten:
entsprechend
hoch
tumsphase
des
Inhalts
Kosten:
eher
gering
(Freeware)
Flexibiltät Auf
Seiten
der
Lehrenden:
vielfälBge
Gestal-‐ Auf
Seiten
der
Lehrenden:
vielfälBge
Nutzungs-‐
tungsopBonen;
aber
eingeschränkte
Aktualisie-‐ opBonen
(Wiederverwendbarkeit)
rungs-‐
und
Anpassungsmöglichkeit
Auf
Seiten
der
Lernenden:
vielfälBge
Gestal-‐
Auf
Seiten
der
Lernenden:
vielfälBge
Nutzungs-‐ tungs-‐
und
NutzungsopBonen
opBonen
Glaubwür-‐ Grundsätzlich
relaBv
hoch
(kann
durch
gezielte Eher
geringer
(Notwendigkeit
eines
Qualitäts-‐
digkeit Maßnahmen
zusätzlich
gefördert
werden;
z.B. managements
von
Seiten
der
Lehrenden);
zu
Nutzung
von
Personenmarken) steigern
durch
Nutzerbewertungen
und
Quali-‐
tätssiegel
Fast Merkmal Rapid-‐E-‐Learning-‐Inhalte
(E-‐Lectures) Blogbasierte
Lerninhalte
Content
Qualität DidakBsch:
geringer
(vorgegebener
Lernpfad) DidakBsch:
sehr
hoch
(ProdukBonsprozess
ist
MulBmedial:
miPel
(auf
eine
Darstellungsform Bestandteil
des
Lernprozesses;
akBve
Auseinan-‐
beschränkt)
dersetzung
mit
den
Inhalten)
Inhaltlich:
hoch,
aber
beschränkt
auf
be-‐ MulBmedial:
hoch
(vielfälBge
mulBmediale
Dar-‐
sBmmte
Themenaspekte
sowie
abhängig
vom stellungsformen)
Referenten
Inhaltlich:
abhängig
von
den
Lernenden
Kollabora-‐ Auf
Seiten
der
Lehrenden:
gering
Auf
Seiten
der
Lehrenden:
Grad
der
Unterstüt-‐
Lvität Auf
Seiten
der
Lernenden:
gering
zung
der
Lernenden
je
nach
Lernarrangement
Auf
Seiten
der
Lernenden:
hoch
(entscheidend
für
die
Bewertung/
KommenBerung
der
Ergeb-‐
nisse)
ProdukL-‐ Technisch:
eher
geringe
Anforderungen
an Technisch:
eher
gering
(abhängig
von
der
ge-‐
onsauf-‐ Hard-‐
und
SoXware
wünschten
MulBmedialität)
wand Personell:
gering
Personell:
auf
Seiten
der
Lehrenden
sehr
gering;
Zeitlich:
gering
auf
Seiten
der
Lernenden
eher
hoch
Kosten:
entsprechend
gering
Zeitlich:
eher
gering
Kosten:
eher
gering
(Freeware)
Flexibiltät Auf
Seiten
der
Lehrenden:
vorgegebene
Gestal-‐ Auf
Seiten
der
Lehrenden:
eher
gering
tungsopBonen
Auf
Seiten
der
Lernenden:
vielfälBge
Gestal-‐
Auf
Seiten
der
Lernenden:
vorgegebene
Nut-‐ tungsopBonen,
aber
geringe
ModifikaBonsmög-‐
zungsopBonen
lichkeiten
Glaubwür-‐ Grundsätzlich
hoch,
allerdings
stark
abhängig Geringer
(Notwendigkeit
eines
Qualitätsmana-‐
digkeit vom
Referenten gements
von
Seiten
der
Lehrenden)
Tabelle:
Systematisierungsansatz
von
technologiegestützten
Lerninhaltsarten
(Gersch
et
al.,
2010)
5. Lernservice-‐Engineering.
Eine
ökonomische
PerspekBve
auf
technologiegestütztes
Lernen
—
5
Nach Kundinnen und Kunden (zum Beispiel Ler-
In
welcher
Weise
sind
Microblogging-‐AkBvitäten
von
nenden) differenzierte Leistungsangebote sollen
? Lernenden
im
Seminar
sowie
Podcasts
einer
Bildungs-‐
einrichtung
mit
Interviews
von
ExperBnnen
und
Ex-‐ durch Mass-Customization-Ansätze zu einem der
perten
in
dem
vorgestellten
System
(siehe
Tabelle
auf Massenproduktion vergleichbarem Kostenniveau rea-
der
vorherigen
Seite)
zur
Bewertung
von
Lerninhalten lisiert und angeboten werden können (Piller, 2006).
einzuordnen
und
zu
beschreiben?
Diesbezüglich zeigen Erfahrungen aus anderen Ser-
viceindustrien, dass Standardisierung und Differen-
3. Lernservice-‐Engineering:
Ansätze
zur
Unterstützung zierung/Individualisierung keineswegs unvereinbare
einer
systemaLschen
Entwicklung
von
Lernservices
Gegensätze darstellen, sondern dass Standardisierung
Vor dem Hintergrund der dargestellten Verände- regelmäßig sogar mit einer, auch durch den Nach-
rungen, Herausforderungen und Lernservicecharak- frager empfundenen, Qualitätssteigerung des diffe-
teristika (insbesondere auch dem Leistungsbündel- renzierten/individualisierten Leistungsangebotes ein-
charakter) wurde „Lernservice-Engineering“ als in- hergehen kann.
terdisziplinärer Erstellungsansatz für die Entwicklung Es lassen sich im Kontext von technologiege-
von Lernservices erarbeitet. stütztem Lernen verschiedene Ansatzpunkte für eine
Umsetzung erkennen, wie zum Beispiel eine Modula-
risierung von Leistungskomponenten (siehe die vor-
Der
Begriff
des
Lernservice-‐Engineering
nimmt
dabei
gestellten Typen von Lerninhalten), die im Idealfall
! Bezug
auf
das
im
Dienstleistungsmanagement
eta-‐
blierte
„Service
Engineering“
sowie
das
in
der
(Wirt-‐ immer wieder zu differenzierten Leistungsbündeln
schaXs-‐)
InformaBk
etablierte
„SoXware
Engineering“. (re-) kombiniert werden können (zu weiteren alterna-
Es
beschreibt
die
interdisziplinäre
Bereitstellung
und tiven Umsetzungsmöglichkeiten einer Mass Customi-
systemaBsche
Verwendung
von
Prinzipien,
Methoden zation siehe Büttgen, 2002).
und
Werkzeugen
für
die
zielorienBerte
(arbeitsteilige, Im Folgenden steht die Umsetzung mit Hilfe sog.
ingenieursgleiche)
Gestaltung
und
Entwicklung
von
Lehr-‐Lern-‐Leistungsangeboten.
Serviceplattformen im Vordergrund, die sich nicht
nur zur wettbewerbsstrategischen Ausrichtung,
sondern insbesondere auch zur Förderung der Ver-
In diesem Kapitel steht dabei die ökonomische Seite breitung und des Einsatzes innovativer Lehr- und
des Lernservice-Engineering im Vordergrund. Ziel ist Lernkonzepte an Institutionen mit dezentralen Struk-
die Umsetzung einer sogenannten Mass-Customi- turen und unterschiedlichen Kenntnisständen in
zation-Strategie in Bezug auf das technologiege- Bezug auf deren Gestaltung und Einsatz – wie zum
stützte Lernen. Im Kern geht es dabei um eine zielge- Beispiel den Hochschulen – eignen.
richtete Standardisierung von Teilleistungen und Teil-
prozessen im Rahmen einer Modularisierungsstra-
tegie, die zu individualisierten oder zielgruppenspezi- Serviceplaoormen
sind
konzepBonelle
Sets
von
op-‐
fischen Leistungsbündeln in Form von hybriden Ler- ! Bonalen
Teilelementen/-‐systemen
und
SchniPstellen,
die
eine
mehrfach
verwendbare
Struktur
bilden
auf
narrangements kombiniert werden können (Da Sil-
deren
Grundlage
immer
wieder
differenzierte
Leis-‐
veira et al., 2001). tungsangebote
effizient
und
effekBv
entwickelt
und
realisiert
werden
können
(Stauss,
2006).
Nicht
zu
ver-‐
wechseln
sind
Serviceplaoormen
mit
LernplaP-‐
Das
aus
den
Begriffen
Mass
ProducBon
und
Customi-‐ formen
(Learning
Management
Systeme,
LMS;
siehe
! zaBon
zusammengesetzte
Oxymoron
„Mass
Customi-‐
zaBon“
bezeichnet
also
ein
zumeist
technologisch
ge-‐
Kapitel
#infosysteme,
#systeme)
stütztes
Konzept
zur
Auflösung
der
vermeintlichen
Ge-‐ Im Kontext des Lernservice-Engineering stellen
gensätzlichkeit
von
Differenzierung
und
Kostenorien-‐ Serviceplattformen Veranstaltungsgrundtypen dar,
Berung
(Porter,
1995;
Piller,
2006).
Damit
ist
der
Ge-‐
gensatz
zwischen
individuellen
und
daher
häufig
kos-‐
die als Grundlage für verschiedene Bildungsangebote
tenintensiven
Leistungsangeboten
(Differenzierung) dienen. Sie setzen sich aus idealtypischen Veranstal-
und
möglichst
standardisierten
und
deswegen
kosten-‐ tungsphasen, Leistungspotenzialen (wie Web-Based
günsBg
realisierbaren
Leistungsangeboten
(Kostenori-‐ Trainings, Fallstudien, E-Lectures), Betreuern, Pro-
enBerung)
gemeint.
zessen und Schnittstellen zusammen, die gemeinsam
die Grundlage zur Entwicklung und Realisierung
immer wieder differenzierter Leistungsangebote dar-
Können
Sie
erklären,
warum
Differenzierung
und
Kos-‐
stellen. Im Prozess des didaktischen Designs, welcher
? tenorienBerung
sehr
häufig
als
Gegensatz
betrachtet
wird?
die Konkretisierung der abstrakten Serviceplatt-
6. 6
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
Abbildung
1:
Hierarchisches
Begriffsverständnis
(Weber,
2008,
S.
29).
formen zu konkreten Lernservices bezeichnet, ist Auch innerhalb der Lernszenarien als Veranstal-
dafür Sorge zu tragen, dass das zu konzipierende tungsgrundtypen lässt sich das Konzept der Mass
Leistungsangebot nicht nur effizient erstellt wird, Customization mit Hilfe von Serviceplattformen
sondern dass es auch den (Qualitäts-) Ansprüchen fortsetzen. So können Lernszenarien auf (teil-)stan-
der jeweiligen Leistungsempfänger/innen entspricht dardisierten Veranstaltungsphasen aufbauen, die je-
und somit möglichst Effizienz- und Effektivitätsvor- weils spezifischen Lernzielen verpflichtet sind. Die
teile für den Leistungsanbieter zusammenbringt. Standardisierung auf Ebene der Veranstaltungs-
Dem Konzept liegt auf dieser Ebene somit eine Un- phasen bezieht sich dabei auf eine idealtypische Vor-
terscheidung von abstrakten Veranstaltungsgrund- kombination von Leistungskomponenten, die als
typen (Lernszenarien bzw. Serviceplattformen) und Teilarrangements bestimmte Zielsetzungen und Ab-
Lernarrangements als konkreten Lernservices zu- läufe repräsentieren, so dass im Ergebnis eine zwei-
grunde. Abbildung 1 verdeutlicht den Zusam- stufige Serviceplattformstrategie resultiert. Ab-
menhang und differenziert für die Betrachtung von bildung 2 verdeutlicht das Zusammenspiel von Leis-
Lernservices zudem zwischen einer Makro-, Meso- tungskomponenten, Veranstaltungsphasen und
und Mikroebene. Lernszenarien und ihre Konkretisierung zu Lernar-
Abbildung
2:
Lernservice-‐Engineering
(Gersch
&
Weber
2007,
S.
23).
7. Lernservice-‐Engineering.
Eine
ökonomische
PerspekBve
auf
technologiegestütztes
Lernen
—
7
rangements. dividualisierung der Leistungsangebote. Zudem
So verstandene Plattformen erlauben die systema- fördert der Ansatz über Serviceplattformen die Dif-
tische Entwicklung von neuen Lernservices auf der fusion der Kenntnisse im Bezug auf die Realisierung
Basis dokumentierter technischer, didaktischer und innovativer Lehr- und Lernkonzepte. Im Vorder-
ökonomischer Erfahrungen und Erkenntnisse zu den grund des Lern-Service-Engineering steht daher all-
verfügbaren Komponenten und deren Kombination. gemein die effiziente Übertragung, Adaption und In-
So können etwa positive Erfahrungen in Bezug auf tegration von konkreten Unterstützungsmöglich-
eine bestimmte Verknüpfung von Inhaltstypen, Ver- keiten für die Leistungserstellung im Bildungswesen.
anstaltungsphasen, oder auch erfolgreiche Vorge- Literatur
hensweisen im Rahmen eines Lernszenarios bei der
Neuentwicklung eines technologiegestützten Lernan- ▸ Brauchle, B. (2007). Der Rolle beraubt: Lehrende als Vermittler
gebotes zugrunde gelegt werden. Die systematische von Selbstlernkompetenz. Berufs- und Wirtschaftspädagogik.
Wiederverwendung von Komponenten, Veranstal- URL: http://www.bwpat.de/ausgabe13/brauchle_bwpat13.pdf
tungsphasen und Lernszenarien bietet dabei erheb- [24-09-2009].
liches ökonomisches Potenzial. ▸ Büttgen, M. (2002). Mass Customization im Dienstleistungsbe-
reich. In: Mühlbacher, H. & Thelen, E. (Hrsg.), Neue Entwick-
4. Fazit
lungen im Dienstleistungsmarketing, Wiesbaden: Gabler, 257-
285.
Nennen
Sie
Vorteile
des
Lern-‐Service-‐Engineering
und ▸ Da Silveira, G.; Borenstein, D. & Fogliatto, F. S. (2001). Mass
? von
Mass-‐CustomizaBon
aus
Sicht
von
Anbietern
wie
Lernenden!
customization: Literature review and research directions. Inter-
national Journal of Production Economics, 72(1), 1-13.
▸ Engelhardt, W. H. (1966). Grundprobleme der Leistungslehre,
Die gegenwärtigen Veränderungen im Bildungswesen dargestellt am Beispiel der Warenhandelsbetriebe. Zeitschrift
begründen insbesondere aufgrund der Wettbewerb- für betriebswirtschaftliche Forschung, 18, 158-178.
sintensivierung und der veränderten Rahmenbedin- ▸ Franklin, T. & Van Harmelen, M. (2007). Web 2.0 for content
gungen die Notwendigkeit einer sowohl ökonomisch for Learning and Teaching in Higher Education. JISC. URL:
als auch didaktisch tragfähigen Leistungserstellungs- http://www.jisc.ac.uk/media/documents/programmes/digital-
strategie von Hochschulen und anderen Bildungsein- repositories/Web 2.0-content-learning-and-teaching.pdf
richtungen. Großes Potenzial in diesem Zusam- [17.09.2010].
menhang birgt die Übertragung erprobter und eta- ▸ Gabriel, R.; Gersch, M. & Weber, P. (2007). Mass Costumi-
blierter Konzepte aus anderen Dienstleistungs- und zation und Serviceplattformstrategien im Blended Learning
Servicebranchen, was eine Interpretation von Bil- Engineering. Wirtschaftinformatik Proceedings 2007, Paper 57,
dungsangeboten als bestimmte Dienstleistungen (Ser- URL: http://aisel.aisnet.org/wi2007/57 [15-11-2010].
vices) impliziert. Unter Vernachlässigung ideologi- ▸ Gabriel, R.; Gersch, M. & Weber, P. (2008). Möglichkeiten und
scher Streitigkeiten um den Charakter von Bildung Grenzen von Lern Services. WiSt, 2008(10), 563-565.
eröffnet das vorgeschlagene Serviceverständnis ein ▸ Gabriel, R.; Gersch, M.; Weber, P. & Le, S. (2009). Das Ende
Tor zu einer Bandbreite solcher Konzepte und An- der WBTs? Kernaussagenansatz, Personenmarken und Barter-
sätze. Übertragen auf den Leistungsgegenstand der modelle als konzeptionelle Antworten auf zentrale Herausfor-
Lernservices bietet beispielsweise der skizzierte Sys- derungen. In: A. Schwill & N. Apostolopoulos (Hrsg.), Lernen
tematisierungsansatz von technologiegestützten im digitalen Zeitalter. 7. e-Learning Fachtagung Informatik der
Lerninhalten eine Grundlage für ein effizientes und Gesellschaft für Informatik e.V. (DeLFI 2009).
an die Erfordernisse des jeweiligen Lernarrangements ▸ Gersch, M.; Lehr, C.;& Fink, C. (2010). Formen, Einsatz- und
anpassbares Produktions- und Einsatzkonzept der Kombinationsmöglichkeiten von E-Learning-Content - Ein
benötigten Lerninhalte. Dabei liegt der Fokus in Systematisierungsansatz am Beispiel kooperativer Lernarrange-
diesem Kapitel auf den Kostenaspekten des Ein- ments. In: Tagungsband GML 2010. Münster: Waxmann.
satzes von technologiegestützten Lerninhalten. Da- ▸ Gersch, M. & Weber, P. (2007). E-Learning Geschäftsmodelle.
neben müssen in die Analyse auch Nutzenaspekte Zeitschrift für e-Learning, 2(3), 19-28.
einbezogen werden (Gust, & Weiß, 2005). ▸ Gust, M. & Weiß, R. (2005). Praxishandbuch Bildungscon-
Auch der dargestellte serviceplattformbasierte trolling für exzellente Personalarbeit. Wien: USP Publishing.
Mass-Customization-Ansatz bietet Bildungseinrich- ▸ Hofhues, S. & Dürnberger, H. (im Druck). Anforderungen an
tungen Potenziale für eine standardisierungsbasierte E-Learning in pflegerischen und therapeutischen Studien-
Kostenorientierung und enthält gleichzeitig Möglich- gängen: Ergebnisse eines Workshops. Vortrag auf Hochschul-
keiten für eine auf Differenzierung ausgerichtete In-
8. 8
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
didaktik in pflegerischen und therapeutischen Studiengängen. ▸ Weber, P. (2008). Analyse von Lern-Service-Geschäftsmodellen
Bielefeld. vor dem Hintergrund eines sich transformierenden Bildungs-
▸ Mair, D. (2005). E-Learning - das Drehbuch. Handbuch für wesens. Frankfurt am Main: Peter Lang.
Medienautoren und Projektleiter. Berlin/Heidelberg: Springer. ▸ Wheeler, S.; Yeomans, P. & Wheeler, D. (2008). The good, the
▸ Piller, F.T. (2006). Mass Customization - Ein wettbewerbsstra- bad and the wiki: Evaluating student-generated content for col-
tegisches Konzept im Informationszeitalter. Wiesbaden, DUV laborative learning. British Journal of Educational Technology,
Gabler Edition Wissenschaft. 39(6), 987-995.
▸ Porter, M. E.(1995). Wettbewerbsstrategie. Frankfurt am
Main/New York: Campus.
▸ Reinmann, G. & Mandl, H. (2009). Wissensmanagement und
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